Urteil vom 11.12.2002 -
BVerwG 1 D 11.02ECLI:DE:BVerwG:2002:111202U1D11.02.0

Urteil

BVerwG 1 D 11.02

In dem Disziplinarverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht, 1. Disziplinarsenat,
in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 11. Dezember 2002,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
M a y e r ,
Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. H. M ü l l e r ,
Posthauptsekretär Otto J o c h e r und
Postbetriebsassistent Willibald Z o l l n e r
als ehrenamtliche Richter
sowie
Regierungsdirektor ...
für den Bundesdisziplinaranwalt,
Rechtsanwalt ...,
als Verteidiger,
und
Justizangestellte ... ,
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Die Berufung des Postbetriebsassistenten ... gegen das Urteil des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XVI - ... -, vom 30. Januar 2002 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


1. Der Bundesdisziplinaranwalt hat den Beamten angeschuldigt, dadurch ein Dienstvergehen begangen zu haben, dass er
in der Zeit von Juni 1998 bis April 1999
1. aus einer ihm dienstlich anvertrauten Kasse wiederholt eigennützig Beträge von 8,92 DM bis zu 101,22 DM im Gesamtwert von 514,55 DM für private Zwecke entwendet,
2. 20 DM aus einer sog. Kaffeekasse sowie
3. eine Kollegmappe aus dem Fundus eines Kunden gestohlen und
4. sich auch dessen Frankiermaschine privat bedient hat.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat den Beamten durch Urteil vom 30. Januar 2002 aus dem Dienst entfernt und ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 v.H. seines erdienten Ruhegehalts auf die Dauer eines Jahres bewilligt. Es hat die Vorwürfe als erwiesen angesehen und die Handlungsweise des Beamten als vorsätzliche Verstöße gegen die ihm obliegenden Pflichten zur uneigennützigen Verwaltung seines Amtes und zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 54 Sätze 2 und 3 BBG), somit als Dienstvergehen gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG gewertet, das wegen seines Gewichts und wegen des Fehlens anerkannter Milderungsgründe zur Entfernung des Beamten aus dem Dienst habe führen müssen.
3. Gegen dieses Urteil haben der Beamte und sein Verteidiger in zwei getrennten Schriftsätzen rechtzeitig Berufung eingelegt und im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Beamte bemängelt, dass die Frage seiner Schuldfähigkeit bezüglich der Anschuldigungspunkte 1, 2 und 4 unter Berücksichtigung der bei ihm vorliegenden Fresssucht im bisherigen Verfahren nicht hinreichend aufgeklärt worden sei. Das Gutachten des Chefarztes Dr. R. vom 8. Februar 2001 hält er für unzureichend. Die vom Gutachter durchgeführte Exploration sei unvollständig. Dies betreffe insbesondere die Tatsache, dass das Suchtverhalten sein gesamtes privates und berufliches Leben überschattet habe, er insbesondere geheime Vorräte sowohl zu Hause als auch in der Dienststelle angelegt habe, um seine Fresssucht zu befriedigen. Die Fresssucht habe sein gesamtes familiäres Leben beeinträchtigt, da er insbesondere nicht in der Lage gewesen sei, sich an Gesprächen oder sonstigen Aktivitäten des Familienlebens zu beteiligen und familiäre Verant-
wortung zu tragen. Aufgrund seiner Fresssucht sei im Tatzeitraum sogar seine eigene Sexualität weitgehend ausgeschaltet gewesen, und seine Ehefrau habe ihn nur noch als "drittes Kind" wahrnehmen können.
Die Zwanghaftigkeit des ihm vorgeworfenen Verhaltens ergebe sich aus folgenden Umständen:
Aufgrund der wegen seiner Fresssucht gemachten Schulden habe er mit seiner Ehefrau vereinbart, dass diese das Geld verwalten solle. Ihm habe nur ein Betrag von 5 DM pro Tag zur Verfügung gestanden, von dem er auch das reguläre Essen in der Kantine habe bezahlen müssen. Später sei er nicht mehr essen gegangen, um Geld zum Kauf von Süßigkeiten zu haben. Die Intensität der Fresssucht habe sich auch darin geäußert, dass er auf der Dienststelle heimlich Süßigkeiten verzehrt habe, etwa beim Gang zur Toilette oder indem er sich in einen Nebenraum begeben habe. Die Fresssucht habe sein gesamtes Denken bestimmt. Erst nach Durchführung der Therapie im Jahre 1999 sei er in der Lage gewesen, wieder aktiv am Familienleben teilzunehmen und Verantwortung zu tragen.
Zum Anschuldigungspunkt 1 trägt der Beamte weiter vor, er habe entweder Zettel in die Kasse gelegt oder in einem Fall einen Blanko-Euroscheck. Er sei nicht in der Lage gewesen, zu erkennen, dass dieses Verfahren unrechtmäßig gewesen sei. Er habe nie Geldscheine aus der Kasse genommen, um sich zu versorgen, sondern bei den "krummen Zahlen" habe es sich um genau die Beträge gehandelt, die für den Einkauf von Süßigkeiten benötigt worden seien. Bei dem Fehlbetrag von 8,92 DM vom 20. Oktober 1998 handele es sich allerdings um einen echten Fehlbetrag. Es wäre für ihn völlig untypisch gewesen, eine derart kleine Geldmenge für den Kauf von Süßigkeiten aufzuwenden. Vielmehr seien die anderen Beträge zwischen 27 DM und 65 DM typisch gewesen. Für das Jahr 1999 gelte, dass hier im Monat April drei Fehlbestände auftauchten, die immer fortgeschrieben worden seien.
Auch die Benutzung des Freistemplers im Anschuldigungspunkt 4 stehe im Zusammenhang mit seinem Suchtverhalten. Seine Ehefrau habe ihm Briefe zum Absenden mit in den Dienst gegeben. In einigen Fällen habe er das Geld für Briefmarken eingespart, um Süßigkeiten kaufen zu können.
Im Anschuldigungspunkt 3 sei die Vorinstanz von falschen Tatsachen ausgegangen. Die Kollegmappe sei in einem Keller des Gebäudes der B. gelagert gewesen. Hier sei nicht mehr benötigtes, ausrangiertes Material gestapelt worden. In einer Kiste hätten Kollegmappen gelegen, die vor Jahren einmal bei einem Seminar der B. verteilt worden seien. Diese Seminarmappen seien aus Plastik und mit einem Reißverschluss versehen gewesen und hätten ein Ringbuch mit Papiereinlage enthalten. Er sei davon ausgegangen, dass es sich um wertloses Material gehandelt habe. Es sei nicht nur seine Absicht gewesen, die Kollegmappe für dienstliche Zwecke zu benutzen, sondern er habe den Plan auch tatsächlich ausgeführt. Auf den sich im Ringbuch befindlichen Blättern habe er Informationen und Arbeitsanweisungen für den Tätigkeitsablauf der Arbeit in K. zusammengestellt, um sie dann für sich und andere Beschäftigte, etwa für den Stellvertreter im Falle seines Urlaubs, in der Poststelle der B. bereitzuhalten. Die Unterlagen habe er im Ringbuch abgeheftet. Später habe dieses Ablagesystem einen solchen Umfang angenommen, dass er die Blätter aus dem Ringbuch herausgenommen und in einen regulären Aktenordner hineingegeben habe. Dieser Vorgang sei bei ihm zu Hause erfolgt, da er in den Räumen der B. nicht mehr die erforderliche Ruhe, u.a. bedingt durch die Umzugsvorbereitungen der B., gefunden habe, um die Arbeitsanweisungen auf der Dienststelle zu schreiben bzw. das Ringbuchsystem auf der Dienststelle zu führen. Am Wochenende habe er an dem System gearbeitet. Ebenfalls zu Hause habe er später die zu umfangreich gewordenen Blätter in einen Aktenordner umgefüllt. Die leere Kollegmappe sei zu Hause geblieben. Ursprünglich habe er die Papiere nicht aus der Mappe herausnehmen, sondern sie in der Kollegmappe belassen wollen, um sie bei Ende der Tätigkeit der B. in K. (November 1999) in ordentlichem Zustand an die B.-Verantwortlichen für den Postversand zu übergeben, die in Be. die dortige Poststelle der B. übernehmen sollten. Wegen des angenommenen Umfangs habe jedoch ein Aktenordner angelegt werden müssen. Zu dessen Übergabe sei es lediglich deswegen nicht gekommen, weil er vom Dienst suspendiert worden sei.

II


Die Berufung des Beamten hat keinen Erfolg.
Das Disziplinarverfahren ist nach bisherigem Recht, d.h. auch nach In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes nach den Verfahrensregeln und -grundsätzen der Bundesdisziplinarordnung fortzuführen (vgl. zum Übergangsrecht z.B. Urteil vom 20. Februar 2002 - BVerwG 1 D 19.01 ).
1. Das Rechtsmittel ist unbeschränkt eingelegt. Der Beamte macht Schuldunfähigkeit und damit geltend, zu den Tatzeitpunkten für die ihm vorgeworfenen Verfehlungen nicht verantwortlich gewesen zu sein. Darüber hinaus bestreitet er in einem Anschuldigungspunkt den Sachverhalt. Der Senat hat deshalb den Sachverhalt selbst festzustellen und disziplinarrechtlich zu würdigen.
2. Der Senat geht aufgrund der zum Gegenstand der Verhandlung gemachten Unterlagen und der Einlassung des Beamten, soweit ihr gefolgt werden konnte, von folgendem Sachverhalt aus:
a) Anschuldigungspunkt 1
Der Beamte war in der Zeit vom 15. September 1997 bis Anfang Juni 1999 Leiter der von der Deutsche Post ... (G.), einer Tochterfirma der Deutschen Post AG, bei der im Gebäude der B. eingerichteten Poststelle. Ihm waren drei weitere Kollegen der Niederlassung Produktion Brief-Kommunikation K. zugeordnet. Der Beamte hatte unter anderem eine von der G. eingerichtete Kasse zu führen, aus der z.B. Ausgaben für die B. und für eigene Sachmittel entnommen wurden. Die Kasse wurde monatlich abgerechnet und auf einen Bestand von 500 DM gebracht. Die für die B. getätigten Ausgaben wurden jeweils von dieser erstattet.
In der Zeit von Juni 1998 bis April 1999 entnahm der Beamte aus dieser Kasse immer wieder Geldbeträge für private Zwecke, insbesondere für den Kauf von Zigaretten, Süßigkeiten und anderen Esswaren. Anfangs legte er für die entnommenen Beträge Zettel in die Kasse, später nicht mehr. Von seinen Kollegen zur Rede gestellt, verdächtigte er zunächst die Putzfrau, gab dann aber zu, die Gelder entnommen zu haben. Auf Drängen der Kollegen erstattete er die jeweils fehlenden Beträge und versprach, kein Geld mehr für eigene Zwecke zu entnehmen. Trotz dieser Versprechen und der Ermahnungen seiner Kollegen setzte der Beamte sein Verhalten fort. Bei den monatlichen Abrechnungen wurden folgende Fehlbeträge festgestellt:
Datum Kassenstand Kassenstand Differenz
Soll in DM Ist in DM in DM
1998:
15.06. 379,02 311,10 67,92
29.06. 379,02 351,12 27,90
20.07. 378,02 221,95 56,07
11.08. 378,02 328,17 49,85
21.09. 376,02 274,30 101,72
20.10. 376,02 367,10 8,92
22.10. 376,02 279,00 79,02
1999:
30.03. 352,72 336,77 15,95
06.04. 352,72 316,75 35,97
08.04. 352,72 316,75 35,97
12.04. 352,72 317,46 35,26
Gemäß dem Berufungsvorbringen kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Betrag von 8,92 DM am 20. Oktober 1998 um einen echten Fehlbetrag gehandelt hat. Auch ist zutreffend, dass im April 1999 ein Betrag von etwa 35 DM zweimal zu Unrecht lediglich fortgeschrieben wurde, so dass davon auszugehen ist, dass die drei zuletzt genannten Fehlbeträge nur durch eine einmalige Geldentnahme des Beamten entstanden sind. Hie-raus folgt, dass der Beamte insgesamt 434,40 DM entwendet hat. Soweit dem Beamten in der Anschuldigungsschrift vorgeworfen wird, 514,55 DM für private Zwecke entwendet zu haben, ist er bezüglich eines Teilbetrages in Höhe von 80,15 DM von diesem Vorwurf freizustellen.
b) Anschuldigungspunkt 2
Etwa Ende 1998 entnahm der Beamte 20 DM aus der von den Kollegen gemeinsam geführten Kaffeekasse, um sich damit Süßigkeiten oder Zigaretten zu kaufen. Am folgenden Tage, zur Rede gestellt, gab er zu, das Geld entnommen zu haben und erstattete den Betrag. Die Kasse wurde daraufhin aufgelöst.
c) Anschuldigungspunkt 3
Zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt entnahm der Beamte aus dem Keller der B. eine neue noch in Folie verpackte kunstlederne Kollegmappe und nahm sie mit nach Hause. Nach Aufdeckung seines Fehlverhaltens wurde die Mappe der B. am 22. Juni 1999 über die Poststelle wieder zugeführt.
Bei den in der Hauptverhandlung vor dem Senat in teilweiser, überwiegend jedoch fehlender Übereinstimmung mit früheren Einlassungen aufgestellten Behauptungen des Beamten, er habe die Kollegmappe, die von der B. mit anderen Materialien zur Verbringung auf den Müll ausgesondert gewesen sei, mit nach Hause genommen, um selbst verfasste Bearbeitungshinweise für die computergestützte Erledigung von für die G. anfallenden Arbeiten, die er zu Hause auf seinem eigenen Computer erst noch habe erstellen wollen, darin zu sammeln und später dann in den dienstlich genutzten Räumen bereitzuhalten, wobei diese Hinweise letztendlich auch noch der B. hätten zur Verfügung gestellt werden sollen, handelt es sich offensichtlich um Schutzbehauptungen. Die weiteren Behauptungen des Beamten in der Hauptverhandlung, das in der Mappe enthaltene Papier habe er teilweise für die Erstellung dieser nicht fertig gewordenen Hinweise benutzt bzw. (nach einem Vorhalt) er habe den darin befindlichen Abrissblock zur Verwendung von handschriftlichen Notizen im Rahmen der Vorarbeiten benutzt bzw. (nach einem weiteren Vorhalt unter Hinweis auf die beiden Abbildungen in den Vorermittlungsakten) er habe die Mappe vor der Rückgabe mit einem neuen Ersatzblock versehen, der sich ebenfalls im Keller der B. befunden habe, sind unglaubhaft. Sie widersprechen seiner ursprünglichen Einlassung und der seines ersten Verteidigers. Der Beamte selbst hatte sich am 2. Juni 1999 auf die Frage nach der Ledertasche zunächst schlicht dahin geäußert, es handele sich um eine Kollegmappe aus dem B.-Keller; die habe er "zu Hause, weiter keine"; die Tasche zu Hause werde er freiwillig zurückbringen. Weitere Gegenstände der B. habe er zu Hause nicht. Weder hat der Beamte damit der Materialbezeichnung "Leder" widersprochen, noch hat er dienstliche Verwendungszwecke oder gar eine ursprünglich schon vorhanden gewesene Rückgabeabsicht behauptet. Über seinen ersten Verteidiger hat er am 6. Juli 1999 vortragen lassen, die Schreibmappe sei zu klein gewesen, um alle Unterlagen, die er zu Hause habe erstellen wollen, aufnehmen zu können. Deshalb habe er einen Aktenordner erstellt. Leider habe er vergessen, die Schreibmappe zurückzubringen. Mit Schriftsatz vom 8. November 1999 hat er vortragen lassen, dass er sich die Kollegmappe zwar unerlaubt angeeignet, diese aber nicht persönlich für sich privat habe nutzen, sondern quasi als Arbeitshilfe in der Poststelle belassen und später dann der B. zur Verfügung stellen wollen. Er sehe ein, dass dies nicht richtig gewesen sei. Im Übrigen weise er noch darauf hin, dass die Kollegmappe nicht benutzt worden sei, da sie für sein Vorhaben (Unterlagen für das Handbuch aufzubewahren) nicht in Frage gekommen sei. Er habe die Kollegmappe unbenutzt zurückgegeben, lediglich die Plastikhülle habe bei der Rückgabe gefehlt. Von einem partiellen Gebrauch und einer vorherigen Aussonderung zwecks Verbringung auf den Müll ist auch hier noch nicht die Rede. Erstmals mit der Berufungsschrift wird behauptet, der Beamte habe die Kollegmappe nicht nur für dienstliche Zwecke zu Hause benutzen wollen, sondern sie sei auch tatsächlich benutzt worden. In der Hauptverhandlung, mit den beiden Fotos auf S. 69 der Vorermittlungsakte konfrontiert, aus denen sich ergibt, dass die Kollegmappe einen unbenutzten Block enthält, hat der Beamte schließlich die Behauptung aufgestellt, vor der Rückgabe habe er die Mappe mit einem neuen Ersatzblock versehen, der sich ebenfalls im Keller der B. befunden habe. Es liegt ein typischer Fall der sich ständig verändernden Nachbesserung des eigenen Vorbringens vor, die Ausdruck des im Laufe des Verfahrens gemachten Lernprozesses ist. Die mit der Berufungsschrift vorgetragene Behauptung, zu der Übergabe des von dem Beamten angelegten Aktenordners mit den von ihm erstellten Arbeitsanweisungen sei es lediglich deshalb nicht gekommen, weil er vom Dienst suspendiert worden sei, ist nachweislich falsch. Der Beamte ist erst durch Verfügung vom 7. März 2000 vorläufig des Dienstes enthoben worden und war nur bis Juni 1999 Leiter der Poststelle im Gebäude der B. Hätte er tatsächlich zu Hause dienstliche Unterlagen speziell für die Poststelle geführt, hätte es nur Sinn gemacht, wenn er diese der Poststelle dann auch zur Verfügung gestellt hätte.
d) Anschuldigungspunkt 4
Der Beamte hat im Jahre 1998 fünf bis sechsmal die Freistempelmaschine der B. benutzt, um von zu Hause mitgebrachte Post zu frankieren. Mit Schreiben vom 23. März 2000 entschuldigte er sich deshalb bei der B. und erstattete 20 DM in Postwertzeichen.
3. Der Beamte hat bei den von ihm begangenen Dienstpflichtverletzungen schuldhaft, und zwar vorsätzlich gehandelt. Er war nicht aufgrund der geltend gemachten Fresssucht schuldunfähig, was ohnehin nur für die Anschuldigungspunkte 1, 2 und 4 hätte in Betracht kommen können.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass alle Suchtarten, wie Alkohol-, Drogen- oder Spielsucht, auch Bulimie, selbst wenn sie pathologischer Natur sind, als solche nicht immer und ohne weiteres eine Schuldunfähigkeit des Betroffenen bezüglich der in diesem Zustand begangenen Eigentums- oder Vermögensdelikte zur Folge haben. Eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit oder in extremen Ausnahmefällen gar Schuldunfähigkeit kommt nur dann in Betracht, wenn die Erkrankung zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat, wenn der Betroffene Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen oder die Tat im Zustand eines akuten Rausches verübt hat (stRspr, z.B. Urteil vom 28. November 1995 - BVerwG 1 D 43.94 -; Urteil vom 16. März 1993 <Bulimie> - BVerwG 1 D 69.91 - <NJW 1993, 2632>). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie steht im Einklang mit der zu Fragen der Schuldfähigkeit umfangreichen Spruchspraxis des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 8. November 1988 - NStZ 1989, 113; Urteil vom 20. September 1988 - NStZ 1989, 17). Eine derartige Fallgestaltung liegt hier nicht vor.
Dies wird bestätigt durch das im Untersuchungsverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen Dr. R., das dieser im Auftrag des Senats ergänzt und in der Verhandlung erläutert hat.
Der Sachverständige Dr. R. kommt zu dem Ergebnis, ein Suchtverhalten im engeren Sinne habe bei dem Beamten nicht vorgelegen. Die Essstörung zur Tatzeit von Juli 1998 bis April 1999 könnte als leicht bis mittelschwer eingestuft werden. Bei der Essstörung handele es sich wie bei einem pathologischen Spielverhalten um eine spannungsabführende und damit psychisch entlastende, neurotische Verhaltensweise im Sinne eines psychosomatischen Störungskomplexes. Ein Suchtverhalten im engeren Sinne, das hier nicht vorliege, sei demgegenüber durch körperliche Entzugssymptome gekennzeichnet, wie sie bei der Alkohol- oder Substanzabhängigkeit bekannt seien. Bei der Esssucht des Beamten handele es sich um ein neurotisches Symptom. Hier erfolge eine psychische Entlastung durch kurzfristiges Zuführen von als angenehm erlebten äußeren Stimulationen. Sie stelle die exzessive Ausprägung eines an sich normalen Verhaltens (Essen) dar und erhalte erst durch seine übertriebene Ausprägung Störungscharakter. Der Beamte habe Belastungssituationen mit Essen beruhigt. Essen sei bei ihm die Abwehr von Angst und depressiven Gefühlen. Es stelle eine Kompensation für fehlendes Selbstwertgefühl dar und sei nicht Ausdruck eines Defizits oder einer großen Persönlichkeitsstörung. Wenn der Beamte täglich "nur" 5 bis 10 DM für Süßigkeiten und Essen ausgegeben habe, so spreche dies gegen einen Kontrollverlust. Ein solcher wäre nur anzunehmen, wenn der Beamte mit dem Essen nicht mehr hätte aufhören können, wenn er ohne "Stoff" sozusagen kurz vor dem Explodieren gestanden hätte. Dies sei bei den geringen Mengen der Genussmittel nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe bei dem Beamten nur ein dysfunktionales Essverhalten vorgelegen, und zwar dies schon seit seiner Jugendzeit. Dass die eigene Sexualität des Beamten weitgehend ausgeschaltet gewesen sei, lasse keine anderen Rückschlüsse zu. Dies sei Ausdruck eines allgemeinen sozialen Rückzugverhaltens, das mit der sozialen und beruflichen Überlastung im Zusammenhang stehe und weniger mit der Essstörung. Auch die Tatsache, dass die gesamte Familie des Beamten unter einer schweren Essstörung leide, spreche für eine familiäre Disposition in dem Sinne, dass die Eltern den Kindern ein dysfunktionales Essverhalten vorlebten, das von diesen übernommen werde. Die psychische Störung des Beamten stelle den Hintergrund dar, warum er keine Konsequenzen aus den internen Ermahnungen seiner Kollegen gezogen habe. Er sei jedoch nicht, wie vom Verteidiger dargelegt, sehenden Auges ins "offene Messer" gelaufen. Vielmehr habe sich ein Abwehrmechanismus, eine Verdrängung eingestellt. Der Beamte habe die Situation nicht als sehr schlimm empfunden und die Gefahr nicht erkannt. Möglicherweise sei er bezüglich der Ernsthaftigkeit auch einer Fehlinterpretation der Drohungen seiner Kollegen unterlegen. Dass der Beamte einsichts- und steuerungsfähig gewesen sei, ergebe sich daraus, dass er anfangs Zettel und einen Scheck in die Kasse gelegt, den Sachverhalt teilweise abgestritten und dann Besserung versprochen habe. Ein wesentliches Indiz für das Vorliegen einer Steuerungsfähigkeit sei, dass zwischen der letzten Tathandlung im Jahre 1998 und der ersten im Jahre 1999 ein Zeitraum von fünf Monaten gelegen habe und die Ermahnungen durch die Kollegen offensichtlich einen längerfristigen, wenn auch gegen Ende nur vorübergehenden Erfolg gehabt hätten.
Die Einwände der Verteidigung gegen die Qualifikation des Gutachters sind nicht berechtigt. Der Sachverständige war zehn Jahre lang Leiter einer Klinik, die speziell mit Essstörungen von Patienten befasst war. Der Sachverständige behandelte etwa
120 Patienten jährlich, kann also auf eine umfangreiche klinische Erfahrung speziell mit dem hier in Rede stehenden Suchtverhalten zurückgreifen.
Der Sachverständige hat auch eine nachvollziehbare Erklärung dafür abgegeben, dass er die von der Verteidigung vermissten testpsychologischen Untersuchungen nicht durchgeführt hat. Diese seien nicht üblich und für die Beurteilung der Diagnose auch nicht nötig. Für die vorgeschlagenen Tests gebe es im vorliegenden Falle keine Indikation. Die Tests dienten lediglich dazu, das Ergebnis von Therapien zu dokumentieren und dem Kostenträger zu zeigen, dass eine Therapie Erfolg gehabt habe. Sie seien sinnvoll bei Vergleichsfällen oder der Untermauerung von Diagnosen. Dies sei vorliegend nicht erforderlich gewesen. Wenn der Verteidiger bezüglich des Erfordernisses testpsychologischer Untersuchungen auf Leitlinien für die Erstellung von Gutachten in Nordrhein-Westfalen verweist, so übersieht er, dass diese Leitlinien zu § 14 Abs. 3 des Maßregelvollzugsgesetzes ergangen sind. Um einen solchen Anwendungsfall mit einer entsprechend schwierigen Verhaltensprognose handelt es sich vorliegend nicht. Vielmehr konnte der Sachverständige nicht nur auf frühere Diagnosen, sondern auch auf Erkenntnisse aus dem Erfolg der seinerzeit durchgeführten Therapie zurückgreifen.
Der hilfsweise begehrten Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedurfte es daher nicht, und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der Gutachterkritik durch den Dipl.-Psych. H. Dessen kritischer Stellungnahme vom 23. November 2002 lassen sich zwar andere methodische Ansätze, jedoch keinerlei sachliche Anhaltspunkte für die Annahme einer vollständigen Aufhebung der Schuldfähigkeit zum Anschuldigungszeitraum entnehmen. Der Kritiker sieht lediglich Ansätze dafür, dass unter bestimmten Gesichtspunkten der Frage weiter nachgegangen werden sollte, ob nicht doch eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit vorgelegen haben könnte. Auf diese Frage aber kommt es nach der noch zu erläuternden ständigen Rechtsprechung des Senats nicht an, sondern nur auf die Voraussetzungen des § 20 StGB, der vom Verfasser der Kritik zwar beiläufig miterwähnt wird ("Es bleibt einem wissenschaftlichen Zweitgutachten vorbehalten, die Frage des Vorliegens der Kriterien des § 21 oder des § 20 StGB zu klären"), jedoch im Kontext seiner Ausführungen in keiner Weise sachlich angesprochen wird.
Der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit war ebenfalls nicht begründet. Ergänzend zu der in der Hauptverhandlung gegebenen Begründung des Beschlusses über die Zurückweisung dieses Antrages ist noch auszuführen: Der Beamte hat seinen Antrag einerseits nicht auf hinreichend individualisierte Umstände gestützt, soweit er sich nur abstrakt darauf bezogen hat, dass der Sachverständige zuvor als Klinikleiter verantwortlich für die Therapie des Beamten gewesen sei. Dem Beamten ist zwar zuzugeben, dass es zu Interessenkollisionen kommen kann, wenn ein Therapeut während oder nach einer Therapie als Sachverständiger tätig wird. Die Übernahme des Gutachtensauftrages gibt jedoch nicht immer und ohne weiteres einen Grund zur Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr müssen individuelle Anhaltspunkte gegeben sein, die darauf schließen lassen, dass die (frühere) Tätigkeit als Therapeut eine objektive Begutachtung in Frage stellt, z.B. wegen zu großer Nähe des Therapeuten zum Patienten, wegen besonderer Spannungen oder Enttäuschungen nach einer fehlgeschlagenen Therapie oder wenn eine fortbestehende bzw. demnächst - namentlich bei rezidivierenden Erkrankungen - wieder zu erwartende Therapietätigkeit die Sorge um den Therapieerfolg die gebotene Objektivität und Neutralität des Gutachtens gefährden kann. Von alledem kann hier aber nicht die Rede sein. Die Therapie durch den Sachverständigen war hier bei Übernahme der Gutachtertätigkeit längst abgeschlossen, und zwar offensichtlich mit eindeutigem und anhaltendem Erfolg. Der Beamte hat auch selbst über lange Zeit keinen Ablehnungsgrund gesehen. Vielmehr war er es, der schon im Untersuchungsverfahren eine Begutachtung speziell durch seinen früheren Therapeuten und damaligen ärztlichen Leiter der Klinik H. angeregt hat. Der Beamte hat auch nicht etwa der Einholung eines ergänzenden Gutachtens durch den Senat widersprochen. Erst als dessen Ergebnis in schriftlicher Form vorlag, genauer gesagt: erst in der Verhandlung vor dem Senat ist die Verteidigung des Beamten darauf verfallen, den Sachverständigen nunmehr abzulehnen und zur Unterstützung des Ablehnungsgesuchs auch die früher erteilte Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zu widerrufen. Bei diesem Stand des Verfahrens und bei einer solchen Vorgeschichte ist dieser Widerruf überdies rechtsmissbräuchlich. Wollte man dies anders sehen, könnte jeder medizinische Gutachter, der zu einem missliebigen Ergebnis gelangt, von dem angeschuldigten Beamten wieder aus dem Verfahren gedrängt werden.
Nach alledem hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür gesehen, dem mit seiner ständigen Rechtsprechung übereinstimmendem Gutachten des Sachverständigen Dr. R. nicht zu folgen.
4. Das erwiesene Dienstvergehen erfordert schon im Hinblick auf den festgestellten Sachverhalt im Anschuldigungspunkt 1 die Entfernung des Beamten aus dem Dienst. Das Fehlverhalten des Beamten ist nach den Grundsätzen eines Zugriffsdelikts zu bewerten. Dem steht nicht entgegen, dass der Beamte nicht auf Geld seines eigenen Dienstherrn, sondern auf Gelder aus einer von einer Tochterfirma der Deutschen Post AG eingerichteten Kasse zugegriffen hatte und aus dieser Kasse auch Ausgaben für die B. getätigt wurden, die von dieser jeweils erstattet worden sind. Durch den vom Beamten zu leistenden Dienst wurde weder sein statusrechtliches Amt noch sein Amt im abstrakt oder konkret funktionellen Sinne betroffen. Der Beamte erbrachte seine Dienstleistung nach wie vor für seinen Dienstherrn. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht im Falle eines Busfahrers entschieden, der durch Dienstüberlassungsvertrag in das private Arbeitsverhältnis mit einem Privatunternehmen eingetreten war (Urteil vom 7. Juni 1984 - BVerwG 2 C 84.81 - <BVerwGE 69, 303>). Der Disziplinarsenat hat bei einem derartigen Privatunternehmen unterschlagene Gelder als dienstlich anvertrautes Geld angesehen (Urteil vom 28. April 1987 - BVerwG 1 D 19.86 -). Vorliegend gilt nichts anderes, auch wenn der Beamte möglicherweise unter Verletzung von Beteiligungsrechten der G. zur Dienstverrichtung einfach zugewiesen worden sein sollte.
Ein Beamter, der ihm dienstlich anvertrautes Geld für private Zwecke - sei es auch nur vorübergehend - verwendet, begeht ein schweres Dienstvergehen im Kernbereich der ihm obliegenden Dienstpflichten. Eine solche Pflichtverletzung zerstört regelmäßig das für die Fortdauer des Beamtenverhältnisses notwendige Vertrauen in die Ehrlichkeit und die Zuverlässigkeit des Beamten. Die Post ist auf die absolute Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit ihrer Bediensteten beim Umgang mit dienstlich anvertrauten Geldern angewiesen. Eine lückenlose Kontrolle aller Bediensteten ist nicht möglich und muss weitgehend durch Vertrauen ersetzt werden. Wer diese für den geordneten Postbetrieb unabdingbare Vertrauensgrundlage zerstört, kann i.d.R. nicht Beamter bleiben (stRspr, z.B. Urteil vom 19. Februar 2002 - BVerwG 1 D 10.01 - <Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 27> m.w.N.).
Die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses ist bei einem Zugriff auf dienstlich anvertrautes Geld nur möglich, wenn ein in der Rechtsprechung anerkannter Milderungsgrund die Annahme rechtfertigt, der Beamte habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Vorgesetzten und der Allgemeinheit noch nicht endgültig verloren. Ein derartiger Milderungsgrund liegt jedoch nicht vor.
Eine unverschuldete, auswegslose wirtschaftliche Notlage des Beamten war nicht gegeben. Wenn er von seiner Ehefrau nur 5 bis 10 DM pro Tag zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse erhielt, jedoch hierfür einen größeren Betrag benötigte, so hätte er sich gegenüber seiner Ehefrau durchsetzen müssen (vgl. Urteil vom 2. April 1998 - BVerwG 1 D 4.98 -). Auch hätte er - wie sein Verhalten nach der Drohung seiner Kollegen, sein Verhalten aufzudecken, über einen längeren Zeitraum gezeigt hat - sein dysfunktionales Essverhalten bei gehöriger Anstrengung seiner Willenskraft einschränken und auf diese Weise seinen Geldmangel beheben können. Das gilt auch für das Rauchen.
Eine psychische Ausnahmesituation, d.h. der plötzliche, unvorhergesehene Eintritt eines Ereignisses, das gemäß seiner Bedeutung für die besonderen Lebensverhältnisse des Betroffenen bei diesem einen seelischen Schock auslöst, der ein schockbedingtes Fehlverhalten nach sich zieht, lag ebenfalls nicht vor. Wesentlich ist nämlich, dass es sich bei dem Schock um einen vorübergehenden Zustand handelt, der allerdings auch mehrere Monate andauern kann (Urteil vom 4. September 1996 - BVerwG 1 D 1.96 - <Buchholz 232 § 54 Satz 2 BBG Nr. 8> m.w.N.). Der Beamte litt jedoch bereits seit seiner Kindheit an der Fresssucht, auf die er sein Fehlverhalten zurückführt.
Der Milderungsgrund der vollständigen und vorbehaltslosen Offenbarung des dem Dienstherrn zugefügten Schadens vor Tatentdeckung liegt ebenfalls nicht vor. Zwar reicht es für die Anwendung dieses Milderungsgrundes aus, wenn ein Beamter einen Zettel oder auch einen Blankoscheck, aus dem er als Aussteller hervorgeht, in die Kasse hineinlegt und dadurch deutlich macht, dass er als Urheber der Geldentnahmen zu erkennen ist. Entgegen seinem Berufungsvorbringen hat der Beamte jedoch nicht in allen Fällen einen Zettel mit dem entnommenen Betrag bzw. einen Scheck in die Kasse gelegt. Dies ergibt sich bereits aus seinem eigenen Vorbringen im Vorermittlungsverfahren, wonach er i.d.R. einen entsprechenden Beleg in die Kasse gelegt hat. Wenn er dies unterlassen habe, so sei dies aus Vergesslichkeit geschehen. Der Zeuge F. hat hierzu bekundet, er erinnere sich genau, dass anfangs immer Zettel in der Kasse gelegen hätten, auf diesen Zetteln hätten nur Beträge und der Name U. gestanden. Auf die Zettel angesprochen, habe der Beamte sinngemäß gesagt, er erledige das in der nächsten Woche. Den Ausgleich der Kasse habe er regelmäßig erst nach mehrmaligem Ansprechen vorgenommen, manchmal Wochen später. Wenn er - der Zeuge - eine Überprüfung der Kasse durchgeführt habe, habe immer mehr Geld gefehlt, als auf dem Zettel gestanden habe. Später habe der Beamte dann keine Zettel mehr in die Kasse gelegt. Wenn sich danach auch nicht mehr ermitteln lässt, in welchen Einzelfällen der Beamte einen Zettel in die Kasse legte und in welchen nicht, so ergibt sich jedoch aus der eigenen früheren Einlassung des Beamten und der Aussage des Zeugen F., dass dies nicht in allen Fällen geschehen ist. Zwar hat der Beamte in allen Fällen den Schaden wiedergutgemacht. Dies geschah jedoch nicht, wie es diese Variante des Milderungsgrundes erfordert, freiwillig, d.h. vor Entdeckung der Tat und frei von Furcht vor konkreter Entdeckungsgefahr. Die Taten waren entdeckt, er hat sie anfangs sogar auf die Putzfrau geschoben. Er ist von den Zeugen S. und F. mehrmals angesprochen und immer wieder verwarnt worden, dass er kein Geld aus der Kasse zu nehmen habe, da es Postgeld und nicht sein Eigentum sei. Die Fehlbeträge sind regelmäßig bei den Kassenprüfungen aufgefallen. Der Beamte hat dann auf Drängen seiner Kollegen die Fehlbeträge ausgeglichen, so dass zum Zeitpunkt der Abrechnung mit der Deutschen Post ... (G.) die Kasse wieder stimmte.
Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Geldes kann dem Beamten nicht zugebilligt werden. Da dem Beamten der Milderungsgrund der Offenbarung des Schadens für einen Teil der Fälle am Anfang seines Fehlverhaltens zugestanden werden könnte, ist nicht auszuschließen, dass er nur in den für das Jahr 1999 festgehaltenen Fällen keinen Zettel in die Kasse gelegt hat. Nach den Feststellungen zum Anschuldigungspunkt 1 ist davon auszugehen, dass der Beamte im Jahr 1999 insgesamt nur 51,92 DM für private Zwecke der Kasse entnommen hat. Der entwendete Gesamtbetrag im Jahre 1999 liegt danach unter der vom Senat anerkannten Wertgrenze von 50 €. Eine Kombination der Milderungsgründe in der Weise, dass für einen Teil der Fälle der Milderungsgrund der Offenbarung des Schadens und für den anderen Teil der Milderungsgrund der Geringwertigkeit herangezogen wird, ist jedoch vorliegend nicht zulässig. Nach der Rechtsprechung des Senats soll der Zugriff auf geringe Werte im Gegensatz zu einem ungehemmten Zugriff auf höhere Werte noch vertrauenserhaltende Persönlichkeitselemente enthalten. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Beamter insgesamt - wie hier - auf Beträge von über 50 € zugreift. Nach seinem Eingeständnis hat der Beamte immer auf Beträge zwischen 27 DM und 65 DM zugegriffen. Allein die Addition der im Jahre 1998 zugestandenen Fälle übersteigt den Betrag von 50 €. Wenn der Beamte einen Teil dieser Fälle durch Hingabe eines Zettels in die Kasse offenbart hat, so ändert dies nichts am Zugriff auf insgesamt höhere Werte. Der Milderungsgrund der Wiedergutmachung bzw. Offenbarung des Schadens beruht auf der Erwägung, dass positive Persönlichkeitselemente vorliegen, wenn einer endgültigen materiellen Schädigung des Dienstherrn vorgebeugt wird. Dies ist dann nicht der Fall, wenn ein Beamter nach der Offenbarung der Schädigung des Dienstherrn weitere und seien es auch geringwertige Schädigungen vornimmt, die er nicht offenbart hat. Das Fehlverhalten des Beamten kann nur dann milder bewertet werden, wenn er entweder alle Fälle offenbart hat oder der Betrag insgesamt geringwertig i.S. der Rechtsprechung ist. Beides ist hier nicht der Fall.
Alle weiteren geltend gemachten Milderungsgründe, wie fehlende disziplinarische und strafrechtliche Vorbelastungen, langjährige dienstliche Unbescholtenheit, hervorragende dienstliche Leistungen, dienstliche Überlastung, hoher dienstlicher Einsatz, Belohnungen durch den Dienstherrn und die Absicht der Wiedergutmachung des entstandenen Schadens können bei einem Zugriffsdelikt nach ständiger Rechtsprechung des Senats nicht zu einem Absehen von der Höchstmaßnahme führen. Dies gilt auch für den Fall, dass zugunsten des Beamten aufgrund seiner Fresssucht von einer verminderten Schuldfähigkeit ausgegangen werden sollte (stRspr; vgl. ausführlich Urteil vom 21. März 2001 - BVerwG 1 D 10.00 ).
Die weiteren Verfehlungen des Beamten in den Anschuldigungspunkten 2 bis 4 runden sein negatives Erscheinungsbild in Geld- und Vermögensangelegenheiten ab. Die Entwendung der Kollegmappe kann unter keinen Umständen mit der Fresssucht des Beamten in Zusammenhang gebracht werden.
Mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag hat es sein Bewenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.