Beschluss vom 11.05.2006 -
BVerwG 4 B 5.06ECLI:DE:BVerwG:2006:110506B4B5.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.05.2006 - 4 B 5.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:110506B4B5.06.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 5.06

  • OVG Rheinland-Pfalz - 10.11.2005 - AZ: OVG 1 A 10809/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Mai 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. November 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 156 690 € festgesetzt.

Gründe

1 Bereits die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde begegnet erheblichen Bedenken (1.). Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn die Beschwerde bleibt jedenfalls in der Sache ohne Erfolg (2.).

2 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beigeladenen ist - wie jedes andere Rechtsmittel - nur dann zulässig, wenn die Beigeladene durch die angegriffene Entscheidung materiell beschwert ist (stRspr, vgl. Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 10.00 - BVerwGE 112, 335). Ein - einfach - Beigeladener ist materiell beschwert, wenn er geltend machen kann, auf Grund der Bindungswirkung des angefochtenen Urteils nach § 121 VwGO präjudiziell und unmittelbar in seinen subjektiven Rechten beeinträchtigt zu werden (Urteil vom 18. April 1997 - BVerwG 3 C 3.95 - BVerwGE 104, 289).

3 Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres zu bejahen. Die beigeladene Verbandsgemeinde wendet sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Berufungsgerichts, das eine andere (benachbarte) Verbandsgemeinde verpflichtet hat, den Bauantrag der Klägerin zur Errichtung von zwei Windenergieanlagen auf ihrem Gebiet positiv zu bescheiden. Die Beklagte hat gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel eingelegt. Die beigeladene Verbandsgemeinde macht Belange der Raumordnung und Landesplanung und des Denkmalschutzes sowie das Erfordernis einer förmlichen Bauleitplanung für derartige Windenergieanlagen geltend. Es erscheint äußerst zweifelhaft, ob damit die Verletzung eigener Rechte der Beigeladenen geltend gemacht wird. Dies ist bisher in keiner der Vorinstanzen geprüft worden. In einer derartigen Situation ist es Sache der Beschwerdeführerin, auch ihre Beschwer als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde näher darzulegen. Diesem Erfordernis ist die Beschwerde jedoch nicht nachgekommen.

4 Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Umstand, dass die erstrebte Baugenehmigung in der Zwischenzeit erteilt worden ist, der Zulässigkeit der Beschwerde nicht entgegen, denn die Beigeladene hat gegen diese Entscheidung Widerspruch eingelegt.

5 2.1 Die Divergenzrüge bleibt ohne Erfolg. Eine die Revision eröffnende Abweichung, also ein Widerspruch im abstrakten Rechtssatz, läge nur vor, wenn das Berufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen wäre. Dieser Zulassungsgrund muss in der Beschwerdeschrift nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der als solche miteinander in unmittelbarem Widerspruch stehenden, entscheidungstragenden Rechtssätze bezeichnet werden. Die - behauptete - unrichtige Anwendung eines vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten und vom Berufungsgericht nicht in Frage gestellten Rechtsgrundsatzes auf den zu entscheidenden Einzelfall rechtfertigt dagegen nicht die Zulassung der Revision (stRspr).

6 Die Beschwerde sieht eine Divergenz zum Urteil des Senats vom 27. Januar 2005 - BVerwG 4 C 5.04 - (BVerwGE 122, 364). In diesem Urteil hat der Senat zu den Voraussetzungen, unter denen ein in Aufstellung befindliches Ziel der Raumordnung als öffentlicher Belang im Rahmen des § 35 BauGB berücksichtigungsfähig ist, ausgeführt:
Der inhaltlich konkretisierte Entwurf der Zielfestlegung muss die hinreichend sichere Erwartung rechtfertigen, dass er über das Entwurfsstadium hinaus zu einer verbindlichen Vorgabe im Sinne des § 3 Nr. 2 ROG erstarken wird. Es würde dem Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zuwiderlaufen, ein ansonsten zulässiges Vorhaben an Zielvorstellungen des Planungsträgers scheitern zu lassen, bei denen noch nicht absehbar ist, ob sie je als zukünftiges Ziel der Raumordnung Außenwirksamkeit entfalten werden. Die Planung muss ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Diesem Erfordernis ist erst dann genügt, wenn ein Planungsstand erreicht ist, der die Prognose nahe legt, dass die ins Auge gefasste planerische Aussage Eingang in die endgültige Fassung des Raumordnungsplans finden wird. Davon kann keine Rede sein, solange der Abwägungsprozess gänzlich offen ist. Gerade bei Plänen, die auf der Grundlage des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB aufgestellt werden, bedarf es eines Gesamtkonzepts, das dadurch gekennzeichnet ist, dass eine positive Ausweisung, die für eine bestimmte Nutzung substanziellen Raum schafft, mit einer Ausschlusswirkung an anderer Stelle kombiniert wird. Diese Wechselbezüglichkeit von positiver und negativer Komponente bringt es in der Regel mit sich, dass der Abwägungsprozess weit fortgeschritten sein muss, bevor sich hinreichend sicher abschätzen lässt, welcher der beiden Gebietskategorien ein im Planungsraum gelegenes einzelnes Grundstück zuzuordnen ist.
Das bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass die zukünftige Ausschlusswirkung eines in Aufstellung befindlichen Ziels einem Außenbereichsvorhaben erst dann entgegengehalten werden kann, wenn der Planungsträger die abschließende Abwägungsentscheidung getroffen hat und es nur noch von der Genehmigung und der Bekanntmachung abhängt, dass eine Zielfestlegung entsteht, die die in § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB genannten Merkmale aufweist. Lässt sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt absehen, dass die Windkraftanlage auf einem Grundstück errichtet werden soll, das in einem Raum liegt, der für eine Windenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Gründen erkennbar nicht in Betracht kommt, so ist das insoweit in Aufstellung befindliche Ziel der Raumordnung schon in dieser Planungsphase im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigungsfähig. Ob und wie lange vor der abschließenden Beschlussfassung sich die Planung gegebenenfalls in Richtung Ausschlusswirkung verfestigen kann, beurteilt sich nach den jeweiligen Verhältnissen vor Ort. Je eindeutiger es nach den konkreten Verhältnissen auf der Hand liegt, dass der Bereich, in dem das Baugrundstück liegt, Merkmale aufweist, die ihn als Ausschlusszone prädestinieren, desto eher ist die Annahme gerechtfertigt, der Plangeber werde diesem Umstand in Form einer negativen Zielaussage Rechnung tragen. Zur Zeit des Berufungsurteils hatte die Beigeladene zu 2 sogar schon eine abschließende Entscheidung über Zahl, Lage und Größe der für die Windenergienutzung vorgesehenen und der von Windkraftanlagen grundsätzlich freizuhaltenden Flächen getroffen. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte der Kläger nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht mehr mit einer Einbeziehung des Baugrundstücks in das in der Nachbarschaft ausgewiesene Vorranggebiet rechnen.

7 Anders als die Beschwerde vermag der Senat den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen, dass dieses einen hiervon abweichenden Rechtssatz aufgestellt hätte. Zwar verweist das Oberverwaltungsgericht nicht ausdrücklich auf die genannte Senatsentscheidung, sondern nimmt lediglich Bezug auf sein Urteil vom 27. November 2003 - 1 A 10672/03.OVG - sowie das Urteil des Senats vom 13. März 2003 - BVerwG 4 C 3.02 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 356 = ZfBR 2003, 469). Der Formulierung des Oberverwaltungsgerichts, der Planentwurf habe „keine Planreife“ erlangt und es liege lediglich ein Entwurf zur Anhörung und Auslegung vor (UA S. 10), kann jedoch entnommen werden, dass es in der Sache keine anderen Grundsätze aufstellen wollte, als sie der beschließende Senat formuliert hat. Denn auch nach der oben wörtlich zitierten Auffassung des beschließenden Senats ist eine deutlich erkennbare Verfestigung der Planung erforderlich, die bereits ein ausgewogenes Gesamtkonzept erfordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Standorte der geplanten Windenergieanlagen in einem Raum liegen, der für eine Windenergienutzung von vornherein tabu ist oder aus sonstigen Gründen erkennbar nicht in Betracht kommt, hat das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt. Andernfalls hätte es die Beklagte nicht verpflichten können, die Bauanträge der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts positiv zu bescheiden. Schon aus diesem Grund lag es fern, dass der Planentwurf vor der abschließenden Abwägung ein genügendes Maß an Verlässlichkeit bieten könnte, um auf der Genehmigungsebene als Versagungsgrund zu dienen. Das Oberverwaltungsgericht hatte deshalb keine Veranlassung, sich mit dieser Möglichkeit näher auseinander zu setzen.

8 Soweit die Beigeladene in der Beschwerdebegründung weiteren Sachverhalt vorträgt, aus dem sie ableitet, dass der Entwurf zum regionalen Raumordnungsplan doch bereits die erforderliche Verfestigung aufgewiesen habe, kann dies im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen ist die Klägerin dem mit weiterem Vortrag entgegengetreten.

9 2.2 Das Beschwerdevorbringen ergibt auch nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr).

10 2.2.1 Die Beschwerde wirft die Frage auf, ob eine Rechtsverordnung, deren Ermächtigungsgrundlage weggefallen ist, weiter gilt, wenn nicht gleichzeitig die intendierte Weitergeltung im Gesetzestext übernommen wird. Hintergrund der Fragestellung sind die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Zuständigkeit der beklagten Verbandsgemeinde als untere Bauaufsichtsbehörde. Diese beruht auf einer Verordnung aus dem Jahre 1975, die nicht durch spätere Verordnungen aufgehoben worden ist. Nach § 57 Abs. 2 Satz 2 der Landesbauordnung Rheinland-Pfalz vom 28. November 1986 bleiben die bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes bestehenden Aufgabenübertragungen unberührt. Allerdings ist dieser Hinweis in späteren Fassungen der Landesbauordnung nicht wiederholt worden.

11 Mit dieser Fragestellung wird keine revisible Frage aufgeworfen. Denn die Bestimmung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde erfolgt durch Landesrecht. Dass die zuständige Behörde dann gegebenenfalls auch Bundesrecht anzuwenden hat, verleiht der Frage keinen bundesrechtlichen Bezug.

12 2.2.2 Auch die Frage, ob der öffentliche Belang des Denkmalschutzes erst dann einem Vorhaben im Außenbereich entgegensteht, wenn das Denkmal durch das zu beurteilende Vorhaben geradezu zerstört wird, oder schon dann, wenn es den landschaftsprägenden Eindruck eines benachbarten Denkmals stört, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Denn das Oberverwaltungsgericht hat nicht die Voraussetzung aufgestellt, dass das Denkmal durch das zu beurteilende Vorhaben „geradezu zerstört“ werde. Vielmehr ist es zu dem Ergebnis gelangt, im Hinblick auf den Abstand von ca. 4 km müsse eine erhebliche Beeinträchtigung verneint werden.

13 2.2.3 Die Frage, ob einer Windenergieanlage ein förmliches Planerfordernis entgegengehalten werden kann, ist in der Rechtsprechung des Senats bereits verneinend entschieden. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 11. August 2004 - BVerwG 4 B 55.04 - (Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 363 = ZNER 2004, Nr. 4, 404) näher dargelegt, dass jedenfalls im Grundsatz bei Anlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB das durch die Planungsbefugnisse nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ergänzte Konditionalprogramm in § 35 Abs. 1 BauGB die Zulässigkeit von derartigen Anlagen ausreichend zu steuern vermag und kein Anlass besteht, für Windenergieanlagen einen hiervon abweichenden Rechtsgrundsatz aufzustellen.

14 2.2.4 Die Frage, ob im Spannungsverhältnis zwischen Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BauGB und förmlichem Landschaftsschutz grundsätzlich die Privilegierung hinter den förmlichen Landschaftsschutz zurücktritt, ist nicht entscheidungserheblich, denn die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts beruht nicht auf der Annahme eines derartigen „grundsätzlichen Zurücktretens“. Vielmehr hat es eine Würdigung anhand der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls vorgenommen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets eher als gering zu gewichten sei (UA S. 11). Im Übrigen entzieht sich die Frage nach der Gewichtung des Landschaftsschutzes einer weiteren grundsätzlichen Klärung.

15 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

16 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.