Beschluss vom 11.12.2003 -
BVerwG 1 B 56.03ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B1B56.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.12.2003 - 1 B 56.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:111203B1B56.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 56.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 15.11.2002 - AZ: OVG 21 A 4834/99.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
R i c h t e r und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht B e c k
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. November 2002 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Die Beschwerde rügt zunächst eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie macht geltend, dass das Berufungsgericht den Kläger im Einzelnen zu den Modalitäten der von ihm dargelegten Misshandlungen sowie dazu hätte befragen müssen, warum diese zuvor im Laufe des Asylverfahrens von ihm nicht erwähnt worden seien (vgl. Beschwerdebegründung S. 5 ff.). Damit und mit dem weiteren Beschwerdevorbringen ist eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht den gesetzlichen Darlegungserfordernissen entsprechend dargetan. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör auf. Die Beschwerde berücksichtigt nicht, dass das rechtliche Gehör - auch in seiner Ausprägung durch § 86 Abs. 3 VwGO - keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Tatsachengerichts begründet. Dieses muss die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (vgl. Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 und Beschluss vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - a.a.O. Nr. 52). Besondere Umstände, die ausnahmsweise einen Hinweis oder eine Nachfrage des Gerichts hätten gebieten können, ergeben sich aus den Ausführungen der Beschwerde nicht. Sie zeigt insbesondere nicht auf, dass der anwaltlich vertretene Kläger mit der vom Berufungsgericht vorgenommenen Würdigung seines Vorbringens zu den Misshandlungen während der Haft nicht rechnen und nicht von sich aus sein gesteigertes Vorbringen substantiieren und die Gründe hierfür erläutern konnte und musste. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger in anderem Zusammenhang (vgl. Beschwerdebegründung S. 9 und 12 ff. zu UA S. 92 bis 95) eine Verletzung der Aufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs geltend macht. Auch insoweit zeigt die Beschwerde keine entsprechenden Verfahrensmängel auf, sondern wendet sich der Sache nach gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Diese ist aber grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen und kann daher in der Regel - und so auch hier - einen Verfahrensmangel nicht begründen.
Die Beschwerde macht weiter die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (Beschwerdebegründung S. 10 ff.).
Sie wirft die Frage auf, "ob es asylerhebliche Verfolgung im Sinne des Art. 16 a Abs. 1 GG bzw. § 51 Abs. 1 AuslG darstellt, wenn eine Person aus asylerheblichen Merkmalen - hier wegen des Verdachts der Unterstützung separatistischer Bestrebungen - über einen nicht mehr unerheblichen Zeitraum festgehalten wird, auch
wenn dies nicht mit Misshandlungen, Folter o.ä. verbunden ist". Dieses Vorbringen kann schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision führen, weil es sich nur auf eine Hilfsbegründung des Berufungsgerichts bezieht und die Beschwerde gegen die Hauptbegründung des Berufungsgerichts, dass dem Kläger die behauptete zehn- oder achttägige Inhaftierung nicht geglaubt werden könne (UA S. 11 f.), keine durchgreifenden Zulassungsgründe geltend gemacht hat. Auf die vom Berufungsgericht in der Hilfsbegründung unter Wahrunterstellung dieses Vortrags vertretene Auffassung kommt es daher nicht entscheidungserheblich an. Im Übrigen legt die Beschwerde auch nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise dar, dass diese Frage in der dargelegten allgemeinen Form in einem Revisionsverfahren klärungsfähig ist. Namentlich setzt sie sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht die Inhaftierung des Klägers als unter dem Gesichtspunkt der Abwehr des Terrorismus noch "legitime" staatliche Maßnahme des Rechtsgüterschutzes angesehen und insoweit auf das Urteil des Senats vom 25. Juli 2000 - BVerwG 9 C 28.99 - BVerwGE 111, 334, 338 ff. Bezug genommen hat. Die Beschwerde befasst sich nicht - wie erforderlich - damit, dass der Senat in diesem Urteil ausgeführt hat, dass es sich einer abstrakten Festlegung entziehe, welche Maßnahmen der Terrorismusabwehr im Einzelnen bei objektiver, wertender Betrachtung noch als "legitim" und dem Rechtsgüterschutz dienend anzuerkennen seien mit der Folge, dass sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild aus dem Bereich der politischen Verfolgung herausfielen; die Frage könne letztlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles beurteilt werden.
Die Beschwerde rügt schließlich im Hinblick auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 53 AuslG als Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers, dass das Berufungsgericht nicht dargelegt habe, aufgrund welcher Tatsachen es zu der Überzeugung gelangt sei, dass für den Kläger keine Gefahr einer Wundinfektion im Hinblick auf die weitere Behandlung seines Armstumpfes bestehen solle (Beschwerdebegründung S. 15 ff.). Die Ausführungen des Berufungsgerichts seien auch widersprüchlich, da dieses einerseits davon ausgehe, dass "regelmäßige ärztliche Kontrollen seiner Operationsnarbe" erforderlich seien (UA S. 95), andererseits aber ausführe, die Operationsnarben seien problemlos verheilt (UA S. 102). Hiermit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers nicht den gesetzlichen Darlegungserfordernissen entsprechend auf. Die Beschwerde macht schon nicht ersichtlich, dass der Kläger sich im Berufungsverfahren substantiiert und unter Vorlage ärztlicher Atteste auf das Risiko einer Wundinfektion berufen hätte. Sie zeigt darüber hinaus nicht - wie erforderlich - auf, dass ein derartiges Risiko aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts für den Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG entscheidungserheblich war. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dass der Kläger aufgrund seiner Verletztenrente der Fleischerei-Berufsgenossenschaft, die ihm auch in Sri Lanka ausbezahlt werden könne, über Einkünfte verfüge, die um ein Vielfaches über dem monatlichen Durchschnittseinkommen in Sri Lanka lägen; damit sei er auch ohne weiteres in der Lage, die Kosten für notwendige ärztliche Behandlungen zu bestreiten (UA S. 95 f., 102). Die Beschwerde zitiert diese Ausführungen zwar teilweise, setzt sich aber mit ihnen nicht - wie erforderlich - auseinander. Sie macht nicht ersichtlich, inwieweit eine weitere ärztliche Behandlung auch einer etwaigen Wundinfektion im Falle einer Rückkehr des Klägers nach Sri Lanka angesichts der erwähnten berufungsgerichtlichen Feststellungen nicht gewährleistet sein soll.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.