Verfahrensinformation

Klage des Bundes Naturschutz gegen die Weservertiefung


Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes plant, die Unterweser - d.h. den 57 km langen Abschnitt der Weser von Bremen bis Bremerhaven - auszubauen. Im Wesentlichen soll die Fahrrinne für die Massengutschifffahrt von und zu den Häfen in Brake und Bremen vertieft werden. Ferner soll die Außenweser - d.h. der ca. 65 km lange Lauf der Weser von Bremerhaven durch das Wattenmeer in die Nordsee - ausgebaut werden. Dabei soll die Fahrrinne so vertieft werden, dass der Hafen von Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen erreicht werden kann.


Die Pläne für beide Vorhaben wurden mit einem Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest festgestellt.


Dagegen richtet sich die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der zahlreiche Verstöße des Planfeststellungsbeschlusses gegen Bestimmungen des Naturschutzrechts, des Wasserrechts und gegen andere umweltrechtliche Regelungen rügt.


Die mündliche Verhandlung wird, falls es sich als notwendig erweisen sollte, am 16. und 17. Mai 2013, 9.30 Uhr, fortgesetzt.


Pressemitteilung Nr. 90/2012 vom 25.09.2012

Weservertiefung: Klage des BUND erörtert

Über die verschiedenen Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest für den Ausbau der Außen-Weser und Unter-Weser wurde bereits mit Pressemitteilungen des Bundesverwaltungsgerichts Nr. 86/2011 vom 19. Oktober 2011, Nr. 51/2012 vom 25. Mai 2012 und Nr. 87/2012 vom 10. September 2012 berichtet.


Heute wurde die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V: (BUND) vom Berichterstatter des Gerichts mit den Beteiligten im Bundesverwaltungsgericht erörtert. Vorausgegangen war ein Besichtigungstermin vor Ort am 22. Mai dieses Jahres (vgl. Pressemitteilung Nr. 51/2012).


Auch nach Erörterung der zahlreichen aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen ist der Ausgang des Rechtsstreits offen. Ob die fachliche Kritik der Naturschützer berechtigt ist, kann teilweise nur durch Beweisaufnahme geklärt werden, insbesondere durch Anhörung der Sachverständigen beider Parteien in der mündlichen Verhandlung des zuständigen 7. Senats. Darüber hinaus wirft der Fall einige Rechtsfragen auf, mit denen das Bundesverwaltungsgericht bisher nicht befasst war und die nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung des Senats beantwortet werden können.


Deshalb wurde der Wasser- und Schifffahrtsdirektion empfohlen, die Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen. Falls sie dies nicht tut, wird das Bundesverwaltungsgericht in der zweiten Oktober-Hälfte über den Antrag des BUND auf vorläufigen Rechtsschutz entscheiden.


Die öffentliche, mündliche Verhandlung über die Klage des BUND wird im kommenden Frühjahr stattfinden. Danach wird über die Klagen von Landwirten und einer Gemeinde entschieden werden.


BVerwG 7 A 20.11

BVerwG 7 VR 12.11


Pressemitteilung Nr. 47/2013 vom 11.07.2013

Weservertiefung: Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union und Hinweise auf rechtliche Bedenken

Auf die Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau der Weser hat das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie vorgelegt. Außerdem hat es die Beteiligten darauf hingewiesen, dass unabhängig von den Fragen des Wasserrechts gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses Bedenken bestehen.


Durch den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest vom 15. Juli 2011 soll die Erreichbarkeit der Häfen Bremerhaven, Brake und Bremen verbessert werden. Die Außenweser soll vertieft werden, so dass Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen mit einem Abladetiefgang bis zu 13,5 m erreicht werden kann. Die Unterweser soll vertieft werden, so dass Brake von Schiffen mit einem Abladetiefgang bis zu 12,8 m und Bremen von Schiffen mit einem Abladetiefgang bis zu 11,1 m - jeweils tideabhängig - erreicht werden kann.


Ob die Vertiefung der Weser mit der in deutsches Recht umgesetzten Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union vereinbar ist, hängt von noch ungeklärten Fragen des Unionsrechts ab, deren Beantwortung dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Gerichtshof vier Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie vorgelegt (Anhang). Klärungsbedürftig ist, ob das sogenannte Verschlechterungsverbot eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung der Gewässer darstellt oder ob die Zulassung eines Projekts grundsätzlich zu versagen ist, wenn es eine Verschlechterung des Gewässerzustands verursachen kann (Frage 1), unter welchen Voraussetzungen von einer „Verschlechterung des Zustands“ auszugehen ist (Fragen 2 und 3) und welche Bedeutung dem sogenannten Verbesserungsgebot neben dem Verschlechterungsverbot zukommt (Frage 4). Die Fragen sind entscheidungserheblich, da die von der Wasser- und Schifffahrtsdirektion vorsorglich zugelassene Ausnahme vom Verschlechterungsverbot nicht auf einer hinreichenden Tatsachenermittlung und -bewertung beruht, und sie eine eigenständige Bedeutung des Verbesserungsgebots für die Zulassung der Vorhaben verneint hat.


Unabhängig von den wasserrechtlichen Fragen bestehen nach dem Ergebnis der dreitägigen mündlichen Verhandlung vom 15. bis 17. Mai 2013 (vgl. Pressemitteilung Nr. 3/2013 vom 29. Januar 2013) durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Sie würden in einer abschließenden Entscheidung im gegenwärtigen Zeitpunkt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen. Die Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie verlieren dadurch nicht ihre Entscheidungserheblichkeit. Sollte der Planfeststellungsbeschluss auch wegen eines Verstoßes gegen das Wasserrecht rechtswidrig sein, müsste das Bundesverwaltungsgericht dies in seinem Urteil feststellen, damit gegebenenfalls auch dieser Fehler in einem ergänzenden Verfahren behoben werden kann.


Gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses bestehen folgende Bedenken:


Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion ist davon ausgegangen, dass der Ausbau der Außenweser bis Bremerhaven und der Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Bremen jeweils selbstständige Vorhaben sind, die unabhängig voneinander verwirklicht werden können. Sie hat über die Zulassung dieser Vorhaben nicht aufgrund jeweils gesonderter Umweltverträglichkeitsprüfungen, Abweichungsprüfungen im Rahmen des FFH- und des Wasserrechts und fachplanungsrechtlicher Abwägungen entschieden, sondern jeweils lediglich die sogenannte Überlagerungsvariante geprüft, d.h. eine Gesamtprüfung für den Fall der kumulativen Verwirklichung beider Vorhaben vorgenommen. Die von den einschlägigen Gesetzen geforderte Prüfung der Zulassungsfähigkeit jedes Einzelvorhabens wird durch eine solche Gesamtprüfung jedoch nicht entbehrlich. Die mit dem Ausbau der Außenweser verfolgten Ziele können zur Rechtfertigung der Vertiefung der Unterweser nichts beitragen; Gleiches gilt umgekehrt. Abgesehen hiervon sind die Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und von Brake bis Bremen ebenfalls selbstständige Vorhaben, denn auch diese Maßnahmen können unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Zielerreichung auch nur teilweise beeinträchtigt wird; die Fahrrinne der Unterweser von Bremerhaven bis Brake ist bereits heute tiefer als die Fahrrinne von Brake bis Bremen nach dem Planfeststellungsbeschluss sein soll. Zudem hätten die Umweltverträglichkeitsprüfungen auf die durch eine Planänderung in das Verfahren eingeführte „Vermeidungslösung“ erstreckt werden müssen; die „Vermeidungslösung“ soll einen Anstieg des Salzgehalts im Grabensystem binnendeichs verhindern.


Unabhängig hiervon leidet die Prüfung der FFH-Verträglichkeit im Hinblick auf die im EU-Vogelschutzgebiet „Unterweser“ nistenden Wiesenbrüter, die ausbaubedingte Stromaufverschiebung der Brackwasserzone und die Auflagen zum Schutz der Fischart Finte an Fehlern. Die Fristen für die Umsetzung der Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz der beeinträchtigten Natura-2000-Gebiete sind zu lang, ihre Verwirklichung ist, soweit sie des Einvernehmens Dritter bedürfen, nicht hinreichend sichergestellt. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Naturschutzgebiets „Untere Wümme“ durch eine Zunahme der schon heute stattfindenden Ufererosionen hätte ebenfalls nicht verneint werden dürfen.


Im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses.


Gegenwärtig darf mit dem Ausbau der Weser nicht begonnen werden (vgl. bereits Pressemitteilung Nr. 110/2012 vom 28. November 2012).


Fußnote:

Anhang: Vorlagefragen


1. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 - im Folgenden Wasserrahmenrichtlinie - dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - verpflichtet sind, die Zulassung eines Projekts zu versagen, wenn dieses eine Verschlechterung des Zustandes eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann oder handelt es sich bei dieser Regelung um eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung?


2. Ist der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen, dass er nur nachteilige Veränderungen erfasst, die zu einer Einstufung in eine niedrigere Klasse gemäß Anhang V der Richtlinie führen?


3. Falls die Frage 2 zu verneinen ist:


Unter welchen Voraussetzungen liegt eine „Verschlechterung des Zustands“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie vor?


4. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) ii) sowie iii) der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - verpflichtet sind, die Zulassung eines Projekts zu versagen, wenn dieses die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potentials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet oder handelt es sich bei dieser Regelung um eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung?


BVerwG 7 A 20.11 - Beschluss vom 11. Juli 2013


Beschluss vom 11.07.2013 -
BVerwG 7 A 20.11ECLI:DE:BVerwG:2013:110713B7A20.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013 - 7 A 20.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:110713B7A20.11.0]

Beschluss

BVerwG 7 A 20.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. bis 17. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
am 11. Juli 2013 beschlossen:

Es wird darauf hingewiesen, dass gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Ausbau der Bundeswasserstraße Weser vom 15. Juli 2011 durchgreifende Bedenken bestehen.

Gründe

1 Da das Verfahren mit gesondertem Beschluss ausgesetzt wird und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie vorgelegt werden, kann auch zu den übrigen im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen kein Urteil des Senats ergehen.

2 In der mündlichen Verhandlung sind die Angriffe des Klägers gegen den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss erörtert worden; soweit erforderlich, sind die Sachbeistände der Beteiligten hierzu gehört und befragt worden. Im Anschluss hieran hat der Senat über den gesamten Streitstoff beraten. Er hält es für zweckmäßig, den Beteiligten die wesentlichen Ergebnisse seiner Beratung mitzuteilen:

3 Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an einer Reihe von beachtlichen Fehlern, von denen - bei einer Entscheidung im gegenwärtigen Zeitpunkt durch Urteil - jeder für sich zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen würde. Darüber hinaus bestehen in zwei Punkten Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit (vgl. unten 5. und 11.). Auch bedürfen einige Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses der Korrektur bzw. der Ergänzung. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:

4 1. Gegenstand der Planfeststellung sind drei Vorhaben im Sinne des Planfeststellungsrechts. Dies sind die Vertiefung der Außenweser, die Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und die Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen.

5 Dass der Träger des Vorhabens die von ihm geplanten Maßnahmen als zwei Vorhaben, nämlich als den Ausbau der Außenweser und den Ausbau der Unterweser, bezeichnet hat, vermag daran nichts zu ändern. Grundsätzlich bestimmt der Träger eines Vorhabens zwar dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen unterworfen. Solche Grenzen bestehen, wenn eine zusammenhängende Maßnahme in zwei oder mehr Abschnitte geteilt wird. Solche Grenzen bestehen aber auch umgekehrt, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen vom Träger als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabensträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Ziele und können diese Maßnahmen unabhängig von einander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung des Ziels einer Maßnahme durch Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, handelt es sich auch um mehrere Vorhaben. Der Vorhabensträger kann dann nicht zwei Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulassung jedes der beiden Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird.

6 So liegt der Fall hier. Jedes der drei Vorhaben kann die mit ihm verfolgten Ziele in vollem Umfang auch dann erreichen, wenn auf die beiden anderen Vorhaben verzichtet wird:

7 - Die Vertiefung der Außenweser soll ermöglichen, dass der Hafen Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen erreicht werden kann. Für die Verwirklichung dieses Ziels ist der Ausbau der Unterweser ohne Bedeutung.

8 - Ziel des Ausbaus der Unterweser von Bremerhaven bis Brake ist es, dass größere Schiffe als bisher den Hafen Brake anfahren können. Dafür ist der Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen ohne Bedeutung. Darüber hinaus ist aber auch der Ausbau der Außenweser für die bessere Erreichbarkeit des Hafens Brake ohne Bedeutung; denn die Fahrrinne der Außenweser ist bereits heute weit tiefer, als die der Unterweser zwischen Bremerhaven und Brake durch die Verwirklichung der planfestgestellten Maßnahmen werden soll.

9 - Mit dem Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen soll schließlich die Erreichbarkeit des Hafens Bremen verbessert werden. Für die Verwirklichung dieses Ziels sind der Ausbau der Außenweser und der Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Brake ohne Bedeutung; denn die Fahrrinne der Unterweser von Bremerhaven bis Brake ist bereits heute tiefer, als die Fahrrinne der Unterweser von Brake bis Bremen werden soll.

10 Die Beklagte hätte über die Zulassung jedes dieser drei Vorhaben auf der Grundlage einer gesonderten fachplanerischen Abwägung (§ 14 Abs. 1 Satz 2 Bundeswasserstraßengesetz <WaStrG>) entscheiden müssen. Die von ihr vorgenommene „Gesamtabwägung“ der sogenannten Überlagerungsvariante, d.h. der gleichzeitigen Vertiefung von Außenweser und Unterweser, kann die erforderliche Abwägung jedes Einzelvorhabens nicht ersetzen; sie wäre selbst dann unzureichend, wenn man mit der Beklagten davon ausginge, hier lägen nur zwei Vorhaben vor (vgl. a). Der Abwägungsmangel ist auch beachtlich (vgl. b):

11 a) Im Planfeststellungsbeschluss sind die für und die gegen ein Vorhaben sprechenden Belange gegeneinander und untereinander abzuwägen. Das Planfeststellungsrecht liefert keinen Anhaltspunkt dafür, dass es zulässig sein könnte, über die Zulassung von zwei oder mehr Vorhaben auf der Grundlage nur einer „Gesamtabwägung“ zu entscheiden. Ein Vorhaben kann im Planfeststellungsbeschluss nur dann zugelassen werden, wenn die für dieses Vorhaben sprechenden Gründe die gegen dieses Vorhaben sprechenden Gründe überwiegen. So kann beispielsweise bei der Abwägung der für und gegen den Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Brake sprechenden Gründe die tideunabhängige Erreichbarkeit des Hafens Bremerhaven mit Großcontainerschiffen keine Rolle spielen, weil die Erreichbarkeit des Hafens Brake dadurch nicht verbessert wird.

12 b) Der Abwägungsmangel ist auch erheblich im Sinne des § 14e Abs. 6 Satz 1 WaStrG a.F./§ 75 Abs. 1a VwVfG n.F. Für die einzelnen Vorhaben fehlt die gesetzlich vorgeschriebene fachplanerische Abwägung völlig. Ein solcher Abwägungsausfall ist immer erheblich. Es ist dann nicht Aufgabe des Gerichts, als Ersatzplaner selbst die für und gegen ein Vorhaben sprechenden Gründe abzuwägen. Eine solche Abwägung kann vielmehr nur in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden. Dieses Verfahren kann durch im gerichtlichen Verfahren nachgereichte Schriftsätze nicht ersetzt werden.

13 2. Für die drei Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts hätte die Beklagte auch drei Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführen müssen. Daran fehlt es (vgl. a). Dieser Fehler ist kausal für das Abwägungsergebnis (vgl. b). Für die Behebung des Mangels werden Hinweise gegeben (vgl. c):

14 a) Die Beklagte hätte für die drei Vorhaben drei Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführen müssen, in denen sie die Umweltauswirkungen jedes einzelnen Vorhabens hätte zusammenfassend darstellen (§ 11 UVPG) und bewerten (§ 12 UVPG) müssen. Die kumulativen Umweltauswirkungen hätte sie lediglich ergänzend hierzu prüfen müssen. Grundsätzlich ist ein Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts nämlich auch ein Vorhaben im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Ob Ausnahmen von diesem Grundsatz in Betracht kommen, kann dahinstehen; denn jedenfalls im vorliegenden Fall spricht nichts für eine Ausnahme. Fehlt es an der zusammenfassenden Darstellung und der Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens, können diese bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens (hier bei der fachplanerischen Abwägung) nicht berücksichtigt (§ 12 UVPG) werden. Die Berücksichtigung der zusammenfassenden Darstellung und der Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens bei der Entscheidung über dessen Zulässigkeit ist aber Sinn und Zweck der Umweltverträglichkeitsprüfung.

15 Ist danach für ein Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich, entfällt die Pflicht zur Durchführung einer gesonderten Umweltverträglichkeitsprüfung auch nicht dann, wenn zu diesem Vorhaben andere Vorhaben hinzutreten; denn das sieht das UVPG nicht vor.

16 b) Das Fehlen der Prüfung der Umweltverträglichkeit der einzelnen Vorhaben ist - im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - kausal für das Abwägungsergebnis. Die Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss des Senats vom 10. Januar 2012 (BVerwG 7 C 20.11 ) vorgelegten Fragen muss deshalb nicht abgewartet werden, um die Beachtlichkeit des Mangels zu bejahen. § 4 Abs. 1 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) schließt die Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses wegen anderer als der dort bezeichneten Verfahrensmängel bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung nach Maßgabe des § 46 VwVfG nicht aus.

17 Das nach dem Erörterungstermin des Berichterstatters erstellte Papier der Beklagten zu den Umweltauswirkungen der drei einzelnen Vorhaben vermag daran schon deshalb nichts zu ändern, weil es nicht den Anforderungen an eine Umweltverträglichkeitsprüfung genügt.

18 c) In den Unterlagen des Trägers der Vorhaben (§ 6 UVPG) war zwischen den Umweltauswirkungen der Außenweservertiefung und den Umweltauswirkungen der Unterweservertiefung differenziert worden. Deshalb müssen bezüglich der Außenweservertiefung andere Behörden und die Öffentlichkeit in einem ergänzenden Verfahren insoweit nicht erneut beteiligt werden (vgl. aber nachfolgend 3.). Für die Vorhaben Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen können die Fehler des Planfeststellungsbeschlusses dagegen nur geheilt werden, wenn der Träger der Vorhaben Unterlagen vorlegt (§ 6 UVPG), die zwischen den Umweltauswirkungen der Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake sowie den Umweltauswirkungen der Unterweservertiefung von Brake bis Bremen unterscheiden, und hierzu die Beteiligung anderer Behörden (§ 7 UVPG) sowie der Öffentlichkeit (§ 9 UVPG) nachgeholt wird.

19 3. Die Umweltverträglichkeitsprüfungen hätten auch auf die durch eine Planänderung in das Verfahren eingeführte „Vermeidungslösung“ erstreckt werden müssen. Auch dieser Fehler ist beachtlich:

20 Die Vermeidungslösung ist Teil der Vorhaben; auch sie muss deshalb Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfungen sein. Dass sie erst im Wege der Planänderung Bestandteil der Pläne wurde, vermag daran nichts zu ändern. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG ist auf Planänderungen vor Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses nicht anwendbar.

21 Das Fehlen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Planänderung ist ein beachtlicher Fehler. Die durchgeführte Vorprüfung der Umweltverträglichkeit genügt den Anforderungen an eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht. Mit der Vorprüfung ist untersucht worden, ob die Änderung isoliert betrachtet erhebliche Umweltauswirkungen haben kann. Eine Gesamtbetrachtung der Umweltauswirkungen der geänderten Vorhaben ist dagegen nicht vorgenommen worden. Deshalb fehlt insbesondere eine Prüfung der Wechselwirkungen der Vermeidungslösung und der Vorhaben im Übrigen. Beispielsweise wird nicht untersucht, welche Auswirkungen die durch die Vermeidungslösung bedingte Änderung von Sielen und die vertiefungsbedingte Änderung der Strömungsgeschwindigkeit kumulativ auf die Fischwanderung haben.

22 Im Übrigen gilt das oben Ausgeführte auch hier.

23 Zur Heilung dieses Fehlers wird die Beklagte im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung unter anderem die Öffentlichkeit beteiligen müssen (§ 9 UVPG).

24 4. Die Projekte können - neben den im Planfeststellungsbeschluss angenommenen erheblichen Beeinträchtigungen - auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der im EU-Vogelschutzgebiet „Unterweser“ (V 27) nistenden Wiesenbrüter führen:

25 In der Umweltverträglichkeitsuntersuchung wird die sehr hohe Bedeutung des Vogelschutzgebiets für Wiesenbrüter hervorgehoben. Deren Bestand ist - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat - in den letzten Jahren stark zurückgegangen. So hat sich beispielsweise die Zahl der dort nistenden Kiebitzpaare von 25 in 2008 auf 7 in 2010 verringert. Ist der Erhaltungszustand geschützter Arten in einem Vogelschutzgebiet schlecht, sind hinzukommende Beeinträchtigungen eher als erheblich einzustufen als bei einem guten Erhaltungszustand.

26 Davon ausgehend bestehen vernünftige Zweifel daran, dass die Zunahme der Überflutungshäufigkeit infolge der Ausbauvorhaben nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führt. Nach der Auswirkungsprognose der Bundesanstalt für Wasserbau kommt es infolge der prognostizierten Erhöhung von Tideständen um 3 cm zu einer häufigeren Überflutung von Teilflächen des Vogelschutzgebiets. Auf - als Brutplatz für Wiesenbrüter gut geeigneten - Flächen in einer Höhe von 2,6 bis 2,75 m über NN kommt es zu einer Zunahme der jährlichen Überflutungshäufigkeit um 10 bis 20 %. Eine solche Zunahme ist aus der Sicht des Vogelschutzes nicht unerheblich.

27 Die Beklagte meint zwar, es verblieben in dem Vogelschutzgebiet genügend als Brutplätze geeignete höher gelegene Flächen, auf welche die Wiesenbrüter ausweichen könnten und ausweichen würden. Ob dies zutrifft, ist aber fraglich. Gingen in dem Vogelschutzgebiet in der Vergangenheit geeignete Nistflächen verloren, sind die verbleibenden Flächen - wie die Entwicklung des Bestands zeigt - von den Wiesenbrütern - aus welchen Gründen auch immer - nicht angenommen worden. Die Frage, wieso dies künftig anders sein sollte, konnte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend beantworten.

28 5. Ob die Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen des faktischen Vogelschutzgebiets „Butjadingen“ führen können, kann noch nicht abschließend beurteilt werden:

29 Zwar ist durch einen auf Vorschlag des Gerichts zwischenzeitlich abgeschlossenen Vergleich in einem anderen Klageverfahren gegen den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss (BVerwG 7 A 21.11 ) gewährleistet, dass die Vermeidungslösung parallel zu den Ausbauvorhaben realisiert wird. Ob die Vermeidungslösung aber auch geeignet ist, einen Anstieg des Salzgehalts in den als Viehtränke dienenden Gräben zu verhindern, wird erst in den von Landwirten gegen den Planfeststellungsbeschluss angestrengten Klageverfahren (BVerwG 7 A 15.11 bis 17.11) geklärt werden.

30 Falls die Vermeidungslösung ihr Ziel nicht erreicht und die Landwirte deshalb die Nutzung der Gräben als Viehtränke aufgeben müssen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Landwirte die Pflege der Gräben einstellen. Dass die Gräben gegenwärtig auch der Entwässerung des Gebiets und der „Viehkehre“ dienen, schließt dies nicht aus. Dies wiederum kann zu einer deutlichen Zunahme des Schilfaufwuchses in den Gräben und damit zu einer „Verkammerung“ des Landschaftsraums führen. Dadurch würden die für Wiesenbrüter geeigneten Brutflächen deutlich verkleinert werden, was zu erheblichen Beeinträchtigungen des Vogelschutzgebiets führen könnte.

31 6. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung für den Lebensraumtyp Ästuar in den FFH-Gebieten „Unterweser“ und „Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate“ ist fehlerhaft, soweit sie die Verschiebung der Brackwassergrenze als unerhebliche Beeinträchtigung bewertet:

32 Die FFH-Verträglichkeitsprüfung kommt zu dem Ergebnis, dass die Projekte zu erheblichen Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps Ästuar führen können. Die Beklagte führt deshalb im Planfeststellungsbeschluss eine Abweichungsprüfung (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) durch. Das Gewicht, mit dem das Integritätsinteresse des FFH-Gebiets in diese Prüfung einzustellen ist, wurde aber nicht fehlerfrei ermittelt; denn - entgegen der Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses - kann auch die vorhabensbedingte Verschiebung der Brackwassergrenze das Ästuar erheblich beeinträchtigen:

33 Erhaltungsziel für den Lebensraumtyp Ästuar im FFH-Gebiet ist ein naturnahes Ästuar. Zur Naturnähe gehört auch der natürliche Salzgehalt. Dieser ändert sich erheblich. Es kommt dadurch zu einer Stromaufverschiebung der Brackwassergrenze um 0,5 bis 1 km. Dies ist ein weiterer Schritt von einem naturnahen zu einem naturfernen Zustand des Ästuars und damit eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG.

34 7. Die - insbesondere dem Schutz der Fischart „Finte“ dienende - Auflage A II 2.1 zur Regelung der Baggerarbeiten ist aus zwei Gründen fehlerhaft (vgl. a und b). Eine Korrektur im ergänzenden Verfahren ist möglich (vgl. c):

35 a) Die Auflage geht davon aus, dass Baggerungen (hier Hopperbaggerungen), die in früheren Planfeststellungsbeschlüssen gestattet worden sind, weiterhin zulässig bleiben. Dies trifft nicht zu. Die erstmalige Herstellung der Ausbautiefe und die laufenden Unterhaltungsbaggerungen dienen allein der Verwirklichung und der Unterhaltung der mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Vorhaben. Sie finden - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - in Tiefen statt, die unterhalb der in früheren Planfeststellungsbeschlüssen planfestgestellten Tiefen der Flusssohle liegen. Schon deshalb sind dort Baggerungen auf der Grundlage früherer Planfeststellungsbeschlüsse unzulässig. Inwieweit sich durch den Planfeststellungsbeschluss die Menge des Baggerguts erhöht, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - für die Zulässigkeit der Baggerungen ohne Bedeutung.

36 b) Die in der Auflage A II 2.1 auch enthaltene Regelung für die Anwendung anderer Baggermethoden als des Wasserinjektionsverfahrens (WI-Verfahren) soll nach dem Inhalt der Bestimmung ohnedies nur für den Fall gelten, dass andere Baggermethoden neben den zu Unrecht für zulässig gehaltenen Hopperbaggerungen aufgrund früherer Planfeststellungsbeschlüsse zum Einsatz kommen sollen. Darüber hinaus ist das in der Auflage für die Zulassung anderer Baggermethoden vorgesehene Verwaltungsverfahren zur Einschätzung der Umweltverträglichkeit, FFH-Verträglichkeit, gegebenenfalls zum Kompensationsbedarf und zu den Auswirkungen auf den besonderen Artenschutz ohne Beteiligung der Öffentlichkeit rechtlich und wegen des erforderlichen Zeitaufwandes auch tatsächlich nicht geeignet, den gebotenen Schutz der Umwelt zu gewährleisten.

37 c) Die Beklagte hat im Klageverfahren überzeugend dargelegt, dass nicht alle Baggerungen durch den Einsatz des WI-Verfahrens realisiert werden können. In einem ergänzenden Verfahren wäre deshalb auch der Einsatz anderer Baggermethoden neu zu regeln.

38 8. Mit der Auflage A II 2.6 werden im Hauptlaichgebiet der Finte zum Schutz dieser Fischart Unterhaltungsbaggerungen im Zeitraum vom 15. April bis 15. Juni beschränkt. Diese Bestimmung ist aus drei Gründen unzureichend:

39 a) Die Wirksamkeit dieser Regelung wird zu Unrecht von einem Monitoring abhängig gemacht.

40 Der Monitoring-Regelung des Planfeststellungsbeschlusses fehlt schon die notwendige Bestimmtheit. Die Beklagte ist der Auffassung, die Bestimmung ermögliche erstmals nach sechs Jahren eine Beschränkung der Unterhaltungsbaggerungen. Dagegen spricht aber, dass nach der Monitoring-Regelung zunächst in fünf aufeinanderfolgenden geraden (!) Jahren Hamenbefischungen durchzuführen sind.

41 Unabhängig davon wäre auch eine hinreichend bestimmte Monitoring-Regelung nicht zulässig. Eine Beschränkung der Unterhaltungsbaggerungen zum Schutz der Finte ist von Anfang an erforderlich.

42 b) Für die in der Auflage ebenfalls enthaltene Regelung zur Kausalität gilt das Gleiche. Diese ist ebenfalls nicht hinreichend bestimmt und auch darüber hinaus nicht zulässig: Nach dem Inhalt der Auflage kommt es nur dann zu einer Einschränkung der Unterhaltungsbaggerungen, wenn sich herausstellt, dass diese tatsächlich (mit-)ursächlich für eine - im Rahmen des Monitorings festgestellte - Verschlechterung des Erhaltungszustands der Finte sein kann. Wie diese Kausalität festgestellt werden soll, bleibt offen. Auch ist es, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Erhaltungszustand der Fischart verschlechtert hat, nicht vertretbar, Beschränkungen der Unterhaltungsbaggerung auch noch von einem Kausalitätsnachweis abhängig zu machen.

43 c) Die Auflage ist in einem weiteren Punkt ergänzungsbedürftig: Sie verbietet für die Dauer von fünf Tagen, in Streckenabschnitten zu baggern, in denen Laichaktivitäten der Finte festgestellt wurden. Danach sind die Unterhaltungsbaggerungen dort ohne Weiteres erlaubt. Es ist aber notwendig, nach diesen fünf Tagen zunächst erneut zu prüfen, ob Laichaktivitäten dieser Fischart festzustellen sind.

44 9. Die Beklagte hätte im Rahmen der Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG) eine erhebliche Beeinträchtigung von Natur und Landschaft durch die vorhabenbedingt zunehmende Gefahr unnatürlicher Erosionen der Ufer der Unteren Wümme nicht verneinen dürfen. Dass Erhaltungsziele des FFH-Gebiets „Untere Wümme“ beeinträchtigt werden könnten, ist zwar nicht ersichtlich; die negativen Veränderungen sind jedoch ein Eingriff in Natur und Landschaft. In dem FFH-Gebiet „Untere Wümme“ kommt es bereits heute zu erheblichen unnatürlichen Erosionen. Nicht nur an den Prallhängen, sondern auch an Gleithängen kommt es zu starken Uferabbrüchen. Dadurch gehen naturnahe Röhrrichtflächen und Auwaldreste verloren. Dies wurde bei der Ortsbesichtigung des Berichterstatters festgestellt und durch in der mündlichen Verhandlung gezeigte Lichtbildaufnahmen bestätigt. Nach Aussage eines Vertreters der Bundesanstalt für Wasserbau in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass sich diese negative Entwicklung auch ohne Verwirklichung der planfestgestellten Vorhaben fortsetzt. Infolge der Ausbauvorhaben kommt es aber in der Wümme zu einer - wenn auch im Vergleich zur Unterweser geringeren - Zunahme von Tidehüben, Tidehochwassern und Strömungsgeschwindigkeiten. Dadurch wird - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - dieser negative Trend verstärkt. Aufgrund der starken Vorschädigung ist es geboten, bereits geringere negative Veränderungen zu vermeiden.

45 10. Die Beklagte hat im Rahmen von § 34 Abs. 3 BNatSchG die Prüfung der Abweichungsgründe zu Unrecht auf die Frage beschränkt, ob die für die einzelnen Projekte sprechenden Gründe zusammengenommen als zwingende Gründe des öffentlichen Interesses zu werten sind, die ein Übergewicht gegenüber den - bei summarischer Betrachtung der drei Vorhaben möglichen - erheblichen Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps Ästuar in den FFH-Gebieten „Unterweser“, „Weser bis Bremerhaven“ und „Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate“ haben.

46 Soweit die Vorhaben bereits für sich betrachtet zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets führen können - für die beiden Vorhaben Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und von Brake bis Bremen ist dies nicht geprüft worden -, hätten die Voraussetzungen einer Abweichung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG auch für jedes Vorhaben gesondert geprüft werden müssen. Insoweit gilt nichts anderes als für die fachplanerische Abwägung (1.) und die Umweltverträglichkeitsprüfungen (2.).

47 11. Im Hinblick auf die Ausnahmefähigkeit des Ausbaus der Unterweser von Brake bis Bremen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG bestehen Unsicherheiten:

48 Die im Planfeststellungsbeschluss genannten, für den Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen sprechenden Gründe durften im Rahmen der Abweichungsprüfung zwar bei der von der Beklagten durchgeführten Prüfung der Überlagerungsvariante berücksichtigt werden.

49 Angesichts der besonderen Prognoseunsicherheiten, denen die angenommenen positiven Effekte der Weservertiefung zwischen Brake und Bremen unterliegen, bedeutet dies aber nicht, dass diese Gründe auch für sich tragfähig sind und als zwingende Gründe des öffentlichen Interesses erhebliche Beeinträchtigungen eines FFH-Gebiets, zu denen möglicherweise auch dieses Projekt führen kann, überwiegen können.

50 12. Die für die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen in der Auflage A II 3.7 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses gesetzte Frist genügt nicht, um eine rechtzeitige Verwirklichung dieser Maßnahmen zu gewährleisten:

51 Gemäß der Auflage sind die Kompensationsmaßnahmen spätestens drei Jahre nach Beginn der Baumaßnahmen zur Verwirklichung der Vorhaben umzusetzen bzw. baulich fertig zu stellen. Der Planfeststellungsbeschluss erlaubt es damit, mit der Realisierung von Kompensationsmaßnahmen erst Jahre (mehr als zwei) nach Beginn der Baumaßnahmen zur Vertiefung der Weser zu beginnen, falls die Realisierung einzelner Kompensationsmaßnahmen nicht eine längere Zeit in Anspruch nimmt. Dies gilt selbst dann, wenn die planfestgestellten Baumaßnahmen abgeschlossen sind und es keinen sachlichen Grund gibt, die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen hinauszuschieben.

52 Kompensationsmaßnahmen sind aber grundsätzlich zeitgleich mit den Projekten, deren Kompensation sie dienen, zu verwirklichen. Etwas anderes gilt nur, wenn es objektiv nicht möglich ist, die durch die Projekte verursachten Beeinträchtigungen zeitnah auszugleichen.

53 Davon ausgehend ist der im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte zeitliche Endpunkt (drei Jahre nach Beginn der Baumaßnahmen zur Verwirklichung der Vorhaben) zwar nicht zu beanstanden. Es ist aber eine Ergänzung notwendig. So müsste dem Träger des Vorhabens zusätzlich aufgegeben werden, mit Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses mit der Vorbereitung der Kompensationsmaßnahmen (insbesondere - soweit erforderlich - dem Grunderwerb) zu beginnen und diese - soweit objektiv möglich - zeitgleich mit den planfestgestellten Baumaßnahmen zu realisieren.

54 13. Die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen ist nicht - wie rechtlich geboten - sichergestellt, soweit deren Realisierung, insbesondere die Ausführungsplanung, des Einvernehmens anderer Behörden oder sonstiger Dritter bedarf (vgl. a). Die mit diesen Maßnahmen verbundenen Probleme hätten bereits im Planfeststellungsverfahren so bewältigt werden müssen, dass auf Einvernehmensregelungen verzichtet werden kann (vgl. b):

55 a) Eine Reihe von Auflagen regelt die Mitwirkung anderer Behörden und sonstiger Dritter an der Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen, insbesondere an der Ausführungsplanung. So bestimmt die Auflage A II 3.3, dass die Ausführungsplanung mit verschiedenen Behörden und Verbänden abzustimmen ist sowie dass die Einvernehmensbehörde gegebenenfalls zu beteiligen ist. Gemäß der Auflage A II 3.12 dürfen Sommerdeiche erst zurückgebaut werden, wenn die Einvernehmensbehörde die Sturmflutsicherheit erklärt hat. Weiter sind die Ausführungsplanungen für Kompensationsmaßnahmen in Form von Ausdeichungen im Einvernehmen mit den Deichverbänden und der Einvernehmensbehörde zu entwickeln (vgl. Auflage A II 3.13). Auch ist die Öffnung der Sommerdeiche mit den Deichverbänden und der Einvernehmensbehörde abzustimmen (vgl. Auflage A II 3.14).

56 In diesen Auflagen wird teilweise nicht geregelt, ob mit „abstimmen“ oder „beteiligen“ ein „Benehmen“ oder ein „Einvernehmen“ gemeint ist. Teilweise ist ausdrücklich von „Einvernehmen“ die Rede.

57 So lange die Verwirklichung einer Maßnahme das Einvernehmen eines Dritten voraussetzt, ist aber deren Realisierung nicht sichergestellt. Verweigert ein Dritter seine Zustimmung (Einvernehmen), gibt es grundsätzlich keine rechtliche Möglichkeit, diese zu erzwingen. Damit bleibt offen, ob und wie die Kompensationsmaßnahmen verwirklicht werden.

58 Die Versagung des Einvernehmens ist auch keine rein theoretische Möglichkeit. Vielmehr ist es beispielsweise durchaus denkbar, dass ein Wasser- und Bodenverband bzw. ein Deichverband sein Einvernehmen verweigert.

59 b) Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 75 Abs. 1 VwVfG) ermöglicht es der Planfeststellungsbehörde, im Verwaltungsverfahren Kompensationsnahmen soweit zu konkretisieren und die mit deren Verwirklichung verbundenen Probleme soweit zu bewältigen, dass nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses kein Einvernehmen einer anderen Behörde oder eines sonstigen Dritten nötig ist.

60 Die Beklagte kann dies in einem ergänzenden Verfahren nachholen. Anschließend kann sie die Einvernehmensregelungen in den Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses aufheben und klarstellen, dass Auflagen, die eine Mitwirkung Dritter vorschreiben, lediglich ein „Benehmen“ regeln.

61 14. Inwieweit der Planfeststellungsbeschluss den wasserrechtlichen Anforderungen genügt, kann im Einzelnen erst nach Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom heutigen Tag vorgelegten Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie geklärt werden.

62 Die Beantwortung der Frage, ob die Prüfung nach § 27 WHG fehlerfrei ist, kann nicht im Hinblick auf die hilfsweise durchgeführte Ausnahmeprüfung nach § 31 Abs. 2 WHG offen bleiben. Diese leidet vielmehr an folgenden Fehlern:

63 - Die Beklagte hat zu Unrecht allein geprüft, ob die Voraussetzungen einer wasserrechtlichen Ausnahme für die drei planfestgestellten Vorhaben zusammengenommen vorliegen. Sie hätte aber - neben dieser kumulativen Prüfung - für jedes der drei Vorhaben gesondert prüfen müssen, ob gerade die von diesem Vorhaben verursachten Gewässerverschlechterungen gemäß § 31 Abs. 2 WHG ausnahmsweise zulässig sind. Insoweit kann auf die Ausführungen unter 1., 2. und 10. Bezug genommen werden.

64 - Es fehlt schon an einer hinreichenden Grundlage für die Ausnahmeprüfung. Die wasserrechtliche Ausnahmeprüfung setzt voraus, dass zunächst die Auswirkungen auf die von negativen Veränderungen betroffenen Wasserkörper fehlerfrei erfasst und bewertet werden. Ist dies nicht der Fall, ist auch die Ausnahmeprüfung fehlerhaft. Die vom Bundesverwaltungsgericht insoweit zur Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG entwickelten Grundsätze sind auch hier anwendbar.

65 Der Planfeststellungsbeschluss ermittelt und bewertet die Auswirkungen der Vorhaben auf den ökologischen und den chemischen Zustand der Gewässer ausgehend von der Auswirkungsprognose der Umweltverträglichkeitsuntersuchung. Werden Auswirkungen dort als „unerheblich negativ“ bewertet, wird eine Verschlechterung im Sinne des § 27 WHG von vornherein verneint. Dies ist aus zwei Gründen fehlerhaft:

66 - Die Wasserrahmenrichtlinie verlangt eine Bewertung der Auswirkungen auf die verschiedenen Wasserkörper. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung differenziert bei der Untersuchung der Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser grundsätzlich aber nur zwischen dem Landschaftsraum Unterweser, dem Landschaftsraum Außenweser und den Landschaftsräumen der Nebenflüsse. Diese Unterscheidung deckt sich nicht mit der Abgrenzung der betroffenen Wasserkörper. Insbesondere fehlen gesonderte Prüfungen für die einzelnen Nebenflüsse. Sind die Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser nicht bereits in der Umweltverträglichkeitsprüfung wasserkörperbezogen untersucht worden, müssen Schlussfolgerungen aus der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die einzelnen Wasserkörper nachvollziehbar begründet werden. Daran fehlt es im Planfeststellungsbeschluss.

67 - Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung prüft Beeinträchtigungen von Schutzgütern. Das Wasserrecht verlangt aber die Prüfung von Qualitätskomponenten für den Zustand der Wasserkörper. Es ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, von den schutzgutbezogenen Erkenntnissen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung zu Aussagen über die Qualitätskomponenten des Wasserrechts zu gelangen. Auch insoweit hätten aber dafür zumindest erforderliche Zwischenschritte im Planfeststellungsbeschluss dargelegt werden müssen.

68 Darüber hinaus fehlt eine Ausnahmeprüfung für die Küstengewässer.

69 Unabhängig davon ist Folgendes zu beanstanden: Im Hinblick auf die chemische Gewässerverschlechterung ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass Grenzwertüberschreitungen bei prioritären Stoffen, die durch Baggern und Verklappen mobilisiert werden, ausgeschlossen sind. Auch regelt der Planfeststellungsbeschluss nicht, welche Konsequenzen zu ziehen sind, wenn Messungen aufgrund des Überwachungsprogramms, das gemäß 2.7 der Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK WSV) für die Ablagerungsstellen aufzustellen ist, nach erfolgter Baggergutablagerung Grenzwertüberschreitungen aufzeigen.

70 Im Übrigen bestehen keine beachtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses.

Beschluss vom 11.07.2013 -
BVerwG 7 A 20.11ECLI:DE:BVerwG:2013:110713B7A20.11.1

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.07.2013 - 7 A 20.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:110713B7A20.11.1]

Beschluss

BVerwG 7 A 20.11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. bis 17. Mai 2013
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß,
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
am 11. Juli 2013 beschlossen:

  1. Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ausgesetzt.
  2. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um Klärung folgender Fragen im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten:
  3. 1. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 - im Folgenden Wasserrahmenrichtlinie - dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - verpflichtet sind, die Zulassung eines Projekts zu versagen, wenn dieses eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann, oder handelt es sich bei dieser Regelung um eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung?
  4. 2. Ist der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen, dass er nur nachteilige Veränderungen erfasst, die zu einer Einstufung in eine niedrigere Klasse gemäß Anhang V der Richtlinie führen?
  5. 3. Falls die Frage 2 zu verneinen ist:
  6. Unter welchen Voraussetzungen liegt eine „Verschlechterung des Zustands“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie vor?
  7. 4. Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) ii) sowie iii) der Wasserrahmenrichtlinie dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - verpflichtet sind, die Zulassung eines Projekts zu versagen, wenn dieses die Erreichung eines guten Zustands eines Oberflächengewässers bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers zu dem nach der Richtlinie maßgeblichen Zeitpunkt gefährdet oder handelt es sich bei dieser Regelung um eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung?

Gründe

I

1 Der Kläger ist eine zur Einlegung von Rechtsbehelfen anerkannte Naturschutzvereinigung. Er wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nordwest, einer Behörde der Beklagten, vom 15. Juli 2011 für den Ausbau der Bundeswasserstraße Weser.

2 Mit dem Planfeststellungsbeschluss werden drei Vorhaben, die unabhängig von einander verwirklicht werden könnten, genehmigt:

3 - Der Ausbau der Außenweser vom offenen Meer bis Bremerhaven.
Deren Fahrrinne soll um bis zu 1,16 m vertieft werden, damit Großcontainerschiffe mit einem Abladetiefgang von bis zu 13,5 m den Hafen Bremerhaven tideunabhängig erreichen können. Träger des Vorhabens ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Damit verbunden ist eine Vertiefung der Wendestelle des Hafens Bremerhaven, für die die Beigeladene Träger des Vorhabens ist.

4 - Der Ausbau der Unterweser von Bremerhaven flussaufwärts bis Brake.
Hier soll die Fahrrinne bis zu 1 m vertieft werden, damit Schiffe mit einem Abladetiefgang von maximal 12,8 m den dortigen Hafen tideabhängig anfahren können.

5 - Der Ausbau der Unterweser von Brake flussaufwärts bis Bremen.
Die Fahrrinne in diesem Flussabschnitt soll vertieft werden, damit der Hafen in Bremen tideabhängig von Schiffen mit einem Abladetiefgang von bis zu 11,1 m erreicht werden kann. Gegenwärtig kann der Hafen Bremen tideabhängig mit einem Abladetiefgang bis zu 10,7 m erreicht werden.

6 Träger des Vorhabens für die beiden Abschnitte der Unterweser ist ebenfalls die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes.

7 Zur Verwirklichung der Vorhaben soll die Flusssohle in den Fahrrinnen ausgebaggert werden. Nach der erstmaligen Herstellung der Ausbautiefe sind regelmäßige Unterhaltungsbaggerungen erforderlich. Das Baggergut aus dem Ausbau und der Unterhaltung soll im Wesentlichen an schon früher dafür genutzten Stellen in der Außenweser und in der Unterweser verklappt werden.

8 Neben den unmittelbaren Auswirkungen des Baggerns und Verklappens haben die Vorhaben weitere hydrologische und morphologische Folgen für die betroffenen Flussabschnitte. So werden insbesondere
- Strömungsgeschwindigkeiten sowohl bei Ebbe als auch bei Flut zunehmen,
- Tidehochwasserstände höher werden,
- Tideniedrigwasserstände niedriger werden,
- der Salzgehalt in Teilen der Unterweser zunehmen und die Brackwassergren-ze in der Unterweser stromaufwärts verschoben werden sowie
- außerhalb der Fahrrinne die Verschlickung des Flussbetts zunehmen.

9 Von den betroffenen Wasserkörpern sind die Wasserkörper „Übergangsgewässer der Weser“ und „Tidebereich oberhalb von Brake“ als erheblich verändert eingestuft. Der Bereich der Außenweser, soweit er zu den Küstengewässern zu zählen ist, ist als natürlich eingestuft. Betroffen sind darüber hinaus eine Reihe von Wasserkörpern im Bereich der Nebenflüsse, die zum Teil als natürlich, zum Teil als erheblich verändert eingestuft sind.

10 Davon ausgehend wird im Planfeststellungsbeschluss die Vereinbarkeit der Vorhaben mit dem wasserrechtlichen Verschlechterungsverbot geprüft. Die Behörde kommt zu dem Ergebnis, dass für die Küstengewässer keine Verschlechterung im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie zu erwarten ist. Dagegen werde der aktuelle Zustand der Wasserkörper „Weser/Tidebereich oberhalb Brake Typ 22.3“ und „Übergangsgewässer Typ T1“ durch die Wirkungen der Ausbauvorhaben tendenziell negativ verändert, ohne dass eine Veränderung der Zustandsklasse eintreten werde. Eine solche Verschlechterung innerhalb einer Zustandsklasse sei nicht als Verschlechterung des ökologischen Potenzials bzw. Zustands anzusehen. Hilfsweise prüft und bejaht die Planfeststellungsbehörde die Voraussetzungen einer Ausnahme von dem Verschlechterungsverbot nach § 31 Abs. 2 WHG/Art. 4 Abs. 7 WRRL.

11 Im gerichtlichen Verfahren rügt der Kläger neben Verletzungen des Planfeststellungsrechts, des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes, des Naturschutzrechts (insbesondere des FFH- und des Vogelschutzrechts) unter anderem auch Verstöße gegen Vorschriften zum Schutz des Wassers, die ihren Ursprung in der Wasserrahmenrichtlinie haben.

12 Aufgrund der mündlichen Verhandlung ist das für die Entscheidung über die Klage erstinstanzlich zuständige Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der angefochtene Planfeststellungsbeschluss - unabhängig von der Beantwortung der Frage, inwieweit Bestimmungen des Wasserrechts verletzt sind - an einer Reihe von beachtlichen Fehlern leidet. Auf diese Fehler ist in einem gesonderten Beschluss vom heutigen Tage hingewiesen worden.

II

13 Die maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts finden sich in der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl EG Nr. L 327 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 32 der Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl EG Nr. L 140 S. 114; im Folgenden abgekürzt: Wasserrahmenrichtlinie).

14 Die maßgeblichen Vorschriften des nationalen Rechts finden sich im Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 8. April 2013 (BGBl I S. 734).

15 Von Bedeutung ist auch das Bundeswasserstraßengesetz (WaStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Mai 2007 (BGBl I S. 962, berichtigt BGBl I 2008 S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 31. Mai 2013 (BGBl I S. 1388).

16 Die maßgeblichen und sonst bedeutsamen Vorschriften des Unionsrechts und des nationalen Rechts werden im Anhang dieses Beschlusses wiedergegeben.

III

17 1. Die Entscheidung über die Klage hängt von den Antworten auf die gestellten Fragen ab:

18 a) Zwar leidet der angefochtene Planfeststellungsbeschluss - unabhängig von der Beantwortung dieser Fragen - an einer Reihe beachtlicher Fehler. Verletzt werden Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, des Planfeststellungsrechts, des FFH-Rechts, des Vogelschutzrechts und des sonstigen Naturschutzrechts. Jeder dieser Fehler würde bei einer abschließenden Entscheidung des Rechtsstreits zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen. All diese beachtlichen Mängel hätten aber nicht, auch nicht in ihrer Summe, die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses zur Folge; denn die Mängel können in einem ergänzenden Verfahren behoben werden (§ 14e Abs. 6 Satz 2 WaStrG a.F./§ 75 Abs. 1a VwVfG n.F.). Mit dieser Regelung will der deutsche Gesetzgeber erreichen, dass in solchen Fällen nicht das gesamte, sehr zeitaufwändige Verwaltungsverfahren wiederholt werden muss, sondern dass die Planfeststellungsbehörde Gelegenheit bekommt, die Fehler in einem auf deren Korrektur beschränkten ergänzenden Verfahren zu beheben.

19 Diese verfahrensrechtliche Besonderheit des nationalen Planfeststellungsrechts hat zur Folge, dass das Bundesverwaltungsgericht die Vereinbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses mit der Wasserrahmenrichtlinie nicht offenlassen kann. Sollte der Planfeststellungsbeschluss gegen das wasserrechtliche Verschlechterungsverbot oder Verbesserungsgebot verstoßen, müsste das Bundesverwaltungsgericht dies in seinem Urteil feststellen und darüber hinaus im Interesse einer umfassenden Bereinigung des Rechtsstreits auch darlegen, von welchen rechtlichen Anforderungen die Planfeststellungsbehörde bei der Behebung dieser Fehler in einem ergänzenden Verfahren auszugehen hat.

20 b) Die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 ist auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil hier die Voraussetzungen von Ausnahmen von den Bewirtschaftungszielen (§ 31 Abs. 2 WHG bzw. Art. 4 Abs. 7 der Wasserrahmenrichtlinie) vorlägen. Die Beklagte hat in dem Planfeststellungsbeschluss zwar auch die Voraussetzungen einer Ausnahme (hilfsweise) geprüft. Diese Prüfung leidet aber ebenfalls an Fehlern. Eine Ausnahmeprüfung setzt voraus, dass zunächst die vorhabenbedingten negativen Auswirkungen auf die Qualitätskomponenten der einzelnen Wasserkörper nachvollziehbar ermittelt und bewertet werden; das ist im Planfeststellungsbeschluss nicht hinreichend geschehen. Darüber hinaus fehlt eine vorsorgliche Ausnahmeprüfung für die Küstengewässer völlig.

21 c) Die Beantwortung der gestellten Fragen ist im vorliegenden Verfahren schließlich nicht etwa deshalb unerheblich, weil das nationale Recht so auszulegen wäre, dass alle Anforderungen, die sich aus dem Unionsrecht möglicherweise ergeben, beachtet werden und das nationale Recht allenfalls über diese Anforderungen hinausgeht. Zwar ließe es der Wortlaut des § 27 WHG zu, diese Vorschrift - unabhängig von den Vorgaben des Unionsrechts - dahingehend auszulegen, dass das Verschlechterungsverbot bei der Zulassung von Vorhaben zwingend zu beachtendes Recht ist, dass auch negative Veränderungen des ökologischen oder chemischen Zustands innerhalb einer Zustandsklasse Verschlechterungen sind und dass Vorhaben - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - nicht zugelassen werden können, wenn dadurch die vorgeschriebene Verbesserung eines Gewässers innerhalb der gesetzlichen Frist gefährdet wird. Eine solche Auslegung des nationalen Rechts ist dem Bundesverwaltungsgericht ohne Beantwortung der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen aber verwehrt. Denn sie stünde im Widerspruch zu dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers. Dieser war darauf gerichtet, die Bestimmungen der Wasserrahmenrichtlinie 1:1 in nationales Recht umzusetzen und nicht über diese hinauszugehen (vgl. BTDrucks 14/7755 S. 23, 30).

22 2. Zu den einzelnen Vorlagefragen sind folgende Erwägungen von Bedeutung:

23 a) Zur Frage 1:

24 aa) Von der Beantwortung der Frage 1 hängt das wasserrechtliche Prüfungsprogramm ab.

25 Ist die Zulassung eines Projekts - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - zu versagen, wenn es eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann, so ist zu prüfen, ob dies auf die drei hier in Rede stehenden Vorhaben zutrifft (vgl. hierzu Fragen 2 und 3). Wenn dies so ist, können die Projekte nur zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Art. 4 Abs. 7 der Wasserrahmenrichtlinie bzw. nach § 31 Abs. 2 WHG vorliegen. Die Bestimmung des § 12 Abs. 7 Satz 3 WaStrG ist dann dahin auszulegen, dass in wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahren die nach §§ 27 bis 31 WHG maßgebenden Bewirtschaftungsziele als zwingendes Recht zu beachten sind.

26 Enthält Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie dagegen eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung, können die Projekte auch zugelassen werden, wenn die Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers zu besorgen ist und die Voraussetzungen einer Ausnahme nicht vorliegen. § 12 Abs. 7 Satz 3 WaStrG ist dann so auszulegen, dass die nach den §§ 27 bis 31 WHG maßgeblichen Bewirtschaftungsziele nur ein Belang sind, der neben anderen Belangen bei der fachplanungsrechtlichen Abwägung (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG) zu berücksichtigen ist und auch überwunden werden kann.

27 bb) Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte diese Frage dahin zu beantworten sein, dass die Zulassung eines Projekts - vorbehaltlich der Erteilung einer Ausnahme - zu versagen ist, wenn dieses eine Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers verursachen kann:

28 Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie ist eine Verschlechterung des Zustands aller Oberflächenwasserkörper zu verhindern. Schon nach ihrem Wortlaut ist diese Regelung auch anwendbar, wenn einzelne Maßnahmen - wie hier die planfestgestellten Vorhaben - zu einer Verschlechterung des Zustands von Oberflächenwasserkörpern führen können.

29 Auch das Ziel der Richtlinie, eine weitere Verschlechterung des Zustands der aquatischen Ökosysteme zu vermeiden (Art. 1 Buchst. a) Wasserrahmenrichtlinie), spricht für eine Anwendbarkeit des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Richtlinie auch im Rahmen der Vorhabenzulassung; denn Verschlechterungen der aquatischen Ökosysteme werden gerade auch durch die negativen Wirkungen bestimmter Vorhaben verursacht.

30 Zu dem gleichen Ergebnis ist die Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 13. Oktober 2011 in der Rechtssache C-43/10 gelangt. Sie führt aus, Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie enthalte nicht nur programmatische Verpflichtungen, sondern er betreffe auch einzelne Vorhaben, jedenfalls wenn diese den Zustand eines Gewässers spürbar beeinträchtigten (vgl. Rn. 62). Auch geht sie davon aus, dass bei der Genehmigung von einzelnen Maßnahmen Ausnahmen von dem Verschlechterungsverbot nur zugelassen werden können, wenn die Voraussetzungen einer Ausnahme nach Art. 4 Abs. 7 der Wasserrahmenrichtlinie vorliegen (vgl. u.a. Rn. 68 und 72).

31 Das Urteil des Gerichtshofs vom 11. September 2012 (Rs. C-43/10) weist ebenfalls in diese Richtung (vgl. insbesondere die Rn. 56 ff.).

32 Gleichwohl lässt sich diese Frage ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit klären; denn sie wird in der zitierten Entscheidung des Gerichtshofs nicht ausdrücklich beantwortet. Auch werden die in Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie genannten Ziele gemäß Art. 11 der Richtlinie durch Maßnahmenprogramme und gemäß Art. 13 der Richtlinie durch Bewirtschaftungspläne konkretisiert. Dies könnte dafür sprechen, das in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Richtlinie enthaltene Verschlechterungsverbot nur als eine Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung zu werten.

33 b) Zur Frage 2:

34 aa) Von der Antwort auf die Frage 2 hängt ab, ob die Planfeststellungsbehörde bei der Anwendung des Verschlechterungsverbots die Voraussetzung der „Verschlechterung des Zustands“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie zutreffend verstanden hat.

35 Die Behörde hat im Planfeststellungsbeschluss geprüft, ob die Vorhaben zu Verschlechterungen des Zustands bzw. Potenzials von Oberflächenwasserkörpern führen können. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass mit einigen erheblichen negativen Veränderungen zu rechnen ist. So seien z.B. die Auswirkungen der Ausbau- und der Unterhaltungsbaggerungen auf die benthische wirbellose Fauna nach den Maßstäben der vom Vorhabenträger vorgelegten Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) als erheblich negativ bewertet worden. Die Veränderungen des Tidehubs, der Flut- und Ebbstromgeschwindigkeiten und die Verlagerung der oberen Brackwassergrenze seien im Rahmen der UVU zwar für sich genommen als jeweils unerheblich negativ bewertet worden; in ihrer Summe seien diese Auswirkungen mit den anderen als unerheblich negativ eingestuften Auswirkungen auf andere Schutzgüter jedoch als erheblich negativ eingestuft worden, da sich das ökologische System Weserästuar tendenziell weiter vom naturnahen historischen Referenzzustand entferne und die Auswirkungen der vorangegangenen Ausbauten fortgesetzt bzw. schwach verstärkt würden. Auch die Beeinträchtigungen der Fischfauna in Bereichen mit Hartsubstraten innerhalb der Baggerstrecken bzw. bestimmter Klappstellen sowie die mit dem Absunk der mittleren Tideniedrigwasser verbundene Abnahme an sublitoralen Dauerlebensräumen und die Vergrößerung der Wattflächen in der Unterweser seien in der UVU als erheblich negativ eingestuft worden.

36 Eine Verschlechterung im Sinne des § 27 WHG, der Art. 4 Abs. 1 der Wasserrahmenrichtlinie umsetzt, hat die Planfeststellungsbehörde aber mit der Begründung verneint, es komme nicht zu einer Veränderung der Zustandsklasse der jeweiligen Wasserkörper.

37 bb) Die gestellte Frage dürfte - nach Meinung des Bundesverwaltungsgerichts - zu verneinen sein:

38 Dafür, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Richtlinie auch Verschlechterungen verbietet, die nicht zu einer Einstufung in eine niedrigere Klasse führen, spricht schon der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie. Dieser verbietet eine Verschlechterung des Zustands von Oberflächenwasserkörpern allgemein (vgl. i) und nimmt nur für das Verbesserungsgebot auf den Anhang V der Richtlinie Bezug (vgl. ii und iii).

39 Ebenso spricht für dieses Ergebnis, dass auch Verschlechterungen innerhalb einer Zustandsklasse dem Ziel der Richtlinie zuwiderlaufen, den Zustand der aquatischen Ökosysteme zu verbessern (vgl. Art. 1 Buchst. a Wasserrahmenrichtlinie). Bei einer groben Zustandsklasseneinteilung wären im Einzelfall auch sehr gravierende negative Veränderungen zulässig. Bei Wasserkörpern, deren Zustand als schlecht eingestuft wurde, liefe das Verschlechterungsverbot leer.

40 Schließlich bedarf das Verschlechterungsverbot - anders als das Verbesserungsgebot - nicht notwendigerweise einer Konkretisierung durch Zustandsklassen.

41 Die aufgeworfene Frage lässt sich gleichwohl ohne Vorlage an den Gerichtshof nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit beantworten; denn dafür, dass der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie nur Veränderungen erfasst, die zu einer Einstufung in eine niedrigere Klasse gemäß Anhang V der Richtlinie führen, könnten insbesondere die Begriffsbestimmungen in Art. 2 Nr. 21 bis Nr. 23 der Richtlinie sprechen, wonach hinsichtlich des „ökologischen Zustands“, des „guten ökologischen Zustands“ und des „guten ökologischen Potenzials“ auf die Einstufung nach Anhang V abgestellt wird.

42 c) Zur Frage 3:

43 Wenn die Frage 2 vom Gerichtshof verneint wird, stellt sich die weitere Frage, unter welchen allgemeinen Voraussetzungen eine „Verschlechterung des Zustands“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie vorliegt. Beispielsweise könnte die Richtlinie dahingehend auszulegen sein,
- dass jede Einwirkung in ökologischer oder chemischer Hinsicht, die sich nicht positiv oder neutral im Gewässerzustand niederschlägt, eine Verschlechterung darstellt. Unter Beachtung des gemäß Art. 5 Abs. 4 EUV auch für das Unionsrecht geltenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dürfte allerdings auch das Verschlechterungsverbot unter einem Bagatellvorbehalt stehen. Auch dieser Vorbehalt müsste konkretisiert werden. Dass die Auswirkungen nur punktuell oder lokal auftreten und nicht langfristig, sondern nur kurz- und mittelfristig sein werden, dürfte in aller Regel nicht ausreichen, um ein Überschreiten der Bagatellgrenze auszuschließen. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Auswirkungen den natürlichen jährlichen Schwankungsbereich der Qualitätskomponenten des Wasserkörpers nicht überschreiten. Erforderlich dürfte vielmehr sein, dass jegliche Beeinträchtigung der Gewässerfunktionen des Wasserkörpers von vornherein sicher ausgeschlossen werden kann.

44 Die Richtlinie könnte aber auch dahin auszulegen sein,
- dass lediglich erhebliche Verschlechterungen verboten sind, die nur dann vorliegen, wenn es zu einer nicht nur geringfügigen dauerhaften Verschlechterung des Zustands oder des ökologischen Potenzials eines Oberflächenwasserkörpers kommt. Die Erheblichkeitsschwelle würde damit oberhalb einer Bagatellgrenze liegen.

45 In räumlicher Hinsicht könnte von Bedeutung sein, ob eine Verschlechterung nur bei negativen Auswirkungen von Gewässerbenutzungen auf einen Oberflächenwasserkörper insgesamt bzw. zumindest auf einen großen Teil des Oberflächenwasserkörpers vorliegt, so dass lokale bzw. kleinräumige negative Auswirkungen unbeachtlich sind. Auch lokale oder kleinräumige Beeinträchtigungen könnten aber dann erheblich sein, wenn dem betroffenen Bereich eine gewässerökologische Funktion für den gesamten Wasserkörper zukommt.

46 In zeitlicher Hinsicht könnte bedeutsam sein, ob eine Verschlechterung ausscheidet, wenn Gewässerbeeinträchtigungen nur vorübergehende bzw. kurz- bis mittelfristige (z.B. drei Jahre) Auswirkungen haben. Eine nur kurz- bzw. mittelfristige Auswirkung könnte zu bejahen sein, wenn aufgrund der natürlichen Eigendynamik der Gewässer sich innerhalb kurzer Frist der bisherige Zustand ohne zusätzliche Verbesserungsmaßnahmen wieder einstellt. Insoweit könnte jedoch zu verlangen sein, dass hieran aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel besteht.

47 Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte oberhalb der Bagatellgrenze grundsätzlich jede Einwirkung in ökologischer oder chemischer Hinsicht, die sich nachteilig im Gewässerzustand niederschlägt, eine Verschlechterung sein. Erfasst werden dürften auch lokale sowie kurzfristige negative Auswirkungen.

48 Hierfür spricht, dass diese Auslegung dem Ziel der Wasserrahmenrichtlinie, den Zustand der aquatischen Ökosysteme zu verbessern (vgl. Art. 1 Buchst. a Wasserrahmenrichtlinie), am besten entspricht. Dass die Gewässer sich gegenwärtig in vielen Fällen nicht in einem guten Zustand befinden, ist meist nicht auf einzelne, einen Oberflächenwasserkörper erheblich verschlechternde Benutzungen zurückzuführen, sondern auf die Summe einer Vielzahl von Benutzungen, die jede für sich genommen nicht erhebliche negative Auswirkungen haben (z.B. durch zahlreiche dem Stand der Technik entsprechende Abwassereinleitungen). Deshalb kann eine Verbesserung der Gewässer nur erreicht werden, wenn künftig auch Gewässerbenutzungen, die für sich genommen nur geringe Verschlechterungen verursachen, nur noch ausnahmsweise zulässig sind.

49 Auch nur lokale Verschlechterungen dürften bedeutsam sein. Sonst wäre es zulässig, dass durch mehrere an verschiedenen Orten erfolgende Benutzungen (z.B. Abwassereinleitungen in einen Fluss im Abstand von einigen Kilometern) ein Gewässer auf seiner gesamten Länge verschlechtert wird.

50 Sinngemäß das Gleiche dürfte in zeitlicher Hinsicht gelten. Wären zeitlich befristete negative Auswirkungen zulässig, könnte es durch in zeitlichen Abständen erfolgende Zulassungen verschiedener Gewässerbenutzungen zu einer dauerhaften Verschlechterung von Oberflächenwasserkörpern kommen.

51 d) Zur Frage 4:

52 aa) Diese Frage stellt sich, weil die Planfeststellungsbehörde eine eigenständige Bedeutung des Verbesserungsgebots für die Zulassung der Vorhaben verneint hat. Sie bedarf insbesondere der Klärung, wenn die Frage 1 dahingehend zu beantworten ist, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. a) i) der Wasserrahmenrichtlinie eine bloße Zielvorgabe für die Bewirtschaftungsplanung enthält, wenn der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ nur nachteilige Veränderungen erfasst, die zu einer Einstufung in eine niedrigere Klasse führen (vgl. Frage 2) oder wenn der Begriff „Verschlechterung des Zustands“ nur erhebliche Verschlechterungen erfasst (vgl. Frage 3) und sich im Ergebnis die Auffassung der Planfeststellungsbehörde als zutreffend erweist, dass im vorliegenden Fall trotz gewisser negativer Auswirkungen ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot nicht vorliegt. Aber auch wenn dies nicht der Fall sein sollte, reicht das Verschlechterungsverbot möglicherweise nicht aus, um auszuschließen, dass die Erreichung eines guten Zustands bzw. eines guten ökologischen Potenzials und eines guten chemischen Zustands der betroffenen Oberflächenwasserkörper gefährdet wird.

53 bb) Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte die Frage 4 im Sinne der ersten Alternative zu beantworten sein. Zwar bedarf das Verschlechterungsgebot der Umsetzung durch Maßnahmenprogramme (Art. 11 Wasserrahmenrichtlinie) und Bewirtschaftungspläne (Art. 13 Wasserrahmenrichtlinie). Der Richtlinie dürfte insoweit ein programmatischer Ansatz zugrunde liegen; die Mitgliedstaaten dürften bei der Auswahl der Bewirtschaftungsmaßnahmen über einen weiten Handlungsspielraum verfügen (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Mai 2011 - Rs. C-165/09 bis 167/09 - Rn. 75 zur NEC-Richtlinie). Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 288 Abs. 3 AEUV und die Wasserrahmenrichtlinie dürften es den Mitgliedstaaten jedoch verbieten, ein Vorhaben zuzulassen, wenn dieses die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie ernstlich gefährdet (vgl. EuGH, Urteile vom 26. Mai 2011 a.a.O. Rn. 78 und vom 11. September 2012 - Rs. C-43/10 - Rn. 57). Insoweit kann der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht weiter sein als vor Ablauf dieser Frist.

54 Mit der gebotenen Eindeutigkeit lässt sich allerdings auch diese Frage nicht ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union beantworten.

55 Weitgehend inhaltsgleiche Fragen sind dem Gerichtshof mit Beschluss des Östersunds Tingsrätt (Schweden) vom 2. Mai 2013 vorgelegt worden.

Urteil vom 11.08.2016 -
BVerwG 7 A 1.15ECLI:DE:BVerwG:2016:110816U7A1.15.0

Ausbau der Bundeswasserstraße Weser

Leitsätze:

1. Der Vorhabenbegriff des § 2 Abs. 2 UVPG knüpft mit Rücksicht auf die Funktion der Umweltverträglichkeitsprüfung, die fachplanerische Sachentscheidung vorzubereiten, an den fachplanerischen Vorhabenbegriff an; grundsätzlich ist ein Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts auch ein Vorhaben im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (Rn. 34).

2. Der Rahmen für die dem Vorhabenträger obliegende Ausgestaltung eines Vorhabens im Sinne des Fachplanungsrechts wird durch das materielle Planungsrecht vorgegeben; Grenzen ergeben sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich um mehrere Vorhaben (Rn. 35).

3. Eine "Konzeptalternative" ist keine Alternative im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, sondern ein aliud, da sie sich darauf richtet, andere Planungsziele und nicht identische Planungsziele auf andere Weise zu erreichen (Rn. 139).

4. Wurde ein FFH-Gebiet unter Schutz gestellt, um den Erhaltungszustand eines Lebensraumtyps, der bei Meldung des Gebiets nicht günstig war, wiederherzustellen, so können auch der Verbesserung des ungünstigen Erhaltungszustandes dienende Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL geboten sein und damit als Kohärenzsicherungsmaßnahmen ausscheiden (Rn. 151 f.).

5. § 83 Abs. 2 Nr. 3 WHG erfordert im Einklang mit dem Unionsrecht nicht, dass eine Ausnahme nach § 31 Abs. 2 WHG bereits vor Planfeststellung des im Ausnahmewege zugelassenen Vorhabens in den Bewirtschaftungsplan aufgenommen wird (Rn. 166 f.).

6. Das wasserrechtliche Verbesserungsgebot steht einem Vorhaben entgegen, wenn sich absehen lässt, dass dessen Verwirklichung die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie fristgerecht zu erreichen (Rn. 169).

  • Rechtsquellen
    AK Art. 9 Abs. 2
    RL 92/43/EWG Art. 1 Buchst. a, e und i, Art. 4, 6 und 7
    RL 2000/60/EG Art. 4 Abs. 1 und 7
    RL 2001/42/EG Art. 5 Abs. 1, Art. 13 Abs. 3
    RL 2009/147/EG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 und 4
    RL 2011/92/EU Art. 5 Abs. 1, Art. 11
    GG Art. 89 Abs. 3
    BNatSchG § 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8, §§ 13, 14, 15 Abs. 5, § 20 Abs. 2,
    § 32 Abs. 2 und 5, § 34 Abs. 1, 2, 3, 4 und 5, § 64 Abs. 1 Nr. 1
    UmwRG § 2 Abs. 1, 3 und 5 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Abs. 1a
    UVPG § 2 Abs. 1 Satz 2, § 3e Abs. 1, § 6 Abs. 3 Satz 1, §§ 7, 9 Abs. 1 und 1b, §§ 11 und 12, § 25 Abs. 8 und 9
    VwVfG §§ 46, 72 Abs. 1, § 73 Abs. 4 und 6, § 74 Abs. 2 Satz 2,
    § 75 Abs. 1 und 1a, § 78
    WaStrG § 12 Abs. 1 und 7, § 14 Abs. 1 und 3, § 14a Nr. 2
    WaStrG a.F. § 14 Abs. 1, § 14a Nr. 6 Satz 3, §§ 14c und 14e Abs. 6
    WHG §§ 27, 31 Abs. 2, § 83 Abs. 2 Nr. 3
    SeeAufG § 1 Nr. 1
    BremNatG § 24 Abs. 2

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.08.2016 - 7 A 1.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:110816U7A1.15.0]

Urteil

BVerwG 7 A 1.15

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt, Dr. Schemmer und
Böhmann
ohne weitere mündliche Verhandlung für Recht erkannt:

  1. Der Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 15. Juli 2011 für den Ausbau der Bundeswasserstraße Weser durch die Anpassung der Unterweser von Weser-km 8 bis Weser-km 65 und die Anpassung der Außenweser von Weser-km 65 bis Weser-km 130 an die Entwicklung im Schiffsverkehr ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

I

1 Der Kläger ist eine anerkannte Naturschutzvereinigung im Sinne von § 3 Abs. 1 UmwRG. Er wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 15. Juli 2011 für den Ausbau der Bundeswasserstraße Weser durch die Anpassung der Unterweser von Weser-km 8 bis Weser-km 65 und die Anpassung der Außenweser von Weser-km 65 bis Weser-km 130 an die Entwicklung im Schiffsverkehr.

2 Im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2003 ist die Vertiefung der Unterweser von Nordenham bis Bremen für Panmax-Schiffe mit 12,8 m Abladetiefe bis Brake und 11,1 m (tideabhängig) bis Bremen als Vorhaben des vordringlichen Bedarfs aufgeführt. Mit Kabinettsbeschluss vom 15. September 2004 hat die Bundesregierung die Fahrrinnenanpassung der Außenweser den im Bundesverkehrswegeplan enthaltenen Vorhaben unter der Bedingung gleichgestellt, dass die naturschutzfachliche Überprüfung einer Verwirklichung nicht im Wege steht.

3 Der geplante Ausbau der Außenweser dient dem Ziel, eine tideunabhängige Erreichbarkeit des Containerterminals Bremerhaven für Großcontainerschiffe der Post-Panmax-Klasse mit einem Abladetiefgang von 13,5 m zu gewährleisten. Zudem soll der Begegnungsverkehr von Post-Panmax-Schiffen mit Panmax-Schiffen in der äußeren Außenweser ermöglicht werden. Im derzeitigen Ausbauzustand kann Bremerhaven tideunabhängig nur von Schiffen der Panmax-Klasse mit einem Abladetiefgang von 12,8 m angefahren werden. Zur Erreichung der Planungsziele ist vorgesehen, die Fahrrinne um bis zu 1,16 m zu vertiefen und auf bis zu 450 m zu verbreitern. Ergänzend soll die hafenbezogene Wendestelle einschließlich des Zufahrtbereichs zum Terminal auf das künftige Niveau der Fahrrinne vertieft werden, um das gleichzeitige Drehen von zwei Großcontainerschiffen tideunabhängig zu ermöglichen. Träger der Außenweseranpassung ist die Beklagte (TdV zu 1.), Träger der Wendestellenvertiefung die Beigeladene (TdV zu 2.).

4 Mit dem geplanten Ausbau der Unterweser wird das Ziel verfolgt, dass Schiffe tideabhängig den Hafen Brake mit einem Abladetiefgang von 12,8 m und den Hafen Bremen mit einem Abladetiefgang von 11,1 m anfahren können. Im derzeitigen Ausbauzustand sind diese Häfen tideabhängig mit Abladetiefgängen bis zu 11,9 m bzw. 10,7 m erreichbar. Zur Zielerreichung soll die Fahrrinne der Unterweser um bis zu 1 m vertieft werden. Die vorhandenen Wendestellen sollen an das künftige Fahrrinnenniveau angepasst werden. Träger der Anpassung von Unterweser und Wendestellen ist die Beklagte.

5 Im Februar 2006 beantragten die Vorhabenträger die Einleitung des Planfeststellungsverfahrens für die so umrissenen Vorhaben. Die Antragsunterlagen enthalten zwei Umweltverträglichkeitsuntersuchungen. Diese beschreiben und bewerten in einem ersten Schritt die Schutzgüter der Umweltverträglichkeitsprüfung für beide Vorhaben zusammen (sogenannte Bestandsaufnahme). In einem zweiten Schritt prognostizieren sie die Auswirkungen einer isolierten Verwirklichung der beiden Vorhaben (sogenannte Auswirkungsprognose). Die Studie zum Unterweserausbau unterscheidet dabei nicht zwischen den Wirkungen, die von dem Ausbau der Strecke bis Brake ausgehen, und jenen, die von dem Ausbau der Strecke von Brake bis Bremen ausgehen. In einem dritten Schritt prognostizieren die Studien die Wirkungen einer gleichzeitigen Verwirklichung der Anpassung von Unter- und Außenweser inklusive Wendestelle (sogenannte Auswirkungsprognose Überlagerungsvariante). Diesem Ansatz folgen auch die den Antragsunterlagen beigefügten landschaftspflegerischen Begleitpläne und FFH-Verträglichkeitsstudien.

6 Nach Auslegung der Planunterlagen erhob der in Bremen ansässige Gesamtverband Natur- und Umweltschutz Unterweser e.V. (GNUU) im Namen des Klägers Einwendungen, die Gegenstand des nachfolgend durchgeführten Erörterungstermins waren.

7 Im Juni 2008 beantragten die Vorhabenträger eine Änderung der Pläne, die "Maßnahmen zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die Zuwässerung in den Verbandsgebieten links- und rechtsseitig der Unterweser infolge ausbaubedingt veränderter Salzgehalte in der Weser" vorsieht. Im Bereich des Butjadinger Zu- und Entwässerungskanals, der ein Grabensystem speist, welches das Europäische Vogelschutzgebiet "V 65 Butjadingen" durchzieht, soll der infolge der Fahrrinnenanpassung prognostizierte erhöhte Salzgehalt des Weserwassers durch eine Änderung des Zuflussregimes über das Beckumer Siel kompensiert werden. Die Planänderung geht davon aus, dass die höchsten Salzgehalte bei und nach Tidehochwasser auftreten. Deshalb soll die Zuwässerung so verändert werden, dass vermehrt Wasser aus dem Bereich vor Tidehochwasser eingespeist wird.

8 Gegen die Planänderung erhob der Kläger im Rahmen des ergänzenden Anhörungsverfahrens Einwendungen.

9 Die Länder Niedersachsen und Bremen erklärten jeweils gemäß § 14 Abs. 3 WaStrG ihr Einverständnis mit dem Vorhaben; das Land Bremen erklärte gemäß § 17 BNatSchG sein Benehmen zu dem übersandten Entwurf.

10 Mit Planfeststellungsbeschluss vom 15. Juli 2011 stellte die Beklagte die genannten Pläne fest und wies die Einwendungen des Klägers im Wesentlichen zurück.

11 Der Beschluss enthält unter A.ll. eine Reihe von Vorgaben für Ausbauarbeiten, Unterhaltungsbaggerung und Verklappung. Unter Nr. 2.4 wird bestimmt, das für die Baggerung im Wasserinjektionsverfahren (WI-Baggerung) benötigte Wasser zur Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen der Finte nur in den oberen Wasserschichten anzusaugen. Nach Nr. 2.5 ist die Ausbaubaggerung in den zentralen Laichbereichen der Finte (zwischen km 20 und 35) in deren Laichzeit (Mitte April bis Mitte Juni) unzulässig. Weist der TdV zu 1. nach, dass das Laichgeschehen schon vorher abgeschlossen ist, kann die Ausbaubaggerung auch vorzeitig wieder fortgesetzt oder begonnen werden. Nr. 2.6 ordnet ein Monitoring und ein daran anknüpfendes Risikomanagement an, das den Umfang der zulässigen Unterhaltungsbaggerungen steuern soll. Nach Nr. 2.7 dürfen die Baggerarbeiten zur Herstellung der neuen Wendestellentiefe und der neuen Fahrrinnentiefen im Abschnitt zwischen km 68,5 und 75 nicht im Zeitraum der Stromauf-Laichwanderung der Finte (Anfang April bis Ende Mai) durchgeführt werden. Nach Nr. 2.8 dürfen im Bereich zwischen km 70,5 und 73,5 Unterhaltungsbaggerungen nicht zeitgleich in der Wendestelle und parallel dazu in der Fahrrinne durchgeführt werden. Unter Nr. 3 trifft der Planfeststellungsbeschluss nähere Anordnungen zu den im landschaftspflegerischen Begleitplan aufgeführten Kompensations- und kombinierten Kompensations-/Kohärenzmaßnahmen. Nach Nr. 3.7 Satz 1 sind diese Maßnahmen spätestens drei Jahre nach Beginn der Baumaßnahmen zur Verwirklichung der Vorhaben umzusetzen bzw. baulich fertigzustellen.

12 Unter Nr. 5.12 ordnet der Planfeststellungsbeschluss als Maßnahmen zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Zuwässerung an, dass der TdV zu 1. in Zusammenarbeit mit den zuständigen Wasser- und Bodenverbänden unter Beteiligung der unteren Wasserbehörde Zuwässerungs- und Betriebspläne zu erarbeiten hat. Ziel der Pläne ist die vollständige Vermeidung einer ausbaubedingten Verschlechterung der Zuwässerungsverhältnisse (Vermeidungslösung). Unter Nr. 6 sieht der Planfeststellungsbeschluss eine Beweissicherung vor. Sie dient dazu, den Verursachungsanteil der Vorhaben an den Veränderungen des Wasserstandes, des Salzgehaltes, der Morphologie sowie die Auswirkungen der Vorhaben auf die Gewässerökologie und die schiffserzeugten Belastungen zu erfassen.

13 In der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses heißt es: Die planfestgestellten Vorhaben seien vernünftigerweise geboten und verfügten damit über die erforderliche Planrechtfertigung. Die Vorhaben seien mit den Vorschriften vereinbar, die dem Schutz von FFH-Gebieten und Europäischen Vogelschutzgebieten dienten. Zwar führten sie zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG, soweit sie den Lebensraumtyp "Ästuar" in den FFH-Gebieten "Unterweser", "Weser bei Bremerhaven" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" berührten. Es lägen aber die Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG vor. Die planfestgestellten Kohärenzmaßnahmen stellten den Zusammenhang des Netzes "Natura 2000" im Sinne des § 34 Abs. 5 BNatSchG sicher.

14 Die Auswirkungen der Vorhaben handelt der Planfeststellungsbeschluss gemeinsam ab. Beide Vorhaben änderten den Ausbauzustand derselben Bundeswasserstraße, grenzten räumlich aneinander an, ihre Wirkungen überlagerten und verstärkten sich. Um diese Wirkungen sachgerecht im Sinne einer "worst-case-Betrachtung" zu erfassen, werde eine gleichzeitige Realisierung beider Vorhaben unterstellt. Dabei werde in der Regel zwischen den Wirkungen auf den Bereich der Unter- und der Außenweser differenziert, immer aber handele es sich um die sich überlagernden Wirkungen beider Vorhaben. Diesem Ansatz folgt auch die Umweltverträglichkeitsprüfung, insbesondere in der zusammenfassenden Darstellung der Umweltauswirkungen im Sinne des § 11 UVPG und ihrer Bewertung im Sinne des § 12 UVPG. Sie unterscheidet nicht zwischen den Wirkungen des Ausbaus von Außenweser und Unterweser; Folgen werden nicht differenzierend dem Ausbau in den Unterweserabschnitten bis Brake und von Brake bis Bremen zugeordnet. Die mit der Planänderung in das Verfahren eingeführten Maßnahmen hat die Planfeststellungsbehörde keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen, weil die Änderung keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen haben könne.

15 Zur Begründung der gegen den Planfeststellungsbeschluss fristgerecht erhobenen Klage trägt der Kläger vor:

16 Der Planfeststellungsbeschluss leide an Verfahrensfehlern. Über mehrere selbstständige Vorhaben könne in einem einzigen Planfeststellungsverfahren nur unter den Voraussetzungen des § 78 VwVfG entschieden werden, die hier nicht vorlägen. Außerdem sei die Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft. In ihr werde ebenso wie bei der nachfolgenden materiellrechtlichen Würdigung verkannt, dass neben der Außenweservertiefung auch die Vertiefung der Unterweser bis Brake und von Brake bis Bremen sowie der hafenbezogenen Wendestelle je selbstständige Vorhaben darstellten. Sie hätte jedes dieser Einzelvorhaben in den Blick nehmen müssen. Selbst wenn jedoch nur von zwei rechtlich eigenständigen Vorhaben auszugehen wäre, litte die Umweltverträglichkeitsprüfung an einem rechtlichen Mangel, weil die Umweltauswirkungen der Unter- und der Außenweservertiefung grundsätzlich gemeinsam betrachtet und bewertet worden seien. Sich überlagernde Wirkungen mehrerer Vorhaben seien aber erst auf einer zweiten Stufe in den Blick zu nehmen. Zudem hätte die Beklagte die Umweltauswirkungen der Planänderung zum Bestandteil der Umweltverträglichkeitsprüfung machen müssen. Überdies habe die Beklagte veraltete Daten zugrunde gelegt. Die maßgeblichen Untersuchungen seien schon 2004 und 2005 durchgeführt worden. Ein weiterer Verfahrensfehler liege darin, dass die Beklagte von einer Erörterung der gegen die Planänderung erhobenen Einwendungen abgesehen habe. Ferner sei nicht die Beklagte, sondern die oberste Bremische Naturschutzbehörde zuständig gewesen, die Vorhaben auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen der betroffenen "Natura 2000"-Gebiete zu überprüfen.

17 Den Vorhaben fehle die Planrechtfertigung. Gemessen an den fachplanerischen Zielsetzungen des Bundeswasserstraßengesetzes seien sie nicht vernünftigerweise geboten, da es eingriffsminimierende Möglichkeiten zur Wahrung der verkehrlichen Zielsetzungen gebe. Für die Vertiefung der Außenweser gebe es keinen Bedarf. Entscheidend seien nicht die Konstruktions-, sondern die deutlich geringeren tatsächlichen Tiefgänge; derzeit würden nicht einmal die im Ist-Zustand möglichen tideunabhängigen Maximaltiefgänge ausgenutzt. Die Prognose einer Auslastung der aus Bremerhaven auslaufenden Schiffe von 95 % sei nicht nachvollziehbar. Damit entfalle auch der Bedarf für die angestrebte Ausbautiefe. Die Beklagte habe die tidebedingten Wartezeiten fehlerhaft ermittelt und die Bedeutung von Wartezeiten für die Reeder fehlerhaft bewertet. Zudem sei die Annahme unzutreffend, sogenannte Doppelanläufe von Häfen seien Folge einer unzureichenden Ausbautiefe des Hafens Bremerhaven. Die Prognose von Ladungsverlusten bei einem Verzicht auf den Ausbau sei spekulativ.

18 Die Vorhaben seien mit Vorschriften, die dem Schutz von FFH-Gebieten und Vogelschutzgebieten dienten, nicht vereinbar. Schutzgebiete würden durch den Anstieg der Tidehochwasserstände und die Verschiebung der Brackwasserzone erheblich betroffen. Die Wasserstände stiegen stärker an, als dies in den der Planfeststellung zugrunde gelegten Gutachten prognostiziert worden sei. Der Anstieg betreffe zudem nicht nur das mittlere Tidehochwasser, sondern auch die Springtiden und niedrigen Sturmfluten. Ausbau- und Unterhaltungsbaggerungen könnten durch das Ansaugen oder Druckwasserspülen des Baggers zu Individuen- und Laichverlusten vor allem bei der Finte führen. Die Baggerungen hätten negative Auswirkungen auf das Makrozoobenthos und die Sedimentstrukturen. Es werde vorhabenbedingt zu einer stärkeren Erosion der Wümmeufer und in der Folge zum Verschwinden von Schilf und erhaltenen Auwaldresten kommen.

19 Die Beklagte lege bei der Abweichungsprüfung einen fehlerhaften rechtlichen Maßstab an. Indem sie die zwingenden Gründe des überwiegenden Interesses lediglich im Rahmen der Planrechtfertigung prüfe und sich bei der habitatrechtlichen Ausnahmeprüfung darauf beziehe, verkenne sie die Unterschiede zwischen den Anforderungen an die Planrechtfertigung und an die Ausnahmeerteilung. Aufgrund fehlerhafter Bedarfs- und Wirtschaftlichkeitsprognosen nehme sie zu Unrecht ein überwiegendes öffentliches Interesse für die Vertiefung von Außen- und Unterweser an. Der Planfeststellungsbeschluss verfehle außerdem die habitatrechtlichen Maßstäbe der Prüfung von Alternativen. Die für eine Alternative maßgebliche Zielsetzung eines Wasserstraßenausbaus liege nicht in der Erreichbarkeit eines bestimmten Hafens mit bestimmten Schiffen, sondern in der verkehrlichen Funktion des Schiffsverkehrs. Sei - wie hier - der Transport der Güter über Schiffe und nachgeordnete Verteilnetze in den Zielregionen auch auf andere, das Netz "Natura 2000" weniger beeinträchtigende Weise möglich, handele es sich um eine vorzugswürdige Alternative im Sinne des Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. § 34 BNatSchG stelle dem Wortlaut nach für die Frage der zu berücksichtigenden Alternativen zwar auf das Projektziel ab; es sei aber unionsrechtlich geboten, auch andere Projekte als Alternativen zu prüfen.

20 Die festgesetzten Maßnahmen seien aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen ungeeignet zur Kohärenzsicherung. Mit einem Teil der Maßnahmen erfülle die Beklagte nur Verpflichtungen, die ihr als "Sowieso-Maßnahmen" ohnehin oblägen.

21 Der Planfeststellungsbeschluss verstoße gegen die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und des Wasserhaushaltsgesetzes zur Bewirtschaftung des Küstengewässers, oberirdischer Gewässer, soweit die Unterweser und "Seitengewässer" beeinträchtigt würden, sowie des Grundwassers. Das Wasserhaushaltsgesetz setze die Richtlinie nur unvollständig um.

22 Der Kläger beantragt,
den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 15. Juli 2011 aufzuheben,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf,
äußerst hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um Anordnungen zu ergänzen, mit denen den Trägern der Vorhaben geeignete Vorkehrungen bzw. die Errichtung und Unterhaltung von Anlagen aufgegeben wird, die zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen aus dem Planfeststellungsbeschluss auf die Umwelt erforderlich sind.

23 Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

24 Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

25 Die Beklagte und die Beigeladene treten dem Vorbringen des Klägers entgegen.

26 Auf die mündliche Verhandlung vom 15. bis 17. Mai 2013 hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juli 2013 das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Klärung von Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten. Der EuGH hat mit Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 - über die Vorlage entschieden.

27 Mit weiterem Beschluss vom 11. Juli 2013 hat der Senat auf durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses hingewiesen.

II

28 Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Senat ohne erneute mündliche Verhandlung über die Klage entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).

29 Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an Rechtsfehlern, die zwar nicht zu seiner mit dem Hauptantrag begehrten Aufhebung, wohl aber zu der mit dem ersten Hilfsantrag begehrten Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit führen. Er verstößt in einer diese Rechtsfolge rechtfertigenden Weise gegen Bestimmungen des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, Vorschriften zum Schutz Europäischer Vogelschutzgebiete und FFH-Gebiete, die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung sowie wasserrechtliche Vorschriften mit umweltrechtlichem Bezug; zudem ist er mit Abwägungsfehlern zu Lasten von Umweltbelangen behaftet.

30 Dabei handelt es sich sämtlich um solche Fehler, auf die sich die gerichtliche Kontrolle im Rahmen der erhobenen Verbandsklage erstreckt (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, § 64 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG). Ob der in diesen Vorschriften bestimmte Prüfungsumfang den Vorgaben des Art. 11 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (kodifizierter Text, ABl. L 26 S. 1) - UVP-RL - und dem mit dieser Regelung umgesetzten Art. 9 Abs. 2 der Aarhus-Konvention vom 25. Juni 1998 (AK - Gesetz vom 9. Dezember 2006, BGBl. II S. 1251) entspricht, kann offenbleiben (bejahend noch BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2013 - 7 C 36.11 - BVerwGE 148, 155 Rn. 24 ff.; eine fehlerhafte Umsetzung des Art. 9 Abs. 2 AK durch das deutsche Recht beanstandend jedoch nunmehr Beschluss vom 2. Juli 2014 V/9h der 5. Vertragsstaatenkonferenz zur Aarhus-Konvention). Auch wenn der Anwendungsvorrang des Unionsrechts eine Vollprüfung gebieten sollte, führt dies hier nicht zu weitergehenden Beanstandungen.

31 A. Der Planfeststellungsbeschluss, für dessen Beurteilung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - BVerwGE 148, 353 Rn. 25 m.w.N.), ist mit formellen Fehlern behaftet.

32 I. Er verstößt gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. §§ 11 und 12 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl. I S. 94), für den hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 18. Mai 2011 (BGBl. I S. 892). Die Planfeststellungsbehörde hat verkannt, dass die Planung drei Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts umfasst, für die auch drei Umweltverträglichkeitsprüfungen hätten durchgeführt werden müssen.

33 1. Der Kläger ist mit seiner hierauf gerichteten Rüge nicht nach § 2 Abs. 3 UmwRG und § 14 Abs. 1 Satz 5 des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. Mai 2007 (BGBl. I S. 962; 2008 I S. 1980), für den hier maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Verordnung vom 27. April 2010 (BGBl. I S. 540) i.V.m. § 73 Abs. 4 VwVfG präkludiert. Ungeachtet der Frage, ob es sich dabei überhaupt um eine Einwendung im Sinne dieser Vorschriften handelt (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 17), und - wenn ja -, ob die Voraussetzungen für einen Einwendungsausschluss nach den genannten Bestimmungen vorliegen, folgt dies aus dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts. Der Ausschluss von Einwendungen, die nicht innerhalb der dafür bestimmten Frist geltend gemacht worden sind, und die daran anknüpfende Einschränkung der gerichtlichen Kontrolle sind - wie der Gerichtshof der Europäischen Union im Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden hat (EuGH, Urteil vom 15. Oktober 2015 - C-137/14 [ECLI:​EU:​C:​2015:​683] - Rn. 78 ff.) - mit Art. 11 UVP-RL unvereinbar. Die Präklusionsvorschriften müssen daher außer Anwendung bleiben (vgl. bereits BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2015 - 7 C 15.13 - NVwZ 2016, 308 Rn. 26).

34 2. Die durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfungen werden den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen nicht gerecht, weil die Planfeststellungsbehörde den Begriff des UVP-pflichtigen Vorhabens verfehlt und deshalb den Gegenstand dieser Prüfungen unzutreffend bestimmt hat. Der Vorhabenbegriff des § 2 Abs. 2 UVPG knüpft mit Rücksicht auf die Funktion der Umweltverträglichkeitsprüfung, die fachplanerische Sachentscheidung durch Ermittlung, Beschreibung und Bewertung des Vorhabens vorzubereiten, an den fachplanerischen Vorhabenbegriff an; grundsätzlich ist ein Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts auch ein Vorhaben im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Anderes kann etwa für Komplexvorhaben wie den Bau eines Hafens (Nr. 13.9 bis 13.12 der Liste "UVP-pflichtige Vorhaben" - Anlage 1 zum UVPG) gelten, dessen einzelne Bestandteile unterschiedlichen Zulassungsverfahren unterliegen (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 28 f.).

35 Vorliegend sind Gegenstand der Planfeststellung drei Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts: die Vertiefung der Außenweser einschließlich der hafenbezogenen Wendestelle, die Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und die Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen. Dass die Vorhabenträger die von ihnen geplanten Maßnahmen als zwei Vorhaben, nämlich als den Ausbau der Außenweser und den Ausbau der Unterweser, bezeichnet haben, vermag daran nichts zu ändern. Grundsätzlich bestimmt zwar der Träger eines Vorhabens dessen Gegenstand. Er ist dabei aber rechtlichen Grenzen aufgrund des materiellen Planungsrechts unterworfen, das den Rahmen für die planerische Ausgestaltung vorgibt (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 7 C 11.12 - BVerwGE 151, 213 Rn. 19). Grenzen für die Ausgestaltung ergeben sich namentlich aus den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes und dem Abwägungsgebot. Die Aussagekraft der Abwägung darf weder durch übermäßige Aufsplitterung in Teilplanungen noch umgekehrt durch Zusammenfassung mehrerer Planungen beeinträchtigt werden. Grenzen des Bestimmungsrechts des Vorhabenträgers bestehen deshalb zum einen, wenn eine zusammenhängende Maßnahme in Abschnitte geteilt wird. Das Abwägungsgebot verbietet, die Teilplanung so weit zu verselbstständigen, dass Probleme, die durch die Gesamtplanung geschaffen werden, unbewältigt bleiben (BVerwG, Urteil vom 10. April 1997 - 4 C 5.96 - BVerwGE 104, 236 <243>). Grenzen des Bestimmungsrechts bestehen zum anderen aber auch, wenn zwei oder mehr geplante Maßnahmen vom Träger als ein Vorhaben behandelt werden. Verfolgt der Vorhabenträger mit mehreren Maßnahmen verschiedene Planungsziele und können diese Maßnahmen unabhängig voneinander verwirklicht werden, ohne dass die Erreichung der Ziele einer Maßnahme durch den Verzicht auf die anderen Maßnahmen auch nur teilweise vereitelt würde, so handelt es sich auch um mehrere Vorhaben. Der Vorhabenträger darf dann nicht mehrere Vorhaben als ein Vorhaben bezeichnen und damit verhindern, dass über die Zulässigkeit jedes der Vorhaben von der Planfeststellungsbehörde im Rahmen einer gesonderten fachplanerischen Abwägung der für und gegen das einzelne Vorhaben sprechenden Belange entschieden wird. Soll der Ausbau einer Bundeswasserstraße die seewärtige Zufahrt zu mehreren an ihr gelegenen Seehäfen verbessern und kann dieses Ziel für jeden Hafen erreicht werden, ohne zugleich die Erreichbarkeit der anderen Häfen zu verbessern, so muss deshalb für jeden Hafen und den seiner Anbindung dienenden Ausbauabschnitt gesondert abgewogen werden, ob die Verbesserung seiner Erreichbarkeit die negativen Umweltauswirkungen des für ihn erforderlichen Ausbauabschnitts rechtfertigt. Die mit der Behandlung als ein Vorhaben einhergehende Abwägung der kumulierten Vorteile gegen die kumulierten Nachteile könnte nämlich dazu führen, dass ein Hafen mit hoher Verkehrsbedeutung die verbesserte Anbindung eines anderen Hafens "mitzieht", obwohl dessen Verkehrsbedeutung bei isolierter Betrachtung die Umweltauswirkungen der allein durch ihn verursachten Baumaßnahme nicht rechtfertigen würde. Die Rechtmäßigkeit einer Planung kann aber nicht davon abhängen, ob der Vorhabenträger seine Planungsziele mit getrennten Planfeststellungsanträgen verfolgt oder die Ziele und Maßnahmen in einem Antrag bündelt.

36 Hiernach bilden die insgesamt geplanten Ausbaumaßnahmen drei Vorhaben. Jedes dieser Vorhaben kann die mit ihm verfolgten Ziele in vollem Umfang auch dann erreichen, wenn auf die beiden anderen Vorhaben verzichtet wird. Die Vertiefung der Außenweser soll ermöglichen, dass der Hafen Bremerhaven tideunabhängig von Großcontainerschiffen erreicht werden kann. Für die Verwirklichung dieses Ziels ist der Ausbau der Unterweser ohne Bedeutung. Ziel des Ausbaus der Unterweser von Bremerhaven bis Brake ist es, dass größere Schiffe als bisher den Hafen Brake anfahren können. Dafür ist der Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen nicht relevant. Darüber hinaus ist aber auch der Ausbau der Außenweser für die bessere Erreichbarkeit des Hafens Brake ohne Bedeutung; denn die Fahrrinne der Außenweser ist bereits heute weitaus tiefer, als die der Unterweser zwischen Bremerhaven und Brake durch die Verwirklichung der planfestgestellten Maßnahmen werden soll. Mit dem Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen soll schließlich die Erreichbarkeit des Hafens Bremen verbessert werden. Die Verwirklichung dieses Ziels setzt weder den Ausbau der Außenweser noch den der Unterweser von Bremerhaven bis Brake voraus; denn die Fahrrinnen der Außenweser und der Unterweser von Bremerhaven bis Brake sind bereits heute tiefer, als der Planfeststellungsbeschluss für die Fahrrinne der Unterweser von Brake bis Bremen vorsieht. Mit der Vertiefung der hafenbezogenen Wendestelle werden dagegen keine selbstständigen Ziele verfolgt, die sich auch unabhängig von den drei vorgenannten Vorhaben realisieren ließen. Sie hat nur dann einen Sinn, wenn auch die Außenweser vertieft wird, und stellt sich mithin als unselbstständiger Teil des Vorhabens der Außenweservertiefung dar.

37 3. Für jedes der drei Vorhaben hätte die Planfeststellungsbehörde eine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung durchführen und darin dessen Umweltauswirkungen ermitteln, zusammenfassend darstellen und bewerten müssen (§§ 5 ff., 11, 12 UVPG). Daran fehlt es (a). Dieser Fehler kann die Sachentscheidung beeinflusst haben (b).

38 a) Entsprechend der Funktion einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die Sachentscheidung über ein Vorhaben im Sinne des Fachplanungsrechts und insbesondere die planerische Abwägung der für und gegen dieses Vorhaben sprechenden Belange vorzubereiten, müssen die Umweltauswirkungen dieses konkreten Vorhabens gesondert in einer Umweltverträglichkeitsprüfung in den Blick genommen werden. Das bedingt die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen für jedes einzelne fachplanerische Vorhaben. Zusätzlich bedarf es bei mehreren Vorhaben, die - wie hier - in engem zeitlichen Zusammenhang verwirklicht werden sollen, im Rahmen der jeweiligen Umweltverträglichkeitsprüfung einer summierenden Betrachtung ihrer nachteiligen Umweltauswirkungen. Die Pflicht hierzu ergibt sich unionsrechtlich aus Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Anhang IV Nr. 4 Fußnote 1 der UVP-Richtlinie, nach nationalem Recht aus einer unionsrechtskonformen Auslegung von § 2 Abs. 1 Satz 2, §§ 11 und 12 UVPG. Vorliegend mussten also nicht nur die Umweltauswirkungen der jeweiligen Fahrrinnenanpassungen gesondert, sondern zusätzlich die Umweltauswirkungen der verschiedenen denkbaren Überlagerungsvarianten geprüft werden. Dabei war zu beachten, dass die summierende Betrachtung die gesonderten Prüfungen zu ergänzen hat, aber nicht ersetzen kann.

39 Dem ist die durchgeführte Prüfung nicht gerecht geworden. Die von den Vorhabenträgern als Teil der Antragsunterlagen vorgelegte Umweltverträglichkeitsuntersuchung hat immerhin die Umweltauswirkungen für die Anpassung der Außenweser und der Unterweser gesondert ermittelt und beschrieben, die den Ausbau der Außenweser und den Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Bremen umfassende Überlagerungsvariante also nur zusätzlich untersucht. Die Beklagte hat dann aber die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung erklärtermaßen auf die Überlagerungsvariante beschränkt (PFB S. 198). Soweit sie - wie zum Beispiel bei den ausbaubedingten Veränderungen der Tidekennwerte (PFB S. 224 f.) - zwischen Unter- und Außenweser unterschieden hat, geht es um die unterschiedlichen Auswirkungen der Überlagerungsvariante auf Unter- und Außenweser, nicht um die unterschiedlichen Auswirkungen der Anpassung von Unter- und Außenweser. Lediglich in der tabellarischen Übersicht über die wichtigsten Wirkfaktoren (PFB S. 201 ff.) und in der tabellarischen, auf die einzelnen Wirkfaktoren bezogenen Zusammenstellung der erheblichen Beeinträchtigungen (PFB S. 582 ff.) hat die Beklagte zwischen der Anpassung der Unterweser und der Außenweser differenziert. Eine Differenzierung zwischen den Unterweserabschnitten Bremerhaven bis Brake und Brake bis Bremen fehlt dagegen vollständig, also auch in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung zur Unterweseranpassung.

40 b) Der Mangel der Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein für das Begehren des Klägers erheblicher Verfahrensfehler. Ob das schon aus § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UmwRG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 20. November 2015 (BGBl. I S. 2069) folgt, mit dem der Gesetzgeber in Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 7. November 2013 - C-72/12 [ECLI:​EU:​C:​2013:​712], Altrip - den Katalog absoluter, unabhängig von ihrem Einfluss auf die Sachentscheidung erheblicher Verfahrensfehler erweitert hat, kann dahingestellt bleiben. Die Erheblichkeit des Fehlers folgt jedenfalls aus § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG.

41 § 4 Abs. 1a Satz 1 UmwRG stellt klar, dass Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung, die nicht unter Absatz 1 fallen, nicht von vornherein unerheblich sind, sondern als relative Verfahrensfehler nach § 46 VwVfG auf ihre Erheblichkeit hin beurteilt werden müssen. Dies entspricht der schon vor der Rechtsänderung geltenden Rechtslage (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 9 A 23.10 - BVerwGE 141, 171 Rn. 17).

42 Nach § 4 Abs. 1a UmwRG i.V.m. § 46 VwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts wegen eines relativen Verfahrensfehlers dann nicht beansprucht werden, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der Verfahrensvorschrift die Entscheidung in der Sache unbeeinflusst gelassen hat. Zur Aufklärung dieser Frage hat das Gericht im Rahmen seiner Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen alle verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen. Lässt sich nicht aufklären, ob der Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat, wird gemäß § 4 Abs. 1a Satz 2 UmwRG eine Beeinflussung vermutet. Das Gericht hat in diesem Fall also zu Gunsten des Klägers zu unterstellen, dass der Verfahrensfehler Einfluss auf die Sachentscheidung gehabt hat. Damit soll sichergestellt werden, dass § 46 VwVfG in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Europäische Gerichtshof im Altrip-Urteil zur Erheblichkeit von Verfahrensfehlern aufgestellt hat, angewandt wird (BVerwG, Urteil vom 21. Januar 2016 - 4 A 5.14 - NVwZ 2016, 844 Rn. 41 unter Hinweis auf die amtliche Begründung des UmwRG-Änderungsgesetzes, BT-Drs. 18/5927 S. 10).

43 Hiernach ist von der Erheblichkeit des dargelegten Fehlers bei der Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung auszugehen. Da die Umweltauswirkungen in der mit den Antragsunterlagen ausgelegten Umweltverträglichkeitsuntersuchung nicht für die beiden Abschnitte der Unterweser gesondert untersucht worden sind, konnte sich die Öffentlichkeit entgegen § 9 Abs. 1 und 1b Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UVPG zu diesen Auswirkungen nicht äußern. Die Möglichkeit, dass die Entscheidung bei einer Differenzierung zwischen den genannten Abschnitten anders ausgefallen wäre, lässt sich bereits deshalb nicht verneinen, weil diese Auswirkungen nicht ermittelt worden sind; es kann folglich auch nicht auf der Grundlage des Abwägungskonzepts der Beklagten mit der gebotenen Sicherheit nachvollziehend ausgeschlossen werden, dass die Beklagte bei einer separaten Betrachtung beider Abschnitte den Umweltbelangen den Vorzug gegeben hätte. Die Umweltauswirkungen der Anpassung der Außenweser einschließlich der Wendestelle sind zwar in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung gesondert ermittelt worden. Als "erheblich negativ" sind bewertet worden die Beeinträchtigungen des Schutzgutes Pflanzen - Phytoplankton und -benthos - durch Verschiebung und Ausdehnung der Brackwasser- bzw. Trübungszone (UVU AW S. 148), des Schutzgutes Tiere - Makrozoobenthos und Fische - durch die Ausbau- und Unterhaltungsbaggerung und -verklappung (UVU AW S. 209, 211, 236, 238) sowie schließlich die Summe der als "unerheblich negativ" gewerteten Beeinträchtigungen, weil diese dazu beitragen, dass sich das ökologische System Weserästuar tendenziell weiter vom historischen Referenzzustand entfernt (UVU AW S. 344). Diese Wirkfaktoren werden auch in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung für die Unterweser als "erheblich negativ" bewertet (UVU UW S. 160, 228, 229, 261, 262, 263, 381). Dass den Umweltauswirkungen beider Planungsabschnitte in etwa das gleiche Gewicht zukommt, kann man angesichts der wesentlich größeren Baggermengen in der Außenweser (PFB S. 86 f., 89 f.) dennoch nicht unterstellen. Die größere Verkehrsbedeutung von Bremerhaven im Vergleich zu Brake und Bremen muss nach dem Abwägungskonzept der Beklagten deshalb jedenfalls für die Außenweser nicht zwingend zu einem Überwiegen der Planungsziele führen. Im Übrigen ist der Planfeststellungsbeschluss für die Anpassung der Außenweser einerseits und der Unterweser andererseits nicht teilbar; die Kohärenzmaßnahmen und - soweit es um die sekundären Wirkfaktoren geht (PFB S. 727 bis 729) - auch die Kompensationsmaßnahmen sind für beide Planungen gemeinsam festgelegt worden.

44 An der Erheblichkeit des Mangels ändert auch die während des gerichtlichen Verfahrens nachgereichte Stellungnahme der Beklagten zu den Umweltauswirkungen der drei einzelnen Vorhaben nichts. Diese genügt schon wegen der fehlenden Öffentlichkeitsbeteiligung nicht den Anforderungen an eine Umweltverträglichkeitsprüfung.

45 II. Dass die im Wege der Planänderung in das Planfeststellungsverfahren einbezogene Vermeidungslösung keiner Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern nur einer UVP-Vorprüfung unterzogen worden ist, stellt ebenfalls einen erheblichen Verfahrensmangel dar.

46 Die Vermeidungslösung wird von der UVP-Pflichtigkeit der Vorhaben umfasst. Dies folgt daraus, dass die mit ihr vorgesehenen Maßnahmen als Schutzvorkehrungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG integrale Bestandteile der Vorhaben sind. Ihre Einbeziehung in das Verfahren durch Planänderung ändert daran nichts. § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG findet auf Planänderungen vor Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses keine Anwendung.

47 Ein Einfluss des Mangels auf die getroffene Sachentscheidung lässt sich nicht ausschließen. Die durchgeführte Vorprüfung genügt den Anforderungen an eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht. Mit ihr ist untersucht worden, ob die Vermeidungslösung isoliert betrachtet erhebliche Umweltauswirkungen haben kann. Eine Gesamtbetrachtung der Umweltauswirkungen ist dagegen unterblieben. Deshalb fehlt insbesondere eine Prüfung der Wechselwirkungen der Vermeidungslösung und der Vorhaben im Übrigen. Beispielsweise ist nicht untersucht worden, welche Auswirkungen die durch die Vermeidungslösung bedingte Änderung von Sielen und die vertiefungsbedingte Änderung der Strömungsgeschwindigkeiten kumulativ auf die Fischwanderung haben. Ohne Feststellungen zu den kumulierten Auswirkungen lässt sich nicht verlässlich beurteilen, ob und gegebenenfalls wie sich die Gewichte im Abwägungsgeflecht verschieben würden.

48 III. Die aufgezeigten Mängel der Umweltverträglichkeitsprüfung führen nicht zur Aufhebung, sondern zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Sie können nach der Planerhaltungsvorschrift des § 14e Abs. 6 Satz 2 WaStrG a.F./§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG n.F. durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden; diese Regelung findet nicht nur auf Abwägungsmängel, sondern - entsprechend - auch auf Verstöße gegen striktes Recht Anwendung (BVerwG, Urteil vom 6. November 2013 - 9 A 14.12 - BVerwGE 148, 373 Rn. 153). Dazu muss der Vorhabenträger für die Vorhaben Vertiefung der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und Vertiefung der Unterweser von Brake bis Bremen Unterlagen vorlegen (§ 6 UVPG), die zwischen den Umweltauswirkungen beider Teile unterscheiden, und zu diesen Unterlagen muss die Beteiligung anderer Behörden (§ 7 UVPG) und der Öffentlichkeit (§ 9 UVPG) nachgeholt werden. Das gilt namentlich auch für die Begutachtung der hydrologischen und hydromorphologischen Auswirkungen dieser Vorhaben, die als Bestandteil der Umweltverträglichkeitsuntersuchung die Grundlage für die weiteren naturschutzfachlichen Prüfungen bildet. In Bezug auf die Außenweservertiefung bedarf es hingegen keiner erneuten Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, da in den Unterlagen des Trägers der Vorhaben zwischen den Umweltauswirkungen der Außenweservertiefung und denen der Unterweservertiefung differenziert worden ist. Hinsichtlich der Planänderung müssen wiederum zur Prüfung der Wechselwirkungen der Vermeidungslösung und der Vorhaben im Übrigen Behörden und Öffentlichkeit erneut beteiligt werden. Auf der Grundlage der so getroffenen Feststellungen und anschließenden Bewertungen der Umweltauswirkungen kann erneut in der Sache entschieden werden.

49 IV. Die vom Kläger darüber hinaus gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses geltend gemachten Bedenken greifen nicht durch.

50 1. Entgegen seiner Auffassung sind die der Umweltverträglichkeitsprüfung zugrunde gelegten Daten nicht veraltet gewesen. Die Beklagte hat die Umweltverträglichkeitsuntersuchung, die in den am 27. April 2006 vorgelegten Antragsunterlagen enthalten war und auf Daten aus den Jahren 2003 bis 2006 basierte, vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses aktualisieren lassen. Dies geschah durch den Fachbeitrag 2 "Bewertung der kumulativ wirkenden Projekte" vom 10. Februar 2010 und durch den Fachbeitrag 4 "Aktualisierung der Bestandsdaten zu den Schutzgütern der UVU/Aktualisierung der Auswirkungsprognose" vom 15. März 2010, in denen die Auswirkungen der Wendestelle untersucht wurden. Mit diesen Aktualisierungen hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.

51 2. Die Beklagte hat nicht unter Verstoß gegen § 14a Nr. 6 Satz 3 WaStrG a.F. (jetzt § 14a Nr. 2 WaStrG), § 73 Abs. 6 VwVfG und § 9 Abs. 1 Satz 4 UVPG von einer Erörterung der im Jahr 2008 vorgelegten Planänderung abgesehen. Nach § 14a Nr. 6 Satz 3 WaStrG a.F. kann, wenn ein ausgelegter Plan geändert wird, im Regelfall von der Erörterung im Sinne des § 73 Abs. 6 VwVfG und des § 9 Abs. 1 Satz 3 UVPG abgesehen werden. Die darin liegende Sonderregelung ist mit der alten Fassung der UVP-Richtlinie (Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten <ABl. L 175 S. 40>) vereinbar; diese schreibt keine Erörterung von Einwendungen vor. Nach ihrem Art. 6 Abs. 5 werden die genauen Vorkehrungen für die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit (etwa durch Aufforderung zu schriftlichen Stellungnahmen oder durch eine öffentliche Anhörung) von den Mitgliedstaaten festgelegt. Von dem ihr in § 14a Nr. 6 WaStrG a.F. eingeräumten Ermessen hat die Beklagte ordnungsgemäß Gebrauch gemacht. Sie hat sich, wie aus dem Planfeststellungsbeschluss (S. 107 f.) folgt, an dem Zweck des Erörterungstermins, Erkenntnisse über den Sachverhalt zu gewinnen und gegenläufige Interessen zu befrieden, sowie an dem Anliegen des § 14a Nr. 6 Satz 3 WaStrG a.F. orientiert, das Verfahren zu beschleunigen. Vom Regelfall abweichende Gründe, die die Durchführung eines weiteren Erörterungstermins geboten erscheinen ließen, sind nicht erkennbar. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem Einwendungsschreiben vom 29. August 2008, in dem der Kläger seine ablehnende Haltung ausführlich begründet hat (vgl. zum Absehen von der Erörterung BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 51 f.; Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 6. Aufl. 2009, § 14a Rn. 60).

52 3. Dass die Beklagte über die Anpassung der Unterweser in beiden Abschnitten und der Außenweser einschließlich der Vertiefung der hafenbezogenen Wendestelle, für die die Beigeladene Trägerin des Vorhabens ist, auf der Grundlage eines Planfeststellungsverfahrens in nur einem Planfeststellungsbeschluss entschieden hat, verstößt weder gegen § 78 VwVfG noch gegen § 75 Abs. 1 VwVfG. Diese Vorschriften sehen für mehrere selbstständige Vorhaben (§ 78 VwVfG) bzw. für notwendige Folgemaßnahmen an anderen Anlagen (§ 75 Abs. 1 VwVfG) ein einheitliches Planfeststellungsverfahren auch dann vor, wenn an sich verschiedene Behörden - möglicherweise auch in unterschiedlich geregelten Verfahren - über die Vorhaben oder Maßnahmen zu entscheiden hätten (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Oktober 2010 - 9 A 12.09 - NVwZ 2011, 626 Rn. 20 ff.). Das ist hier nicht der Fall. Alle in Rede stehenden Maßnahmen bedürfen gemäß § 14 Abs. 1 WaStrG der Planfeststellung durch die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt - Außenstelle Nordwest. Ob eine insgesamt zuständige Planfeststellungsbehörde mehrere bei ihr anhängige Verfahren verbindet oder ein für mehrere Maßnahmen einheitlich beantragtes Planfeststellungsverfahren trennt, entscheidet sie nach ihrem Verfahrensermessen (§ 72 Abs. 1, § 10 VwVfG). Für eine fehlerhafte Ermessensausübung ist nichts ersichtlich; namentlich hat die Beklagte durch die gemeinsame Entscheidung über die räumlich zusammenhängenden und sich in ihren Auswirkungen überlagernden Vorhaben bzw. Maßnahmen nicht den Rechtsschutz erschwert.

53 4. Die Rüge, die Planfeststellungsbehörde sei für die FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht zuständig gewesen, greift nicht durch. Die Prüfung der Verträglichkeit der Vorhaben im Sinne des § 34 Abs. 1 BNatSchG war, soweit es um FFH- und Vogelschutzgebiete auf dem Gebiet der Freien Hansestadt Bremen geht, nicht gemäß § 24 Abs. 2 des Bremischen Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (BremNatG) vom 27. April 2010 (Brem.GBl. S. 315) dem Senator für Umwelt, Bau und Verkehr als oberste Naturschutzbehörde (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BremNatG) vorbehalten. Die Beklagte war für diese Prüfung vielmehr gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5, § 14c WaStrG a.F. i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG selbst zuständig.

54 Nach § 14 Abs. 1 Satz 5 WaStrG a.F., § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG wird durch die Planfeststellung die Zulässigkeit des Vorhabens im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen nicht erforderlich. Die Konzentrationswirkung, die der Planfeststellungsbeschluss nach dieser Bestimmung entfaltet, äußert sich in einer Zuständigkeits-, einer Verfahrens- und einer Entscheidungskonzentration (BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 448). Die Konzentrationswirkung erstreckt sich nicht nur auf die von ihr erfassten behördlichen Entscheidungen als solche, sondern erfasst auch das den Entscheidungen zugrunde liegende Verwaltungsverfahren (BVerwG, Beschluss vom 17. Dezember 2002 - 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2). Sofern nicht spezialgesetzlich ausdrücklich anders geregelt, richtet sich das Verfahren allein nach den Vorschriften, die für die Planfeststellungsbehörde und das Planfeststellungsverfahren selbst gelten; die Planfeststellungsbehörde ist nicht an die besonderen Verfahrensvorschriften gebunden, die für die ersetzten Entscheidungen einschlägig sind (vgl. Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 75 Rn. 15). Zuständigkeiten von Landesbehörden werden durch die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses verdrängt und durch ein bloßes Beteiligungsrecht im Planfeststellungsverfahren ersetzt (Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 75 Rn. 4). Soweit die Naturschutzgesetze der Länder für die Prüfung der FFH-Verträglichkeit und/oder die nach § 34 BNatSchG erforderlichen Beurteilungen das Benehmen oder sogar das Einvernehmen einer Landesnaturschutzbehörde vorschreiben oder - wie § 24 Abs. 2 BremNatG - einer Landesnaturschutzbehörde zwar nicht die Entscheidung über die Zulassung des Projekts, aber die Prüfung seiner FFH-Verträglichkeit übertragen, handelt es sich um Regelungen des Verwaltungsverfahrens; sie gelten nur, soweit Bundesrecht nicht entgegensteht. Das ist hier in Gestalt des bundesrechtlich geregelten Planfeststellungsverfahrens in § 14 WaStrG der Fall. Einen Regelungsanspruch für bundesrechtlich geregelte Planfeststellungsverfahren misst sich das Landesrecht insoweit selbst nicht bei. Das gilt jedenfalls für das Bremische Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege. Bremen hat in § 24 Abs. 2 dieses Gesetzes lediglich die bereits zuvor in § 26c Abs. 1 Satz 3 des Bremischen Naturschutzgesetzes i.d.F. vom 19. April 2006 (Brem.GBl. S. 211) enthaltene Zuständigkeit für die FFH-Verträglichkeitsprüfung übernommen (Bremische Bürgerschaft Drs. 17/1232 S. 24).

55 Dass das Bundeswasserstraßengesetz die Entscheidungszuständigkeiten und das Verwaltungsverfahren für die Planfeststellung in § 14 abschließend regelt, wird durch § 14 Abs. 3 WaStrG bestätigt. Nach dieser Vorschrift bedarf die Feststellung des Plans des Einvernehmens mit der zuständigen Landesbehörde nur, soweit das Vorhaben Belange der Landeskultur oder der Wasserwirtschaft berührt (vgl. Art. 89 Abs. 3 GG). Der Begriff der Landeskultur umfasst nicht die Vollzugshoheit der Länder im Bereich des Natur- und Landschaftsschutzes sowie des Denkmalschutzes (BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - 9 A 24.01 - BVerwGE 116, 175 <180 f.>).

56 B. Der Planfeststellungsbeschluss weist außerdem materielle Rechtsfehler auf. Diese rechtfertigen ebenfalls die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit.

57 I. Die Vorhaben sind allerdings planerisch gerechtfertigt.

58 Die Planrechtfertigung erfordert die Prüfung, ob ein Vorhaben mit den Zielen des jeweiligen Fachplanungsgesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob es für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. November 2006 - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 34 und Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 - 7 A 1.08 - juris Rn. 13). Daran gemessen liegt die Planrechtfertigung vor.

59 Der Ausbau der Bundeswasserstraßen ist eine dem Bund gemäß § 12 Abs. 1 WaStrG zugewiesene Aufgabe. Er dient dazu, die Funktion der Wasserstraßen für den allgemeinen Schiffsverkehr zu erhalten und zu verbessern und Gefahren für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu vermeiden (vgl. § 1 Abs. 1 WaStrG). Zu den wasserstraßenrechtlichen Ausbauzielen gehört namentlich auch die ungehinderte Erreichbarkeit der Häfen, was für Seehäfen durch § 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Seeschifffahrt i.d.F. der Bekanntmachung vom 17. Juni 2016 (BGBl. I S. 1489), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 123 des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I S. 1666), unterstrichen wird. Die mit den drei geplanten Vorhaben verfolgten Ziele entsprechen den gesetzlichen Planungszielen und erweisen sich daran gemessen als vernünftigerweise geboten.

60 1. Das gilt zunächst für den Ausbau der Außenweser. Die geplante Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne in der Außenweser sowie die Vertiefung der hafenbezogenen Wendestelle vor Bremerhaven sollen die Erreichbarkeit Bremerhavens für große Containerschiffe verbessern sowie Gefahren und Erschwernisse aus dem Begegnungsverkehr mindern. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 121 ff.) legt nachvollziehbar dar, dass die Containerschifffahrt ein konkretes Bedürfnis für die Verbesserung der tideunabhängigen Erreichbarkeit Bremerhavens hat. Bremerhaven wird von Schiffen angelaufen, die einen Abladetiefgang von 13,5 m zulassen. Dass die Reeder generell ein Interesse daran haben, einerseits Ladungskapazitäten voll ausschöpfen zu können, andererseits tidebedingte Wartezeiten zu vermeiden, liegt auf der Hand. Zudem führt der Planfeststellungsbeschluss unwidersprochen aus, Bremerhaven werde bereits aktuell regelmäßig von Schiffen mit einem Abladetiefgang von 12,8 m und mehr angelaufen. Die in diesem Zusammenhang von der Beklagten angestellte Prognose begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist, ob die der Planungsentscheidung zugrunde liegende Prognose den an sie rechtlich zu stellenden Anforderungen genügt, insbesondere ob sie in einer der jeweiligen Materie angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 - 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <286> und Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 - 7 A 1.08 - juris Rn. 13). Mängel hat der Kläger in dieser Hinsicht nicht aufgezeigt.

61 Abgesehen hiervon wäre der Ausbau selbst dann als zulässig anzusehen, wenn es sich bei ihm um eine bloße Angebotsplanung handeln sollte. Eine Angebotsplanung, für die eine aktuelle Nachfrage mit konkreten und belastbaren Zahlen vorerst nicht zu belegen ist, zwingt nicht dazu, dem Vorhaben die notwendige Planrechtfertigung abzusprechen (BVerwG, Beschluss vom 2. April 2009 - 7 VR 1.09 - juris Rn. 8). Anders als bei der Neuplanung einer Verkehrsinfrastruktur, die sich ohne gesicherte Nachfrage als planerischer Missgriff erweisen kann, geht es bei dem Ausbau einer Wasserstraße zumindest auch darum, deren künftige Nutzbarkeit zu erhalten und zu sichern. In dieser Weise Vorsorge zu betreiben, ist jedenfalls dann vernünftigerweise geboten, wenn sich - wie hier - ein Trend zu größeren Schiffen abzeichnet.

62 2. Im Hinblick auf die Vertiefung der Unterweser hat die Beklagte unter dem Blickwinkel der Planrechtfertigung zu Recht die Abschnitte von Bremerhaven bis Brake und von Brake bis Bremen getrennt in den Blick genommen. Beide Abschnitte haben unterschiedliche Zielsetzungen und sollen unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen.

63 a) Für den erstgenannten Abschnitt gilt, dass der Zweck, die Erreichbarkeit des Hafens Brake für große Massengutschiffe zu verbessern, den Zielen des Fachplanungsrechts entspricht. Die Vertiefung dieses Abschnitts erweist sich auch als vernünftigerweise geboten. Der Hafen Brake wird von Schiffen angelaufen, die einen Abladetiefgang von 12,8 m zulassen. Dass die Reeder ein Interesse daran haben, diesen Tiefgang auszunutzen, lässt sich nicht in Abrede stellen. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass unklar erscheint, ob die Vertiefung etwas an der teilweise verfolgten Strategie ändern wird, Brake erst als zweiten Hafen teilabgeladen mit Tiefgängen anzulaufen, die unter dem bereits im Ist-Zustand maximal Möglichen liegen. Das betrifft nach dem Planfeststellungsbeschluss (S. 170) aber nur einen Teil der Schiffe. Insoweit stehen danach allein das Ausmaß des Bedarfs und seine Durchsetzungskraft im Verhältnis zu anderen Belangen, nicht aber der Bedarf als solcher in Frage. Zudem ergibt sich die Planrechtfertigung auch insoweit unter dem Aspekt einer zulässigen Angebotsplanung.

64 b) Für den Abschnitt von Brake bis Bremen gilt Entsprechendes. Bremen wird von Schiffen angelaufen, die einen Abladetiefgang von 11,1 m erlauben. Gegen die Annahme des Planfeststellungsbeschlusses, dass dieser nach dem Ausbau in Anspruch genommen werde, hat der Kläger nichts Substanzielles vorgetragen.

65 II. Der Planfeststellungsbeschluss widerspricht Vorschriften zum Schutz Europäischer Vogelschutzgebiete.

66 Die Anforderungen an die Zulässigkeit eines Vorhabens, das sich auf ein dem Schutz der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (kodifizierte Fassung, ABl. L 20 S. 7 - Vogelschutzrichtlinie) - VRL - unterfallendes Gebiet auswirken kann, hängen davon ab, ob das Schutzgebiet gemäß § 32 Abs. 2 BNatSchG zu geschützten Teilen von Natur und Landschaft im Sinne des § 20 Abs. 2 BNatSchG erklärt worden ist. Mit der Schutzgebietserklärung geht das Gebiet nach Art. 7 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 S. 7 - Habitatrichtlinie) - FFH-RL - in das Schutzregime dieser Richtlinie über; ein mit den Erhaltungszielen des Gebiets unverträgliches Vorhaben kann dann im Wege der Ausnahmeprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG/Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL zugelassen werden (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <LS 2 und S. 282 ff.>). Anderenfalls verbleibt es bei dem strengeren Schutzregime der Vogelschutzrichtlinie, derzufolge nur überragende Gemeinwohlbelange wie der Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen oder der Schutz der öffentlichen Sicherheit die Verbote des Art. 4 Abs. 4 VRL überwinden können (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <289>). Die zuvor erforderliche Prüfung des Beeinträchtigungsverbots des Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL und die Verträglichkeitsprüfung nach § 34 Abs. 2 BNatSchG/Art. 6 Abs. 3 FFH-RL erfolgen hingegen nach gleichgerichteten Maßstäben; es geht jeweils um den Ausschluss von - im Hinblick auf die jeweiligen Schutzziele - erheblichen Gebietsbeeinträchtigungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <288 f.>).

67 Projekte können ein FFH-Gebiet erheblich beeinträchtigen, wenn sie drohen, die für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 [ECLI:​EU:​C:​2004:​482] - Rn. 48). Maßgebliches Kriterium ist der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten im Sinne der Legaldefinitionen des Art. 1 Buchst. e und i FFH-RL; ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 43). Dass keine erheblichen Beeinträchtigungen auftreten, muss gewiss sein. Nur wenn insoweit keine vernünftigen Zweifel verbleiben, darf die Verträglichkeitsprüfung mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen werden (EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - Rn. 59 und 61; BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128,1 Rn. 56). Bei einem faktischen (noch nicht erklärten) Vogelschutzgebiet ist die Abgrenzung zwischen erheblichen und unerheblichen Beeinträchtigungen gemäß Art. 4 Abs. 4 Satz 1 VRL nach den Zielsetzungen dieses Artikels, das Überleben und die Vermehrung der in Anhang I der Richtlinie aufgeführten Vogelarten in ihrem Verbreitungsgebiet sicherzustellen, vorzunehmen. Mangels konkretisierender Festlegungen gebietsspezifischer Erhaltungsziele ist ergänzend auf die allgemeinen Zielsetzungen in Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 VRL zurückzugreifen, nach denen die Vogelschutzrichtlinie dem Zweck dient, durch die Einrichtung von Schutzgebieten eine ausreichende Artenvielfalt und eine ausreichende Flächengröße ihrer Lebensräume zu erhalten und wiederherzustellen (BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 - BVerwGE 120, 276 <290>).

68 Hiervon ausgehend sind erhebliche Beeinträchtigungen der im Europäischen Vogelschutzgebiet "Unterweser" nistenden Wiesenbrüter und der im faktischen Vogelschutzgebiet "Butjadingen" anzutreffenden wertgebenden Vogelarten und Brutvogelarten zu gewärtigen, während sich weitere erhebliche Beeinträchtigungen dieser sowie anderer Vogelschutzgebiete ausschließen lassen.

69 1. Der Planfeststellungsbeschluss ist unter Verstoß gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG zu dem Ergebnis gelangt, die auf den Strohauser Vorlandflächen nistenden Wiesenbrüter würden durch die Vorhaben nicht erheblich beeinträchtigt.

70 Die genannten Nistflächen unterliegen dem Schutzregime der Habitatrichtlinie und der dazu ergangenen Umsetzungsregelungen in den §§ 31 ff. BNatSchG; sie gehören zu dem Teilbereich "Strohauser Plate und Strohauser Vorlandflächen" des EU-Vogelschutzgebiets "Unterweser", der - anders als weitere Teilbereiche dieses Gebiets - durch Verordnung über das Naturschutzgebiet "Strohauser Vorländer und Plate" vom 10. Dezember 2007 (Nds. MBl. S. 1552) verbindlich unter Schutz gestellt worden ist. Nach § 2 Abs. 5 der Verordnung umfasst der Schutzzweck für das Gebiet die Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands durch den Schutz und die Entwicklung insbesondere der Lebensräume der wertbestimmenden Vogelarten mit extensiv bewirtschaftetem Grünland und Feuchtgrünland sowie großflächig beruhigten Bruträumen. Als wertbestimmende Arten werden in der Verordnung zahlreiche Wiesenbrüter aufgeführt. Die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gebotene Verträglichkeitsprüfung hätte unter dem Blickwinkel dieser Schutzziele nicht zu einem positiven Ergebnis gelangen dürfen.

71 Das Vogelschutzgebiet hat für Wiesenbrüter sehr hohe Bedeutung. Das wird in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung ausdrücklich hervorgehoben. Der Bestand der betreffenden Vogelarten ist in den letzten Jahren auf den Vorlandflächen stark zurückgegangen. So hat sich beispielsweise die Zahl der dort nistenden Kiebitzpaare von 25 im Jahr 2008 auf 7 im Jahr 2010 verringert. Ist der Erhaltungszustand geschützter Arten in einem Vogelschutzgebiet schlecht, wovon angesichts dieser Bestandsentwicklung ausgegangen werden muss, sind hinzukommende Beeinträchtigungen eher als erheblich einzustufen als bei einem guten Erhaltungszustand.

72 In Anbetracht dieser Ausgangslage bestehen vernünftige Zweifel daran, dass die Zunahme der Überflutungshäufigkeit infolge der Ausbauvorhaben nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen führt. Nach der Auswirkungsprognose der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) wird das mittlere Tidehochwasser um 3 cm ansteigen. Dadurch kommt es auf den als Brutplatz für Wiesenbrüter gut geeigneten Flächen in einer Höhe von 2,6 bis 2,75 m über NN zu einer Zunahme der jährlichen Überflutungshäufigkeit um 10 bis 20 %. Nach den Erläuterungen des Gutachters des Klägers, denen die Beklagte nicht substanziiert entgegengetreten ist, kann dies - selbst unter Berücksichtigung möglicher Nachbruten - zu fehlgeschlagenen Bruten in einer Größenordnung führen, die die ohnehin negative Bestandsentwicklung deutlich verstärkt. Unter diesen Umständen könnten die mit der erhöhten Überflutungswahrscheinlichkeit einhergehenden Beeinträchtigungen nur dann als unerheblich gewertet werden, wenn geeignete Ausweichflächen in hinreichendem Umfang zur Verfügung ständen, um die Funktion des Schutzgebiets als Bruthabitat zu wahren (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2011 - 9 A 24.10 - NuR 2013, 184 Rn. 38 f.) Die Beklagte macht hierzu geltend, es verblieben in dem Vogelschutzgebiet genügend als Brutplätze geeignete höhergelegene Flächen, auf welche die Wiesenbrüter ausweichen könnten und ausweichen würden. Ob dies zutrifft, ist aber fraglich. Gingen in dem Vogelschutzgebiet in der Vergangenheit geeignete Nistflächen verloren, wurden die verbleibenden Flächen, wie die Entwicklung des Bestandes zeigt, von den Wiesenbrütern - aus welchen Gründen auch immer - nicht angenommen. Die Frage, wieso das künftig anders sein sollte, konnte die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend beantworten.

73 Darüber hinaus muss damit gerechnet werden, dass die Habitatfläche der Wiesenbrüter nicht nur durch den Anstieg der mittleren Tidehochwässer unmittelbar, sondern zudem durch die Umwandlung von Grünland in Röhrichtflächen infolge überflutungsbedingter Aufgabe der Landwirtschaft beeinträchtigt wird. Hiervon geht die Beklagte selbst im Rahmen einer worst-case-Betrachtung aus (PFB S. 1169). Die Veränderungen der Flächenstruktur infolge der Aufgabe extensiver Landwirtschaft liefen dem Schutzzweck des § 2 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. b der Schutzgebietsverordnung vom 10. Dezember 2007 zuwider und würden die Nistmöglichkeiten der Wiesenbrüter weiter einschränken.

74 Der Planfeststellungsbeschluss (S. 1170) hält dem entgegen, die von der Aufgabe der Grünlandbewirtschaftung betroffenen Flächen würden sich zu Röhrichtflächen entwickeln, die gemäß § 2 Abs. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung gleichfalls geschützt seien und den Röhrichtbrütern zusätzliche Nistmöglichkeiten eröffneten; im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Vogelschutzgebiets stelle die Veränderung der Flächenstruktur deshalb keine Beeinträchtigung des Schutzzwecks dar. Einer solchen saldierenden Betrachtung steht aber regelmäßig die unvermeidliche Beeinträchtigung des einen Erhaltungsziels bzw. Schutzzwecks entgegen. Wird Grünland in einen anderen Gebietstyp umgewandelt, liegt darin auch dann eine Beeinträchtigung des auf seinen Schutz bezogenen Erhaltungsziels bzw. Schutzzwecks, wenn durch die Umwandlung ein anderes Erhaltungsziel oder ein anderer Schutzzweck gefördert wird. Wiesen- und Röhrichtbrüter und ihre Lebensräume können - soweit mögliche Zielkonflikte nicht bei der Festlegung der Erhaltungsziele erkannt und gewichtet wurden - nicht gegeneinander aufgerechnet werden.

75 2. Soweit der Kläger geltend macht, die Beklagte habe das Ausmaß der Einwirkungen auf das Gebiet "Strohauser Vorländer und Plate" verkannt, weil die der Verträglichkeitsprüfung zugrunde gelegten hydrologischen Gutachten der BAW die ausbaubedingten Veränderungen der Hydrodynamik deutlich unterschätzten, greift seine Rüge nicht durch.

76 Die BAW hat für ihre Prognose eine dreidimensionale hydrodynamisch-numerische Modellierung verwendet, die an Naturmessungen kalibriert und verifiziert worden ist (3D HN-Modell, numerisches Verfahren UnTrim). Als Vergleichszustand für den Ausbauzustand ist ein planerischer Ist-Zustand herangezogen worden. Dieser unterscheidet sich vom tatsächlichen Ist-Zustand zum einen dadurch, dass Mindertiefen in der Fahrrinne durch die bisher schon planfestgestellten Soll-Tiefen ersetzt worden sind; zum anderen sind alle weiteren baulichen Maßnahmen berücksichtigt worden, die zum Zeitpunkt der Ausführung des Ausbaus realisiert sein werden. Im Modell wurden in allen Ausbaubereichen ein Baggervorratsmaß von 0,5 m und eine Baggertoleranz von 0,3 m angesetzt, das heißt in der Modelltopographie wurde die Sollsohle durchgängig um 0,8 m weiter vertieft. Die so als entnommen behandelten Volumina wurden in der Modellierung nicht umgelagert, sondern vollständig aus der Modelltopographie entnommen.

77 Prognosen zu Verkehrsprojekten unterliegen zwar grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Kontrolle. Sie sind lediglich darauf hin zu überprüfen, ob sie methodisch einwandfrei erarbeitet worden sind, nicht auf unrealistischen Annahmen beruhen und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 - 4 A 4001.10 - BVerwGE 141, 1 Rn. 59 m.w.N.). Dienen sie - wie hier die Gutachten der BAW zu den hydro- und morphologischen Auswirkungen der Vorhaben - zugleich als Grundlage der FFH-Verträglichkeitsprüfung, müssen sie aber für die Fragen, die sich im Rahmen der Verträglichkeitsprüfung stellen, hinreichend belastbare Aussagen enthalten (BVerwG, Beschluss vom 28. November 2013 - 9 B 14.13 - NuR 2014, 361 Rn. 8). Gemessen daran greifen die Rügen des Klägers nicht durch.

78 a) Das gilt zunächst für den Einwand, den Untersuchungen der BAW zu den ausbaubedingten Wirkungen liege ein untauglicher Referenzzustand zugrunde. Hierzu macht der Kläger geltend, der planerische Ist-Zustand führe zu einer Unterschätzung der Veränderungen der Hydrodynamik durch die Weservertiefung im Vergleich zum heutigen realen Zustand. Da die gegenüber den früher planfestgestellten Solltiefen von 9 m der Unterweser bzw. 14 m der Außenweser durch Peilungen ermittelten Mindertiefen im Modell beseitigt worden seien, sei deren dämpfende Wirkung verlorengegangen; die angenommene Differenz zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand falle daher geringer aus, als es der Realität entspreche.

79 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Sie übersieht, dass Unterhaltungsbaggerungen zur Aufrechterhaltung der bereits früher planfestgestellten Solltiefen den jetzt planfestgestellten Ausbauvorhaben nicht zuzurechnen und unabhängig hiervon zulässig sind. Es steht also in Einklang mit der durch bestandskräftige Planungen gestalteten Rechtslage, dass die Vorhaben einerseits von den tatsächlichen Übertiefen profitieren, andererseits die tatsächlichen Mindertiefen ihnen nicht schaden.

80 b) Unbegründet ist auch die Rüge des Klägers, dass der zu erwartende Anstieg nicht nur das mittlere Tidehochwasser, sondern auch die Springtiden sowie niedrige Sturmfluten betreffe. Die BAW hat Normaltiden im Spring-Nipp-Zyklus und Kantenfluten berücksichtigt (BAW I.1 - UW S. 14 f., 64).

81 c) Ebenso wenig greift der Einwand des Klägers durch, dass bisherige Erfahrungen ein worst-case-Szenario von bis zu 10 cm erhöhten Wasserständen nahelegten, weil die Prognosen in der Vergangenheit die Zunahme der Wasserstände stets unterschätzt hätten. Die Eingangsgrößen der Modellierung sind nicht zu beanstanden, sie liegen auf der sicheren Seite. Das gilt insbesondere für die Annahme einer durchgängigen weiteren Vertiefung um 0,8 m und der vollständigen Entnahme des Baggergutes. Die Rinne erfährt dadurch im Modell eine deutlich höhere hydraulische Glättung als in der Realität. Im Übrigen hat die Modellierung nur für den oberen Weserlauf von km 0 bis 45 einen Anstieg des mittleren Tidehochwassers um mehr als 2 und weniger als 3 cm ergeben; im Bereich der Strohauser Plate (km 45 bis 51) liegt der prognostizierte Anstieg unter 2 cm. Inwiefern die der Modellierung zugrunde liegenden worst-case-Annahmen nicht ausreichen sollten und warum ein Szenario von bis zu 10 cm geboten sein sollte, legt der Kläger nicht dar.

82 d) Entgegen der Auffassung des Klägers hat die Beklagte die Vorbelastung der Weser in Bezug auf den Tidehub nicht unzureichend bewertet. Insbesondere trifft es nicht zu, dass sie einen durch frühere Vertiefungen in Gang gesetzten "morphologischen Nachlauf" in Abrede gestellt hat (vgl. PFB S. 219 f.). Sie ist dem durch den 9-m-Ausbau ausgelösten Vertiefungstrend vielmehr mit Strombaumaßnahmen und einer Umstellung des Baggerverfahrens auf Kuppenbaggerung entgegengetreten. Auch wenn sich nicht abschätzen lässt, inwieweit sich die Unterweser ohne diese Maßnahmen von den damaligen Prognosen abweichend weiter vertieft hätte, ergibt sich allein aus solchen Abweichungen nicht, dass die jetzigen Prognosen der BAW methodisch fehlerhaft erstellt worden sind. Dass sich die damaligen und die neuen Prognosen derselben Methode bedienen oder auf denselben (fehlerhaften) Ausgangsdaten beruhen, macht der Kläger selbst nicht geltend. Das gilt nicht nur in Bezug auf den angesprochenen 9 m-Ausbau, sondern ebenso für den nachfolgenden 14 m-Ausbau.

83 3. Beeinträchtigungen der benannten, aber noch nicht ausgewiesenen Vogelschutzgebiete "Luneplate" und "Werderland" sind nicht zu besorgen. Der Planfeststellungsbeschluss bewertet die Auswirkungen auf diese Gebiete und verneint deren Erheblichkeit.

84 Zum Schutzgebiet "Luneplate" heißt es im Einzelnen, die vorhabenbedingte Zunahme der Überflutungshäufigkeit betreffe ausschließlich Wattflächen; adäquate Bruthabitate seien in dem Gebiet nicht vorhanden. Nur der Deich und Teile des Deckwerks würden nicht regelmäßig von der Tide erreicht und könnten als Brutplatz genutzt werden. Auf diese Bereiche werde sich die Zunahme der Überflutungshäufigkeit jedoch nicht auswirken, da die Flächen relativ steil seien, so dass sich die verstärkte Überflutungshäufigkeit nur auf einem minimalen Streifen abzeichnen werde. Außerdem sei eine Brut dort unwahrscheinlich (PFB S. 1181, 1187). Im Gebiet "Werderland" würden sich durch die prognostizierte Änderung des Tidehubs die Wattflächen vergrößern und in Teilbereichen verschlicken, ohne dass damit nachteilige Auswirkungen von Gewicht auf die geschützten Vogelarten verbunden seien. Gegenüber diesen Einschätzungen im Planfeststellungsbeschluss legt der Kläger nicht dar, welche Vogelarten über welchen Wirkpfad erheblich beeinträchtigt werden sollen. Ohne eine solche Substanziierung ist für beide Gebiete nicht von einer relevanten Beeinträchtigung von Vögeln auszugehen.

85 4. Dass das zur Ausweisung vorgesehene faktische Vogelschutzgebiet "Butjadingen" keinen erheblichen Beeinträchtigungen ausgesetzt sein wird, lässt sich dagegen nicht feststellen. Zu den im Gebietsvorschlag des Niedersächsischen Umweltministeriums formulierten Erhaltungszielen gehört die Erhaltung der Brut- und Rastbestände wertbestimmender Vogelarten und der Zugvogelarten des Art. 4 Abs. 2 VRL durch unter anderem Erhaltung der weiträumigen unzerschnittenen Landschaft mit freien Sichtverhältnissen sowie Erhaltung und Wiederherstellung strukturreicher Grabensysteme mit Röhrichtanteilen (PFB S. 1204). Der Planfeststellungsbeschluss (S. 1205) stützt seine Beurteilung, die Vorhaben seien gebietsverträglich, maßgeblich auf die Annahme, dass die Vermeidungslösung sich als wirksam erweisen werde. Zwar ist durch einen auf Vorschlag des Gerichts zwischenzeitlich abgeschlossenen Vergleich in einem anderen Klageverfahren gegen den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss (BVerwG 7 A 21.11 ) gewährleistet, dass die Vermeidungslösung parallel zu den Ausbauvorhaben realisiert wird. Sie ist aber - wie ausgeführt - entgegen den rechtlichen Vorgaben keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden. In dieser Prüfung müssten die Auswirkungen der im Rahmen der Vermeidungslösung geplanten Maßnahmen einschließlich ihrer Eignung, einer Versalzung der das Gebiet durchziehenden Entwässerungsgräben entgegenzuwirken, unter Beteiligung der Öffentlichkeit umfassend untersucht werden. Ohne eine solche Prüfung fehlt der Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, die Vorhaben würden unter Berücksichtigung der Vermeidungslösung keine Veränderung der Salzgehalte im Vogelschutzgebiet auslösen und deshalb könnten "auch Verschmutzungen oder Beeinträchtigungen der Lebensräume und Belästigungen der Vögel im Vogelschutzgebiet mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden", eine valide Grundlage.

86 Sollte die Vermeidungslösung einen Anstieg des Salzgehalts in den als Viehtränke dienenden Gräben nicht verhindern, kann im Übrigen - wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss ausgeführt hat - nicht ausgeschlossen werden, dass die Landwirte die Nutzung der Gräben als Viehtränke aufgeben müssen und deren Pflege einstellen. Dass die Gräben gegenwärtig auch der Entwässerung des Gebiets und der "Viehkehre" dienen, schließt dies nicht aus. Ohne die Grabenpflege kann es zu einer deutlichen Zunahme des Schilfaufwuchses in den Gräben und damit zu einer "Verkammerung" des Landschaftsraums kommen. Dadurch würden die für Wiesenbrüter geeigneten Brutflächen deutlich verkleinert, was mit den vorgenannten Erhaltungszielen unvereinbar wäre.

87 5. Der Rüge des Klägers, der Planfeststellungsbeschluss habe außer Betracht gelassen, dass das Gebiet "IBA Unterweser binnendeichs" einer vergleichbaren Betroffenheit durch die geplante Weservertiefung unterliege wie das faktische Vogelschutzgebiet "Butjadingen", muss der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil es sich bei dem erwähnten Gebiet nicht um ein faktisches Vogelschutzgebiet handelt.

88 Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL erklären die Mitgliedstaaten die für die Erhaltung der in Anhang I aufgeführten Vogelarten "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete" zu Schutzgebieten. Unter Schutz zu stellen sind nicht sämtliche Landschaftsräume, in denen bedrohte Vogelarten vorkommen, sondern nur die Gebiete, die sich am ehesten zur Arterhaltung eignen. Maßgeblich sind ausschließlich ornithologische Kriterien. Bei der Frage, welche Gebiete danach zu den geeignetsten zählen, besteht ein fachlicher Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten. Die gerichtliche Kontrolle, ob die Nichtmeldung eines Gebiets fachlich vertretbar ist, umfasst auch die Netzbildung in den einzelnen Bundesländern, hat aber insoweit gleichfalls den Beurteilungsrahmen der Länder zu beachten. In dem Maße, in dem sich die Gebietsvorschläge eines Landes zu einem kohärenten Netz verdichten, verringert sich die richterliche Kontrollintensität. Mit dem Fortschreiten des mitgliedstaatlichen Auswahl- und Meldeverfahrens steigen die prozessualen Darlegungsanforderungen für die Behauptung, es gebe ein (nicht erklärtes) faktisches Vogelschutzgebiet, das eine Lücke im Netz schließen solle (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 51 f. m.w.N.).

89 Als bedeutsames Erkenntnismittel für die Gebietsauswahl und als gewichtiges Indiz bei der nach Art. 4 Abs. 1 Satz 4 VRL gebotenen Eignungsbeurteilung stellt sich das Verzeichnis der "Important Bird Areas" (IBA) dar (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 53 m.w.N.); es dient als Orientierungshilfe. Es ersetzt jedoch nicht bereits für sich genommen die Subsumtion unter das Tatbestandsmerkmal der "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete" (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2002 - 4 A 15.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 168 S. 96 ff.). Bedeutung kann zudem auch dem Umstand zukommen, ob die Europäische Kommission unter dem Blickwinkel des Vogelschutzes noch Meldebedarf im Planungsraum sieht (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 53).

90 Nach diesen Vorgaben bestand im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses keine Verpflichtung des zuständigen Landes Niedersachsen, das Gebiet "IBA Unterweser binnendeichs" zum Vogelschutzgebiet zu erklären. Die EU-Kommission hat das auf Verstöße gegen die Pflicht zur Ausweisung von Vogelschutzgebieten gestützte Vertragsverletzungsverfahren 2001/5117 gegen die Bundesrepublik im Jahr 2009 eingestellt. Sie sah folglich keinen (weiteren) Nachmeldebedarf im Planungsraum. Die Indizwirkung des IBA-Verzeichnisses ist demgemäß entfallen. Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, aus denen sich ergibt, dass die gemeldeten Gebiete fehlerhaft abgegrenzt wurden oder dass sich das IBA inzwischen zu einem der "zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete" im Sinne des Art. 4 Abs. 1 VRL entwickelt hat, sind vom Kläger nicht aufgezeigt worden. Er macht zwar geltend, dass aktuell die Gänserast - vor allem der Nonnengans - in diesem Gebiet wie generell entlang der Unterweser deutlich zunehme; daraus ergibt sich aber weder, seit wann diese Entwicklung zu beobachten ist, noch warum gerade das fragliche Gebiet aus diesem Grund unter Schutz gestellt werden müsste.

91 III. Der Planfeststellungsbeschluss leidet an Mängeln, die die Beurteilung der Vereinbarkeit der Vorhaben mit den Erhaltungszielen von FFH-Gebieten betreffen. Er ist zwar zu dem Ergebnis gelangt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen von Flächen des im Anhang I zur Habitatrichtlinie aufgeführten Lebensraumtyps "Ästuarien" in den FFH-Gebieten "Unterweser" und "Weser bei Bremerhaven" durch die dauerhafte Unterhaltungsbaggerung und -verklappung sowie in den FFH-Gebieten "Unterweser" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" durch Tidewasserstands- und Strömungsänderungen führen werden. Mit dieser Beurteilung hat der Planfeststellungsbeschluss die Zahl und die Dimension möglicher Beeinträchtigungen jedoch nicht voll ausgeschöpft. Darin liegen erhebliche Mängel, denn die Fehlbeurteilungen führen dazu, dass in der anschließenden, wegen der festgestellten Beeinträchtigungen durchgeführten Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG das Gewicht, mit dem das Integritätsinteresse der Gebiete in die Prüfung eingestellt werden muss, zu gering veranschlagt worden ist.

92 1. Nach den maßgeblichen, bereits oben bei der Behandlung des Gebietsschutzes für Vögel aufgeführten rechtlichen Maßstäben lässt sich nicht ausschließen, dass es zu erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG für Flächen des Lebensraumtyps "Ästuarien" in den FFH-Gebieten "Unterweser" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" auch durch eine vorhabenbedingte Verschiebung der Brackwassergrenze kommt.

93 a) Beide Gebiete haben mit der Listung durch die Europäische Kommission als Gebiete von gemeinschaftlichem Interesse den Schutzstatus des § 34 Abs. 2 BNatSchG erlangt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 BNatSchG), ohne dass es darauf ankommt, dass das Gebiet "Unterweser" und Teile des Gebiets "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" noch nicht als Schutzgebiete ausgewiesen sind. Ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses (S. 849) ist auf der Grundlage der Standarddatenbögen für den Lebensraumtyp "Ästuarien" in beiden Gebieten unter anderem das Erhaltungsziel "Erhaltung/Förderung naturnaher, von Ebbe und Flut geprägter, vielfältig strukturierter Flussunterläufe und -mündungsbereiche mit Brackwassereinfluss ... einschließlich ihrer typischen Tier- und Pflanzenarten sowie naturnahen Standortbedingungen (Wasser- und Sedimentqualität, Tideschwankungen, Strömungsverhältnisse)" maßgeblich. Der Planfeststellungsbeschluss verneint gemessen an diesem Erhaltungsziel eine erhebliche Beeinträchtigung durch Stromaufverschiebung der Brackwassergrenze, weil nur das Bestehen des Brackwassereinflusses unter Schutz gestellt sei, ohne diesen Einfluss näher zu qualifizieren; insgesamt vergrößere sich sogar die Brackwasserzone. Diese Beurteilung berücksichtigt nicht hinreichend, dass sich das Erhaltungsziel auf ein naturnahes Ästuar richtet. Zur Naturnähe gehört auch der natürliche Salzgehalt. Dieser ändert sich erheblich, wenn es im Flusslauf - wie prognostiziert - vorhabenbedingt zu einer Stromaufverschiebung der Brackwassergrenze um 0,5 bis 1 km kommt. Dies ist ein weiterer Schritt von einem naturnahen zu einem naturfernen Zustand des schon gegenwärtig deutlich veränderten Ästuars und damit eine erhebliche Beeinträchtigung im Sinne des § 34 Abs. 2 BNatSchG.

94 b) Weitere Fehler sind der Planfeststellungsbehörde bei der Beurteilung der Einwirkungen auf das Ästuar hingegen nicht unterlaufen.

95 aa) Der Einwand des Klägers, der Planfeststellungsbeschluss sei widersprüchlich und nicht nachvollziehbar, weil er eine erhebliche Beeinträchtigung der FFH-Gebiete "Weser bei Bremerhaven" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" als Zwischenschritt der isolierten einzelprojektbezogenen Prüfung zunächst verneine (S. 1058 und 1072), sodann kumulierende Wirkungen mit anderen Projekten in den Blick nehme und solche jeweils verneine (S. 1058 f. und 1074), schließlich aber die Möglichkeit erheblicher Beeinträchtigungen im Ergebnis doch nicht ausschließe, ist unbegründet. Da sich das Ästuar über mehrere FFH-Gebiete erstreckt, hat der Planfeststellungsbeschluss die Auswirkungen auf diesen Lebensraum nicht nur für jedes FFH-Gebiet einzeln untersucht und bewertet, sondern auch eine Gesamtdarstellung und -bewertung der vorhabenbedingten Wirkungen auf das Ästuar vorgenommen (S. 849). Die weiteren Lebensraumtypen und Anhang-II-Arten hat er für jedes Gebiet gesondert untersucht. Aufgrund dieser Prüfungen ist er zu dem bereits oben dargestellten Ergebnis gelangt, nicht auszuschließen seien erhebliche Beeinträchtigungen des Ästuars in den Gebieten "Unterweser" und "Weser bei Bremerhaven" durch Unterhaltungsbaggerung und -verklappung sowie in den Gebieten "Unterweser" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" durch Tidewasserstands- und Strömungsänderung (vgl. PFB S. 935). In einem weiteren Schritt hat er kumulative Wirkungen anderer als der planfestgestellten Vorhaben auf die drei genannten Gebiete in die Betrachtung einbezogen, ohne zu abweichenden Ergebnissen zu gelangen. Entgegen der Behauptung des Klägers finden sich im Planfeststellungsbeschluss weder auf den Seiten 1058 und 1072 noch an anderer Stelle Aussagen, die in Widerspruch hierzu "als Zwischenschritt der isolierten projektbezogenen Prüfung erhebliche Beeinträchtigungen der Gebiete 'Weser bei Bremerhaven' und 'Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate' verneinen“. Das gilt auch für die auf das letztgenannte Gebiet bezogene Aussage, es sei nicht ersichtlich, dass die Vorhaben erst im Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten zu erheblichen Beeinträchtigungen führten (PFB S. 1072). Sie besagt nach ihrem Sinnzusammenhang nicht mehr, als dass bei kumulierender Betrachtung keine zusätzlichen erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets zu besorgen sind.

96 bb) Der Kläger wendet außerdem ein, die Beklagte stelle die von der Ausbaubaggerung betroffene Eingriffsfläche der Gesamtgröße des Lebensraumtyps "Ästuarien" gegenüber und leite aus dem geringen Flächenanteil der Eingriffsfläche die Unerheblichkeit des Eingriffs ab; geboten sei aber eine differenzierende Betrachtung der Teilbereiche des Ästuars, insbesondere des stark betroffenen Teillebensraums Stromrinne. Diese Rüge hat keinen Erfolg, weil sie die Verträglichkeitsprüfung verkürzt. Der Planfeststellungsbeschluss beschreibt nur im Rahmen der Darstellung vorhabenbedingter Wirkungen auf das Ästuar das Verhältnis der Baggerflächen zur Gesamtfläche des Lebensraumtyps; dies sowohl für die einzelnen FFH-Gebiete als auch für das gesamte Weserästuar (S. 859 f.). Im Rahmen der Bewertung der vorhabenbedingten Wirkungen (S. 871 ff.) verneint er die Erheblichkeit allein der temporären unmittelbaren Wirkungen der Ausbaubaggerung für den Erhaltungszustand und seine Wiederherstellungsmöglichkeit, im Wesentlichen weil der Lebensraum nicht verloren gehe und sich nach der Baggerung sehr schnell regeneriere (S. 877). Auf das Flächenverhältnis stellt er für die Bewertung nicht ab. Substanziierte Einwendungen gegen die Annahme der Regenerationsfähigkeit hat der Kläger nicht erhoben.

97 cc) Die Bewertung der Vorbelastungen durch die Unterhaltungsbaggerungen für den 9 m- bzw. 14 m-Ausbau ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass diese Unterhaltungsbaggerungen als einheitliche Maßnahme von den damaligen Planfeststellungsbeschlüssen umfasst und deshalb als (irreversible) Vorbelastungen des Ästuars zu berücksichtigen seien (S. 899 f.). Demgegenüber macht der Kläger geltend, dass die derzeitigen Unterhaltungsbaggerungen nicht als bestandskräftig genehmigte Vorbelastungen, sondern als kumulativ wirkende Projekte hätten eingestuft und einer FFH-Verträglichkeitsprüfung unterzogen werden müssen. Ob eine Verträglichkeitsprüfung für diese Unterhaltungsbaggerungen erforderlich wäre, kann indes offen bleiben. Ihre Zulässigkeit ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens und auch nicht Vorfrage für die Zulässigkeit des Vorhabens. Der Planfeststellungsbeschluss berücksichtigt die Vorbelastungen durch die derzeitigen Unterhaltungsbaggerungen nämlich nicht zugunsten der weiteren Fahrrinnenvertiefung. Er geht vielmehr davon aus, dass der Lebensraumtyp "Ästuarien" sich wegen des Schiffsverkehrs und wegen der Unterhaltungsbaggerungen nicht in einem günstigen Erhaltungszustand befinde und eine weitere Verschlechterung des Erhaltungszustands nicht hinnehmbar sei (S. 902 ff.). Nur weil die Vorbelastung zu einem Verbot jeder weiteren Verschlechterung führt, bejaht er eine Beeinträchtigung der Schutz- und Erhaltungsziele.

98 dd) Ein Mangel ist ferner nicht darin zu sehen, dass die Beklagte keine erhebliche Beeinträchtigung von FFH-Schutzgütern durch vorhabenbedingte Erosion der Ufer der Wümme in ihrem Unterlauf in Rechnung gestellt hat.

99 Die betreffenden Uferbereiche genießen keinen habitatrechtlichen Schutz als Flächen des Lebensraumtyps "Ästuarien". Die Wümme, deren Ufer im tidebeeinflussten Unterlauf des Flusses ausweislich der Feststellungen während der gerichtlichen Ortsbesichtigung schon aktuell von Erosion betroffen sind, ist dort zwar Teil der FFH-Gebiete "Untere Wümme" und "Untere Wümmeniederung, Untere Hammeniederung mit Teufelsmoor"; die Grenze verläuft in der Flussmitte. Große Teile beider Gebiete sind als Naturschutzgebiete unter Schutz gestellt (PFB S. 1111 und 1117). Der Lebensraumtyp "Ästuarien" gehört aber nicht zu den Erhaltungszielen der beiden FFH-Gebiete. Im Standarddatenbogen der Gebietsmeldungen ist er nicht aufgeführt. Das hat seinen Grund ersichtlich darin, dass dieser Lebensraumtyp sich nach der Definition der EU-Kommission, die der Gebietsmeldung zugrunde gelegt wurde (PFB S. 1118), grundsätzlich auf den brackwassergeprägten Teil von Ästuarien beschränkt; der limnische Bereich kann fakultativ einbezogen werden, hiervon hat Niedersachsen für die Weser aber keinen Gebrauch gemacht (Hinweise des NLWKN zur Definition und Kartierung der Lebensraumtypen von Anh. I der FFH-Richtlinie in Niedersachsen, Stand Februar 2014, S. 9). Dass § 3 der Verordnung über das Naturschutzgebiet "Untere Wümme" vom 7. Oktober 1991 (Brem.GBl. S. 343), zuletzt geändert am 5. Juli 2011 bzw. am 13. Dezember 2011 (Brem.GBl. 2012 S. 24), der die Schutzzwecke des Naturschutzgebiets regelt, unter anderem um den Schutzzweck "Erhalt und Entwicklung des Lebensraumtyps 1130 ('Ästuarien') in seiner limnischen Ausprägung" ergänzt worden ist, ändert nichts an dieser Beurteilung. In Anbetracht der fehlenden Erwähnung des Ästuars als Erhaltungsziel im Standarddatenbogen kann die Schutzzielbestimmung nur dahin verstanden werden, dass der tidegeprägte Teil des Flusslaufs allein nach nationalem Naturschutzrecht, nicht hingegen habitatrechtlich unter Schutz gestellt werden sollte.

100 Im Hinblick auf die im Standarddatenbogen aufgeführten Lebensraumtypen "Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior" und "Feuchte Hochstaudenfluren der planaren und montanen bis alpinen Stufe" erweist sich die Verträglichkeitsbeurteilung ebenfalls nicht als fehlerhaft. Der Lebensraumtyp "Auenwälder" ist ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses im Standarddatenbogen als nicht signifikant eingestuft und deshalb entsprechend den Vorgaben der Kommission als nicht zu den Erhaltungszielen des Gebiets gehörig qualifiziert worden. Dagegen ist nichts zu erinnern. Vegetationsflächen des Lebensraumtyps "Feuchte Hochstaudenfluren" zählen dagegen zu den Erhaltungszielen. Dass sie durch vorhabenbedingt verstärkte Erosion der Flussufer betroffen sind, kann der Beurteilung aber nicht zugrunde gelegt werden; der Kläger hat nicht substanziiert geltend gemacht, dass Ausprägungen dieses Lebensraumtyps sich in abbruchgefährdeten Bereichen befinden.

101 2. Der Planfeststellungsbeschluss hat fehlerhaft ausgeschlossen, dass es unter Berücksichtigung des im Beschluss angeordneten Monitorings und Risikomanagements zu projektbedingten erheblichen Beeinträchtigungen der im Anhang II der Habitatrichtlinie aufgeführten Fischart "Finte" kommt. Die Finte ist namentlich in den FFH-Gebieten "Unterweser", "Weser bei Bremerhaven", "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" sowie "Weser zwischen Ochtummündung und Rekum" Gegenstand von Erhaltungszielen, die sich vor allem auf die Erhaltung und Entwicklung der Laichpopulation bzw. des Laichgebiets dieser Fischart richten. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung hat zwar die - ursprünglich vom Bundesamt für Naturschutz in Zweifel gezogene - Einschätzung der Beklagten bestätigt, dass als Belastungspfad, auf dem erhebliche Beeinträchtigungen eintreten können, nur die Unterhaltungsbaggerung im Wasserinjektionsverfahren (WI-Baggerung) in Betracht kommt; insoweit sei die Möglichkeit relevanter Beeinträchtigungen der Reproduktionsfunktion und Population der Finte nicht zweifelsfrei ausgeräumt (S. 966). Die getroffenen Anordnungen für ein Monitoring und Risikomanagement, deren es demnach bedarf, um erhebliche Beeinträchtigungen verlässlich auszuschließen, sind jedoch unzulänglich. Hierzu hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 34 ff.) ausgeführt:
"Die - insbesondere dem Schutz der Fischart 'Finte' dienende - Auflage A.II.2.1 zur Regelung der Baggerarbeiten ist aus zwei Gründen fehlerhaft (vgl. a und b). Eine Korrektur im ergänzenden Verfahren ist möglich (vgl. c):
a) Die Auflage geht davon aus, dass Baggerungen (hier Hopperbaggerungen), die in früheren Planfeststellungsbeschlüssen gestattet worden sind, weiterhin zulässig bleiben. Dies trifft nicht zu. Die erstmalige Herstellung der Ausbautiefe und die laufenden Unterhaltungsbaggerungen dienen allein der Verwirklichung und der Unterhaltung der mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss zugelassenen Vorhaben. Sie finden - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - in Tiefen statt, die unterhalb der in früheren Planfeststellungsbeschlüssen planfestgestellten Tiefen der Flusssohle liegen. Schon deshalb sind dort Baggerungen auf der Grundlage früherer Planfeststellungsbeschlüsse unzulässig. Inwieweit sich durch den Planfeststellungsbeschluss die Menge des Baggergutes erhöht, ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - für die Zulässigkeit der Baggerungen ohne Bedeutung.
b) Die in der Auflage A.II.2.1 auch enthaltene Regelung für die Anwendung anderer Baggermethoden als des Wasserinjektionsverfahrens (WI-Verfahren) soll nach dem Inhalt der Bestimmung ohnedies nur für den Fall gelten, dass andere Baggermethoden neben den zu Unrecht für zulässig gehaltenen Hopperbaggerungen aufgrund früherer Planfeststellungsbeschlüsse zum Einsatz kommen sollen. Darüber hinaus ist das in der Auflage für die Zulassung anderer Baggermethoden vorgesehene Verwaltungsverfahren zur Einschätzung der Umweltverträglichkeit, FFH-Verträglichkeit, gegebenenfalls zum Kompensationsbedarf und zu den Auswirkungen auf den besonderen Artenschutz ohne Beteiligung der Öffentlichkeit rechtlich und wegen des erforderlichen Zeitaufwandes auch tatsächlich nicht geeignet, den gebotenen Schutz der Umwelt zu gewährleisten.
c) Die Beklagte hat im Klageverfahren überzeugend dargelegt, dass nicht alle Baggerungen durch den Einsatz des WI-Verfahrens realisiert werden können. In einem ergänzenden Verfahren wäre deshalb auch der Einsatz anderer Baggermethoden neu zu regeln.
...
Mit der Auflage A.II.2.6 werden im Hauptlaichgebiet der Finte zum Schutz dieser Fischart Unterhaltungsbaggerungen im Zeitraum vom 15. April bis 15. Juni beschränkt. Diese Bestimmung ist aus drei Gründen unzureichend:
a) Die Wirksamkeit dieser Regelung wird zu Unrecht von einem Monitoring abhängig gemacht.
Der Monitoring-Regelung des Planfeststellungsbeschlusses fehlt schon die notwendige Bestimmtheit. Die Beklagte ist der Auffassung, die Bestimmung ermögliche erstmals nach sechs Jahren eine Beschränkung der Unterhaltungsbaggerungen. Dagegen spricht aber, dass nach der Monitoring-Regelung zunächst in fünf aufeinanderfolgenden geraden (!) Jahren Hamenbefischungen durchzuführen sind.
Unabhängig davon wäre auch eine hinreichend bestimmte Monitoring-Regelung nicht zulässig. Eine Beschränkung der Unterhaltungsbaggerungen zum Schutz der Finte ist von Anfang an erforderlich.
b) Für die in der Auflage ebenfalls enthaltene Regelung zur Kausalität gilt das Gleiche. Diese ist ebenfalls nicht hinreichend bestimmt und auch darüber hinaus nicht zulässig: Nach dem Inhalt der Auflage kommt es nur dann zu einer Einschränkung der Unterhaltungsbaggerungen, wenn sich herausstellt, dass diese tatsächlich (mit-)ursächlich für eine - im Rahmen des Monitorings festgestellte - Verschlechterung des Erhaltungszustands der Finte sein kann. Wie diese Kausalität festgestellt werden soll, bleibt offen. Auch ist es, wenn nachgewiesen wird, dass sich der Erhaltungszustand der Fischart verschlechtert hat, nicht vertretbar, Beschränkungen der Unterhaltungsbaggerung auch noch von einem Kausalitätsnachweis abhängig zu machen.
c) Die Auflage ist in einem weiteren Punkt ergänzungsbedürftig: Sie verbietet für die Dauer von fünf Tagen, in Streckenabschnitten zu baggern, in denen Laichaktivitäten der Finte festgestellt wurden. Danach sind die Unterhaltungsbaggerungen dort ohne Weiteres erlaubt. Es ist aber notwendig, nach diesen fünf Tagen zunächst erneut zu prüfen, ob Laichaktivitäten dieser Fischart festzustellen sind."

102 An dieser Beurteilung hält der Senat fest.

103 IV. Die Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG, die die Beklagte mit Rücksicht auf die als nicht ausgeschlossen erachteten erheblichen Beeinträchtigungen des Ästuars in den FFH-Gebieten "Unterweser", "Weser bei Bremerhaven" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" mit dem Ergebnis der habitatrechtlichen Zulassungsfähigkeit der Vorhaben durchgeführt hat, ist nicht frei von Fehlern. Mängelbehaftet ist sowohl die gemäß § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG vorgenommene Abwägung (1.) als auch die gemäß § 34 Abs. 5 BNatSchG getroffene Regelung der Kohärenzsicherung (3.). Keinen Anlass zu Beanstandungen gibt die Alternativenprüfung nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG (2.).

104 1. a) Die Zulassung eines Vorhabens trotz negativen Ergebnisses der Verträglichkeitsprüfung setzt voraus, dass das Vorhaben aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, notwendig ist (§ 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG). Sind - wie hier - nur erhebliche Beeinträchtigungen nicht prioritärer Lebensraumtypen oder Arten zu besorgen, kommen als Abweichungsgründe neben solchen sozialer oder wirtschaftlicher Art sowie den benannten Abweichungsgründen des § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG auch vielfältige andere Gründe in Betracht. Damit sich die Gründe gegenüber den Belangen des Gebietsschutzes durchsetzen können, müssen keine Sachzwänge vorliegen, denen niemand ausweichen kann; § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG und Art. 6 Abs. 4 FFH-RL setzen lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln voraus. Erforderlich ist eine Abwägung. Das Gewicht der für das Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelange muss auf der Grundlage der Gegebenheiten des Einzelfalls nachvollziehbar bewertet und mit den gegenläufigen Belangen des Habitatschutzes abgewogen werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 148 ff. und vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 13).

105 aa) Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Abwägung ist zunächst, dass die Vorhabenziele, die als Abweichungsgründe bezeichnet werden, ihrer Art nach berücksichtigungs- und tragfähig sind. Entspricht ein Vorhaben den Vorgaben der fachplanerischen Planrechtfertigung, liegen berücksichtigungsfähige Abweichungsgründe vor (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 14).

106 Die berücksichtigungsfähigen Abweichungsgründe sind sodann zu gewichten. Das Unionsrecht belässt den Mitgliedstaaten hierbei einen Spielraum, der jedoch nicht unbegrenzt ist. Sie dürfen ihre öffentlichen Interessen nicht in einer Weise definieren und bewerten, die praktisch jedem Vorhaben, das das Erfordernis der Planrechtfertigung erfüllt und nach dem Muster der Abwägungsregeln des deutschen Planungsrechts vertretbar ist, von vornherein ein hohes Gewicht beimisst mit der Folge, dass es allenfalls bei schweren Beeinträchtigungen der Schutzziele hinter dem Interesse an der Integrität des FFH-Gebiets zurücktreten müsste. Die Gewichtung des öffentlichen Interesses muss vielmehr den Ausnahmecharakter einer Abweichungsentscheidung nach Art. 6 Abs. 4 FFH-RL berücksichtigen. Deshalb muss im Einzelnen begründet werden, woraus sich ein erhebliches Gewicht der mit dem Vorhaben verfolgten Ziele ergibt (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 15).

107 Die Dringlichkeit eines Verkehrsinfrastrukturprojekts bemisst sich in erster Linie nach der verkehrlichen Bedeutung des Vorhabens. Zur verkehrlichen Bedeutung eines Ausbauvorhabens gehört der tatsächlich zu erwartende Bedarf, wie er sich auf der Grundlage der Prognosegutachten darstellt. Der Bedarf kann sich nicht nur aus einer tatsächlichen, aktuell feststellbaren Nachfrage ergeben, sondern auch aus der Vorausschau künftiger Entwicklungen. Solange weder auf europäischer noch auf nationaler Ebene eine verbindliche verkehrspolitische Gesamtkonzeption besteht und deshalb die Anbieter in einem globalen Wettbewerb stehen, kann es einem Vorhabenträger nicht verwehrt werden, sich für einen prognostizierten allgemeinen Anstieg der Nachfrage "zu rüsten". Dass ein solches Vorhaben die Hürde der Planrechtfertigung nimmt und damit ein Abweichungsgrund vorliegt, sagt indes noch nichts über das Gewicht aus, mit dem der Abweichungsgrund in die Abwägung einzustellen ist. Bei der Gewichtung der Abweichungsgründe sind daher auch die mit der Planung verbundenen Prognoseunsicherheiten zu bewerten. Reichen die Prognoseunsicherheiten weiter als in anderen Fällen, bedarf es der Darlegung, warum dem Vorhaben gleichwohl ein besonderer Stellenwert zukommt. Das kann etwa der Fall sein, wenn mit normativer Verbindlichkeit die besondere Dringlichkeit des Vorhabens angeordnet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 17).

108 bb) Das Gewicht, mit dem auf der anderen Seite das Interesse an der Integrität der betroffenen FFH-Gebiete in die Abwägung einzustellen ist, hängt entscheidend von der Tragweite der Beeinträchtigungen ab. Erforderlich ist eine Beurteilung der Beeinträchtigungen in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Entscheidend sind neben dem Ausmaß der Beeinträchtigung unter anderem die Bedeutung des betroffenen Vorkommens und sein Erhaltungszustand, der Grad der Gefährdung des betroffenen Lebensraumtyps oder der Art und ihre Entwicklungsdynamik. Grundlage der Bewertung ist die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 26).

109 cc) Bei der Abwägung nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG ist darüber hinaus zu beachten, dass die durch das jeweilige Vorhaben hervorgerufenen Beeinträchtigungen von FFH-Schutzgütern durch Zusammenwirken mit den Einwirkungen der beiden anderen Vorhaben verstärkt werden können, dass aber auch den ihrer Art nach als Abweichungsgründe berücksichtigungsfähigen Gemeinwohlbelangen der drei einzelnen Vorhaben in der Zusammenschau ein größeres Gewicht zukommen kann als bei isolierter Betrachtung der einzelnen Vorhaben. Dem ist auf der Ebene der Abweichungsprüfung durch eine doppelte Abwägung Rechnung zu tragen. Zum einen sind die Beeinträchtigungen durch das einzelne Vorhaben den Planungszielen dieses Vorhabens isoliert gegenüberzustellen. Zum anderen sind die bei summierender Betrachtung zu erwartenden Beeinträchtigungen abzuwägen gegen die öffentlichen Interessen an der Verwirklichung der zusammenwirkenden Vorhaben. Eine Beschränkung auf den ersten Prüfungsschritt scheidet von vornherein aus, weil sie in Widerspruch zu der gesetzlichen Entscheidung stünde, Summationswirkungen habitatrechtlich zu berücksichtigen. Ebenso wenig kann sich die Prüfung damit begnügen, nur die kumulierten Beeinträchtigungen den insgesamt für die Vorhaben sprechenden öffentlichen Belangen gegenüberzustellen. Sonst bestünde - nicht anders als bei der fachplanerischen Abwägung - die Gefahr, dass ein Vorhaben von besonders hohem öffentlichen Interesse ein anderes Vorhaben von nur geringem öffentlichen Interesse "mitzöge". Der zutreffende Bezugspunkt der Abwägung würde schließlich auch dann verfehlt, wenn die summierten Beeinträchtigungen der verschiedenen Vorhaben ins Verhältnis nur zu den für das jeweilige einzelne Vorhaben streitenden Gemeinwohlbelangen gesetzt würden. Eine solche Abwägung würde die mit der Ausnahmeerteilung verbundene Wahrung von Gemeinwohlbelangen teilweise ausblenden und damit dem Interesse an der Integrität von FFH-Gebieten ein sachlich ungerechtfertigtes strukturelles Übergewicht verschaffen.

110 b) Diesen Maßstäben wird die durchgeführte Abwägung nicht voll gerecht.

111 aa) Die Beklagte hat die Prüfung der Abweichungsgründe zu Unrecht auf die Frage beschränkt, ob die für die einzelnen Vorhaben sprechenden Gründe zusammengenommen als zwingende Gründe des öffentlichen Interesses zu werten sind, die ein Übergewicht gegenüber den bei summierender Betrachtung der drei Vorhaben nicht ausschließbaren erheblichen Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps "Ästuar" in den FFH-Gebieten "Unterweser", "Weser bei Bremerhaven" und "Nebenarme der Weser mit Strohauser Plate und Juliusplate" haben. Sofern die Vorhaben bereits für sich betrachtet zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets führen können, was für die beiden Vertiefungsabschnitte der Unterweser zu ermitteln versäumt worden ist, hätten die Abweichungsgründe auch für jedes Vorhaben gesondert durch Gewichtung und vergleichende Gegenüberstellung des jeweiligen Integritätsinteresses und der jeweils verfolgten Planungsziele geprüft werden müssen.

112 bb) Im Übrigen hält die Darlegung und Gewichtung der in die Abwägung einzustellenden Abweichungsgründe für den Ausbau der Außenweser (1) und den Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Brake (2) rechtlicher Überprüfung stand, während für den Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen ein Abweichungsgrund von erheblichem Gewicht nicht dargetan ist (3). Das als Gegengewicht in die Abwägung einzustellende Integritätsinteresse ist unzureichend erfasst worden (4).

113 (1) Bezogen auf den Ausbau der Außenweser sind mehrere Abweichungsgründe dargetan, denen der Planfeststellungsbeschluss rechtsfehlerfrei erhebliches Gewicht beimisst.

114 (a) Der Planfeststellungsbeschluss beruft sich in erster Linie auf einen verkehrlichen Bedarf für eine tideunabhängige Erreichbarkeit des Containerterminals Bremerhaven für Großcontainerschiffe mit einem Abladetiefgang von 13,5 m (S. 119 bis 132). Die Einwände, mit denen der Kläger einen solchen Bedarf in Abrede stellt, greifen nicht durch.

115 Die Auswahl des Bemessungsschiffes (Post-Panmax, Konstruktionstiefgang 14,5 m) begegnet keinen Bedenken. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass verstärkt Schiffe mit besonders großem Konstruktionstiefgang eingesetzt werden. Die Tiefgänge der Schiffe, die Bremerhaven oder Hamburg bisher tatsächlich anlaufen, sind wegen der dort bestehenden Tiefenrestriktionen nicht geeignet, diesen Trend in Frage zu stellen. Dass Post-Panmax-Schiffe die Außenweser gegenwärtig mit einem Abladetiefgang bis zu 12,8 m und nicht - wie auf S. 85 des Planfeststellungsbeschlusses angenommen - nur bis zu 12,5 m befahren können, hat die Beklagte eingeräumt. Der Bedarf für einen tideunabhängigen Verkehr mit bis zu 13,5 m Abladetiefgang entfällt dadurch nicht. Dass für den Verkehrsbedarf nicht die Konstruktionstiefgänge, sondern die in der Realität gefahrenen Tiefgänge maßgeblich sind, verkennt der Planfeststellungsbeschluss nicht; aus diesem Grund legt er den geringeren Abladetiefgang zugrunde. Der Kläger hält den für den Abladetiefgang angenommenen Anteil von 8 % Leercontainern (PFB S. 131) für zu gering und beruft sich auf Vergleichszahlen für Rotterdam (>20 %), Hamburg (14,5 - 19,57 %) sowie abweichende Angaben für Bremerhaven (12,8 %). Die Fahrrinne ist jedoch nach den schlüssigen schriftsätzlichen Erläuterungen der Beklagten an der ausgehenden Fahrt bemessen, bei der der Anteil von Leercontainern geringer ist (in 2008 8,3 %, in 2010 6,85 %).

116 Der Kläger meint, maßgebend für den Verkehrsbedarf seien nicht - wie dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt - rechnerisch ermittelte, sondern die tatsächlichen Wartezeiten; diese seien aber nicht eruiert worden. Demgegenüber erscheint jedoch die Annahme der Beklagten als plausibel, dass die tatsächlichen Wartezeiten für eine Befahrung der Außenweser nicht aussagekräftig sind, weil die Reeder sich mit ihrer Fahrplangestaltung auf die tatsächlichen Verhältnisse eingestellt haben.

117 Der Kläger entnimmt dem Planfeststellungsbeschluss (S. 130) die Annahme, dass "Doppelanläufe" Folge der unzureichenden Ausbautiefe seien; die Standardverteilung der Anläufe großer Containerschiffe sei aber geographisch, verkehrlich und ökonomisch sinnvoll. Die Beklagte bestreitet dies nicht; der verkehrliche Bedarf nach einer tideunabhängigen Erreichbarkeit bis 13,5 m Abladetiefgang bestehe unabhängig davon, ob Bremerhaven als Erst-, Mittel- oder Letzthafen angelaufen werde. Dass bei einer im Vergleich zu konkurrierenden Häfen schlechteren Erreichbarkeit Ladungsverluste drohen, leuchtet ein.

118 Bei seiner Gewichtung des Verkehrsbedarfs knüpft der Planfeststellungsbeschluss an die im Rahmen der Planrechtfertigung dargestellte Prognose an. Die Einwände des Klägers sind nicht geeignet, die Grundlagen dieser Erwägungen zu erschüttern. Dass nach Vertiefung der Außenweser die Möglichkeit, Bremerhaven tideunabhängig mit einem Abladetiefgang bis zu 13,5 m zu erreichen, auch tatsächlich genutzt werden wird, ist im Planfeststellungsbeschluss plausibel dargelegt. In welchem Umfang dies geschehen wird, hängt maßgebend von der prognostizierten Umschlagsentwicklung ab. Der Planfeststellungsbeschluss geht einer Prognose der P. GmbH aus dem Jahr 2007 folgend für Bremerhaven von einem Wachstum des Güterumschlags von jährlich 5,8 % aus (S. 124). Substanziierte Einwände gegen die verwandte Prognosemethodik hat der Kläger nicht vorgebracht. Das ändert zwar nichts daran, dass derartige Wachstumsprognosen schon mit Rücksicht auf ihre Abhängigkeit von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sind. Dass die Beklagte diesen - selbstverständlichen - Aspekt bei der Gewichtung der Prognosewerte verkannt hätte, ist aber nicht ersichtlich.

119 Im Übrigen wird im Planfeststellungsbeschluss nachvollziehbar dargelegt, dass das Ladungsaufkommen in Bremerhaven im Grundsatz eine zu einem Tiefgang von bis zu 13,5 m führende Auslastung des Bemessungsschiffes erlaubt. Der Verweis des Klägers auf die Position Bremerhavens als "Mittelhafen" ist somit nicht überzeugend. Der Planfeststellungsbeschluss legt weiterhin dar, dass die nach einem Ausbau zur Verfügung stehenden zusätzlichen Tiefgänge voraussichtlich tatsächlich in bedeutendem Umfang ausgenutzt würden. Die angenommene Auslastung von 93 %, bei der das Bemessungsschiff mit einem Konstruktionstiefgang von 14,5 m einen Abladetiefgang von 13,5 m erreicht, erscheint zumindest der Größenordnung nach ausreichend begründet. Durchgreifende Einwände dagegen hat der Kläger nicht vorgebracht. Insbesondere der Vortrag zum Anteil der Leercontainer ist deswegen unerheblich, weil er nur durchschnittliche Verhältnisse und die aktuelle Lage widerspiegeln kann. Ebenso wenig überzeugt das Vorbringen, Bremerhaven werde ohnehin bald an seine Kapazitätsgrenzen stoßen. Zum einen erlaubt der Wegfall tideabhängiger Wartezeiten eine bessere Kapazitätsausnutzung. Zum anderen besteht die Möglichkeit, auf Kapazitätsgrenzen mit Erweiterungen des Hafens zu reagieren.

120 Es ist auch nachvollziehbar dargelegt, dass sich an dem Verkehrsbedarf für die Außenweservertiefung durch die bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses absehbare Eröffnung des JadeWeserPorts in Wilhelmshaven nichts ändern wird. Der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass der JadeWeserPort im Jahr 2015 eine Umschlagskapazität von 2,7 Mio. TEU (Twenty feet Equivalent Unit) aufweisen werde. Die Häfen Hamburg und Bremerhaven könnten bis zum Jahr 2015 zusammen eine Umschlagskapazität von ca. 21 Mio. TEU zur Verfügung stellen. Diesen Kapazitäten stünde ein Umschlagsbedarf von 26 Mio. TEU gegenüber. Hiernach ist es schlüssig, den JadeWeserPort - ungeachtet der dort aufgrund der Schwankungen in der Entwicklung des internationalen Handels deutlich geringeren tatsächlich erreichten Umschlagsmengen - als sinnvolle Ergänzung der Umschlagskapazitäten in den deutschen Häfen im östlichen Teil der Nordseerange zu verstehen, die die Dringlichkeit einer besseren Erreichbarkeit von Bremerhaven nicht berührt.

121 (b) Dass der Planfeststellungsbeschluss (S. 136) der Zugehörigkeit Bremerhavens zum Transeuropäischen Verkehrsnetz als Seehafen der Kategorie A besonders herausgehobene Bedeutung beimisst, ist nicht zu beanstanden. Sie stellt eine Gewichtungsvorgabe dar, die in der Interessenabwägung stark zu Buche schlägt (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 159). Die Anpassung der Außenweser dient als Ausbauvorhaben zwar keinem Lückenschluss, kommt dem wegen ihrer Funktion, die Erschließung von Bremerhaven internationalen Standards anzupassen, jedoch nahe. Aus der Einstufung Bremerhavens als Seehafen von internationaler Bedeutung lässt sich ableiten, dass einem solchen Ausbau, soweit er sich am Verkehrsbedarf orientiert, ein beachtlicher Stellenwert für die Integration der Union beizumessen ist.

122 Es kommt hinzu, dass mit Kabinettsbeschluss vom 15. September 2004 die Fahrrinnenanpassung der Außenweser neben der Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe den im Bundesverkehrswegeplan 2003 enthaltenen Bundeswasserstraßenvorhaben unter der Bedingung gleichgestellt worden ist, dass die naturschutzfachliche Überprüfung einer Verwirklichung nicht im Wege steht. Das unterstreicht zusätzlich die Bedeutung des Vorhabens. Durch seine Aufnahme in den "Investitionsrahmenplan bis 2010 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes" durch das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom April 2007 ist es überdies als vordringliche Infrastrukturmaßnahme eingestuft worden.

123 (c) Soweit der Planfeststellungsbeschluss weiterhin positive Effekte auf die Wirtschaftsstruktur und den Arbeitsmarkt der Region für die Abweichungsentscheidung anführt, begegnet dies keinen durchgreifenden Bedenken. Es handelt sich jeweils um Planungsziele, die ihrer Art nach als Abweichungsgründe berücksichtigungsfähig sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 19). Auch insoweit bestehenden Prognoseunsicherheiten ist ausweislich des Planfeststellungsbeschlusses (S. 135) durch eher vorsichtige - im Beschluss näher erläuterte - Annahmen Rechnung getragen worden.

124 (d) Ferner gehört auch die von der Beklagten ergänzend geltend gemachte Minderung schädlicher Umweltauswirkungen zu den Gründen, die bei der Abweichungsentscheidung berücksichtigungsfähig sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar zu dem Abweichungsgrund der "maßgeblichen günstigen Auswirkungen auf die Umwelt" im Sinne des § 34 Abs. 4 Satz 1 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL ausgeführt, im Schrifttum werde möglicherweise zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser nicht eine allgemeine Privilegierung des Umweltschutzes anstrebe, sondern dahinter vielmehr der Gedanke der Kompensation stehe (vgl. näher BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 124 m.w.N.). Die strengen Anforderungen, die an die in Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 2 FFH-RL benannten Gründe gestellt werden, sind jedoch dem besonderen Schutzregime zugunsten prioritärer Lebensraumtypen und Arten geschuldet und lassen sich daher auf den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 FFH-RL und der dazu ergangenen mitgliedstaatlichen Umsetzungsregelungen nicht übertragen. Zumindest ergänzend zu anderen Gründen können Allgemeinbelange des Umweltschutzes Berücksichtigung finden, wenn die von der Behörde behaupteten positiven Wirkungen des Vorhabens auf diese Belange durch Erfahrungswissen abgesichert sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 160; vgl. auch den Leitfaden der Europäischen Kommission zu Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, S. 10). Es liegt auf der Hand, dass ein Transport über den Hafen von Bremerhaven ohne Zugangsrestriktionen sonst anfallende verlängerte Hinterlandtransporte und die mit ihnen verbundenen schädlichen Umweltauswirkungen verhindern kann (PFB 137, 991).

125 (2) Für den Vertiefungsabschnitt der Unterweser von Bremerhaven bis Brake stellt der Planfeststellungsbeschluss ebenfalls maßgeblich auf den Verkehrsbedarf ab (S. 991). Durchgreifenden Bedenken begegnet die Bedarfsprognose nicht. Es ist hinreichend erwartbar, dass der Transport über Brake mit steigenden maximalen Transportmengen attraktiver wird, so dass neue Märkte gewonnen werden können. Die Gutachter legen nachvollziehbar dar, dass Massengutverkehre auf den Hafen hin orientiert sind, bei dem die Kosten der gesamten Transportkette ihr Minimum erreichen (P. GmbH, Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 20). Bei großen Ladungsmengen sinken die Transportkosten pro t (P., Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 20; P., Ergänzende Stellungnahme S. 42 f.). Daraus folgt, dass der Hafen Brake konkurrenzfähiger wird, wenn er von Schiffen mit größerer Abladetiefe angelaufen werden kann. Wenn Panmax-Schiffe Brake mit mehr Ladung anlaufen können, schrumpft bei den reinen Seeverkehrskosten der Abstand zwischen Brake und den Häfen Amsterdam, Rotterdam und Vlissingen, die allerdings auch nach dem Ausbau einen leichten Vorteil behalten (P., Ergänzende Stellungnahme S. 44). Damit sinken auch die Gesamtkosten, die den Aufwand des Hinterlandverkehrs einschließen (P., Ergänzende Stellungnahme S. 45). Ob der Transport über Brake oder einen westlich gelegenen Konkurrenzhafen günstiger ist, hängt von dem Ziel- und Herkunftsort sowie der Art der Güter ab (im Einzelnen hierzu P., Ergänzende Stellungnahme S. 46 ff.). Prognoseunsicherheiten für die Entwicklung der Transportgütermengen lassen diese Zusammenhänge im Grundsatz unberührt.

126 Dass die P. GmbH in ihren Untersuchungen für die Umschlagsentwicklung unterschiedliche Steigerungsraten ermittelt hat (1,4 % jährlich in der Nutzen-Kosten-Untersuchung aus dem Jahr 2002 für den Zeitraum 1998 bis 2015, 2,7 % jährlich in der Seeverkehrsprognose aus dem Jahr 2007 für den Zeitraum 2004 bis 2025), belegt keinen Gewichtungsfehler. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 165 bis 168) stellt diese Zahlen nebeneinander und bringt damit zum Ausdruck, dass er von einem Wachstumstrend ausgeht, ohne dem genauen Ausmaß dieses Wachstums maßgebliche Bedeutung beizumessen.

127 Mit Rücksicht auf die Kostenvorteile ist auch zu erwarten, dass die Reeder den möglichen Abladetiefgang zumindest mit einem erheblichen Anteil der Brake ansteuernden Schiffe ausnutzen werden. Zwar haben sie das, wie der Planfeststellungsbeschluss selbst unter Hinweis auf die sogenannte Zwei-Häfen-Strategie in der Saugschifffahrt einräumt (S. 170), in der Vergangenheit nur zum Teil getan. Dieser Anteil war aber erheblich; von insgesamt 42 Schiffen mit mehr als 8,5 m Abladetiefgang liefen im Jahr 2007 immerhin 20 mit einem Abladetiefgang von mehr als 11,5 m in Brake ein (P., Ergänzende Stellungnahme S. 39).

128 (3) Bezogen auf den Unterweserabschnitt von Brake bis Bremen gelangt der Senat nach nochmaliger Prüfung zu dem Ergebnis, dass die in seinem Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 47 ff.) anklingenden Zweifel an einer fehlerfreien Gewichtung der geltend gemachten Abweichungsgründe durchgreifen. Zwar durften die im Planfeststellungsbeschluss genannten, für den Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen sprechenden Gründe im Rahmen der Abweichungsprüfung bei der Prüfung der Überlagerungsvariante berücksichtigt werden. Angesichts der besonderen Prognoseunsicherheiten, denen die angenommenen positiven Effekte der Weservertiefung zwischen Brake und Bremen unterliegen, bedeutet das aber nicht, dass diese Gründe auch für sich genommen ein Gewicht haben, das ihnen einen besonderen Stellenwert verleiht. Deshalb hätte der Planfeststellungsbeschluss im Einzelnen begründen müssen, woraus sich ein erhebliches Gewicht der mit dem Vorhaben verfolgten Ziele ergibt. Daran fehlt es.

129 Der Planfeststellungsbeschluss stellt auch hier maßgeblich auf den Verkehrsbedarf ab (S. 991). Die Unsicherheit, ob die mit dem Ausbau ermöglichten zusätzlichen Abladetiefgänge in bedeutendem Umfang ausgenutzt würden, ist für diese Strecke jedoch ausgeprägter als für die von Bremerhaven bis Brake. Zudem ist die von der Planfeststellungsbehörde angenommene Gefahr der Verlagerung des Umschlags auf andere Häfen mit beträchtlichen Unwägbarkeiten behaftet. Diesen Umstand hat die Beklagte zwar erkannt und möchte ihm Rechnung tragen, indem sie die angenommenen Vorteile mit einem geringeren Gewicht in die Abwägung einstellt (PFB S. 168, 181 f.). Letzteres entbindet aber nicht von der dem Ausnahmecharakter der Abweichungsentscheidung geschuldeten Notwendigkeit, mit dem Vorhaben verfolgte Ziele von erheblichem Gewicht darzulegen. Warum der Vertiefung des Abschnitts trotz der Prognoseunsicherheiten ein besonderer Stellenwert zukommt, erschließt sich aus dem Planfeststellungsbeschluss nicht (vgl. S. 991, 995 f.).

130 Insbesondere ist problematisch, dass die maximalen Abladetiefgänge für die tideunabhängige Fahrt bislang nicht ausgenutzt werden. 75 % der Bremen anlaufenden Flotte entfallen auf kleinere Schiffe unter 10 000 tdw (tons dead weight) mit einem durchschnittlichen Konstruktionstiefgang von 6 m (P., Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 13 f.). Größere Schiffseinheiten mit einer Tragfähigkeit von über 40 000 tdw, die durchschnittliche Konstruktionstiefgänge über 10,9 m haben, sind nur zu rund 7 % in der Gesamtflotte Bremens vertreten (P., Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 13). Hierbei handelt es sich ausschließlich um Massengutschiffe, die Eisenerz und Kohle als Einsatzstoffe für die dortige Industrie befördern (P., Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 13). Der durchschnittliche Abladetiefgang lag im Jahr 1998 auch bei diesen großen Schiffen bei maximal 8,1 m, die durchschnittliche Tiefgangsauslastung maximal bei rund 60 % (P., Gesamtwirtschaftliche Bewertung S. 13). Dass die möglichen Maximaltiefgänge überhaupt ausgeschöpft wurden, ist im Unterschied zu Bremerhaven und Brake nicht erkennbar. Danach ist nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit zusätzliche Abladetiefgänge in erheblichem Umfang in Anspruch genommen werden. Der Hinweis auf eine sich ändernde Flottenstruktur (PFB S. 172; P., Ergänzende Stellungnahme S. 66) führt nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen Ergebnis, weil damit allein Konstruktionstiefgänge angesprochen sind.

131 Im Hinblick auf den Verlust von Ladungen ohne die Vertiefung der Weser wird ein Umfang von 400 000 t pro Jahr im Planfeststellungsbeschluss (S. 181) geltend gemacht. Eine solche Änderung ist jedoch vergleichsweise gering; sie liegt innerhalb der Schwankungsbreite der tatsächlichen Umschlagsentwicklung zwischen 1992 und 2004 (PFB S. 167: Schwankungen zwischen 13,667 und 14,451 Mio. t).

132 Außerdem bestehen gravierende Zweifel an der Annahme, bei einem Verzicht auf den Ausbau würde der Güterumschlag in erheblichem Umfang in andere Häfen verlagert (PFB S. 179 ff., 992). Die Gutachter stellen auf einen Vergleich der Transportkosten ab und unterscheiden zwischen verschiedenen Gütergruppen. Beim Versand liegt ein Schwerpunkt im Bereich Eisen und Stahl (PFB S. 166; P., Ergänzende Stellungnahme S. 53); hier macht der Planfeststellungsbeschluss ein Verlagerungspotential von 250 000 t pro Jahr aus (PFB S. 180; P., Ergänzende Stellungnahme S. 70). Eisen und Stahl werden nach Darstellung in der ergänzenden Stellungnahme derzeit aber kaum mit Panmax-Schiffen (tdw über 50 000) transportiert (P., Ergänzende Stellungnahme S. 59); danach ist ein einziges mit Stahl beladenes Schiff mit einer Tonnage über 50 000 tdw zu verzeichnen gewesen. Auch die größeren Handy-size-Schiffe mit einer tdw bis 50 000 wiesen nur geringe Auslastungen auf (vgl. P., Ergänzende Stellungnahme S. 59). Diese waren umso geringer, je größer das Schiff war. Schiffe ab 30 000 tdw waren 2007 im Durchschnitt nur zu 48 % ausgelastet, Schiffe ab 40 000 tdw nur zu 34 % (P., Ergänzende Stellungnahme S. 59).

133 Dass der Verzicht auf den Ausbau die Transportkosten für den Import von Eisenerz und Kohle so weit erhöhen könnte, dass die Wirtschaftlichkeit des Industriestandorts Bremen in Frage gestellt wäre, wird schon im Planfeststellungsbeschluss selbst nicht behauptet (S. 181). Soweit der Planfeststellungsbeschluss die Gefahr einer Verlagerung von Exportholz annimmt, wird kein sachgerechter Vergleich vorgenommen. Derzeit erfolgt der Export überwiegend mit kleinen Schiffen (P., Ergänzende Stellungnahme S. 70 f.). Der Grund hierfür bleibt ungenannt. Ob Panmax-Schiffe überhaupt eingesetzt werden und wie weit sie abgeladen sind, ist weder dem Planfeststellungsbeschluss noch den Stellungnahmen von P. zu entnehmen. Zudem gesteht der Planfeststellungsbeschluss selbst zu, dass die Reeder bislang keine konkreten Absichten erklärt haben, Güter umzuleiten (S. 181).

134 Im Ergebnis bleibt der Planfeststellungsbeschluss damit eine schlüssige Erklärung schuldig, warum der Vertiefung des Abschnitts von Brake bis Bremen unter dem Bedarfsaspekt ein besonderer Stellenwert zukommen sollte. Dies beeinflusst auch die weiteren genannten Abweichungsgründe der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur und des Arbeitsmarktes. Sie hängen vom Verkehrsbedarf ab mit der Folge, dass für sie gleichfalls kein erhebliches Gewicht dargelegt ist. Auch der Zugehörigkeit des Hafens Bremen zu dem Transeuropäischen Verkehrsnetz als Seehafen der Kategorie A kann unter diesen Umständen keine die Abweichung rechtfertigende Bedeutung beigemessen werden. Die Aufnahme eines Hafens in dieses Netz verleiht dem Interesse an dessen bedarfsgerechter verkehrstechnischer Erschließung besonderes Gewicht; sie vermag aber ein Ausbauinteresse nicht losgelöst von einem Verkehrsbedarf zu begründen. Ebenso wenig erweist sich das Ziel, mit dem Vorhaben zusätzliche Umweltbelastungen durch verlängerte Landtransportwege zu vermeiden, unabhängig von den zum Verkehrsbedarf angestellten Erwägungen als tragfähig, denn solche Belastungen könnten nur im Gefolge von Umschlagsverlagerungen auf andere Häfen auftreten.

135 (4) Das Interesse an der Integrität der beeinträchtigten FFH-Gebiete ist nur unzureichend bewertet worden. Die oben beanstandeten Fehlbeurteilungen im Rahmen der habitatrechtlichen Verträglichkeitsprüfung infizieren die Abwägung nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG; sie führen dazu, dass das Integritätsinteresse nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht erfasst und in die Abwägung eingestellt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 154 m.w.N.).

136 Dagegen dringt der Kläger mit seiner Rüge, der Planfeststellungsbeschluss habe bei der Bewertung des Integritätsinteresses (S. 992 bis 994) die vorangegangenen Feststellungen zu den erheblichen Beeinträchtigungen des Ästuars in den FFH-Gebieten "Unterweser" und "Weser bei Bremerhaven" durch die Unterhaltungsbaggerungen und -verklappungen relativiert, nicht durch. Inwiefern eine Relativierung stattgefunden haben sollte, hat weder der Kläger substanziiert vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.

137 2. Die Alternativenprüfung weist keine Rechtsfehler auf.

138 a) Der Begriff der Alternative in § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL ist aus der Funktion des durch Art. 4 FFH-RL begründeten Schutzregimes zu verstehen. Er steht in engem Zusammenhang mit den Planungszielen, die mit einem Vorhaben verfolgt werden. Lassen sich die Planungsziele an einem nach dem Schutzkonzept der Habitatrichtlinie günstigeren Standort oder mit geringerer Eingriffsintensität verwirklichen, so muss der Projektträger von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Ein irgendwie gearteter Gestaltungsspielraum wird ihm nicht eingeräumt (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 33). Alternativen, die sich nur mit unverhältnismäßigem Aufwand verwirklichen ließen, bleiben außer Betracht (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 142). Als Alternative sind zudem nur solche Änderungen anzusehen, die nicht die Identität des Vorhabens berühren. Von einer Alternative kann deshalb dann nicht mehr die Rede sein, wenn eine planerische Variante auf ein anderes Projekt hinausläuft, weil die vom Vorhabenträger in zulässiger Weise verfolgten Ziele nicht verwirklicht werden könnten. Inwieweit Abstriche von einem Planungsziel hinzunehmen sind, hängt maßgebend von seinem Gewicht und dem Grad seiner Erreichbarkeit im jeweiligen Einzelfall ab (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - BVerwGE 134, 166 Rn. 33).

139 b) Gemessen an diesen Maßstäben ist die Kooperation mit anderen Häfen, insbesondere mit dem JadeWeserPort, keine Alternative im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL. Planungsziel für den Ausbau der Außenweser ist die tideunabhängige Erreichbarkeit des Hafens Bremerhaven mit einem Abladetiefgang bis zu 13,5 m. Mit dem Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Brake soll die Erreichbarkeit des Hafens Brake, mit dem Ausbau von Brake bis Bremen die Erreichbarkeit des Hafens Bremen verbessert werden. Diese jeweiligen Vorhabenziele können durch eine Kooperation mit anderen Häfen nicht - auch nicht mit Abstrichen - erreicht werden. Eine "Konzeptalternative" ist keine Alternative im Sinne des § 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG, Art. 6 Abs. 4 FFH-RL, sondern ein aliud; sie richtet sich darauf, andere Planungsziele und nicht identische Planungsziele auf andere Weise zu erreichen.

140 Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Abweichungsprüfung unter Hinweis auf den Kabinettsbeschluss vom 15. September 2004 über die Gleichstellung der Außenweservertiefung mit den im Bundesverkehrswegeplan 2003 enthaltenen Bundeswasserstraßenvorhaben geltend macht, Konzeptalternativen hätten jedenfalls aufgrund der unionsrechtlichen Vorgaben zur Strategischen Umweltprüfung (SUP) untersucht werden müssen, kann dem nicht gefolgt werden. Wenn eine SUP durchzuführen ist, sind gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L 197 S. 30) - SUP-RL - zwar auch "vernünftige Alternativen, die die Ziele und den geographischen Anwendungsbereich des Plans oder Programms berücksichtigen", zu prüfen. Diese Richtlinie war auf den genannten Kabinettsbeschluss aber aus zeitlichen Gründen noch nicht anzuwenden. Nach Art. 13 Abs. 3 SUP-RL gilt die SUP-Pflicht für Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt nach dem 20. Juli 2004 erstellt wird. Pläne und Programme, deren erster förmlicher Vorbereitungsakt vor diesem Zeitpunkt liegt und die mehr als 24 Monate danach - also nach dem 20. Juli 2006 - angenommen werden, unterliegen der SUP-Pflicht, es sei denn, die Mitgliedstaaten entscheiden im Einzelfall, dass dies nicht durchführbar ist, und unterrichten die Öffentlichkeit über ihre Entscheidung. Die Übergangsvorschriften in § 25 Abs. 8 und 9 UVPG gehen darüber nicht hinaus. Selbst wenn man den Kabinettsbeschluss als Änderung des Bundesverkehrswegeplans ansehen und diese der SUP-pflichtigen Ausarbeitung des Plans gleichstellen wollte, läge der erste förmliche Vorbereitungsakt - spätestens der BWVP 2003, der für das nachträglich angemeldete Projekt "Vertiefung der Außenweser" einen Vorbehalt enthielt - vor dem 20. Juli 2004 und die Annahme des Plans (vgl. § 14l UVPG) vor dem 20. Juli 2006. Das Projekt "Vertiefung der Unterweser" war bereits im vor Ablauf der Umsetzungsfrist beschlossenen BWVP 2003 enthalten. Ob eine im Rahmen der Bundeswegeplanung zu Unrecht unterlassene Prüfung von Konzeptalternativen im Planfeststellungsverfahren kompensiert werden müsste, kann mithin offen bleiben.

141 c) Varianten mit geringerer Ausbautiefe (sogenannte Mindestausbau- oder Minimalvarianten) hat die Beklagte zu Recht nicht als Alternativen bewertet. Die Ausbautiefe ist aus einem bestimmten Verkehrsbedarf begründet. Abstriche von diesem Ziel würden wesentliche Parameter, nämlich die Größenklasse des Bemessungsschiffs oder seine Auslastung, betreffen. Besteht ein Bedarf für die tideunabhängige Erreichbarkeit Bremerhavens von Schiffen mit einem Abladetiefgang von 13,5 m, so kann das mit dem Ausbau in zulässiger Weise verfolgte Ziel, die Leistungsfähigkeit des Seehafens Bremerhaven zu stärken oder für die Zukunft zu erhalten, mit einer geringeren Ausbautiefe nur mit deutlichen Einschränkungen erreicht werden. Für Brake und für Bremen (sofern man für Bremen einen entsprechenden Bedarf unterstellt) gilt Vergleichbares. Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht dieses auf die Ziele des Vorhabens abstellende Verständnis des Alternativenbegriffs nicht der Habitatrichtlinie. Durch die Zieldefinition kann der Vorhabenträger zwar die in Betracht kommenden Alternativen eingrenzen; gegen das Interesse an der Integrität des FFH-Gebietes kann er das Vorhaben aber nur durchsetzen, wenn es aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig ist.

142 d) Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Außenweser stellt keine Alternative dar. Zwar führt eine Reduzierung der Geschwindigkeit dazu, dass sich das Bemessungsschiff mit vorgegebenem Abladetiefgang weniger absenkt ("Squat-Effekt") und deshalb mit einer geringeren Ausbautiefe auskommt. Die Annahme des Planfeststellungsbeschlusses (S. 153), dass eine Vorgabe konkreter Höchstgeschwindigkeiten insbesondere von unter 14 Knoten aus nautischen Gründen (Steuerungsfähigkeit der Schiffe) im Außenbereich der Weser nicht vertretbar sei und dass niedrigere Geschwindigkeiten breitere Fahrrinnen als die begrenzte Fahrrinne der Weser erforderten (windverursachter Vorhaltewinkel), hat der Kläger aber nicht substanziiert in Frage gestellt.

143 e) Schließlich scheidet auch ein dynamischer Tidefahrplan als Alternative aus. Der dynamische Tidefahrplan soll es ermöglichen, durch Berücksichtigung der konkreten Windverhältnisse und Wasserstände sowie schiffsspezifischer Angaben das Tidefenster für bestimmte Fahrten konkreter anzugeben und damit im Ergebnis die vorhandene Wassertiefe besser auszunutzen. Die Tideabhängigkeit von Schiffen mit einem bestimmten Abladetiefgang bleibt bestehen (Außenweser). Da ein großer Teil der schiffsspezifischen Daten nicht meldepflichtig ist, ist dieses Verfahren für die regelmäßigen Fahrtbedingungen nicht geeignet.

144 3. Die Regelung der Kohärenzsicherung gibt Anlass zu Beanstandungen.

145 a) Der Senat hält an seiner im Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 zum Ausdruck gebrachten vorläufigen Beurteilung fest, dass die Auflage unter A.II.3.7 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses sowie die Auflagen, die die Mitwirkung anderer Behörden und sonstiger Dritter an der Verwirklichung von Kompensationsmaßnahmen regeln, rechtsfehlerhaft sind.

146 aa) Zur Auflage unter A. II. 3.7 Satz 1 ist in dem Hinweisbeschluss ausgeführt worden (Rn. 50 ff.):
"Die für die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen in der Auflage A.II.3.7 Satz 1 des Planfeststellungsbeschlusses gesetzte Frist genügt nicht, um eine rechtzeitige Verwirklichung dieser Maßnahmen zu gewährleisten:
Gemäß der Auflage sind die Kompensationsmaßnahmen spätestens drei Jahre nach Beginn der Baumaßnahmen zur Verwirklichung der Vorhaben umzusetzen bzw. baulich fertig zu stellen. Der Planfeststellungsbeschluss erlaubt es damit, mit der Realisierung von Kompensationsmaßnahmen erst Jahre (mehr als zwei) nach Beginn der Baumaßnahmen zur Vertiefung der Weser zu beginnen, falls die Realisierung einzelner Kompensationsmaßnahmen nicht eine längere Zeit in Anspruch nimmt. Dies gilt selbst dann, wenn die planfestgestellten Baumaßnahmen abgeschlossen sind und es keinen sachlichen Grund gibt, die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen hinauszuschieben.
Kompensationsmaßnahmen sind aber grundsätzlich zeitgleich mit den Projekten, deren Kompensation sie dienen, zu verwirklichen. Etwas anderes gilt nur, wenn es objektiv nicht möglich ist, die durch die Projekte verursachten Beeinträchtigungen zeitnah auszugleichen.
Davon ausgehend ist der im Planfeststellungsbeschluss festgesetzte zeitliche Endpunkt (drei Jahre nach Beginn der Baumaßnahmen zur Verwirklichung der Vorhaben) zwar nicht zu beanstanden. Es ist aber eine Ergänzung notwendig. So müsste dem Träger des Vorhabens zusätzlich aufgegeben werden, mit Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlusses mit der Vorbereitung der Kompensationsmaßnahmen (insbesondere - soweit erforderlich - dem Grunderwerb) zu beginnen und diese - soweit objektiv möglich - zeitgleich mit den planfestgestellten Baumaßnahmen zu realisieren."

147 Eine möglichst zeitnahe Durchführung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen ist dem Erfordernis geschuldet, die vorhabenbedingten Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines FFH-Gebiets funktionsbezogen auszugleichen (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 200). Ein zeitnaher Ausgleich lässt sich zwar nicht stets erreichen, weil die in Betracht kommenden Maßnahmen oft erst auf längere Sicht ihre Wirkung entfalten können. Dies ist notgedrungen hinzunehmen, ändert aber nichts an der Verpflichtung, die geplanten Maßnahmen unverzüglich in Angriff zu nehmen, um so unnötige Verzögerungen ihrer Wirksamkeit zu vermeiden.

148 bb) Zu den Auflagen, die die Mitwirkung anderer Behörden und sonstiger Dritter an der Verwirklichung der planfestgestellten Kompensationsmaßnahmen regeln, heißt es im Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 54 ff.):
"Die Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen ist nicht - wie rechtlich geboten - sichergestellt, soweit deren Realisierung, insbesondere die Ausführungsplanung, des Einvernehmens anderer Behörden oder sonstiger Dritter bedarf (vgl. a). Die mit diesen Maßnahmen verbundenen Probleme hätten bereits im Planfeststellungsverfahren so bewältigt werden müssen, dass auf Einvernehmensregelungen verzichtet werden kann (vgl. b):
a) Eine Reihe von Auflagen regelt die Mitwirkung anderer Behörden und sonstiger Dritter an der Verwirklichung der Kompensationsmaßnahmen, insbesondere an der Ausführungsplanung. So bestimmt die Auflage A.II.3.3, dass die Ausführungsplanung mit verschiedenen Behörden und Verbänden abzustimmen ist sowie dass die Einvernehmensbehörde gegebenenfalls zu beteiligen ist. Gemäß der Auflage A.II.3.12 dürfen Sommerdeiche erst zurückgebaut werden, wenn die Einvernehmensbehörde die Sturmflutsicherheit erklärt hat. Weiter sind die Ausführungsplanungen für Kompensationsmaßnahmen in Form von Ausdeichungen im Einvernehmen mit den Deichverbänden und der Einvernehmensbehörde zu entwickeln (vgl. Auflage A.II.3.13). Auch ist die Öffnung der Sommerdeiche mit den Deichverbänden und der Einvernehmensbehörde abzustimmen (vgl. Auflage A.II.3.14).
In diesen Auflagen wird teilweise nicht geregelt, ob mit 'abstimmen' oder 'beteiligen' ein 'Benehmen' oder ein 'Einvernehmen' gemeint ist. Teilweise ist ausdrücklich von 'Einvernehmen' die Rede.
So lange die Verwirklichung einer Maßnahme das Einvernehmen eines Dritten voraussetzt, ist aber deren Realisierung nicht sichergestellt. Verweigert ein Dritter seine Zustimmung (Einvernehmen), gibt es grundsätzlich keine rechtliche Möglichkeit, diese zu erzwingen. Damit bleibt offen, ob und wie die Kompensationsmaßnahmen verwirklicht werden.
Die Versagung des Einvernehmens ist auch keine rein theoretische Möglichkeit. Vielmehr ist es beispielsweise durchaus denkbar, dass ein Wasser- und Bodenverband bzw. ein Deichverband sein Einvernehmen verweigert.
b) Die Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 75 Abs. 1 VwVfG) ermöglicht es der Planfeststellungsbehörde, im Verwaltungsverfahren Kompensationsnahmen so weit zu konkretisieren und die mit deren Verwirklichung verbundenen Probleme so weit zu bewältigen, dass nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses kein Einvernehmen einer anderen Behörde oder eines sonstigen Dritten nötig ist.
Die Beklagte kann dies in einem ergänzenden Verfahren nachholen. Anschließend kann sie die Einvernehmensregelungen in den Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses aufheben und klarstellen, dass Auflagen, die eine Mitwirkung Dritter vorschreiben, lediglich ein 'Benehmen' regeln."

149 Auch hieran ist festzuhalten. Mit dem Gebot umfassender planerischer Problembewältigung wäre es unvereinbar, die Konflikte, die sich im Zusammenhang mit der verbindlichen Anordnung und Ausformung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen stellen, auf spätere Verfahrensstufen zu verlagern, obgleich eine Lösung bereits im Rahmen der Planfeststellung erzielt werden kann; dies umso mehr, als nicht gewährleistet wäre, dass später den habitatrechtlichen Vorgaben entsprechende Lösungen durchgesetzt werden könnten.

150 b) Da die festgestellten Mängel der Verträglichkeitsprüfung es als möglich erscheinen lassen, dass der Kohärenzsicherungsbedarf unterschätzt worden ist und deshalb die Kohärenzsicherungsmaßnahmen geändert oder ergänzt werden müssen, war eine Prüfung der einzelnen planfestgestellten Maßnahmen nicht veranlasst. In Anbetracht eines sich etwa anschließenden ergänzenden Verfahrens ist es jedoch angezeigt, die rechtlichen Anforderungen an Kohärenzsicherungsmaßnahmen namentlich unter dem Blickwinkel ihrer - zwischen den Beteiligten umstrittenen - Abgrenzung von den Standardmaßnahmen des Gebietsmanagements nach Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL (sogenannte Sowieso-Maßnahmen) näher darzustellen.

151 Da Kohärenzsicherungsmaßnahmen gezielt plan- oder projektbedingte Beeinträchtigungen ausgleichen sollen, sind sie prinzipiell zusätzlich zu den Standardmaßnahmen des der Erhaltung (Art. 6 Abs. 1 FFH-RL) und der Vermeidung von Verschlechterungen und Störungen (Art. 6 Abs. 2 FFH-RL) dienenden Gebietsmanagements zu ergreifen (BVerwG, Urteil vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 203). Wenn ein Gebiet unter Schutz gestellt wurde, um den Erhaltungszustand eines Lebensraums, der bei Meldung des Gebiets nicht günstig war, wiederherzustellen, können auch der Verbesserung des ungünstigen Erhaltungszustands dienende Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL geboten sein und damit als Kohärenzsicherungsmaßnahmen ausscheiden. Der gegenteilige Rechtsstandpunkt der Beklagten und des IBP Weser (S. 78) ist weder mit der Definition des Begriffs "Erhaltung" in Art. 1 Buchst. a FFH-RL noch mit dem Ziel der Richtlinie, besondere Schutzgebiete nicht nur zur Wahrung, sondern auch zur Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und der Arten von gemeinschaftlichem Interesse auszuweisen (vgl. 6. Erwägungsgrund der Habitatrichtlinie; Europäische Kommission, "Natura 2000"-Gebietsmanagement, S. 16 f.), vereinbar. Auf der anderen Seite sind nicht alle Maßnahmen, die der Verbesserung eines Lebensraums oder einer Art dienen, die sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden, durch Art. 6 Abs. 1 oder 2 FFH-RL geboten. Der Rechtsauffassung des Klägers, dass die Verbesserung eines ungünstigen Erhaltungszustandes in einem FFH-Gebiet von vornherein keine Kohärenzmaßnahme sein könne, folgt der Senat ebenfalls nicht.

152 Welche Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen unabhängig von dem Vorhaben durchzuführen sind, ergibt sich aus den gemäß § 32 Abs. 5 BNatSchG für das jeweilige Gebiet aufzustellenden Managementplänen, die die Vorgaben des Art. 6 Abs. 1 und 2 FFH-RL konkretisieren können. Fehlen - wie hier (PFB S. 1013) - im Zeitpunkt der Planfeststellung derartige Managementpläne, kann dies nicht bedeuten, dass Entwicklungsmaßnahmen nicht getroffen werden müssen. Das "Ob" der nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL nötigen Maßnahmen steht nicht im Ermessen der Mitgliedstaaten (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - C-508/04 [ECLI:​EU:​C:​2007:​274], Kommission gegen Österreich - Rn. 76, 89). Für Vogelschutzgebiete hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass sich der Schutz des Gebiets nicht auf die Abwehr schädlicher Einflüsse des Menschen beschränken darf, sondern je nach Sachlage auch positive Maßnahmen zur Erhaltung oder Verbesserung des Gebietszustands einschließen muss (EuGH, Urteil vom 13. Dezember 2007 - C-418/04 [ECLI:​EU:​C:​2007:​780], Kommission gegen Irland - Rn. 154). Für FFH-Gebiete kann nichts anderes gelten. Regelungs- und Entscheidungsspielräume haben die nationalen Behörden dagegen hinsichtlich der im Rahmen der Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL einzusetzenden Mittel und technischen Entscheidungen (EuGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - C-508/04 - Rn. 76). Für die Maßnahmen nach Art. 6 Abs. 2 FFH-RL impliziert der Begriff "geeignet", dass die Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Bestimmung über ein Ermessen verfügen (EuGH, Urteil vom 14. Januar 2016 - C-399/14 [ECLI:​EU:​C:​2016:​10] - Rn. 40). Der Mitgliedstaat muss daher nicht für jeden Lebensraumtyp und jede Art den festgelegten Erhaltungszielen entsprechend sofort und umfassend einen günstigen Erhaltungszustand wiederherstellen. Vielmehr darf er Prioritäten festlegen nach Maßgabe der Wichtigkeit des Gebiets für die Wahrung oder die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands eines Lebensraumtyps oder einer Art und für die Kohärenz des Netzes "Natura 2000" sowie danach, inwieweit das Gebiet von Schädigung oder Zerstörung bedroht ist (Art. 4 Abs. 4 FFH-RL). Die Planfeststellungsbehörde muss allerdings darlegen, warum die zur Sicherung der Kohärenz vorgesehene Maßnahme nicht bereits im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Gebiets nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL notwendig ist.

153 Um diesen Vorgaben zur Rechtfertigung von Kohärenzsicherungsmaßnahmen in FFH-Gebieten, für die Festsetzungen in Managementplänen über die zu treffenden Entwicklungsmaßnahmen fehlen, gerecht zu werden, wird sich die Beklagte nicht mit den im Planfeststellungsbeschluss hierzu enthaltenen Ausführungen begnügen können. Der Beschluss (S. 1012 f.) verlautbart die Einschätzung der Planfeststellungsbehörde, alle in FFH-Gebieten vorgesehenen Kohärenzsicherungsmaßnahmen seien an den projektbedingten Beeinträchtigungen ausgerichtet, so dass sie voraussichtlich über zukünftige Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen der Managementpläne, die noch nicht abschließend festgelegt seien, hinausgehen würden. Dies sei insbesondere wegen des Umfangs und der damit verbundenen Kosten der von den Vorhabenträgern geplanten Kohärenzsicherungsmaßnahmen zu erwarten. Diese Erläuterung reicht nicht aus, um nachvollziehbar zu begründen, warum die Maßnahmen nach den oben genannten Kriterien nicht schon nach Art. 6 Abs. 1 FFH-RL notwendig sind.

154 Soweit sich die Beklagte in einem ergänzenden Verfahren auf veränderte tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse stützen sollte, ist für die Rechtmäßigkeitsprüfung der Zeitpunkt der Aktualisierung maßgeblich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. März 2014 - 9 C 6.12 - Buchholz 406.403 § 34 BNatSchG 2010 Nr. 7 Rn. 38 m.w.N.).

155 Das eröffnet die Möglichkeit, auf dann gegebenenfalls vorliegende - mit den rechtlichen Vorgaben übereinstimmende - Managementpläne zur Abgrenzung zurückzugreifen.

156 V. Der Planfeststellungsbeschluss trägt der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§§ 13 ff. BNatSchG) nicht ausreichend Rechnung. Die Planvorhaben sind an den Vorgaben der Eingriffsregelung zu messen, da sie zur Veränderung der Gestalt von Grundflächen führen und deshalb als Eingriff im Sinne des § 14 Abs. 1 BNatSchG zu qualifizieren sind. Dies bedeutet, dass mit dem Eingriff verbundene erhebliche Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft vorrangig zu vermeiden, nicht vermeidbare erhebliche Beeinträchtigungen durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen oder, soweit dies nicht möglich ist, durch einen Ersatz in Geld zu kompensieren sind (§ 13 BNatSchG); für den Fall, dass solche Beeinträchtigungen sich weder vermeiden noch durch Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen kompensieren lassen sollten, dürfte das Vorhaben gemäß § 15 Abs. 5 BNatSchG nur zugelassen werden, wenn bei einer spezifisch naturschutzrechtlichen Abwägung die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege den mit dem jeweiligen Vorhaben verfolgten gegenläufigen Belangen nicht im Rang vorgehen.

157 Diesen Anforderungen genügt der Planfeststellungsbeschluss nicht. Er verkennt, dass die Vorhaben zu erheblichen Beeinträchtigungen des Naturhaushalts führen, indem sie die schon bisher stattfindende Erosion der Flussufer der Unteren Wümme verstärken. Wie bereits im Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 ausgeführt (Rn. 44), kommt es am Unterlauf der Wümme nicht nur an den Prallhängen, sondern auch an den Gleithängen zu starken Uferabbrüchen, durch die Vegetationsflächen verlorengehen. Dies wurde bei der Ortsbesichtigung des Berichterstatters festgestellt und durch in der mündlichen Verhandlung gezeigte Fotos bestätigt. Nach Aussage eines Vertreters der BAW in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass sich diese negative Entwicklung schon ohne Verwirklichung der Vorhaben fortsetzen wird. Infolge der Vorhaben kommt es ausweislich der Prognosen der BAW aber in der Wümme zu einer - wenn auch im Vergleich zur Unterweser geringeren - Zunahme von Tidehüben, Tidehochwassern und Strömungsgeschwindigkeiten. Dadurch wird - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - dieser negative Trend verstärkt. Aufgrund der starken Vorschädigung sind selbst solche geringeren negativen Veränderungen als erhebliche Beeinträchtigungen zu werten. Der Planfeststellungsbeschluss stellt demgegenüber insoweit keine erheblichen Beeinträchtigungen in Rechnung. Er geht auf das Problem der Ufererosion nur am Rande ein; im Rahmen der Darstellung und Bewertung der vorhabenbedingten Auswirkungen im FFH-Gebiet "Untere Wümme" führt er hierzu aus, dass sich die Veränderungen der Tidewasserstände in den Nebenflüssen fortsetzen, wertet die Einflüsse auf die morphologische Entwicklung der Wümme aber als nicht signifikant (S. 1114). Angesichts der durch stark negative Entwicklungstendenzen geprägten Ausgangslage ist diese Wertung nicht zu rechtfertigen. Durfte hiernach eine erhebliche Beeinträchtigung in Gestalt von Uferabbrüchen nicht verneint werden, so musste, soweit möglich, durch Anordnung von Vermeidungsmaßnahmen Abhilfe geschaffen oder andernfalls durch Anordnung von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen eine Kompensation der Beeinträchtigungen gewährleistet werden. Solche Maßnahmen sind nicht geprüft, geschweige denn getroffen worden.

158 VI. Der Planfeststellungsbeschluss steht nicht in Einklang mit den an die Planvorhaben zu stellenden wasserrechtlichen Anforderungen.

159 1. a) Nach § 12 Abs. 7 Satz 3 WaStrG müssen Ausbaumaßnahmen die nach §§ 27 bis 31 Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) maßgebenden Bewirtschaftungsziele berücksichtigen. Oberirdische Gewässer sind gemäß § 27 Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes grundsätzlich so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen und ihres chemischen Zustands vermieden wird (Nr. 1 - Verschlechterungsverbot) und ein guter ökologischer und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden (Nr. 2 - Verbesserungsgebot). Oberirdische Gewässer, die nach § 28 WHG als künstlich oder erheblich verändert eingestuft werden, sind gemäß § 27 Abs. 2 WHG so zu bewirtschaften, dass eine Verschlechterung ihres ökologischen Potenzials und ihres chemischen Zustands vermieden wird (Nr. 1) und ein gutes ökologisches Potenzial und ein guter chemischer Zustand erhalten oder erreicht werden (Nr. 2).

160 Diese Bewirtschaftungsziele sind in Umsetzung der Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 S. 1 - Wasserrahmenrichtlinie) - WRRL - in das Wasserhaushaltsgesetz aufgenommen worden. Der Senat hat in seinem Vorabentscheidungsersuchen vom 11. Juli 2013 Fragen zur Auslegung der Wasserrahmenrichtlinie gestellt, die der Europäische Gerichtshof in seinem hierzu ergangenen Urteil vom 1. Juli 2015 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2015:​433] - dahin beantwortet hat, dass das Verschlechterungsverbot und das Verbesserungsgebot (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i bis iii WRRL) keine bloßen Zielvorgaben für die Gewässerbewirtschaftung, sondern zwingende Vorgaben für die Zulassung von Vorhaben sind. Sie müssen deshalb bei der Zulassung eines Projekts - auch im Rahmen der Planfeststellung eines wasserstraßenrechtlichen Vorhabens nach § 14 Abs. 1 i.V.m. § 12 Abs. 7 Satz 3 WaStrG - strikt beachtet werden. Außerdem hat der Gerichtshof geklärt, unter welchen Voraussetzungen eine "Verschlechterung" des Gewässerzustands im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie gegeben ist. Der Begriff der Verschlechterung des Zustands eines Oberflächenwasserkörpers in Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i WRRL ist dahin auszulegen, dass eine Verschlechterung vorliegt, sobald sich der Zustand mindestens einer Qualitätskomponente im Sinne des Anhangs V der Richtlinie um eine Klasse verschlechtert, auch wenn diese Verschlechterung nicht zu einer Verschlechterung der Einstufung des Oberflächenwasserkörpers insgesamt führt. Ist jedoch die betreffende Qualitätskomponente im Sinne von Anhang V bereits in der niedrigsten Klasse eingeordnet, stellt jede Verschlechterung dieser Komponente eine "Verschlechterung des Zustands" eines Oberflächenwasserkörpers im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i WRRL dar.

161 b) Der Planfeststellungsbeschluss trägt zwar dem bindenden Charakter des Verschlechterungsverbots Rechnung und prüft demgemäß, ob die Ausbaumaßnahmen zu einer Verschlechterung des ökologischen und chemischen Zustands und Potenzials der betroffenen Wasserkörper führen. Dabei verfehlt er aber den zutreffenden Maßstab, indem er als Verschlechterung nur eine Verschlechterung der Zustandsklasse des Wasserkörpers im Sinne des Anhangs V der Richtlinie wertet (S. 1272); eine solche ausbaubedingte Verschlechterung verneint er für alle betroffenen Wasserkörper.

162 Allerdings gelangt er zu diesem Ergebnis im Anschluss an die Auswirkungsprognose der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (Gutachterlicher Fachbeitrag 5 - Aktualisierung des Kapitels WRRL der UVU) aufgrund der Beurteilung einzelner Qualitätskomponenten. Für sie bejaht er zum Teil Verschlechterungen, wertet diese aber als gering, so dass die Komponenten in keinem Fall in eine schlechtere Wertstufe wechselten (S. 1267 ff.). Obgleich dieser Prüfungsschritt für sich genommen dem vom Europäischen Gerichtshof für maßgeblich erklärten Maßstab entspricht, lässt sich daraus nicht der Schluss ziehen, die fehlerhafte Heranziehung des Zustandsklassenwechsels als maßgebliches Kriterium könne sich nicht ausgewirkt haben und sei daher unbeachtlich. Denn der jeweils gezogene Schluss, die Beeinträchtigungen der Qualitätskomponenten führten nicht zu einem Wertstufenwechsel, ist nicht fachlich untersetzt worden. Ohne nähere Feststellungen hierzu lässt sich nicht ausschließen, dass eine Qualitätskomponente schon bisher am unteren Rand einer Wertstufe liegt mit der Folge, dass selbst geringe weitere Beeinträchtigungen zu einer Abwertung führen. Angaben hierzu sind dem Planfeststellungsbeschluss ebenso wie dem zugrunde liegenden Fachbeitrag nicht ansatzweise zu entnehmen.

163 c) Auf weitere durchgreifende Bedenken gegen die Prüfung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 65 ff.) aufmerksam gemacht:
"Der Planfeststellungsbeschluss ermittelt und bewertet die Auswirkungen der Vorhaben auf den ökologischen und den chemischen Zustand der Gewässer ausgehend von der Auswirkungsprognose der Umweltverträglichkeitsuntersuchung. Werden Auswirkungen dort als 'unerheblich negativ' bewertet, wird eine Verschlechterung im Sinne des § 27 WHG von vornherein verneint. Dies ist aus zwei Gründen fehlerhaft:
- Die Wasserrahmenrichtlinie verlangt eine Bewertung der Auswirkungen auf die verschiedenen Wasserkörper. Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung differenziert bei der Untersuchung der Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser grundsätzlich aber nur zwischen dem Landschaftsraum Unterweser, dem Landschaftsraum Außenweser und den Landschaftsräumen der Nebenflüsse. Diese Unterscheidung deckt sich nicht mit der Abgrenzung der betroffenen Wasserkörper. Insbesondere fehlen gesonderte Prüfungen für die einzelnen Nebenflüsse. Sind die Auswirkungen auf das Schutzgut Wasser nicht bereits in der Umweltverträglichkeitsprüfung wasserkörperbezogen untersucht worden, müssen Schlussfolgerungen aus der Umweltverträglichkeitsprüfung auf die einzelnen Wasserkörper nachvollziehbar begründet werden. Daran fehlt es im Planfeststellungsbeschluss.
- Die Umweltverträglichkeitsuntersuchung prüft Beeinträchtigungen von Schutzgütern. Das Wasserrecht verlangt aber die Prüfung von Qualitätskomponenten für den Zustand der Wasserkörper. Es ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, von den schutzgutbezogenen Erkenntnissen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung zu Aussagen über die Qualitätskomponenten des Wasserrechts zu gelangen. Auch insoweit hätten aber dafür zumindest erforderliche Zwischenschritte im Planfeststellungsbeschluss dargelegt werden müssen.
...
Unabhängig davon ist Folgendes zu beanstanden: Im Hinblick auf die chemische Gewässerverschlechterung ist nicht nachvollziehbar dargelegt, dass Grenzwertüberschreitungen bei prioritären Stoffen, die durch Baggern und Verklappen mobilisiert werden, ausgeschlossen sind. Auch regelt der Planfeststellungsbeschluss nicht, welche Konsequenzen zu ziehen sind, wenn Messungen aufgrund des Überwachungsprogramms, das gemäß 2.7 der Handlungsanweisung für den Umgang mit Baggergut im Küstenbereich (HABAK WSV) für die Ablagerungsstellen aufzustellen ist, nach erfolgter Baggergutablagerung Grenzwertüberschreitungen aufzeigen."

164 An diesen Beanstandungen ist festzuhalten.

165 2. a) Die hilfsweise durchgeführte Ausnahmeprüfung nach § 31 Abs. 2 WHG ändert nichts an der Erheblichkeit der vorstehend aufgeführten Mängel der Prüfung nach § 27 WHG. Sie leidet vielmehr selbst an Fehlern, die teilweise von vorgelagerten Prüfungsstufen auf sie einwirken, teilweise ihr unmittelbar anhaften. Auch insoweit nimmt der Senat auf seinen Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 63 f., 68) Bezug, in dem dazu ausgeführt wird:
"- Die Beklagte hat zu Unrecht allein geprüft, ob die Voraussetzungen einer wasserrechtlichen Ausnahme für die drei planfestgestellten Vorhaben zusammengenommen vorliegen. Sie hätte aber - neben dieser kumulativen Prüfung - für jedes der drei Vorhaben gesondert prüfen müssen, ob gerade die von diesem Vorhaben verursachten Gewässerverschlechterungen gemäß § 31 Abs. 2 WHG ausnahmsweise zulässig sind. ...
- Es fehlt schon an einer hinreichenden Grundlage für die Ausnahmeprüfung. Die wasserrechtliche Ausnahmeprüfung setzt voraus, dass zunächst die Auswirkungen auf die von negativen Veränderungen betroffenen Wasserkörper fehlerfrei erfasst und bewertet werden. Ist dies nicht der Fall, ist auch die Ausnahmeprüfung fehlerhaft. Die vom Bundesverwaltungsgericht insoweit zur Abweichungsprüfung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG entwickelten Grundsätze sind auch hier anwendbar.
Darüber hinaus fehlt eine Ausnahmeprüfung für die Küstengewässer."

166 b) Dagegen leidet der Planfeststellungsbeschluss nicht - wie der Kläger geltend macht - deswegen an einem Mangel, weil die erteilte Ausnahme nicht vor Zulassung des Vorhabens in einen Bewirtschaftungsplan aufgenommen worden ist. Gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 3 WHG sind Ausnahmen nach § 31 Abs. 2 WHG in den Bewirtschaftungsplan aufzunehmen. § 83 Abs. 2 Nr. 3 WHG erfordert aber zwingend nur eine nachträgliche Aufnahme. Vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses stehen weder das "Ob" des Ausbaus noch der konkrete Umfang der Gewässerbenutzungen fest. Ohne Kenntnis der konkreten Gewässerbenutzungen ist eine Einbeziehung des Vorhabens in die Bewirtschaftungsplanung indessen nicht abschließend möglich. Zudem verweist § 31 Abs. 1 Nr. 3 WHG ausdrücklich auf das Maßnahmenprogramm nach § 82 WHG; § 31 Abs. 2 WHG enthält demgegenüber eine solche Bezugnahme weder für das Maßnahmenprogramm noch für den Bewirtschaftungsplan.

167 Auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1. Juli 2015 folgt nichts Gegenteiliges. Dort heißt es unter Rn. 46, dass die Ausnahme gemäß Art. 4 Abs. 7 WRRL vom Verschlechterungsverbot nur unter der Bedingung gelte, dass alle praktikablen Vorkehrungen getroffen worden seien, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern, und dass die Maßnahmenprogramme und die Bewirtschaftungspläne entsprechend angepasst worden seien. Mit diesen Ausführungen hat der Gerichtshof an die zugehörigen Schlussanträge des Generalanwalts vom 23. Oktober 2014 - C-461/13 [ECLI:​EU:​C:​2014:​2324] - unter Rn. 76 angeknüpft, wonach die Ausnahme nur unter der Bedingung gelte, dass alle machbaren Vorkehrungen getroffen worden seien, um die negativen Auswirkungen auf den Zustand des Wasserkörpers zu mindern, und die Maßnahmenprogramme und die Bewirtschaftungspläne "in der Folge angepasst" worden seien. Aus dem Urteil des Gerichtshofs ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er hinsichtlich der zeitlichen Abfolge von einem umgekehrten Verständnis ausgeht.

168 3. Dem Planfeststellungsbeschluss kann nicht die Vereinbarkeit mit dem Verbesserungsgebot nach § 27 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 WHG attestiert werden.

169 Wie bereits erwähnt, stellt das Verbesserungsgebot ebenso wie das Verschlechterungsverbot eine bei der Vorhabenzulassung zu beachtende bindende Vorgabe dar. Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich ein Verstoß gegen dieses Gebot allerdings noch nicht aus der Annahme ableiten, dass die Vorhaben den im Bewirtschaftungsplan 2009 für die Flussgebietseinheit Weser vorgesehenen Verbesserungsmaßnahmen zuwiderliefen. Das Verschlechterungsverbot hätte keinerlei eigenständigen Gehalt, wenn jede Verschlechterung zugleich einen Verstoß gegen das Verbesserungsgebot darstellte. Eine Sperrwirkung entfaltet das Verbesserungsgebot vielmehr nur, wenn sich absehen lässt, dass die Verwirklichung eines Vorhabens die Möglichkeit ausschließt, die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie - hier also ein gutes ökologisches Potenzial und einen guten chemischen Zustand der Wasserkörper "Übergangsgewässer der Weser" und "Tidebereich oberhalb Brake" sowie einen guten Zustand der Außenweser - fristgerecht zu erreichen. Die Beklagte behauptet zwar, dass dies nicht der Fall sei. Eine entsprechende Prüfung findet sich aber weder im gutachterlichen Fachbeitrag noch im Planfeststellungsbeschluss. Ohne eine solche Prüfung und eine gegebenenfalls notwendige Ausnahmeprüfung nach § 31 Abs. 2 WHG kann ein Verstoß gegen das Verbesserungsgebot nicht ausgeschlossen werden.

170 VII. Der Planfeststellungsbeschluss verstößt zu Lasten der Belange von Umwelt und Natur gegen das fachplanungsrechtliche Abwägungsgebot (§ 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG). Die Beklagte hat zwar eine planerische Abwägung vorgenommen (PFB S. 1684 f.); sie ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die für den Ausbau der Unterweser und der Außenweser sprechenden Gründe gegenüber den nachteilig betroffenen öffentlichen und privaten Belangen einschließlich der Umweltverträglichkeit Vorrang genießen. Diese Abwägung beruht aber auf Fehlern bei der Zusammenstellung des Abwägungsmaterials und der Gewichtung der betroffenen Belange.

171 Wie im Hinweisbeschluss vom 11. Juli 2013 (Rn. 10 ff.) erwähnt, hat die Beklagte sich den Einstieg in eine ordnungsgemäße Abwägung schon im Ansatz dadurch verstellt, dass sie über die Zulassung der einzelnen Ausbauvorhaben aufgrund einer "Gesamtabwägung" der sogenannten Überlagerungsvariante - das heißt der gleichzeitigen Vertiefung von Außenweser und Unterweser - entschieden hat, anstatt selbstständige Abwägungen für jedes Einzelvorhaben vorzunehmen. Gegenstand der Abwägung sind nach § 14 Abs. 1 Satz 2 WaStrG die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange. Ein Vorhaben kann im Planfeststellungsbeschluss also nur dann zugelassen werden, wenn die für dieses Vorhaben sprechenden Gründe die gegen dieses Vorhaben sprechenden Gründe überwiegen. Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Umweltverträglichkeitsprüfung wurde oben bereits ausgeführt, dass die angefochtene Planfeststellung drei Vorhaben betrifft, nämlich den Ausbau der Außenweser, den Ausbau der Unterweser von Bremerhaven bis Brake und den Ausbau der Unterweser von Brake bis Bremen. Demgemäß hätte über jedes dieser Vorhaben auf der Grundlage einer gesonderten fachplanerischen Abwägung entschieden werden müssen. Die Ersetzung dieser Einzelabwägungen durch die stattdessen durchgeführte "Gesamtabwägung" findet im Gesetz keine Stütze; sie führt dazu, dass die für die drei Einzelvorhaben streitenden Belange einerseits und die von diesen Einzelvorhaben nachteilig berührten Belange andererseits jeweils miteinander vermengt werden und deshalb nicht bezogen auf die Einzelvorhaben zueinander ins Verhältnis gesetzt werden können.

172 Außerdem wirken die Fehler, die der Beklagten bei der Durchführung der verschiedenen umwelt- und naturschutzrechtlichen Prüfungen unterlaufen sind, auf die planerische Abwägung ein. Sie haben zur Folge, dass die Beeinträchtigungen von Umwelt und Natur zum Teil nicht ordnungsgemäß erfasst, zum Teil unzureichend gewichtet worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 - BVerwGE 128, 1 Rn. 162).

173 Die vorbezeichneten Abwägungsfehler sind erheblich im Sinne des § 14e Abs. 6 Satz 1 WaStrG a.F./§ 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG n.F. Fehlt für die Einzelvorhaben - wie hier - eine fachplanerische Abwägung völlig, liegt die Entscheidungserheblichkeit dieses Mangels auf der Hand. Auch für die außerdem vorliegenden Ermittlungs- und Bewertungsfehler ist ein Einfluss auf das Abwägungsergebnis nicht auszuschließen.

174 VIII. Die aufgezeigten materiellen Rechtsverstöße nötigen nicht zur Aufhebung, sondern nur zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Sie können nach der Fehlerfolgenregelung des § 14e Abs. 6 Satz 2 WaStrG a.F./§ 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG n.F. durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden, indem die erforderlichen zusätzlichen Ermittlungen und Bewertungen nachgeholt werden. Keiner dieser Verstöße ist von solcher Art, dass er von vornherein die Planung der jeweiligen Vorhaben als Ganzes in Frage stellt. Das gilt auch für die fehlerhaften Erwägungen zum Vorliegen eines Abweichungsgrundes nach § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG hinsichtlich des Ausbauvorhabens zwischen Brake und Bremen. Dass die Beklagte insoweit ihrer Substanziierungspflicht nicht genügt hat, schließt nicht aus, dass es ihr gelingt, in einem ergänzenden Verfahren den Abweichungsgrund tragfähig zu begründen.

175 Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO.