Beschluss vom 11.06.2007 -
BVerwG 10 B 32.07ECLI:DE:BVerwG:2007:110607B10B32.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.06.2007 - 10 B 32.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:110607B10B32.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 32.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 20.07.2006 - AZ: OVG 9 A 82/06.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Juni 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 20. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

2 1. Die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, ob § 73 Abs. 2a AsylVfG auf Widerrufsentscheidungen anzuwenden ist, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind, ist inzwischen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - (zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen) geklärt. An der diesem Urteil zugrunde liegenden gemeinsamen mündlichen Verhandlung in mehreren Verfahren war auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beteiligt. § 73 Abs. 2a AsylVfG findet danach zwar grundsätzlich auch auf den nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf von Anerkennungen, die vor diesem Zeitpunkt unanfechtbar geworden sind, Anwendung, allerdings mit der Maßgabe, dass die darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) spätestens erstmals die Widerrufsvoraussetzungen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005 an zu laufen beginnt. Auch bei derartigen Alt-Anerkennungen kommt eine Ermessensentscheidung über den Widerruf, wie sie die Beschwerde verlangt, nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG erst in Betracht, wenn das Bundesamt in einem vorangegangenen Verfahren die Widerrufsvoraussetzungen sachlich geprüft und verneint hat (Negativentscheidung). Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung eine Ermessensentscheidung des Bundesamts im Falle der Klägerin nicht für erforderlich gehalten. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage rechtfertigt daher zum jetzigen, für die Beschwerdeentscheidung insoweit maßgeblichen Zeitpunkt weder die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung noch wegen einer nachträglichen Divergenz.

3 2. Auch die zweite von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage, welcher Prognosemaßstab bei der Feststellung anzuwenden ist, dass dem betreffenden Flüchtling bei einer Rückkehr in sein Heimatland nunmehr nicht auch aus anderen Gründen Verfolgung droht, insbesondere nicht durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG, ist bereits rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26; bestätigt durch das oben bereits zitierte Urteil vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - juris Rn. 20). Danach ist, wenn einem anerkannten Flüchtling im Falle des Widerrufs bei der Rückkehr in seinen Heimatstaat keine Verfolgungswiederholung, sondern eine gänzlich neue und andersartige Verfolgung droht, der allgemeine Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden (vgl. schon die Beschlüsse vom 14. November 2006 - BVerwG 1 B 220.06 - und vom 7. Dezember 2006 - BVerwG 1 B 258.06 - zu entsprechenden Rügen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin). Dass und inwiefern der Fall der Klägerin Anlass zu erneuter oder weitergehender Klärung der Frage in einem Revisionsverfahren geben soll, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen.

4 Weitere rechtsgrundsätzliche Fragen werden von der Beschwerde nicht - wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich - aufgeworfen und dargelegt.

5 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Hierzu weist der Senat darauf hin, dass der Gegenstandswert bei Klagen auf Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 3 000 € beträgt (vgl. Beschluss vom 21. Dezember 2006 - BVerwG 1 C 29.03 - juris).