Beschluss vom 12.05.2004 -
BVerwG 8 B 16.04ECLI:DE:BVerwG:2004:120504B8B16.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2004 - 8 B 16.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:120504B8B16.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 16.04

  • VG Frankfurt/Oder - 14.11.2003 - AZ: VG 5 K 1021/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f ,
G o l z e und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 28. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 21 614,04 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist erfolglos. Keiner der geltend gemachten Gründe rechtfertigt im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO die Zulassung der Revision.
1. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen nicht durch.
a) Der Vorhalt der Beschwerde, das Verwaltungsgericht sei auf die gemeinsame Nutzung der fraglichen Flurstücke nicht eingegangen, trifft nicht zu, wie die Ausführungen auf S. 11 des angegriffenen Urteils belegen.
b) Das Verwaltungsgericht brauchte auch den Sachverhalt nicht in allen Einzelheiten wiederzugeben, sondern hat ihn nur nach seinem wesentlichen Inhalt gedrängt darzustellen (§ 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
c) Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht hätte die Frage der Überschuldung prüfen müssen, verkennt sie, dass sich die Vorinstanz der Frage zugewandt hat (UA S. 7). Danach war das Grundstück unbelastet und Mieteinnahmen seien nicht vorgetragen worden. Wenn die Beschwerde die daraus gezogene Schlussfolgerung angreift, die besagt, dass das Grundstück nicht überschuldet gewesen sei, so rügt sie keinen Verfahrensmangel.
d) Der Fehler, den die Beschwerde darin sieht, dass das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung nicht wieder eröffnet hatte, ist nicht ausreichend dargelegt worden. Die Beschwerde hat es in ihrer Begründung daran fehlen lassen, Gründe für die Erforderlichkeit der persönlichen Anhörung der Klägerin in mündlicher Verhandlung geltend zu machen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Das Institut der nachträglichen Wiedereröffnung soll den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte, namentlich durch mündlichen Vortrag zu dem erst aufgrund der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamtergebnis des Verfahrens, gewährleisten (vgl. Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 58.90 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 m.w.N.). Mit Blick auf diesen Zweck und dessen Verknüpfung mit dem Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) kann sich das Ermessen des Gerichts zu einer Wiedereröffnungspflicht verdichten (vgl. Urteile vom 11. November 1970 - BVerwG V C 81.69 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 3 und vom 11. April 1989 - BVerwG 9 C 55.88 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23).
Hier jedoch hatte die Klägerin durch die Teilnahme ihres Prozessbevollmächtigten an der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2003 Gelegenheit gehabt, den Vortrag des wesentlichen Inhalts der Akten (§ 103 Abs. 2 VwGO), die Hinweise und Fragen des Gerichts bei der anschließenden Erörterung der Sache (§ 104 Abs. 1 und 2 VwGO) sowie die Ausführungen der Gegenseite zu hören und dazu Stellung zu nehmen (§ 103 Abs. 3 VwGO). In einem solchen Falle bedarf es in der Begründung der Darlegung, weswegen die persönliche Anhörung der Partei in wiedereröffneter mündlicher Verhandlung erforderlich gewesen wäre (vgl. Urteile vom 11. April 1989 - BVerwG 9 C 55.88 - a.a.O. sowie vom 10. Dezember 1985 - BVerwG 9 C 84.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 178). Daran fehlt es vorliegend. Die Mitteilung, dass das Nachbargrundstück verkauft worden sei, hat die Notwendigkeit, die Klägerin dazu persönlich befragen zu können, nicht nach sich gezogen.
2. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) rechtfertigen ebenfalls keine Zulassung der Revision.
Eine Divergenz ist gegeben, wenn ein inhaltlich bestimmter, die angefochtene Entscheidung tragender abstrakter Rechtssatz einem in der Rechtsprechung eines der benannten Divergenzgerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung dieses Divergenzgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widerspricht. Die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze sind also - bildlich betrachtet - einander gegenüberzustellen. Bloße Anwendungsfehler des Verwaltungsgerichts bei der Umsetzung von Rechtssätzen des Divergenzgerichts ergeben keinen Rechtssatzwiderspruch. Erforderlich ist, dass das Verwaltungsgericht deutlich erkennbar von einer bestimmten Rechtsauffassung ausgegangen ist, die im Gegensatz zu der des Obergerichts steht. In keinem der von der Beschwerde angeführten Rechtsausführungen des Verwaltungsgerichts wird eine solche Abweichung erkennbar.
3. Der Sache kommt ferner keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
a) Die Beschwerde will zunächst geklärt wissen, ob der Begriff der "Überschuldung" bzw. der "unmittelbar bevorstehenden Überschuldung" in § 1 Abs. 2 VermG bei einem mit Nebengebäuden eines anderen Grundstücks bebauten Grundstück so zu verstehen sei, dass Belastungen im Grundbuch stehen müssten. Diese Frage würde sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht nicht allein auf die fehlende Belastung im Grundbuch abgestellt, sondern ausgeführt hat, dass auch Mieteinnahmen nicht erzielt worden seien.
b) Ähnlich verhält es sich mit der Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rückübertragung von Buchgrundstücken auch auf Fälle der Erbausschlagung anwendbar sei. Nach dem Urteil vom 5. März 1998 - BVerwG 7 C 13.97 - (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 141) zählen zu den bebauten Grundstücken Buchgrundstücke, die für die bestimmungsgemäße Nutzung des bebauten Nachbargrundstücks notwendig sind. Einen solchen baulichen Funktionszusammenhang mit dem angrenzenden Mietgrundstück hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Falle jedoch nicht festgestellt. Auf die gestellte Frage kommt es daher nicht an.
c) Die an diese Feststellung anknüpfende Frage der Beschwerde, ob bei einer flurstücks- bzw. grundstücksüberschreitenden Bebauung für einen Funktionszusammenhang der Grundstücke eine Überbauung mit einem Mietshaus erforderlich sei oder eine Überbauung mit Nebengebäuden genüge, verleiht der Sache keine fallübergreifende Bedeutung. Ihre Antwort hängt von den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles ab.
d) Bei der Formulierung der vierten Frage geht die Beschwerde von anderen Tatsachen als das Verwaltungsgericht aus, wenn sie geklärt wissen will, ob eine Funktionseinheit zweier Grundstücke vorliege, falls eine Überbauung über die Grenze mit Nebengebäuden vorhanden sei, die von den Mietern des einen Grundstücks genutzt werden müssten. Die Vorinstanz ist zu dem Ergebnis gelangt, dass "sich keine Notwendigkeit des Nebengebäudes für die bestimmungsgemäße Nutzung des Wohngrundstücks" ergebe (UA S. 11). Diese Feststellung wird nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen.
e) Mit ihrer letzten Frage zieht die Beschwerde nur fallbezogene Einzelheiten in Zweifel, ohne damit eine Fortentwicklung des Rechts erwarten zu lassen.
Die abschließend nach Art einer Revisionsbegründung vorgenommene Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil macht sonstige Gründe für die Zulassung der Revision nicht deutlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 13, 14 GKG.