Verfahrensinformation

Sicherheitsleistungen für Abfallentsorgungsanlagen


Die Betreiber immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftiger Anlagen müssen für ordnungsgemäße Zustände auch nach der Betriebseinstellung sorgen. Zur Sicherstellung dieser Pflichten kann bei Abfallentsorgungsanlagen eine Sicherheitsleistung verlangt werden. In 2 Fällen forderte die zuständige Behörde von den Betreibern solcher Anlagen Sicherheitsleistungen. Deren dagegen erhobene Klagen hatten vor dem Berufungsgericht Erfolg, da es an einem besonderen Anlass (z.B. Liquiditätsschwäche oder mangelnde Seriosität) der Betreiber fehlt. In dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist zu klären, ob derartige Sicherheitsleistungen auch ohne besonderen Anlass gefordert werden dürfen.


Beschluss vom 18.10.2007 -
BVerwG 7 B 49.07ECLI:DE:BVerwG:2007:181007B7B49.07.0

Beschluss

BVerwG 7 B 49.07

  • Hessischer VGH - 16.07.2007 - AZ: VGH 6 UE 1527/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. Oktober 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Guttenberger
beschlossen:

  1. Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs über die Nichtzulassung der Revision gegen seinen Beschluss vom 16. Juli 2007 wird aufgehoben.
  2. Die Revision wird zugelassen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der Kostenentscheidung in der Hauptsache.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren und vorläufig für das Revisionsverfahren wird auf je 100 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Revisionsverfahren kann voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage bieten, nach welchen Vorgaben Sicherheiten für den Betrieb von Anlagen zur Sortierung und sonstigen Behandlung sowie zur zeitweiligen Lagerung von - auch besonders überwachungsbedürftigen (gefährlichen) - Abfällen sowie zur Lagerung von Bauschutt, Bitumengemische u.ä. zu leisten sind.

2 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Rechtsmittelbelehrung
Das Beschwerdeverfahren wird als Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen BVerwG 7 C 45.07 fortgesetzt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, schriftlich oder in elektronischer Form (Verordnung vom 26. November 2004, BGBl I S. 3091) einzureichen.
Für den Revisionskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Revision. Der Revisionskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften ferner durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

Urteil vom 13.03.2008 -
BVerwG 7 C 45.07ECLI:DE:BVerwG:2008:130308U7C45.07.0

Urteil

BVerwG 7 C 45.07

  • VGH Kassel - 16.07.2007 - AZ: VGH 6 UE 1527/06 -
  • Hessischer VGH - 16.07.2007 - AZ: VGH 6 UE 1527/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert, Krauß, Neumann
und Guttenberger
für Recht erkannt:

  1. Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Juli 2007 wird aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 31. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Gründe

I

1 In einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die wesentliche Änderung einer Abfallentsorgungsanlage wurde der Klägerin aufgegeben, eine Sicherheit in Höhe von 100 000 € zu leisten.

2 Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

3 Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 130a VwGO über die Berufung der Klägerin durch Beschluss vom 16. Juli 2007 entschieden und dieser stattgegeben. Er hat ausgeführt, die Anordnung einer Sicherheitsleistung sei hier ermessensfehlerhaft, und zur Begründung insbesondere auf sein Urteil vom 9. Mai 2007 (VGH 6 UE 42/06) Bezug genommen. Diese Entscheidung ist mit Urteil des Senats vom 13. März 2008 (BVerwG 7 C 44.07 ) aufgehoben worden.

4 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Beklagten. Zur Begründung fasst er die Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde zusammen und verweist im Übrigen auf diese.

5 Die Klägerin hält die Revision sowohl für unzulässig als auch für unbegründet.

II

6 Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet.

7 Die Revision ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Klägerin genügt die Revisionsbegründung den an sie zu stellenden Anforderungen (§ 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO). Die Revisionsbegründung enthält einen bestimmten Antrag und gibt die verletzten Rechtsnormen an. Zur Begründung der Rechtsverletzung wird das Vorbringen der Nichtzulassungsbeschwerde zusammengefasst und im Übrigen auf dieses Bezug genommen. Eine derartige Bezugnahme ist als Begründung der zugelassenen Revision ausreichend, wenn die Beschwerdeschrift den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt (stRspr, vgl. u.a. Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321). Dies ist hier der Fall; denn die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde enthält eine umfassende kritische Würdigung des Berufungsurteils unter dem Gesichtspunkt seiner materiellrechtlichen Richtigkeit.

8 Die Revision ist auch begründet. Der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf der Verletzung von materiellem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

9 1. Unter Verletzung von Bundesrecht hat der Verwaltungsgerichtshof die Begründetheit der Klage bejaht.

10 Zu Recht geht er zunächst davon aus, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen der angefochtenen Auflage vorliegen: Zur Erfüllung der Pflichten aus § 5 Abs. 3 BImSchG kann bei der hier vorliegenden Abfallentsorgungsanlage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eine Sicherheitsleistung auferlegt werden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG).

11 Bundesrechtswidrig ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft, weil die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen nicht entsprechend dem Zweck der Ermächtigung ausgeübt habe (vgl. § 40 VwVfG).

12 Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs setzt die Anordnung einer Sicherheitsleistung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BImSchG weder Zweifel an der Seriosität bzw. Liquidität des Betreibers noch Anhaltspunkte für das Fehlen eines Verwertungskonzepts voraus. Vielmehr reicht das allgemeine latent vorhandene Liquiditätsrisiko grundsätzlich aus, um von Betreibern einer Abfallentsorgungsanlage eine Sicherheitsleistung zu verlangen (vgl. das den Beteiligten bekannte Urteil vom 13. März 2008 <BVerwG 7 C 44.07 >, amtl. Umdr. S. 7 - 11, zur Veröffentlichung in BVerwGE und Buchholz vorgesehen).

13 2. Die angegriffene Entscheidung selbst stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO). Der angefochtene Bescheid ist nicht aus anderen Gründen ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.

14 In dem angefochtenen Bescheid hat die Behörde Ermessenserwägungen angestellt. Im Widerspruchsbescheid und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sie diese vertieft. Es wird das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung hervorgehoben und ausgeführt, dass auch bei dem gegenwärtig liquiden Betreiber ein allgemeines Insolvenzrisiko bestehe, das nur ausgeschlossen wäre, wenn es sich um einen öffentlich-rechtlichen Betreiber handeln würde. Weiter wird darauf hingewiesen, dass im Falle der Insolvenz ohne Sicherheitsleistung die öffentliche Hand hohe Kosten für die Entsorgung der im Bereich der Anlage lagernden Abfälle zu tragen hätte, weil diese - wie im Einzelnen dargelegt wird - überwiegend einen (erheblichen) negativen Marktwert haben. Der Beklagte bezog sich zur Ausübung seines Ermessen zudem - auch ergänzend im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (§ 114 Satz 2 VwGO) - auf die im September 2002 durch Erlass des Hessischen Umweltministeriums eingeführte Verwaltungsvorschrift „Vollzugshandbuch der Abfallwirtschaft - Arbeitshilfe Anlagenzulassung Nr. 3 Sicherheitsleistung“.

15 Einer darüber hinausgehenden Begründung der Ermessensausübung bedurfte es nicht (vgl. Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 7 C 44.07 - amtl. Umdr. S. 12 - 13).

16 3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Die Höhe der geforderten Sicherheit - zu der das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat und auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung auch nicht treffen musste - ist von dem Beklagten rechtsfehlerfrei festgesetzt worden.

17 Die Höhe der Sicherheitsleistung hält sich in dem durch die genannte Verwaltungsvorschrift des Hessischen Umweltministeriums vorgegebenen Rahmen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere nicht unverhältnismäßig (vgl. Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 7 C 44.07 - amtl. Umdr. S. 13 - 14).

18 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.