Beschluss vom 11.07.2002 -
BVerwG 3 B 84.02ECLI:DE:BVerwG:2002:110702B3B84.02.0

Beschluss

BVerwG 3 B 84.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 14.11.2001 - AZ: OVG 9 A 714/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juli 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. D r i e h a u s sowie die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht van S c h e w i c k und
Dr. B r u n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. November 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 724 028,80 € festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO liegen nicht vor.
1. Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem in der Beschwerde bezeichneten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Oktober 1989 (- BVerwG 4 C 11.86 - NJW 1990 S. 849) ab. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nur vor, wenn der angegriffenen Entscheidung ein abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt, der im Widerspruch zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen in der Vorschrift genannten Gerichts aufgestellten Rechtssatz steht. Das ist, wie die Beschwerde selbst ausführt, nicht der Fall. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung den Grundsatz zugrunde gelegt, dass die Gültigkeit einer Rechtsverordnung nicht von der Fortdauer ihrer Ermächtigungsgrundlage abhängig ist, dass sie aber - vorbehaltlich abweichender Übergangsbestimmungen - dann außer Kraft tritt, wenn sie ihrem Inhalt nach mit einem späteren Gesetz nicht mehr im Einklang steht. Dies stimmt wörtlich mit dem vom Bundesverwaltungsgericht in der angeführten Entscheidung aufgestellten Rechtssatz überein. Ob das Berufungsgericht diesen Rechtssatz zutreffend angewandt hat, ist keine Frage der Divergenz. Das erhellt schon aus der Tatsache, dass sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. Oktober 1989 mit der aus Sicht der Beschwerde unrichtig beantworteten Frage der Berechnung der Gebühren für Geflügelhygienekontrollen nach der Zahl der untersuchten Tiere oder nach deren Gewicht nicht befasst hat.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit einer "geltungserhaltenden Reduktion" einer teilweise im Widerspruch zu höherrangigem Recht stehenden Rechtsverordnung bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. In der Sache verbirgt sich dahinter die Frage nach einer Teilnichtigkeit von Rechtsnormen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass nach den in § 139 BGB und § 44 Abs. 4 VwVfG niedergelegten Rechtsgrundsätzen ein Rechtsakt jedenfalls dann nicht insgesamt unwirksam ist, wenn die Unwirksamkeitsgründe einen abgrenzbaren Teil erfassen und feststeht, dass der übrige Rechtsakt gegebenenfalls auch ohne diesen Teil erlassen worden wäre.
Klärungsbedarf im Hinblick auf diesen ansonsten nicht in Frage gestellten Grundsatz sieht die Beschwerde in der Frage, inwieweit er auch bei fehlender bewußter Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Bestimmungen Platz greift. Diese Frage bedarf jedoch schon deshalb keiner weiteren Klärung, weil sie gerade für den hier in Rede stehenden Bereich vom Europäischen Gerichtshof bereits beantwortet ist. Im Urteil vom 9. September 1999 (- Rs C-374/97 - "Feyrer" hat der Gerichtshof ausgesprochen, wenn ein Mitgliedstaat die Richtlinie 85/73/EWG in der Fassung der Richtlinie 93/118/EG innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht umgesetzt habe, so könne ein Einzelner sich der Erhebung von höheren Gebühren als den im Anhang Kapitel I Nr. 1 festgesetzten Pauschalbeträgen nicht widersetzen, sofern diese Gebühren die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschreiten. Daraus folgt, dass die Inanspruchnahme des Gebührenschuldners aufgrund alter nationalstaatlicher Regelungen nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die genannten Richtlinien vom Mitgliedstaat nicht fristgerecht umgesetzt worden sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.