Beschluss vom 11.02.2009 -
BVerwG 4 BN 2.09ECLI:DE:BVerwG:2009:110209B4BN2.09.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 2.09

  • OVG Berlin-Brandenburg - 15.10.2008 - AZ: OVG 2 A 5.08

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Februar 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und Petz
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

3 a) Die Beschwerde möchte grundsätzlich geklärt wissen, ob die öffentlichen hinter die privaten Belange mit der Folge zurückzutreten haben, dass eine Überplanung nicht erfolgen kann, wenn die Gemeinde zuvor bereits weitere Grundstücke des betroffenen Grundstückseigentümers in unmittelbarer Nähe des vom Bebauungsplan betroffenen Grundstücks überplant bzw. anderweitig der Nutzung des Grundstückseigentümers entzogen hat und durch den weiteren Bebauungsplan dem betroffenen Grundstückseigentümer sein letzter werthaltiger Vermögenswert entzogen wird. Sie scheitert bereits daran, dass das Normenkontrollgericht die für die Beantwortung der Frage maßgeblichen Tatsachen nicht festgestellt, sondern nur als behauptet angesehen (UA S. 23) und damit der Sache nach offen gelassen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision aus, wenn die Vorinstanz eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschluss vom 28. Dezember 1998 - BVerwG 9 B 197.98 - juris; Beschluss vom 28. November 2005 - BVerwG 4 B 66.05 - ZfBR 2006, 159). Darüber hinaus kommt der aufgeworfenen Frage grundsätzliche Bedeutung nicht zu, weil sie auf die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zugeschnitten ist. Soweit die Grundsatzrüge in der Sache erkennbar auch auf den vom Normenkontrollgericht formulierten Rechtssatz abzielt, derartige Gesichtspunkte müssten „schon deshalb außer Betracht bleiben, weil sie nicht an die Grundstückssituation, sondern an Verhältnisse in der Person des Grundstückseigentümers anknüpfen, was dem Planungsrecht grundsätzlich fremd ist“ (UA S. 23), rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Zulassung der Revision, weil sich die rechtliche Tragfähigkeit dieses Rechtssatzes ohne weiteres auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten lässt (vgl. z. B. Beschluss vom 5. Oktober 2005 - BVerwG 4 BN 39.05 - BRS 69 Nr. 14).

4 b) Die Rechtssache hat nicht deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil das Normenkontrollgericht die Frage, ob bei den privaten Belangen im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB a.F. bzw. § 1 Abs. 7 BauGB n.F. zu berücksichtigen ist, dass die zulässige Nutzung eines Grundstücks nach mehr als sieben Jahren ab Zulässigkeit durch einen Bebauungsplan aufgehoben oder geändert wurde und sich dadurch die Entschädigung nach § 42 Abs. 3 BauGB auf die Eingriffe in die ausgeübte Nutzung reduziert, anders beantwortet habe als das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 5. April 2000 - 1 K 4846/98 - (BauR 2000, 1445). Die Beschwerde lässt außer Acht, dass die Fallgestaltung, über die das OVG Lüneburg zu entscheiden hatte, sich von der vorliegenden dadurch unterscheidet, dass das Grundstück des Antragstellers im Verfahren vor dem OVG Lüneburg Bauland war, während das Normenkontrollgericht die Baulandqualität des Kleingartengeländes verneint und einen Unterfall der Grünflächennutzung angenommen hat (UA S. 13). Auf diesen Unterschied ist bereits im Normenkontrollurteil hingewiesen worden (UA S. 23).

5 c) Die Grundsatzrevision ist ferner nicht zuzulassen, um zu klären, ob bei der Überplanung eines Grundstücks als Grünfläche mit der Zweckbestimmung "private Dauerkleingärten" im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB a.F./§ 1 Abs. 7 BauGB n.F. bei der Frage, ob bereits auf dem Grundstück eine Kleingartenanlage vorhanden ist oder nicht, auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundeskleingartengesetzes am 3. Oktober 1990 oder auf den Zeitpunkt der Abwägung durch die Gemeinde abzustellen ist. Die Beschwerde legt nicht dar, dass ihre Grundsatzfrage entscheidungserheblich ist. Das Normenkontrollgericht hat sie offen gelassen, weil das Plangebiet nach seinen Feststellungen sowohl am 3. Oktober 1990 als auch am 18. Oktober 2005 faktisch eine Kleingartenanlage war (UA S. 19). Dem liegt der rechtliche Ansatz zugrunde, dass es darauf ankommt, wie das Gebiet zum maßgeblichen Zeitpunkt, welcher das auch sei, tatsächlich geprägt war. Da die Beschwerde diesen Ansatz nicht in Zweifel zieht, gehen ihre Ausführungen zum Verhältnis zwischen dem Bundeskleingartengesetz und dem Schuldrechtsanpassungsgesetz an der Sache vorbei.

6 d) Nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision führt schließlich die Frage, ob im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 6 BauGB a.F./§ 1 Abs. 7 BauGB n.F. auf die tatsächlich ausgeübte Nutzung oder auf die bauliche Nutzbarkeit eines Grundstücks abzustellen ist, wenn das Grundstück durch einen Bebauungsplan "herabgezont" wird. Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Normenkontrollgericht gerade verneint hat, dass das Kleingartengebiet durch den umstrittenen Bebauungsplan "herabgezont" worden ist. Die Beschwerde scheint dies im Gewand der Grundsatzrüge kritisieren zu wollen. Das rechtfertigt indes nicht die Zulassung der Revision.

7 2) Der Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist ebenfalls nicht gegeben.

8 Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). Hieran gemessen weicht das angefochtene Normenkontrollurteil schon deshalb nicht von dem Urteil des Senats vom 25. Februar 1988 - BVerwG 4 C 32.86 - (BRS 48 Nr. 10) ab, weil beide Entscheidungen nicht zur selben Rechtsvorschrift ergangen sind. Das Urteil vom 25. Februar 1988 verhält sich nicht zum bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 6 BauGB a.F./§ 1 Abs. 7 BauGB n.F., sondern zum fachplanungsrechtlichen Abwägungsgebot im Straßenrecht.

9 3. Der Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht schlüssig dargelegt. Die Beschwerde erfüllt nicht die Anforderungen, die nach § 133 Abs. 3 VwGO an die Darlegung eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) zu stellen sind (vgl. dazu Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Sie zeigt nicht auf, dass bereits im Verfahren vor dem Normenkontrollgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, in der die von der Antragstellerin vorgelegten Luftbilder eingehend erörtert worden sind, auf die Anforderung weiterer Luftbildaufnahmen bei der Luftbildstelle des Antragsgegners hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die nunmehr vermisste Maßnahme auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätte aufdrängen müssen.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.