Beschluss vom 11.12.2003 -
BVerwG 2 B 36.03ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B2B36.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.12.2003 - 2 B 36.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B2B36.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 36.03

  • Bayerischer VGH München - 23.05.2003 - AZ: VGH 3 B 98.2662

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und G r o e p p e r
beschlossen:

  1. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. Mai 2003 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 106 900 € festgesetzt.

Die Beschwerde ist begründet. Zwar kommt der Rechtssache weder die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (I.), noch ist die Divergenzrüge begründet (II.). Es liegt aber ein von der Beschwerde geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (III.). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Streitsache an das Berufungsgericht (§ 133 Abs. 6 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
I. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung in der mit dem Beschwerdevorbringen bezeichneten Richtung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die angefochtene Entscheidung beruht auf der Auslegung und Anwendung irrevisibler und überdies ausgelaufener Beihilfevorschriften.
II. Der angefochtene Beschluss weicht auch nicht von dem Urteil des Senats vom 24. August 1995 - BVerwG 2 C 7.94 - (Buchholz 270 § 9 BhV Nr. 3) ab. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden Rechtssatz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz widersprochen hat (stRspr; vgl. u.a. Beschluss vom 4. Februar 1999 - BVerwG 6 B 131.98 - Buchholz 251.8 § 94 RhPPersVG Nr. 1 S. 3 f. m.w.N.). In jedem Fall erfolglos bleibt eine Divergenzrüge, wenn die abweichende Entscheidung eine irrevisible Vorschrift betrifft, und zwar auch dann, wenn diese mit einer revisiblen Vorschrift inhaltsgleich sein sollte (vgl. u.a. Beschluss vom 4. Februar 1999, a.a.O. S. 4 m.w.N.). So verhält es sich hier.
III. Das Berufungsgericht hat jedoch durch eine Überraschungsentscheidung den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) verletzt. Es hat entscheidungstragend angenommen: Der Begriff der Pflegeeinrichtung setze voraus, dass bei einer so genannten gemischten Einrichtung deren eigentlicher Pflegezweck im Rechtssinne klar feststellbar überwiege. Diese Auslegung des Begriffs der Pflegeeinrichtung sei geboten, weil Beihilfe nur für Pflegemaßnahmen gewährt werden könne. Da bei einer gemischten Einrichtung auch die nicht der Grund- und Behandlungspflege zuzuordnenden Aufwendungen unausscheidbar in die gesamten Betreuungskosten eingingen, könne die Beihilfe von dem nicht beihilfefähigen Kostenanteil nicht entlastet werden. Deshalb müsse das Überwiegen des Pflegezwecks einer gemischten Einrichtung verlangt werden.
Die Frage, ob die Kosten für Behandlungs- und Grundpflege und die sonstigen Kosten untrennbar seien und deswegen der Begriff der Pflegeeinrichtung im Sinne des angefochtenen Beschlusses auszulegen sei, hat zuvor weder das Berufungsgericht noch ein Verfahrensbeteiligter angesprochen. Hätte das Berufungsgericht die Beteiligten in der gebotenen Weise hierauf hingewiesen, hätte der Kläger - wie die Beschwerde geltend macht - unter Beweisantritt vortragen können, ein Heim, das Behinderte betreut und pflegt, könne sämtliche Kosten, insbesondere die Aufwendungen für die Pflege, im Einzelnen aufgeschlüsselt und nachvollziehbar berechnen. Auf der Versagung rechtlichen Gehörs kann die angefochtene Entscheidung beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre, sofern es sich im Einzelnen mit diesem Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt hätte.
Zur Beschleunigung des Verfahrens ist der angefochtene Beschluss ohne vorherige Zulassung der Revision aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 133 Abs. 6 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2 GKG.