Beschluss vom 11.02.2011 -
BVerwG 2 WDB 1.11ECLI:DE:BVerwG:2011:110211B2WDB1.11.0

Beschluss

BVerwG 2 WDB 1.11

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
am 11. Februar 2011 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des früheren Soldaten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 4. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem früheren Soldaten auferlegt.

Gründe

I

1 Die 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat den früheren Soldaten durch Urteil vom 9. November 2010 wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Oberleutnants der Reserve herabgesetzt. Eine Ausfertigung des vollständigen Urteils wurde dem früheren Soldaten am 17. November 2010 zugestellt. Die dem Urteil beigefügte Rechtsmittelbelehrung lautete:
„Gegen dieses Urteil ist die Berufung an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.
Die Berufung ist bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Truppendienstgericht Süd - 1. Kammer -, Dachauer Straße 128, Gebäude 18,
80637 München, einzulegen und zu begründen.
Die Berufungsfrist wird auch gewahrt, wenn während ihres Laufes die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate -, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, eingelegt wird.
Die Frist ist nur gewahrt, wenn das Schriftstück innerhalb der Frist bei Gericht eingeht oder wenn das Protokoll oder die Niederschrift in der Frist aufgenommen wird.
In der Berufungsschrift ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen sowie anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden. Die Anträge sind zu begründen.“

2 Gegen dieses Urteil hat der frühere Soldat mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2010, beim Bundesverwaltungsgericht per Telefax eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift lautet:
Betreff: Disziplinarverfahren des Truppendienstgerichts Süd, Az: S 1 VL 15/08
Sehr geehrte Damen und Herren,
Bezug nehmend auf o.g. Disziplinarverfahren und in diesem Zusammenhang verkündetes Urteil, ausgefertigt am 16.11.2010 und zugestellt am 17.11.2010 lege ich fristgerecht Berufung gegen das Urteil und das daraus abgeleitete Strafmaß ein.
Eine ausführliche Begründung folgt.
Mit freundlichen Grüßen
(Unterschrift)
...
Hptm d.Res.
Dipl.-Ing.

3 Mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 4. Januar 2011 hat der Vorsitzende der 1. Kammer des Truppendienstgerichts Süd die Berufung des früheren Soldaten als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil sie innerhalb der Berufungsfrist nicht begründet worden sei.

4 Mit Schreiben vom 7. Januar 2011, das am selben Tage per Telefax beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen ist, hat der frühere Soldat einen „Antrag auf Wiederherstellung der Berufungsfrist“ gestellt und zur Begründung ausgeführt, bei einer telefonischen Rücksprache habe Oberamtsrat S... vom Bundesverwaltungsgericht geäußert, ein fristgerechter Antrag auf Berufung könne nur im Zusammenhang mit einer Begründung berücksichtigt werden. Dieser Sachverhalt habe sich ihm, dem früheren Soldaten, aus der Rechtsbehelfsbelehrung so nicht erschlossen. Zugleich hat der frühere Soldat die eingelegte Berufung umfangreich begründet.

5 Mit weiterem Schreiben vom 1. Februar 2011 hat der frühere Soldat gegen den Beschluss vom 4. Januar 2011 Beschwerde eingelegt und ausgeführt, aus der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung sei nicht ersichtlich, dass mit der Berufung zeitgleich eine Begründung einzureichen sei. Dies folge aus dem Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, dass die Berufungsfrist auch dann gewahrt werde, wenn während ihres Laufes die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt werde und aus dem weiteren Hinweis, dass die Frist nur gewahrt werde, wenn das Schriftstück innerhalb der Frist bei Gericht eingehe oder wenn das Protokoll oder die Niederschrift innerhalb der Frist aufgenommen werde. Aus diesem Grund habe er die Berufung fristgemäß eingelegt und angekündigt, eine Begründung nachzureichen. Seine finanzielle Situation erlaube es ihm nicht, sich durch einen Rechtsbeistand vertreten zu lassen.

6 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten, die Akten des Truppendienstgerichts Süd - S 1 VL 15/08 - und die Akten BVerwG 2 WD 42.10 Bezug genommen.

II

7 Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat die Berufung des früheren Soldaten zu Recht gem. § 117 Satz 1 WDO als unzulässig verworfen.

8 1. Nach § 115 Abs. 1 WDO ist gegen das Urteil des Truppendienstgerichts bis zum Ablauf eines Monats nach seiner Zustellung die Berufung an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Berufung ist bei dem Truppendienstgericht einzulegen (§ 116 Abs. 1 Satz 1 WDO). Die Berufungsfrist wird auch gewahrt, wenn während ihres Laufes die Berufung beim Bundesverwaltungsgericht eingelegt wird (§ 116 Abs. 1 Satz 2 WDO). Nach § 116 Abs. 2 Satz 1 WDO ist in der Berufungsschrift das angefochtene Urteil zu bezeichnen und anzugeben, inwieweit es angefochten wird und welche Änderungen beantragt werden. Die Anträge sind zu begründen (§ 116 Abs. 2 Satz 2 WDO). Diesen Anforderungen entspricht die am 17. Dezember 2010 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangene Berufungsschrift nicht. Da das Urteil dem früheren Soldaten am 17. November 2010 zugestellt wurde, endete die Berufungsfrist mit Ablauf des 17. Dezember 2010. Die Berufungsschrift ist daher zwar innerhalb der Berufungsfrist und damit rechtzeitig eingegangen. Sie enthielt aber entgegen der Regelung des § 116 Abs. 2 WDO keine Angaben darüber, in welchem Umfang das Urteil angefochten werden soll (in vollem Umfang einschließlich der Feststellungen des Truppendienstgerichts zum Sachverhalt und zur rechtlichen Würdigung oder nur beschränkt auf die verhängte Maßnahme) und welche Anträge gestellt werden sollen (Freispruch oder mildere Disziplinarmaßnahme). Insbesondere enthielt die Berufungsschrift keinerlei Begründung dafür, warum der frühere Soldat das angefochtene Urteil für fehlerhaft hält.

9 2. Dem früherem Soldaten kann auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Zwar ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht nur wegen Versäumung einer Frist, sondern auch dann möglich, wenn die an sich fristgerechte Prozesshandlung der - hier durch § 116 Abs. 2 WDO - vorgeschriebenen Form entbehrt und dieser Formmangel nicht innerhalb der Frist geheilt worden ist (Beschluss vom 9. Dezember 1975 - BVerwG 1 DB 17.75 - DokBer B 1976, 126).

10 Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO in Verbindung mit § 44 Satz 1 StPO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war eine Frist einzuhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO, § 91 Abs. 1 Satz 2 WDO). Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Handlung nachzuholen (§ 45 Abs. 2 Satz 2 StPO).

11 a) Nach dem von Oberamtsrat S... von der Geschäftsstelle des Bundesverwaltungsgerichts gefertigten Vermerk vom 7. Februar 2011 hat das Telefonat mit dem früheren Soldaten am 20. Dezember 2010 stattgefunden. Der Anrufer habe sich erkundigt, ob es stimme, dass die Berufung auch innerhalb der Berufungsfrist begründet werden müsse. Dies sei ihm bestätigt worden. Das Hindernis für die rechtzeitige Begründung der Berufung war daher spätestens am 20. Dezember 2010 weggefallen. Die zweiwöchige Antragsfrist endete daher am Montag, dem 3. Januar 2011. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und insbesondere die fehlende Berufungsbegründung sind aber erst am 7. Januar 2011 beim Bundesverwaltungsgericht eingegangen.

12 b) Im Übrigen war die Versäumung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung auch nicht unverschuldet im Sinne des § 44 Satz 1 StPO. Der Antragsteller ist in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend darüber belehrt worden, dass innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat die Berufung „einzulegen und zu begründen“ ist. Auch wenn in den beiden folgenden Absätzen - wie der frühere Soldat ausführt - nur dargelegt wird, bei welcher Stelle die Berufung auch eingelegt werden kann und dass zur Fristwahrung der Zugang der Berufungsschrift beim Gericht maßgeblich ist, werden die Anforderungen an den Inhalt der Berufungsschrift im letzten Absatz der Rechtsmittelbelehrung unter wörtlicher Wiederholung des § 116 Abs. 2 WDO zutreffend umschrieben. Danach muss in der Berufungsschrift angegeben werden, in welchem Umfang das Urteil angefochten wird, welche Anträge gestellt werden. Diese Anträge sind zu begründen. Für einen Soldaten im Dienstgrad eines Hauptmanns kann aufgrund dieser eindeutigen Formulierungen in der Rechtsmittelbelehrung nicht zweifelhaft sein, dass eine Berufungsschrift ohne jede Begründung und unter Hinweis auf eine nachzureichende Begründung den Anforderungen, wie sie in der Rechtsmittelbelehrung beschrieben waren, nicht entspricht. Der Formmangel der Berufungsschrift war daher nicht unverschuldet.

13 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 2, § 140 Abs. 5 Satz 2 WDO.