Beschluss vom 10.09.2007 -
BVerwG 7 B 46.07ECLI:DE:BVerwG:2007:100907B7B46.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.09.2007 - 7 B 46.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:100907B7B46.07.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 46.07

  • Bayerischer VGH München - 03.04.2007 - AZ: VGH 8 B 05.304

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. September 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 12 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Beigeladene betreibt an der Iller seit langem eine Nassauskiesung. Im Laufe der Bautätigkeit sind entlang des Flusses einige Seen entstanden. Mit Bescheid vom 12. Juli 2000 stellte das zuständige Landratsamt den von der Beigeladenen vorgelegten Plan zur teilweisen Auffüllung eines dieser Seen gemäß § 31 WHG fest. Dagegen wenden sich die Kläger. Sie befürchten nachteilige Auswirkungen der planfestgestellten Verfüllung auf ihre Grundstücke.

2 Die nach Abweisung ihrer Klage erhobene Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof mit dem angegriffenen Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die angefochtene Planfeststellung verletze keine Rechte der Kläger. Insbesondere führe die geplante Gewässerveränderung für sie nicht zu Nachteilen im Sinne des Art. 18 Bayerisches Wassergesetz (BayWG). Die Befürchtung der Kläger, bei den regelmäßigen Überflutungen der Talaue werde Kieswaschschlamm ausgespült und auf ihre Grundstücke verfrachtet, wo er die weitere landwirtschaftliche Nutzung wesentlich erschwere, treffe nicht zu. Ebenso wenig werde es zu Veränderungen der Grundwasserströme kommen, die sich nachteilig auf die Grundstücke der Kläger auswirkten.

II

3 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unbegründet. Ein geltend gemachter Verfahrensmangel, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann, liegt nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Er war nicht verpflichtet, dem in der mündlichen Verhandlung am 3. April 2007 gestellten Beweisantrag der Kläger stattzugeben. Die Kläger hatten - ausweislich der Sitzungsniederschrift - beantragt, durch ergänzende Begutachtung durch den Sachverständigen Z. oder einen anderen Sachverständigen Beweis über die Tatsache zu erheben, dass das planfestgestellte Vorhaben durch das Ausschwemmen und Verfrachten von Kieswaschschlamm bei Hochwasserereignissen nachteilig auf ihre Grundstücke einwirke.

5 Das Gericht hat den Beweisantrag mit begründetem Beschluss (vgl. § 86 Abs. 2 VwGO) abgelehnt und ausgeführt, der Beweisantrag sei nicht mehr erheblich. Für die beantragte ergänzende Beweiserhebung bestehe im Hinblick auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Z., die Feststellungen beim gerichtlichen Augenschein sowie die Erläuterungen des Sachverständigen beim Augenschein und in der anschließenden mündlichen Verhandlung kein Bedarf.

6 Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten und in seinen Ausführungen beim Augenschein und in der mündlichen Verhandlung zu dem Beweisthema Stellung genommen. Die Beschwerde meint, sein Gutachten sei jedoch so unzureichend, dass eine ergänzende Begutachtung durch ihn oder einen anderen Sachverständigen hätte erfolgen müssen. Dies trifft nicht zu. Wie die Beschwerde selbst einräumt, besteht eine Verpflichtung zur Einholung eines zusätzlichen Sachverständigengutachtens nur unter besonderen Voraussetzungen. Diese liegen vor, wenn das Gutachten dem Gericht nicht die zur Beurteilung der entscheidungserheblichen Frage erforderliche Sachkunde zu vermitteln vermocht und deshalb die Bildung der für die Entscheidung notwendigen richterlichen Überzeugung nicht ermöglicht hätte. In diesem Sinne können Gutachten als Grundlage für die Überzeugungsbildung des Tatrichters ungeeignet oder zumindest unzureichend sein, wenn sie offen erkennbare grobe Mängel oder unauflösliche Widersprüche aufweisen oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen (stRspr, vgl. etwa Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45>). Liegen solche Mängel dagegen nicht vor, darf - entgegen der Auffassung der Beschwerde - auch ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Antrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens abgelehnt werden.

7 An derartigen Mängeln leidet das Gutachten des Sachverständigen Z. nicht. Das Berufungsgericht durfte die mündlichen Ausführungen des Sachverständigen beim Augenschein und in der mündlichen Verhandlung berücksichtigen. Bei derartigen mündlichen Ausführungen handelt es sich - entgegen dem Vortrag der Beschwerde - nicht um nicht verwertbare nachgeschobene Behauptungen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof ist zu der Überzeugung gelangt, dass, soweit bei Hochwasser überhaupt eine Verfrachtung von Kieswaschschlamm auf Grundstücke der Kläger zu erwarten sei, diese nur in einem derart geringfügigen Ausmaß erfolge, dass sie im Vergleich zu den bei einem derartigen Ereignis abgelagerten Sedimenten der Iller nicht zusätzlich ins Gewicht falle und die landwirtschaftliche Nutzung dieser Grundstücke hierdurch nicht beeinträchtigt werde. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, der Sachverständige Z. habe schlüssig dargelegt, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Iller bei Hochwasser in dem fraglichen Bereich zu gering sei, um größere Materialverfrachtungen zu bewirken. Diese Auffassung werde auch bestätigt durch die vom Vertreter des Wasserwirtschaftsamts in der mündlichen Verhandlung präsentierte Strömungssimulation. Eine weitere Bestätigung lieferten die vom Gericht anlässlich des Augenscheins getroffenen tatsächlichen Feststellungen. So seien auf einem Grundstück einer Klägerin keine Spuren von Sedimenteinträgen erkennbar gewesen. Dies zeige zumindest, dass die bei Hochwasser abgelagerten Sedimente nicht ein Ausmaß erreicht haben könnten, das die landwirtschaftliche Nutzung der klägerischen Grundstücke ernsthaft in Frage stelle.

9 Mit den von den Klägern dagegen vorgebrachten Argumenten setzt sich das Urteil (Amtlicher Umdruck S. 9 f.) anschließend im Einzelnen auseinander. In diesem Zusammenhang führt das Berufungsurteil - dem Sachverständigen Z. folgend - ergänzend aus, die Struktur der in der unmittelbaren Umgebung des Sees aufgefundenen Feinsedimente zeige, dass es sich hierbei überwiegend um Ablagerungen der Iller handele, weil diese unter dem Mikroskop eine abgerundete Form zeigten. Angesichts des lediglich ergänzenden Charakters dieser Ausführungen war das Gericht nicht verpflichtet, der Frage, wieso der Gutachter abgerundete Feinsedimente als Ablagerungen des Flusses wertete, weiter nachzugehen.

10 Auch mit der schriftsätzlichen Kritik der Kläger an dem Gutachten des Sachverständigen hat sich das Berufungsgericht - im Rahmen der ihm obliegenden tatrichterlichen Beweiswürdigung - ausführlich und rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt (UA S. 11.).

11 Soweit die Kläger Angaben des Gutachtens zur Schütthöhe eines Trenndamms und zu einer Grundwasserentnahmestelle rügen, handelt es sich jedenfalls nicht um offen erkennbare Mängel des Gutachtens. Die Kläger legen auch nicht dar (§ 133 Abs. 3 VwGO), dass sie diese angeblichen Mängel schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung gerügt haben.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat auch den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Seine - oben erwähnten - Ausführungen zu den beim Augenschein getroffenen tatsächlichen Feststellungen verstoßen nicht gegen Denkgesetze. Aus dem Umstand, dass bei dem Augenschein im Frühjahr 2007 keine Spuren von Sedimenteinträgen auf den klägerischen Grundstücken erkennbar gewesen sind, schloss er nicht etwa, dass es bei Hochwasserereignissen (zuletzt im Jahr 2005) nicht zu solchen gekommen ist. Er wertete dies lediglich als Indiz dafür, dass die bei Hochwasser abgelagerten Sedimente nicht ein Ausmaß erreicht haben können, das die landwirtschaftliche Nutzung dieser Grundstücke ernsthaft in Frage stellt.

13 Den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO) hat das Berufungsgericht ebenfalls nicht verletzt. Die Beschwerde rügt insoweit, das Gericht habe den - fotografisch dokumentierten - Vortrag der Kläger über Verschmutzungen ihrer Grundstücke nach jedem Hochwasser zurückgewiesen, ohne die erforderlichen Feststellungen zum Zusammenhang zwischen den Verschmutzungen und den an den Grünflächen eingetretenen Schäden zu treffen. Entscheidungserheblich für den Verwaltungsgerichtshof war allein die Frage, ob die planfestgestellten Gewässerveränderungen zu Nachteilen führen. Deshalb musste er sich mit diesem Vortrag der Kläger, der sich hiermit nicht - jedenfalls nicht unmittelbar - befasst, in den Gründen seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auseinandersetzen.

14 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.