Beschluss vom 13.07.2017 -
BVerwG 8 C 7.17ECLI:DE:BVerwG:2017:130717B8C7.17.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.07.2017 - 8 C 7.17 - [ECLI:DE:BVerwG:2017:130717B8C7.17.0]

Beschluss

BVerwG 8 C 7.17

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juli 2017
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - und ihr Antrag auf Tatbestandsberichtigung werden zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1 1. Die Anhörungsrüge der Klägerin hat keinen Erfolg.

2 Nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO kann die Anhörungsrüge nur darauf gestützt werden, dass das Gericht den Anspruch der Klägerin, deren Revision der Senat mit Urteil vom 16. Dezember 2016 - 8 C 6.15 - zurückgewiesen hat, auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, dass der Senat entscheidungserhebliches Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat.

3 a) Mit der Rüge, der Senat habe ihren Vortrag zur Übertragbarkeit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 29. März 2000 - 2 BvL 3/96 - (BVerfGE 102, 99) zur Kompetenzabgrenzung zwischen dem Bund und den Ländern bei der Regelung von Erlaubnisvorbehalten nicht beachtet, zeigt die Klägerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör auf. Sie wendet sich mit ihrer Rüge vielmehr dagegen, dass der Senat sich ihrem Rechtsstandpunkt nicht angeschlossen hat. Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt keinen Schutz davor, dass ein Gericht dem Vorbringen von Beteiligten nicht folgt. Ebenso wenig vermittelt die Garantie rechtlichen Gehörs Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). Insbesondere wäre es verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Vortragselemente eines sehr umfangreichen Verfahrens zu folgern, das Gericht habe sich mit den darin enthaltenen Argumenten nicht befasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.).

4 Der Senat musste auf die in der Anhörungsrüge genannte bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung nicht gesondert eingehen, da diese eine landesrechtliche anlagenbezogene Zulassungsregelung im Anwendungsbereich einer abschließenden bundesgesetzlichen Zulassungsregelung für die Entsorgung von Abfällen und damit eine andere rechtliche Konstellation betraf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. März 2000 - 2 BvL 3/96 - BVerfGE 102, 99 <116, 118>). Anders als dort hat der Senat die Gesetzgebungskompetenzen für das streitgegenständliche Spielhallenrecht von dem Spielgeräte- und Aufstellererlaubnisrecht als unterschiedliche Materien dahingehend abgegrenzt, dass die Länder Regelungen der Voraussetzungen für die Erlaubnis und den Betrieb von Spielhallen treffen dürfen und der Bund zur Regelung produktbezogener, vom Aufstellungsort unabhängiger Anforderungen an Spielgeräte und der ortsübergreifenden Aufstellererlaubnis zuständig bleibt. Diese Abgrenzung wird vom Bundesverfassungsgericht geteilt (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 108).

5 b) Auch mit ihrer Rüge, der Senat habe den Vortrag der Revision zur Maßgeblichkeit des Normzwecks für die kompetenzrechtliche Zuordnung einer Regelung nicht erwogen, zeigt die Klägerin keinen Gehörsverstoß auf. Sie kritisiert vielmehr den vom Senat angewandten, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entnommenen verfassungsrechtlichen Maßstab für die Zuordnung von Regelungen zu Kompetenznormen nach ihrem Gegenstand und Gesamtzusammenhang (vgl. Urteilsabdruck - UA - Rn. 30 ff.). Nachdem das Bundesverfassungsgericht nunmehr dieselbe Zuordnung der Spielhallenregelungen zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG vorgenommen hat wie der erkennende Senat (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 - juris Rn. 111 ff.), könnten diese und die weiteren, ebenfalls lediglich die materielle Richtigkeit des Urteils betreffenden Rügen der Klägerin zur
- Zuordnung von Gefahrenabwehrregelungen als Annex einer Sachmaterie,
- Kompetenzergänzung von Regelungen über die Bauartzulassung und über Aufstellungsorte für Geldspielgeräte,
- Verletzung des Grundsatzes der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung und
- Zuordnung von gefahrenabwehrenden Regelungen zur Materie der "öffentlichen Fürsorge"
bei der kompetenzrechtlichen Zuordnung der angegriffenen Regelungen im Urteil des Senats nicht auf entscheidungserhebliche Gehörsverletzungen führen. Deshalb erübrigt sich eine nähere Auseinandersetzung mit ihnen.

6 c) Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Klägerin, der Senat habe ihr Vorbringen, die Einführung landesgesetzlicher Erlaubnisvorbehalte für Spielhallen stelle eine objektive Berufswahlschranke dar, nicht erwogen. Auch hiermit wendet sich die Klägerin lediglich gegen die Rechtsauffassung des Senats, der das Vorbringen der Klägerin - in der gebotenen zusammenfassenden Weise - im Tatbestand des Urteils wiedergegeben (UA Rn. 8) und in den Entscheidungsgründen dargelegt hat, warum er keine objektive Berufswahlregelung annimmt (UA Rn. 36 ff.), wenngleich das überragende Gemeinwohlziel der Spielsuchtbekämpfung und -prävention auch objektive Berufswahlbeschränkungen rechtfertigen könne (UA Rn. 50). Mit der Anhörungsrüge kann keine Überprüfung der materiellen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung erreicht werden.

7 d) Auch hinsichtlich des klägerischen Vorbringens zu den Unterschieden der Regulierung von Spielhallen und Spielbanken zeigt die Anhörungsrüge der Klägerin keine Gehörsverletzung auf. Auf das im Tatbestand referierte Vorbringen der Klägerin hierzu (UA Rn. 8 f.) geht das Urteil in der materiellrechtlichen Würdigung der Vereinbarkeit der Spielhallenregelungen mit Art. 3 Abs. 1 GG ausführlich ein (UA Rn. 77 ff.), hält einen Verfassungsverstoß aber ebenso wenig für gegeben wie nachfolgend das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 170 ff.).

8 e) Auf das Argument der Klägerin im Revisionsvorbringen, ein Standort mit mehreren Spielhallen müsse im Rahmen der Anwendung der Abstandsregelung stärker gewichtet werden als ein Standort mit nur einer Spielhalle, geht das Revisionsurteil ein (UA Rn. 55), schließt sich allerdings der Auffassung der Klägerin nicht an. Auch hierauf kann eine Gehörsrüge nicht gegründet werden.

9 f) Die Klägerin stellt ebenfalls lediglich die Richtigkeit der Rechtsauffassung des Senats in Frage, indem sie ihr Argument im Revisionsverfahren wiederholt, die Bekämpfung abstrakter Suchtgefahren sei dem Geräteaufstellungsrecht vorbehalten. Dem hat sich der Senat ausdrücklich nicht angeschlossen (UA Rn. 38) und hat das Vorbringen der Klägerin auch insoweit ersichtlich zur Kenntnis genommen. Das Urteil steht auch insoweit im Einklang mit der nachfolgenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - juris Rn. 133 ff.).

10 g) Auch die Rüge, der Klageantrag zu 8. zur Zulässigkeit von Eingangs- und Identitätskontrollen habe bei Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin ausschließlich bezogen auf eine Alterskontrolle verstanden werden müssen, zeigt keinen Gehörsverstoß auf. Das Urteil legt in Rn. 69 die revisionsrechtlich bindende Auslegung des § 6 Abs. 4 Satz 2 SpielhG BE durch das Berufungsgericht zugrunde, auf welche die Klägerin ihren Antrag begrenzt verstanden wissen will. Es begründet, warum die Klägerin angesichts der Tatsache, dass der Beklagte diese Auslegung nicht in Abrede stellt, keinen Anspruch auf gerichtliche Feststellung dieses Normgehaltes hat. Damit ist der klägerische Vortrag ersichtlich zur Kenntnis genommen worden, ohne dass die Klägerin sich mit ihrer Anhörungsrüge gegen die weitere rechtliche Bewertung des Senats wenden könnte, die begehrte Feststellung könne auch im Hinblick auf die gesetzlich verlangten Kontrollen zum Ausschluss von Selbstsperrern nicht getroffen werden.

11 h) Der Senat hat bei der Behandlung der Verfahrensrüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe eine Ausweichmöglichkeit von Spielhallen in unattraktivere Stadtteile Berlins aktenwidrig festgestellt, weder eine Gehörsverletzung des Berufungsgerichts perpetuiert noch selbst Vorbringen der Klägerin übergangen. Die Aktenwidrigkeit von Feststellungen des Tatsachengerichts setzt einen zweifelsfreien, ohne weitere Beweiserhebungen offensichtlichen Widerspruch zwischen diesen Feststellungen und dem Akteninhalt voraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Mai 2016 - 7 BN 1.15 - juris Rn. 14 m.w.N.). Eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche ist nicht als Verfahrensmangel rügefähig (BVerwG, Beschluss vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - juris Rn. 24). Hier fehlte es an einem zweifelsfreien Widerspruch der berufungsgerichtlichen Annahme, es sei weder dargetan noch ersichtlich, dass Spielhallen nicht in den unattraktiveren Außenbereichen von Berlin wirtschaftlich betrieben werden könnten, zum Gesamtergebnis des Verfahrens. Der im Senatsurteil in Rn. 17 in Bezug genommene Passus des Berufungsurteils über den Vortrag der Klägerin stand der Annahme eines zweifelsfreien Widerspruches zum Akteninhalt auch dann entgegen, wenn dieser Vortrag lediglich erstinstanzlich erfolgte und das klägerische Vorbringen in den Tatsacheninstanzen insoweit nicht einheitlich war.

12 i) Soweit die Klägerin rügt, ihr Vorbringen zu den Auswirkungen der Rechtsänderungen des Artikelgesetzes des Abgeordnetenhauses Berlin vom 22. März 2016 (GVBl. S. 117) sei vom Senat nicht aufgenommen worden, trifft dies ausweislich des Urteilstatbestandes nicht zu, in dem der Hinweis der Klägerin auf zusätzliche Standorteinschränkungen infolge dieser neuen Gesetzgebung ausdrücklich genannt ist (UA Rn. 8). Es ist zwar richtig, dass sich die für den Senat revisionsrechtlich bindende Feststellung des Tatsachengerichts, Spielhallenbetreibern sei erforderlichenfalls ein Ausweichen auf andere Standorte in Berlin möglich, noch nicht auf diese nach Ergehen des Berufungsurteils erlassenen Einschränkungen für Neuansiedlungen (§ 2 Abs. 4 SpielhG BE n.F.) beziehen konnte. Gleichwohl musste das Revisionsurteil angesichts der von ihm in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angenommenen überragenden, selbst objektive Berufswahlbeschränkungen rechtfertigenden Bedeutung des Gemeinwohlziels der Spielsuchtbekämpfung und wegen der auch im Rahmen des § 2 Abs. 4 Satz 1 und 2 SpielhG BE geltenden Möglichkeit abweichender Entscheidungen (vgl. zu beidem im Kontext des § 2 Abs. 1 Satz 5, auf den § 2 Abs. 4 Satz 2 SpielhG BE n.F. verweist, UA Rn. 50) nicht gesondert auf den Vortrag der Klägerin zu den zusätzlichen Standorteinschränkungen für Neuansiedlungen außerhalb des Sonderverfahrens für Altbetreiber eingehen, um ihren Anspruch auf rechtliches Gehör zu wahren. Die Klägerin hatte im Übrigen ihre Behauptung, eine Neuansiedlung in anderen Bereichen innerhalb Berlins werde spätestens durch diese Einschränkungen gänzlich unmöglich, in keiner Weise hinreichend substantiiert. Der allgemeine Hinweis auf die Gesamtzahl von möglicherweise einer Neuansiedlung entgegenstehenden Einrichtungen nach § 2 Abs. 4 SpielhG BE n.F. stellte noch keine Substantiierung hinsichtlich von deren räumlicher Verteilung im insoweit maßgeblichen gesamten Berliner Stadtgebiet dar. Insbesondere kann nicht ohne nähere Darlegung davon ausgegangen werden, dass in den Außenbereichen von Berlin Vermittlungsstellen für Sportwetten mit gültiger Erlaubnis weit verbreitet sind.

13 2. Der Antrag der Klägerin auf Tatbestandsberichtigung hat gleichfalls keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 VwGO sind nicht erfüllt. Die von der Klägerin geltend gemachte Unrichtigkeit des Tatbestandes wegen unvollständiger Wiedergabe ihres Revisionsvortrages zu den Auswirkungen der Rechtsänderungen nach Ergehen des Berufungsurteils liegt nicht vor. Der Vortrag der Klägerin zu den Folgen dieser Rechtsänderungen wird in der gebotenen Knappheit im Tatbestand des Urteils (UA Rn. 6 bis 9) sowie in den Entscheidungsgründen (UA Rn. 53 ff.) durch Verweis auf die wesentlichen Einwände der Klägerin ausreichend wiedergegeben. Eine nach Ansicht der Prozesspartei zu knappe oder zu stark gestraffte Wiedergabe des Sach- und Streitstandes begründet noch keine Unvollständigkeit des Tatbestandes des Urteils (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 2013 - 8 C 4.11 - juris Rn. 2).

14 Ebenso wenig ist eine Tatbestandsberichtigung geboten, weil die in den Entscheidungsgründen (UA Rn. 89) erwähnten, von der Klägerin in der mündlichen Revisionsverhandlung gestellten Beweisanträge nicht inhaltlich wiedergegeben werden. Da dem Revisionsgericht, wie der Senat an dieser Stelle dargelegt hat, eine eigene Tatsachenermittlung verwehrt ist, kam es auf den Inhalt der gestellten Beweisanträge nicht an.

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.