Beschluss vom 13.05.2004 -
BVerwG 1 B 200.03ECLI:DE:BVerwG:2004:130504B1B200.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.05.2004 - 1 B 200.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:130504B1B200.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 200.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 23.05.2003 - AZ: OVG 3 LB 2/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Mai 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf einen Verfahrensverstoß (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die angeführten Zulassungsgründe genügen bereits überwiegend nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt zunächst einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Berufungsgericht sei von einem unvollständigen bzw. falschen Sachverhalt ausgegangen, indem es ausgeführt habe, der Kläger führe bei seiner Tätigkeit am Büchertisch ggf. entstehende Gespräche mit Passanten nicht selbst (UA S. 14). Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass er Gespräche mit Passanten nicht selbst geführt und nur "herumgestanden" habe.
Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird der behauptete Verfahrensverstoß nicht aufgezeigt. Auch im Asylrechtsstreit sind Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung regelmäßig revisionsrechtlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz kann daher ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht begründet werden. Ein Verfahrensverstoß kommt ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das Gericht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, es insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen und deshalb seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, oder allenfalls noch bei einer von Willkür geprägten Beweiswürdigung (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209> und Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266).
Für eine derart grobe und eindeutige Verletzung des Gebots der freien Beweiswürdigung lässt sich der Beschwerde nichts entnehmen. Der Kläger hatte ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Mai 2003 auf die Frage, was seine Tätigkeit am Büchertisch umfasst habe, geantwortet, er habe Bücher und Flugblätter verteilt; es sei auch zu Gesprächen am Büchertisch gekommen, die jedoch zumeist in deutscher Sprache von einem Kontaktmann geführt worden seien. Das Berufungsgericht hat dies dahin verstanden, dass der Kläger ggf. entstehende Gespräche mit Passanten (offensichtlich schon wegen fehlender Sprachkenntnisse) nicht selbst führe. Diese Würdigung der Aussage des Klägers ist durchaus vertretbar. Sie versteht die in Rede stehenden Darlegungen des Klägers dahin, dass Gespräche am Büchertisch von seinem Kontaktmann geführt wurden, und zwar zumeist in deutscher Sprache. Darin liegt keine grobe und eindeutige Verletzung des Gebots der freien Beweiswürdigung. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Tatsachengericht seiner Pflicht aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO genügt und seiner Entscheidung das Vorbringen der Beteiligten sowie den festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde gelegt hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht zur richtigen und vollständigen Berücksichtigung des entscheidungserheblichen, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpften Tatsachenstoffs verletzt hat, kann ein Verstoß im Einzelfall festgestellt werden (vgl. entsprechend zur Gehörsverletzung nach Art. 103 Abs. 1 GG etwa BVerfGE 96, 205 <216 f.> m.w.N.). Derartige besondere Umstände zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie macht im Übrigen auch selbst nicht geltend, dass der Kläger (ausdrücklich) dargelegt hat, er habe die Gespräche am Büchertisch mit iranischen Interessenten geführt.
Die Beschwerde macht ferner geltend, das Berufungsgericht habe gegen den Überzeugungsgrundsatz verstoßen, indem es seine Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO nicht erfüllt habe. Die Lage im Iran habe sich seit der jüngsten in der Erkenntnismittelliste aufgeführten Quelle vom 18. April 2001 geändert. Die Beschwerde nimmt Bezug auf eine Stellungnahme des DOI vom 26. Mai 2003. Danach habe sich die Lage für regimefeindliche Kräfte insgesamt durch die innenpolitische Entwicklung im Iran in der letzten Zeit deutlich verschärft, was hinsichtlich deren Asylrelevanz der Nachfluchtaktivitäten des Klägers hätte berücksichtigt werden müssen.
Die Beschwerde zeigt insoweit einen Verfahrensfehler nicht schlüssig auf. Sie macht nicht in einer den gesetzlichen Darlegungserfordernissen entsprechenden Weise ersichtlich, aus welchen gewichtigen fallbezogenen Gründen sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen. U.a. fehlt es an der gebotenen Darlegung, welche Aufklärungsmaßnahmen im Einzelnen in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten, voraussichtlich getroffen worden wären. Ebenso wenig macht die Beschwerde in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz ersichtlich. Es fehlt insoweit an der erforderlichen substantiierten fallbezogenen Darlegung.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.