Beschluss vom 13.07.2010 -
BVerwG 9 B 104.09ECLI:DE:BVerwG:2010:130710B9B104.09.0

Leitsatz:

Die Änderung einer Bundesfernstraße kann nur dann zulässigerweise Gegenstand der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung sein, wenn es sich bei der Straße auch nach ihrer Umgestaltung weiterhin materiell um eine Bundesfernstraße handeln wird.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 90 Abs. 2
    FStrG § 1 Abs. 1, § 17 Satz 1

  • OVG Münster - 02.09.2009 - AZ: OVG 11 D 33/08.AK -
    OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 02.09.2009 - AZ: OVG 11 D 33/08.AK

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.07.2010 - 9 B 104.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:130710B9B104.09.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 104.09

  • OVG Münster - 02.09.2009 - AZ: OVG 11 D 33/08.AK -
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 02.09.2009 - AZ: OVG 11 D 33/08.AK

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juli 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. September 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die ihr die Beschwerde beimisst.

2 Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig wirft die Beschwerde die Frage auf,
ob § 17 Satz 1 FStrG, wonach Bundesfernstraßen nur gebaut oder geändert werden dürfen, wenn der Plan vorher festgestellt ist, im Falle der Änderung einer vorhandenen Bundesfernstraße bei jeder wesentlichen Änderung gilt oder - wie das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Urteil annimmt - nur für den Fall, dass die bisherige Bundesfernstraße auch nach der Änderung eine Bundesfernstraße bleiben soll.

3 Diese Frage rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie sich ohne Weiteres anhand des Gesetzes und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lässt.

4 Das Grundgesetz trifft eine differenzierte Regelung der Verwaltungskompetenzen für das Straßenwesen. Nach Art. 90 Abs. 2 GG verwalten die Länder oder die nach Landesrecht zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften die Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs im Auftrag des Bundes. Für andere öffentliche Straßen gehört der Gesetzesvollzug nach Art. 30 GG zu den eigenen Angelegenheiten der Länder. Zur Auftragsverwaltung nach Art. 90 Abs. 2 GG zählt insbesondere auch die Planung des Neu- und Umbaus von Bundesfernstraßen (BVerfG, Urteil vom 3. Juli 2000 - 2 BvG 1/96 - BVerfGE 102, 167 <173>). § 17 Satz 1 FStrG regelt die Zulassung diesbezüglicher Planvorhaben, indem er den Bau und die Änderung von Bundesfernstraßen der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung mit ihren spezifischen formell- und materiellrechtlichen Vorgaben unterwirft.

5 Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, Änderungsplanungen, die bestehende Bundesfernstraßen betreffen, seien ungeachtet der künftigen Verkehrsfunktion und der dadurch bestimmten Straßengruppe der veränderten Straße nach den fernstraßenrechtlichen Bestimmungen durchzuführen. Planung ist ein zukunftsgerichteter Vorgang, mit dem bestimmte (Planungs-)Ziele erreicht werden sollen. Fachplanungen haben sich deshalb auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes auszurichten. Im Falle der Fernstraßenplanung sind dies die mit dem Bundesfernstraßengesetz allgemein verfolgten Ziele, die in § 1 Abs. 1 FStrG mit seiner Definition der Bundesfernstraßen Ausdruck gefunden haben, namentlich die Steigerung der Leistungsfähigkeit des dem weiträumigen Verkehr dienenden Straßennetzes (vgl. Urteil vom 24. November 1989 - BVerwG 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <133>). Dem entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht mehrfach entschieden, dass das Bundesfernstraßengesetz den Bau einer Straße, die nach ihrer bei der Planung vorausgesetzten Verkehrsfunktion die für eine spätere Widmung zur Bundesfernstraße maßgebenden Qualifikationsmerkmale des § 1 Abs. 1 FStrG erfüllen soll, ausschließlich den dafür einschlägigen planungsrechtlichen Vorschriften des Bundesfernstraßenrechts unterwirft und sie damit zugleich der landesrechtlichen Planfeststellung entzieht (Urteil vom 23. Januar 1981 - BVerwG 4 C 4.78 - BVerwGE 61, 295 <297>; Beschluss vom 23. Dezember 1992 - BVerwG 4 B 188.92 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20 S. 35). Umgekehrt kann sich eine auf die Herstellung einer Straße mit der Verkehrsfunktion einer Landes-, Kreis- oder Gemeindestraße gerichtete Planung nicht auf die Befugnis zur fernstraßenrechtlichen Planfeststellung nach § 17 Satz 1 FStrG stützen (vgl. Beschluss vom 8. Oktober 1999 - BVerwG 4 B 53.99 - Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 123 S. 5). Gleiches gilt auch dann, wenn es sich nicht um ein Neubau-, sondern ein Änderungsvorhaben handelt; denn die dem finalen Charakter von Planung entsprechende Ausrichtung auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ist jeder Ermächtigung zur Planfeststellung eigen. Sie findet deutlichen Ausdruck in dem Erfordernis der Planrechtfertigung, die besagt, dass das Vorhaben gemessen an den jeweiligen Zielvorgaben des Fachplanungsgesetzes vernünftigerweise geboten sein muss (vgl. Urteile vom 22. März 1985 - BVerwG 4 C 15.83 - BVerwGE 71, 166 <168> und vom 24. November 1989 a.a.O. S. 130). Diesem Erfordernis muss jedes Planvorhaben entsprechen, gleichviel, ob es sich um ein Neubau- oder ein Änderungsvorhaben handelt. Demgemäß kann auch die Änderung einer Bundesfernstraße nur dann zulässigerweise Gegenstand der fernstraßenrechtlichen Planfeststellung sein, wenn es sich bei der Straße auch nach ihrer plangemäßen Umgestaltung weiterhin materiell um eine Bundesfernstraße handeln wird.

6 Entgegen der Auffassung der Beschwerde wird dieses Ergebnis nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Bundesverwaltungsgericht die Aufhebung bzw. den Rückbau von Bahnanlagen als möglichen Gegenstand eines bahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens nach § 36 BBahnG angesehen hat (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1988 - BVerwG 4 C 48.86 - BVerwGE 81, 111 <115>; Beschluss vom 7. Januar 1992 - BVerwG 7 B 153.91 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 20). Keine der vorgenannten Entscheidungen trifft Aussagen zu der Frage, ob sich bei der geplanten Umgestaltung eines Verkehrsweges in einen Verkehrsweg einer anderen Kategorie das Planfeststellungsverfahren nach dem für den bisherigen oder den künftigen Verkehrsweg geltenden Fachplanungsrecht richtet. Außerdem wird in keiner der beiden Entscheidungen das Erfordernis in Zweifel gezogen, dass Vorhaben der Fachplanung auf die Ziele des jeweiligen Fachplanungsgesetzes ausgerichtet sein müssen.

7 Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerde geltend gemachten Besonderheit, dass der von dem geplanten Vorhaben umfasste Rückbau der bisherigen Bundesstraße zu einer Gemeindestraße eine als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme für den Autobahnbau dienende Teilflächenentsiegelung einschließt. Dieser Konstellation wird man zwar eine fallübergreifende Bedeutung nicht absprechen können. An sie knüpfen sich aber keine Fragen, die nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantwortet werden können. Die Ermächtigung zur fernstraßenrechtlichen Planfeststellung verschafft der Planfeststellungsbehörde zwar auch die Befugnis, nach Maßgabe der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen anzuordnen. Für solche Maßnahmen kann namentlich auf Land zurückgegriffen werden, das nicht mehr als öffentliche Verkehrsfläche benötigt wird; ggf. ist die Einziehung der betreffenden Flächen zu verfügen. Es liegt aber auf der Hand, dass die Befugnis zur Entwicklung eines naturschutzrechtlichen Kompensationskonzepts nicht zugleich die Möglichkeit einschließt, abweichend von den gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen Planvorhaben mit zu erledigen, die anderen Fachplanungsgesetzen unterfallen.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.