Beschluss vom 11.12.2002 -
BVerwG 5 B 216.02ECLI:DE:BVerwG:2002:111202B5B216.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.12.2002 - 5 B 216.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:111202B5B216.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 216.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.03.2002 - AZ: OVG 2 A 1599/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k er und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
S c h m i d t und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.

I


Die Kläger - ein Ehepaar mit inzwischen zwei Kindern - haben unter dem 20. Dezember 1990 die Aufnahme als Aussiedler beantragt; unter dem gleichen Datum beantragte auch die Mutter des Klägers zu 1, die damals noch in Kasachstan im gleichen Dorf wie die Kläger lebte, die Aufnahme für sich und ihren Ehemann. In dem Antrag der Kläger sind die Daten zur Person der Mutter des Klägers zu 1 umfassend und zutreffend angegeben.
Den Antrag der Kläger lehnte das Bundesverwaltungsamt ab (Bescheid vom 24. Januar 1992); die Zustellung des Bescheides erfolgte ausweislich der Zustellungsliste der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau am 18. Dezember 1992. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist der Bescheid wegen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung nicht vor Jahresfrist bestandskräftig geworden.
Die Eltern des Klägers zu 1 erhielten am 30. März 1993 einen Aufnahmebescheid und am 6. August 1993 ein Ausreisevisum. Am 10. August 1993 sprach der Kläger mit seiner Mutter auf der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Almaty vor und beantragte für sich und die übrigen Kläger die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid der Mutter. Beide erklärten, auf die seit dem 1. Januar 1993 geltende Rechtslage hingewiesen worden zu sein; die Mutter erklärte, sie wolle abwarten, bis der Antrag auf Einbeziehung genehmigt sei. Am 19. August 1993 ging der Einbeziehungsantrag bei der Beklagten ein; am 10. Mai 1994 erteilte der Beigeladene seine Zustimmung zur Erteilung eines Einbeziehungsbescheides. Da die Eltern des Klägers jedoch bereits am 11. Oktober 1993 in das Bundesgebiet eingereist waren, lehnte die Beklagte die Erteilung eines Einbeziehungsbescheides unter Härtegesichtspunkten ab, da die Mutter und der Kläger zu 1 selbst am 10. August 1993 auf die Rechtslage aufmerksam gemacht worden seien (Bescheid vom 25. November 1994, Widerspruchsbescheid vom 22. August 1995).
Die mit dem Hauptantrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides an den Kläger zu 1 und mit dem Hilfsantrag auf Einbeziehung der Kläger zu 1, 3 und 4 in den Aufnahmebescheid der Mutter des Klägers zu 1 und Aufnahme der Klägerin zu 2 in das Verteilungsverfahren gerichtete Klage wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen, hatte in zweiter Instanz aber mit dem Hilfsantrag Erfolg. Während das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer besonderen Härte gemäß § 27 Abs. 2 BVFG u.a. mit der Erwägung verneinte, die Mutter des Klägers zu 1 sei trotz Belehrung ohne zwingenden Grund ausgereist, statt die Entscheidung über die Einbeziehung abzuwarten, hat das Oberverwaltungsgericht der Klage insoweit mit der Erwägung stattgegeben, es liege eine - verfahrensbedingte - Härte entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 12. April 2001 - BVerwG 5 C 19.00 -) vor. Die Härte liege darin, dass die Kläger noch bis zur Ausreise der Mutter in deren Aufnahmebescheid hätten einbezogen werden können, nachdem durch das Kriegsfolgenbereinigungsgesetz mit Wirkung zum 1. Januar 1993 § 27 Abs. 1 Satz 2 in das Bundesvertriebenengesetz eingefügt und damit die rechtliche Möglichkeit der Einbeziehung geschaffen worden sei. Der Aufnahmeantrag des Klägers zu 1 habe für die Zeit ab dem 1. Januar 1993 hilfsweise den Antrag auf Einbeziehung enthalten, und seit Anfang 1993 sei es auch Verwaltungspraxis des Beklagten gewesen, bei Anträgen aus eigenem Recht die Möglichkeit einer Einbeziehung zu prüfen. Da das Verfahren der Kläger noch nicht bestandskräftig abgeschlossen gewesen sei, habe die Möglichkeit der Einbeziehung bis zur Ausreise der Mutter im Oktober 1993 bestanden. Angesichts der Angaben über die persönlichen Daten in den Aufnahmeanträgen sei die Beklagte an einer ihrer Verwaltungspraxis sonst entsprechenden Zusammenführung der Anträge nicht gehindert gewesen, zumal der Kläger zu 1 und seine Mutter am 10. August 1993 die Einbeziehung noch einmal ausdrücklich beantragt hätten. Diesen Sachverhalt und die damit verbundene Rechtslage hätte das Bundesverwaltungsamt im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 24 Abs. 1 VwVfG) kurzfristig feststellen können. Da die Mutter des Klägers zu 1 das Aussiedlungsgebiet erst mehr als neun Monate nach In-Kraft-Treten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes und mehr als sechs Monate nach Erteilung ihres Aufnahmebescheides verlassen habe, ohne dass bis dahin über den entscheidungsreifen Antrag entschieden worden wäre, sei in dem Verlassen des Aussiedlungsgebietes seitens der Mutter ein Umstand zu sehen, der - würde er den Klägern zu 1, 3 und 4 bezüglich ihres Anspruchs auf Einbeziehung entgegengehalten - eine verfahrensbedingte Härte bedeuten würde.

II


1. Die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt der Rechtssache nicht zu.
Die Beschwerde wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf, "ob die vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 12. April 2001, 5 C 19.00 , aufgestellten Kriterien zum Vorliegen einer verfahrensbedingten Härte auf alle Verfahren anzuwenden sind, in denen die Aufnahmeanträge der Bezugsperson und des Einzubeziehenden bei der Beschwerdeführerin über einen gewissen Zeitraum parallel anhängig waren, ohne Rücksicht darauf, ob sich die Voraussetzungen der Abstammung des Einzubeziehenden ohne größere Schwierigkeiten feststellen lassen oder aber erst ermittelt werden müssen, bzw. u.U. noch nicht einmal hinreichende Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass überhaupt eine Einbeziehungsmöglichkeit bestehen könnte".
Diese Frage würde sich in ihrer uneingeschränkten Allgemeinheit in einem möglichen Revisionsverfahren nicht stellen. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung auf die Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls abgestellt, welche durch ein insgesamt eher ungewöhnliches Zusammentreffen mehrerer Umstände - einer unzutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung in dem erst am 18. Dezember 1992 zugestellten Ablehnungsbescheid vom 24. Januar 1992, der für die Zeit ab dem 1. Januar 1993 neu geschaffenen Möglichkeit der Einbeziehung eines Abkömmlings gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 BVFG und der nochmaligen ausdrücklichen Beantragung einer Einbeziehung am 10. August 1993 - geprägt sind. Mit Blick auf diese nicht verallgemeinerungsfähigen Besonderheiten des Falls fehlt der von der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfrage, ob eine zeitgleiche Anhängigkeit der Verfahren des Einzubeziehenden und seiner Bezugsperson allein eine Einbeziehung im Härteweg rechtfertigt, die rechtsgrundsätzliche Bedeutung.
2. Auch eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) scheidet aus. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten, die Entscheidung des herangezogenen Gerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift des revisiblen Rechts widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1999 - BVerwG 6 B 65.98 - NVwZ-RR 1999, S. 745 m.w.N.; BVerwG, Beschluss vom 26. Juni 1995 - BVerwG 8 B 44.95 - <Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 2>). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht, wenn sie lediglich geltend macht, eine Vergleichbarkeit der jeweiligen Verfahren sei nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.