Beschluss vom 12.02.2007 -
BVerwG 3 B 77.06ECLI:DE:BVerwG:2007:120207B3B77.06.0

Beschluss

BVerwG 3 B 77.06

  • OVG Berlin-Brandenburg - 21.03.2006 - AZ: OVG 5 B 5.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Februar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. März 2006 wird verworfen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 94 869,77 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig, im Übrigen aber auch unbegründet.

2 1. Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Darlegungserfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Danach muss in der Begründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Stützt sich das Berufungsurteil auf mehrere selbständig tragende Gründe, so muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für jeden der selbständigen Abweisungsgründe ein Zulassungsgrund dargelegt werden (vgl. Beschlüsse vom 9. März 1982 - BVerwG 7 B 40.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 209, vom 28. September 1990 - BVerwG 9 B 107.90 - NVwZ 1991, 376 und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 133 Rn. 30). Diese Anforderung erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Das Berufungsgericht hat die Feststellung, dass die Nichtaufnahme der noch streitigen 77 Betten im Krankenhaus der Klägerin in den Krankenhausplan 1999 rechtswidrig war, auf zwei unabhängig voneinander durchgreifende Gründe gestützt. Zum einen hat es die Zielplanung des Beklagten für rechtswidrig erklärt, die auf die Verdrängung reiner Belegkrankenhäuser und die Anbindung von Belegbetten an Allgemeinkrankenhäuser mit einer breitbasigen Allgemeinversorgung und einer flächendeckenden Notfallversorgung gerichtet ist. Zum anderen hat es festgestellt, dass dem Krankenhaus der Klägerin zu Unrecht die Wirtschaftlichkeit abgesprochen worden sei, weil die dafür angegebenen Gründe nicht tragfähig seien. Auf diese zweite Begründung geht die Beschwerde mit keinem Wort ein. Sie kann schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben.

3 2. Unabhängig davon liegt im Hinblick auf die erste das Berufungsurteil tragende Begründung der insoweit allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

4 Der Beklagte hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob er seine Krankenhausplanung auf den Grundsatz stellen darf, dass die Anbindung von Belegbetten an Allgemeinkrankenhäuser mit einer breitbasigen Allgemeinversorgung und einer flächendeckenden Notfallversorgung erforderlich ist, um dem Ziel einer Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und der Sicherheit der Patienten gerecht zu werden, und welche Grenzen der Grundsatz der Trägervielfalt setzt. Diese Frage rechtfertigt jedoch die Zulassung der Revision nicht, weil sie, soweit sie einer allgemeinen Beantwortung zugänglich ist, höchstrichterlich bereits geklärt ist.

5 Auszugehen ist von der Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 KHG, wonach bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern die zuständige Landesbehörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am besten gerecht wird. Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 25. Juli 1985 - BVerwG 3 C 25.84 - (NJW 1986, 796, 799) ausgesprochen, dass sich die gerichtliche Kontrolle auf die Nachprüfung beschränken muss, ob die zuständige Landesbehörde bei ihrer Entscheidung darüber, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausbedarfsplanung des Landes am besten gerecht wird, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie einen sich sowohl im Rahmen des Gesetzes wie auch im Rahmen der Beurteilungsermächtigung haltenden Beurteilungsmaßstab zutreffend angewandt hat und ob für ihre Entscheidung keine sachfremden Erwägungen bestimmend gewesen sind. Das bedeutet, dass bei der Auswahlentscheidung die nach § 6 Abs. 1 KHG für die Krankenhausplanung maßgeblichen Ziele der Bedarfsgerechtigkeit, der Leistungsfähigkeit, der Wirtschaftlichkeit und der Trägervielfalt sämtlich in den Blick zu nehmen und angemessen zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbesondere die erforderliche Leistungsfähigkeit eines Krankenhauses abhängig von der Art der Versorgung, der das Krankenhaus dienen soll. Dies hat der Senat gerade für das Verhältnis von Belegkrankenhäusern zu öffentlichen Krankenhäusern ausgesprochen (vgl. Urteil vom 14. November 1985 - BVerwG 3 C 41.84 - Buchholz 451.74 § 8 KHG Nr. 8 S. 83). Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Leistungsfähigkeit von Spezialkliniken könne sich nur danach richten, welche Ausstattung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft für Krankenhäuser auf dem entsprechenden Spezialgebiet geboten sei (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990 - 1 BvR 355/86 - BVerfGE 82, 209, 234). Es hat hinzugefügt, weitergehende Anforderungen würden dem Ziel des Krankenhausfinanzierungsgesetzes widersprechen. Sie hätten zur Folge, dass unnötige Investitionen erforderlich und die Kosten dadurch gesteigert würden.

6 In dieselbe Richtung geht der Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 4. März 2004 - 1 BvR 88/00 - GesR 2004 S. 296. Dort ist festgestellt, ein genereller Rechtssatz, dass größere Häuser mit einem umfassenden Leistungsangebot zu bevorzugen seien, lasse sich dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht entnehmen; er wäre auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Andernfalls würde größeren Versorgungseinheiten eine Priorität eingeräumt, für die es jedenfalls in dieser Allgemeinheit keinen sachlichen Grund gebe (a.a.O. S. 299). Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung eine strukturelle Benachteiligung privater Krankenhausträger darin gesehen, dass die Planungsbehörde generell Häuser bevorzuge, die eine breitbasige Allgemeinversorgung und eine flächendeckende Not- und Unfallversorgung sicherstellen. Mit diesen Merkmalen würden private Krankenhäuser im Verhältnis zu großen kommunalen oder frei gemeinnützigen Häusern benachteiligt, auch ohne ausdrückliche Erwägungen in diese Richtung (a.a.O. S. 299).

7 Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung steht außer Frage, dass die generelle Entscheidung, Belegbetten in den Krankenhausplan nur dann aufzunehmen, wenn sie an Allgemeinkrankenhäuser mit einer breitbasigen Allgemeinversorgung und einer flächendeckenden Notfallversorgung angebunden sind, rechtlich nicht haltbar ist. Entscheidend ist vielmehr, ob diese Anbindung für die Erfüllung der Versorgungsaufgabe der jeweiligen Betten erforderlich ist. Ist dies nicht der Fall, so stellt die Forderung eine unverhältnismäßige Einschränkung der Berufsfreiheit des Krankenhausbetreibers dar. Außerdem beeinträchtigt sie die vom Krankenhausfinanzierungsgesetz erstrebte Trägervielfalt, weil gerade die reinen Belegkrankenhäuser typischerweise zur Kategorie der ohnehin unterrepräsentierten privaten Krankenhäuser gehören.

8 Demgegenüber kann der Beklagte sich nicht darauf berufen, dass der Bundesgerichtshof der Behandlung in reinen Belegkrankenhäusern medizinische Nachteile attestiert hat (vgl. Urteil vom 29. März 1990 - I ZR 76/88 - NJW 1990 S. 2317 f.). In dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob ein reines Belegkrankenhaus in seiner Werbung auf seinen spezifischen Charakter hinweisen muss. Dies hat der Bundesgerichtshof bejaht mit der Begründung, die besonderen Verhältnisse eines Belegkrankenhauses beschränkten dessen Tätigkeitsspektrum von vornherein auf die Vornahme kleiner oder allenfalls mittlerer Eingriffe; eine Werbung, die das nicht erkennen lasse, sei irreführend. Eine Aussage, dass für dieses eingeschränkte Tätigkeitsspektrum die Behandlung in einem reinen Belegkrankenhaus medizinisch nachteilig sei, enthält die Entscheidung nicht.

9 Ausgehend von der vorstehend dargelegten Rechtslage hat das Berufungsgericht festgestellt, es gebe keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Anbindung von Belegbetten an Allgemeinkrankenhäuser mit einer breitbasigen Allgemeinversorgung und einer flächendeckenden Notfallversorgung allgemein erforderlich sei, um dem Ziel einer Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung und der Sicherheit der Patienten gerecht zu werden. Das Berufungsgericht unterlegt diese Feststellung u.a. mit der Aussage, es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verlegungsrate von Patienten reiner Belegkliniken höher sei als die durchschnittliche Verlegungsrate in Berlin im Übrigen. Die insoweit im Hinblick auf die Klägerin wiedergegebenen Zahlen liegen sogar um ein Vielfaches unter den Durchschnittszahlen in Berlin. All dies wird vom Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.