Beschluss vom 11.04.2003 -
BVerwG 1 B 82.03ECLI:DE:BVerwG:2003:110403B1B82.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.04.2003 - 1 B 82.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:110403B1B82.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 82.03

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 12.12.2002 - AZ: OVG 1 L 239/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht H u n d und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Der Antrag des Beigeladenen auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2002 wird verworfen.
  3. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die beantragte Prozesskostenhilfe kann dem Beigeladenen nicht gewährt werden, weil seine Beschwerde aus den nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).
Die Beschwerde des Beigeladenen ist unzulässig. Sie beruft sich zwar auf die Revisionsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO), legt aber die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob Berg-Karabach eine inländische Fluchtalternative darstellt" (Beschwerdebegründung S. 1). Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine derartige Frage lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage, ob das Gebiet von Berg-Karabach für den aus Aserbaidschan geflohenen Beigeladenen eine geeignete Fluchtalternative darstellt, zielt nicht auf eine bestimmte klärungsfähige Rechtsfrage, sondern betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in Berg-Karabach. Dies gilt auch für die von der Beschwerde hierzu angesprochenen weiteren Fragen, ob Personen nicht karabachischer Herkunft wie der Kläger in Berg-Karabach aufgenommen werden (Beschwerdebegründung S. 3) und ob ihnen im Falle ihrer Aufnahme die Gefahr droht, zu militärischen Kriegseinsätzen herangezogen zu werden (Beschwerdebegründung S. 2). Auch mit der Frage, "ob Berg-Karabach asylrechtlich noch zu Aserbaidschan gehört oder ob es als asylrechtliches Ausland anzusehen ist" (Beschwerdebegründung S. 1), wendet sich die Beschwerde - wie die weiteren Ausführungen hierzu zeigen - in erster Linie gegen die tatrichterliche Einschätzung der politischen Verhältnisse und die Beurteilung, dass die Berg-Karabach-Frage offen sei. Sie meint, dass die "Darstellung" des Berufungsgerichts "der Bewertung der aufgeworfenen Frage nicht gerecht" werde und dass nach ihrer Ansicht "Aserbaidschan nicht, jedenfalls nicht auf friedlichem Wege, die Gebietshoheit über Berg-Karabach" gewinnen werde. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
Die Beschwerde sieht in mehreren Punkten eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (Beschwerdebegründung S. 4 ff.), legt jedoch nicht - wie erforderlich - dar, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits unter Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen Auffassung des Berufungsgerichts auf die als aufklärungsbedürftig bezeichneten Tatsachen ankommt. Der Beigeladene rügt zunächst, das Gericht habe nicht aufgeklärt, "welche finanziellen Mittel für den Aufbau einer Existenzgrundlage für Neuankömmlinge in Berg-Karabach erforderlich sind" (Beschwerdebegründung S. 4). Es fehle auch an gerichtlichen Ermittlungen, "welche Beträge Rückkehrer aus Deutschland regelmäßig bei sich führten, als sie nach Berg-Karabach kamen" sowie an einer Befragung des Beigeladenen, welche Ersparnisse er habe (Beschwerdebegründung S. 4). Die Beschwerde legt jedoch nicht dar, dass es auf entsprechende Sachverhaltsermittlungen für die Entscheidung des Rechtsstreits überhaupt ankommt. Hierzu hätte insbesondere deshalb Veranlassung bestanden, weil das Berufungsgericht - die Entscheidung selbständig tragend - das wirtschaftliche Existenzminimum für Rückkehrer nach Berg-Karabach allgemein schon deshalb als gesichert sieht, weil ganz Überwiegendes dafür spreche, dass arbeitsfähige Neuankömmlinge in der Lage sein werden, in der karabachischen Arbeitswelt Fuß zu fassen (UA S. 19). Das Gericht verweist insoweit auf die verhältnismäßig niedrige Arbeitslosenquote (6,5 %) und die insgesamt positive Zukunftsprognose hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Das gelte insbesondere auch für den Beigeladenen, der gelernter Bauarbeiter sei.
Entsprechendes gilt für die weiteren - die Hilfsbegründung einer jedenfalls nicht verfolgungsbedingten Existenzgefahr betreffenden - Rügen, so auch dazu, das Berufungsgericht habe die persönlichen Lebensumstände des Beigeladenen vor seiner Ausreise aus Aserbaidschan nicht ermittelt (Beschwerdebegründung S. 5). Außerdem verkennt die Beschwerde, dass für die Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, auf die insoweit maßgebliche materielle Rechtsauffassung des Berufungsgerichts abzustellen ist. Nach dessen Rechtsauffassung war für den Vergleich der Lebensverhältnisse auf den Zeitpunkt der Rückkehr abzustellen (UA S. 20 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 9. September 1997 - BVerwG 9 C 43.96 - BVerwGE 105, 204 <212>). Abgesehen davon, dass es hierauf - wie ausgeführt - nicht entscheidungstragend ankommt, ist die von der Beschwerde hierzu unter Berufung auf den Beschluss des Senats vom 31. Juli 2002 - BVerwG 1 B 128.02 - zugleich aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Sie ist vielmehr bereits - im Sinne der Annahme des Berufungsgerichts - rechtsgrundsätzlich geklärt (vgl. etwa auch Urteil vom 5. Oktober 1999 - BVerwG 9 C 15.99 - BVerwGE 109, 353 <355 f.> unter Bezugnahme auf das vom Berufungsgericht zitierte Urteil vom 9. September 1997 - BVerwG 9 C 43.96 - BVerwGE 105, 204 <211 ff.>). Weshalb sich die Frage im Hinblick auf den zitierten Beschluss und den dort maßgeblichen Sachverhalt im vorliegenden Fall erneut stellen sollte, legt die Beschwerde nicht dar.
Auch alle folgenden, ebenfalls den Vergleich zwischen der wirtschaftlichen Situation am Herkunftsort und im Gebiet der Fluchtalternative betreffenden Rügen sind mangels Darlegung der Entscheidungserheblichkeit nicht schlüssig erhoben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.