Beschluss vom 12.12.2007 -
BVerwG 1 B 56.07ECLI:DE:BVerwG:2007:121207B1B56.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.12.2007 - 1 B 56.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:121207B1B56.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 56.07

  • Bayerischer VGH München - 26.03.2007 - AZ: VGH 24 BV 03.2091

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2007
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. März 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Entgegen der Ansicht der Beschwerde stellt das angegriffene Urteil keine das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzende Überraschungsentscheidung dar, weil das Berufungsgericht am 26. März 2007 ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschied. Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 11. Januar 2005 auf weitere mündliche Verhandlung verzichteten, mussten sie mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren rechnen. Der anwaltlich vertretene Kläger hatte nach Übersendung des Schriftsatzes der Beklagten vom 29. Januar 2007 mit Verfügung vom 13. Februar 2007 auch ausreichend Gelegenheit, zum Vorbringen der Beklagten und zu den von ihr vorgelegten Meldeunterlagen Stellung zu nehmen bzw. zumindest dem Gericht vorab mitzuteilen, dass diesbezüglich weiterer Vortrag beabsichtigt ist. Geschieht dies - wie vorliegend - nicht, ist das Gericht im schriftlichen Verfahren nicht gehalten, von sich aus zur Äußerung bzw. abschließenden Stellungnahme aufzufordern (vgl. Beschluss vom 25. September 1990 - BVerwG 9 B 115.09 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 233). Im Übrigen zeigt die Beschwerde auch nicht konkret auf, sondern deutet allenfalls vage an, was der Kläger noch vortragen wollte und inwiefern dieser Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).

3 2. Auch die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen rechtfertigen keine Zulassung der Revision. Das Vorbringen genügt insoweit schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

4 a) Die Beschwerde sieht zunächst Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage, „ob Umstände, die die Gefahr einer politischen Verfolgung im Heimatland begründen können, bei einem Kläger, der bislang noch nie ein Asylverfahren in der BRD betrieben hat, auch in einem aufenthaltsrechtlichen Verfahren Berücksichtigung finden müssen“.

5 Diese Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ist geklärt, dass nach § 13 Abs. 1 AsylVfG jeder Schutzsuchende, der sich materiell auf Asylgründe beruft, zwingend auf das - alle Schutzersuchen und Schutzformen erfassende - Asylverfahren zu verweisen ist und ihm kein „Wahlrecht“ zwischen asylrechtlichem oder ausländerrechtlichem Schutz vor Verfolgung im Heimatland zusteht (vgl. Beschluss vom 3. März 2006 - BVerwG 1 B 126.05 - Buchholz 402.25 § 13 AsylVfG Nr. 3 m.w.N.). Einen weitergehenden Klärungsbedarf macht die Beschwerde nicht geltend.

6 b) Soweit die Beschwerde für klärungsbedürftig hält, „ob ein Anspruch aus Art. 7 ARB 1/80 nur dann entstehen kann, wenn das Zusammenleben in familiärer Lebensgemeinschaft mit dem Familienangehörigen, zu dem der Familiennachzug stattfindet, unmittelbar nach der Einreise stattfindet oder ob eine Unterbrechung des familiären Zusammenlebens - aus beruflichen oder Gründen der Wohnungssuche - auch bei späterer jahrelanger Fortsetzung der familiären Lebensgemeinschaft zu einem nicht wiederbringlichen Verlust der Möglichkeit des Erwerbs eines Anspruchs aus Art. 7 ARB 1/80 führt“, fehlt es bereits an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der konkret aufgeworfenen Frage. Denn dass die Unterbrechung des familiären Zusammenlebens vorliegend auf „beruflichen oder Gründen der Wohnungssuche“ beruhte, ist den Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht zu entnehmen. Im Übrigen setzt sich die Beschwerde auch nicht im erforderlichen Maße mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Erwerb der Rechte aus Art. 7 ARB 1/80 auseinander. Soweit sie auf die Entscheidung des EuGH vom 16. Februar 2006 in der Rechtssache Ergün Torun (C-502/04, Slg. 2006, I-1563) verweist, betrifft diese nicht den Erwerb, sondern den Verlust der Rechte aus Art. 7 ARB 1/80. Dagegen hat der Europäische Gerichtshof bereits mit Urteil vom 17. April 1997 in der Rechtssache Kadiman hinsichtlich des Erwerbs der - vorliegend allein in Betracht kommenden - Rechtsstellung nach Art. 7 Satz 1 erster Gedankenstrich ARB 1/80 festgestellt, dass diese Vorschrift die tatsächliche Zusammenführung des türkischen Arbeitnehmers und seiner Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat fördern soll und die nationalen Behörden daher grundsätzlich verlangen können, dass die Familienangehörigen während der ersten drei Jahre mit dem Wanderarbeitnehmer zusammenleben. Aus dem Geist und dem Regelungszweck dieser Vorschrift folge, dass der Familienangehörige grundsätzlich seinen Wohnsitz während dieser drei Jahre ununterbrochen bei dem türkischen Arbeitnehmer haben müsse, wobei allerdings kurzzeitige Unterbrechungen der Lebensgemeinschaft, die ohne die Absicht erfolgten, den gemeinsamen Wohnsitz im Aufnahmemitgliedstaat in Frage zu stellen, den Zeiten gleichgestellt werden müssten, während deren der betroffene Familienangehörige tatsächlich mit dem türkischen Arbeitnehmer zusammengelebt habe (vgl. EuGH, Urteil vom 17. April 1997 - C-351/95 - Slg. 1997, I-2133 Rn. 46 - 48).

7 c) Soweit die Beschwerde schließlich die Frage aufwirft, „ob für den Kläger, der kurz vor und während seiner Inhaftierung als Selbständiger tätig war, - ggf. trotz der Anwendung des Art. 7 ARB 1/80 - die Schutzwirkungen des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (verkündet mit Gesetz vom 19. Mai 1972, BGBl II 385; für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten am 1. Januar 1973) eingreifen“, fehlt es ebenfalls an hinreichenden Darlegungen zur Entscheidungserheblichkeit und zur Klärungsbedürftigkeit.

8 So weist die Beschwerde lediglich allgemein darauf hin, der Kläger sei kurz vor und während seiner Inhaftierung als Selbständiger tätig gewesen, ohne sich konkret damit auseinanderzusetzen, dass er diese Tätigkeit nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im April 1999 eingestellt hat (vgl. UA S. 23 und 24). Soweit die Beschwerde im Übrigen in der Sache auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 12. Juli 2000 (- 10 B 99.18 89 - InfAuslR 2000, 425) verweist, übersieht sie, dass diese Entscheidung vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 26. Februar 2002 (- BVerwG 1 C 21.00 - BVerwGE 116, 55) aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen worden ist. Dabei hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit der Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls und ihrer ausländerrechtlichen Wirkung auseinandergesetzt und festgestellt, dass bei der Prüfung, ob ein türkischer Staatsangehöriger seit In-Kraft-Treten des Stillhaltegebots bei gleicher Fallgestaltung strengeren Bedingungen unterworfen wird, die Rechtsprechung zu den einschlägigen früheren Rechtsvorschriften und eine mit dieser in Einklang stehende Verwaltungspraxis mit zu berücksichtigen ist. Inwieweit bei dieser Sachlage der von der Beschwerde konkret auf den Fall des Klägers zugeschnittenen Frage eine grundsätzliche, über seinen Einzelfall hinauskommende Bedeutung zukommt, ist nicht dargelegt.

9 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.