Beschluss vom 12.08.2005 -
BVerwG 7 B 25.05ECLI:DE:BVerwG:2005:120805B7B25.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.08.2005 - 7 B 25.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:120805B7B25.05.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 25.05

  • VG Berlin - 07.12.2004 - AZ: VG 9 A 365.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
  2. Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
  4. Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  5. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 84 915 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger beanspruchen die Rückübertragung eines mit einem Eigenheim bebauten Grundstücks, das zum 1. Juli 1984 auf der Grundlage der Zweiten Durchführungsbestimmung zum Aufbaugesetz zum Zweck der Instandsetzung in Anspruch genommen wurde. Das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen stellte die Entschädigungsberechtigung der Kläger fest und lehnte die Rückübertragung ab, weil der Beigeladene das Eigenheim und das dingliche Nutzungsrecht am volkseigenen Grundstück im August 1984 redlich erworben habe. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage abgewiesen; der Beigeladene habe nicht gewusst oder wissen müssen, dass der Erwerb i.S.d. § 4 Abs. 3 Buchst. a VermG mit DDR-Recht unvereinbar gewesen sei, und für eine Unredlichkeit im Übrigen beständen keine Anhaltspunkte. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen. Nach Ansicht der Beschwerde weicht die angegriffene Entscheidung von dem im Urteil

3 vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 3.00 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13) aufgestellten Erfahrungssatz ab, wonach in der DDR offenkundig allgemein bekannt war, dass die Zuweisung von Wohnraum von dessen Größe sowie von der Zahl der einziehenden Personen abhängig war und deswegen der Bezug eines Einfamilienhauses mit fünf Zimmern durch ein kinderloses Paar nicht genehmigt werden konnte. Die Abweichung besteht nicht. Das Verwaltungsgericht hat einen allgemeinen Erfahrungssatz, der dem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten allgemeinen Erfahrungssatz widerspricht, nicht aufgestellt. Nach seiner Auffassung war im Fall des Beigeladenen die Besonderheit gegeben, dass der Beigeladene das Eigenheim im Zusammenhang mit dem durch eine staatliche Baumaßnahme bedingten Verzicht auf sein Eigentum an einem größeren Grundstück mit einem größeren Gebäude erworben hatte. Das Verwaltungsgericht hat damit der Sache nach den Standpunkt vertreten, dass der Sachverhalt wegen dieser Besonderheit von dem allgemeinen Erfahrungssatz nicht erfasst werde. Darin liegt keine Abweichung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO.

4 2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Beschwerde rügt als Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes, dass das Verwaltungsgericht das Klagevorbringen, wonach der Beigeladene die Inanspruchnahme des Grundstücks durch möglicherweise verfahrensangepasste Angaben zur Höhe der Instandsetzungskosten ermöglicht habe, nicht berücksichtigt und damit seine Überzeugung auf der Grundlage eines unvollständigen Sachverhalts gebildet habe. Die Rüge ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat nicht übersehen, dass der Beigeladene vor Erwerb des Eigenheims unterschiedliche Angaben zu den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten gemacht hat. Es hat dies damit erklärt, der weitere Instandsetzungsbedarf ergebe sich aus der Differenz der Kosten einer Notreparatur und derjenigen einer Instandsetzung des Dachs. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass das Verwaltungsgericht wesentliche Tatsachen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen, übergangen hat. Davon abgesehen hat es das Verwaltungsgericht mit Blick auf die Redlichkeit des Erwerbs im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 30.97 - BVerwGE 106, 210 <216>) für unerheblich gehalten, dass der Beigeladene "Anstö-

5 ße" zu der ihn begünstigenden Enteignungsmaßnahme gegeben habe. Einer näheren Auseinandersetzung mit dem Vorwurf, die unterschiedlichen Angaben des Beigeladenen zur Höhe der Instandsetzungskosten indizierten seine Unredlichkeit beim Erwerb, bedurfte es deshalb nicht.

6 Ebenso wenig begründet ist der Vorwurf der Kläger, das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen, dass der Beigeladene die Erteilung der Wohnraumzuweisung durch den unzutreffenden Hinweis beeinflusst habe, er werde das Eigenheim gemeinsam mit seiner Mutter und mit seiner Verlobten beziehen. Das Verwaltungsgericht hat dieses Vorbringen berücksichtigt, ihm aber nicht die Bedeutung zugemessen, die die Kläger darin erblickt haben. Anders als die Kläger hat es nämlich die Auffassung vertreten, dem Text der Wohnraumzuweisung lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit entnehmen, dass diese sich auf drei Personen bezogen habe. Aus der rechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts, dass die Wohnraumzuweisung vom Einzug der Verlobten unabhängig war, kam es daher nicht darauf an, ob der Beigeladene mit der Verlobten eingezogen war oder sie als mit einziehende Person benannt hatte. In dieser tatrichterlichen Würdigung liegt kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich darin, der Würdigung des Verwaltungsgerichts eine eigene, abweichende Würdigung entgegen zu setzen. Davon abgesehen hat das Verwaltungsgericht eine die Unredlichkeit des Erwerbs indizierende Überversorgung mit Wohnraum deshalb abgelehnt, weil dem Beigeladenen das Eigenheim als Ausgleich dafür zugewiesen worden sei, dass er sein mit einem größeren Haus bebautes Grundstück dem Staat überlassen habe. Nach dieser Rechtsauffassung waren die von der Beschwerde vermissten Antworten zur Vereinbarkeit der Wohnraumzuweisung mit der Wohnraumlenkungsverordnung unerheblich, weil wegen der Besonderheit des Falles die sonst üblichen Maßstäbe für die Frage der Redlichkeit bei Überversorgung mit Wohnraum nicht einschlägig waren. Ob die vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung zutrifft, ist für die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers ohne Belang.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3

8 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.