Beschluss vom 12.02.2004 -
BVerwG 1 B 114.03ECLI:DE:BVerwG:2004:120204B1B114.03.0

Beschluss

BVerwG 1 B 114.03

  • Bayerischer VGH München - 18.12.2002 - AZ: VGH 10 B 00.3456

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Februar 2004
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 000 € festgesetzt.

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen die Denkgesetze als Verfahrensverstoß gegen § 108 Abs. 1 und § 86 Abs. 1 VwGO geltend macht (Beschwerdebegründung B I), kann offen bleiben, ob insoweit ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Betracht kommt (vgl. zur Abgrenzung auch im Asylprozess allgemein Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 = NVwZ-RR 1996, 359 sowie BVerwGE 96, 200 <209>). Die Beschwerde zeigt nämlich den behaupteten logischen Fehler des Berufungsgerichts schon nicht schlüssig auf. Die insoweit beanstandete Schlussfolgerung des Gerichts (UA S. 10), bei der früheren Ehefrau des Klägers sei bereits ab Herbst 1995 offensichtlich der Wille zur Führung der Ehe in einer häuslichen Gemeinschaft mit dem Kläger nicht mehr vorhanden gewesen, lässt sich mit den Argumenten der Beschwerde - die lediglich auf eine eigene abweichende Beweiswürdigung hinauslaufen - nicht als unlogisch und damit objektiv willkürlich darstellen. Vielmehr konnte das Berufungsgericht seine Schlussfolgerung und die Annahme, dass die Ehegatten seit Herbst 1995 "auf Dauer getrennt" gelebt hätten, ohne Verstoß gegen die Denkgesetze daraus ableiten, dass die Ehefrau nach der Entlassung aus der Drogentherapie "die bis dahin bestehende eheliche Lebensgemeinschaft jedoch nicht in einer gemeinsamen Wohnung fortgeführt" habe, sondern vielmehr "in der Folgezeit bei ihrem Vater" in L. gelebt habe, während der Kläger in München verblieben sei. Das Berufungsgericht hat mithin aus der Wohnsitznahme der früheren Ehefrau bei ihrem Vater und der auch in der Folgezeit beibehaltenen unterschiedlichen Wohnsitze auf die "Aufgabe der ehelichen Lebensgemeinschaft" durch die Klägerin geschlossen. Das ist denkgesetzlich nicht ausgeschlossen, auch nicht im Hinblick auf die von der Beschwerde angeführte "Chronologie", wonach - nach den Angaben des Klägers (vgl. Niederschrift über die Berufungsverhandlung vom 10. Dezember 2002 S. 4, GA Bl. 115 Rückseite) - ursprünglich geplant gewesen sei, nach Beendigung der ambulanten Wohngemeinschaft wieder zusammenzuleben, und ebenfalls nicht durch die von der Beschwerde zitierte Aussage der Ehefrau vor dem Verwaltungsgericht. Ebenso liegt kein Logikverstoß darin, dass - wie die Beschwerde weiter meint - das Berufungsgericht aus dem objektiven Verhalten der Ehefrau nicht auf ihren Willen hätte zurückschließen dürfen, nicht mehr mit dem Ehemann zusammenzuleben. Auch gibt es kein beweisrechtliches Verbot des Inhalts, der Tatrichter dürfe aus äußeren, objektiven Umständen nicht auf innere, subjektive Tatsachen zurückschließen. Im Übrigen wendet sich die Beschwerde insoweit ersichtlich lediglich gegen die von ihr als falsch bekämpfte Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), die der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogen ist. Ob das Tatsachengericht seine freie, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnene Überzeugung mehr oder weniger überzeugend begründet hat oder ob ein anderes Beweisergebnis näher gelegen hätte, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht zu überprüfen. Das gilt auch für eine auf angeblich "zu dünne Indizien" gestützte "indizielle Beweisführung", wie sie die Beschwerde als "unzureichend" rügt.
Der Vorwurf einer das rechtliche Gehör verletzenden Überraschungsentscheidung (Beschwerdebegründung B II) ist nicht schlüssig dargelegt. Mit der Behauptung, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht aufgestellte "Chronologie der behaupteten Eheführung" enthalte "eine gemeinsame Tatsachenbasis", an welche sich das Gericht hätte halten müssen, wird die Beschwerde den insoweit in Bezug genommenen Ausführungen in der Niederschrift über die Berufungsverhandlung (GA Bl. 114 ff.) nicht gerecht. Sie bekämpft damit wiederum nur die schlussfolgernde Feststellung des Gerichts zu einem dauernden Getrenntleben bzw. der Nichtfortführung der Ehe in Form einer häuslichen Gemeinschaft seit Herbst 1995. Diese Frage wird in der "Chronologie der behaupteten Eheführung" indes nicht ausdrücklich angesprochen. Der Kläger konnte ferner aus der Protokollierung seiner Angaben nicht schließen, diese würden - allein oder gar im Zusammenhang mit der Aussage der früheren Ehefrau vor dem Verwaltungsgericht - in einer bestimmten Weise gewürdigt oder nicht gewürdigt. Ebenso wenig war das Berufungsgericht verpflichtet, den Kläger darauf hinzuweisen, dass es "von einem endgültigen Abbruch der Beziehungen im Herbst 1995 ausgehe und den entgegenstehenden Erklärungen des Klägers bzw. Indizien keinen Glauben schenke" (Beschwerdebegründung S. 9). Die insoweit angegriffene Bewertung war Gegenstand der abschließenden Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in der der mündlichen Verhandlung folgenden Beratung und musste schon deshalb nicht vorab bekannt gegeben werden (vgl. etwa Beschluss vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52).
Soweit die Beschwerde schließlich eine grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage geltend macht, "ob die erstinstanzliche Aussage der Ehefrau verwertet werden konnte und musste, ggf. ob sie durch Verlesung eingeführt werden musste oder durch eine Einvernahme der erstinstanzlichen Richter oder ob die Verwertung rechtlich unzulässig" gewesen sei, wird eine entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Verfahrensrechts nicht aufgezeigt. Die Beschwerde legt schon nicht dar, inwieweit es auf die Beantwortung der angesprochenen Verfahrensfragen für die Nachprüfung der Verfahrensrichtigkeit der Berufungsentscheidung überhaupt ankommen soll, inwiefern mit anderen Worten die Aussage der Ehefrau vor dem Verwaltungsgericht - vom rechtlichen und tatrichterlichen Standpunkt des Berufungsgerichts aus betrachtet - entscheidungserheblich gewesen sein soll. Im Übrigen setzt sich die Beschwerde insoweit auch nicht mit der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dazu auseinander, unter welchen Voraussetzungen die Berufungsgerichte Aussagen von Zeugen in erster Instanz verwerten dürfen oder sie erneut anhören müssen, und zeigt insoweit keinen neuen oder weitergehenden Klärungsbedarf auf (vgl. Beschlüsse vom 11. Juni 2002 - BVerwG 1 B 37.02 - und vom 10. Mai 2002 - BVerwG 1 B 392.01 - Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 260 und Nr. 259 = NVwZ 2002, 1381 sowie zuletzt Beschlüsse vom 17. Oktober 2002 - BVerwG 1 B 281.02 - und vom 17. April 2003 - BVerwG 1 B 226.02 - <juris>).
Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat noch darauf hin, dass die Verfahrensrügen auf der Grundlage der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zur Auslegung und Anwendung des § 19 Abs. 1 AuslG in der Fassung des Gesetzes vom 25. Mai 2000 (BGBl I, 742) zu prüfen waren, obwohl das Bundesverwaltungsgericht bisher zu der in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte umstrittenen Anwendbarkeit der Neufassung dieser Bestimmung auf sog. Altfälle noch nicht Stellung genommen hat.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.