Beschluss vom 10.08.2004 -
BVerwG 8 B 32.04ECLI:DE:BVerwG:2004:100804B8B32.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.08.2004 - 8 B 32.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:100804B8B32.04.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 32.04

  • VG Weimar - 21.01.2004 - AZ: VG 6 K 2040/00.We

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. August 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 677,51 € festgesetzt.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zwar kommt der Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu (1.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts weicht auch nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von den in der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab (2.). Es liegt aber ein von der Beschwerde gerügter Verfahrensmangel vor, auf dem das Urteil beruhen kann (3.). Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht (§ 133 Abs. 6 VwGO).
1. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kommt der Streitsache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Die zunächst von der Beschwerde unter A. als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,
Ist der zur Anmeldung eines vermögensrechtlichen (Teil-)Anspruches durch die Erben der Alteigentümerin bestimmte und ermächtigte Vermächtnisnehmer
- Berechtigter im Sinne der Vorschrift des § 2 Abs. 1 VermG,
- hinsichtlich seiner Verfahrensstellung wie ein Erbe oder
- als bevollmächtigter Vertreter der Erben zu behandeln?
rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Vermächtnisnehmer nicht Berechtigter im Sinne des § 2 Abs. 1 VermG (Urteil vom 19. März 1996 - BVerwG 7 C 30.94 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 16 S. 12 <13 f.>; Beschlüsse vom 27. Januar 1997 - BVerwG 7 B 17.97 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 27 S. 36 <37> und vom 7. September 1998 - BVerwG 8 B 118.98 - Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 40 S. 57 <61>). Davon ausgehend kann ein von den Erben zur Anmeldung eines vermögensrechtlichen Anspruchs "bestimmter und ermächtigter" Vermächtnisnehmer nur entweder bevollmächtigt sein, als Vertreter der Erben den Anspruch in deren Namen geltend zu machen, oder es kann eine Abtretung des Anspruchs vorliegen, aufgrund derer der Vermächtnisnehmer den Anspruch in eigenem Namen kraft abgetretenen Rechts geltend machen kann. Welche Alternative vorliegt, ist eine Frage der Auslegung der von den Erben abgegebenen Willenserklärung im Einzelfall. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich in diesem Zusammenhang nicht.
b) Die weiter von der Beschwerde unter B. 1. formulierte Frage bezieht sich auf die Konstellation des konkreten Einzelfalles, ohne eine darüber hinausgehende Allgemeingültigkeit der Frage aufzuzeigen.
c) Die unter B. 2. formulierte Frage,
Gilt die Anzeigepflicht nach Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG nicht für bis dahin formfreie Abtretungen von Rückübertragungsansprüchen, die der Behörde bereits vor In-Kraft-Treten des Gesetzes angezeigt worden waren?
könnte sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass eine derartige Anzeige gerade nicht erfolgt ist. Gegen diese Feststellung hat die Beschwerde keine Verfahrensrügen erhoben.
d) Schließlich stellt sich die von der Beschwerde unter C. formulierte Frage,
Gelten die Pflichten der Behörde nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, insbesondere die allgemeinen Betreuungs- und Fürsorgepflichten nach § 25 VwVfG und die Pflichten aus §§ 28, 68, 62, 22 VwVfG i.V.m. § 133 VwVfG uneingeschränkt auch im Verfahren nach §§ 30 - 32 VermG?
mit ihrem umfassenden Charakter als abstrakte Rechtsfrage dar, deren konkrete Entscheidungserheblichkeit für den vorliegenden Fall von der Beschwerde nicht dargetan wird.
2. Auch die von der Beschwerde erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kann nicht zur Zulassung der Revision führen.
a) In dem von der Beschwerde angeführten Urteil vom 2. März 2000 - BVerwG 7 C 1.99 - (Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 16) hat das Bundesverwaltungsgericht den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, dass die Anmeldung eines Restitutionsanspruchs durch den Zessionar zugunsten des Zedenten wirksam bleibt, wenn die Zession infolge nicht fristgerechter Anzeige nach Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG ihre Wirksamkeit verliert, sodass dem Zedenten und - nach ggf. erneuter Abtretung des Anspruchs - auch dem ursprünglichen Anmelder die Ausschlussfrist des § 30 a Abs. 1 Satz 1 VermG nicht entgegengehalten werden kann. Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht - das dieses Urteil bei seiner Entscheidung offenbar übersehen hat - davon im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abgewichen ist, oder ob nur ein für die Zulassung der Revision unbeachtlicher Anwendungsfehler vorliegt. Denn jedenfalls könnte das angefochtene Urteil, das allein die Ansprüche der Kläger betrifft, allenfalls dann auf der Abweichung beruhen, wenn der streitige Anspruch auf
Erlösauskehr erneut wirksam an die Kläger abgetreten worden wäre. Eine solche Abtretung hat das Verwaltungsgericht aber nicht festgestellt.
b) Von dem weiter angeführten abstrakten Rechtssatz in dem Urteil vom 28. März 1996 - BVerwG 7 C 28.95 - (Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 2) kann das Urteil des Verwaltungsgerichts schon deswegen nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO abweichen, weil es keinerlei Aussagen zur Versäumung der Anmeldefrist und deren ausnahmsweise Unbeachtlichkeit enthält.
c) Entsprechendes gilt für die von der Beschwerde angeführten Urteile vom 24. Juni 1999 - BVerwG 7 C 20.98 - (Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 10) und vom 13. September 2001 - BVerwG 7 C 30.00 - (Buchholz 428 § 30 a VermG Nr. 25), weil das Urteil des Verwaltungsgerichts keine abstrakten Rechtssätze zur Frage des vollmachtlosen Vertreters enthält.
d) Schließlich legt die Beschwerde auch keine abstrakten Rechtssätze aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts dar, die von den abstrakten Rechtssätzen im Urteil vom 12. Dezember 2001 - BVerwG 8 C 17.01 - (Buchholz 310 § 69 VwGO Nr. 7) abweichen.
3. Die weiter von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat dagegen Erfolg. Die Beschwerde rügt u.a. einen Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Überzeugungsgrundsatz verpflichtet das Tatsachengericht, bei Bildung der Überzeugung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (stRspr; vgl. Urteile vom 18. Juli 1986 - BVerwG 4 C 40.82 - 45.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 181 und vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158>, Beschluss vom 18. Juli 2001 - BVerwG 8 B 103.01 - ZOV 2001, 411). Hier hat das Verwaltungsgericht den Vortrag der Kläger, der Restitutions- bzw. Erlösauskehranspruch sei ursprünglich formlos und nach dem Hinweis des Beklagten, dass die Abtretung wegen der Übergangsvorschrift des Art. 14 Abs. 1 des 2. VermRÄndG mangels Anzeige bei der Behörde unwirksam sei, durch die eidesstattliche Versicherung vom 26. September 1999 erneut an sie abgetreten worden, bei der Klärung des Sachverhaltes und bei seiner Überzeugungsbildung unberücksichtigt gelassen.
Das angefochtene Urteil kann auch auf diesem Verfahrensmangel beruhen. Hätte das Verwaltungsgericht sich nämlich damit befasst, hätte es auf der Grundlage des bereits zitierten Urteils vom 2. März 2000 - BVerwG 7 C 1.99 - (a.a.O.) zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass bei der vorliegenden Fallkonstellation - die Behauptung der Kläger, ihnen sei der Restitutionsanspruch bereits vor der Anmeldung formlos abgetreten worden, als richtig unterstellt - wegen der nach Meinung des Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht rechtzeitig erfolgten Anzeige der Abtretung der Anspruch an die ursprünglich berechtigten Erben zurückgefallen ist und es zur Durchsetzung des von den Klägern und den Erben gewollten Ergebnisses - auch insoweit die Richtigkeit des klägerischen Vorbringens unterstellt - lediglich der erneuten wirksamen Abtretung des Anspruchs an die Kläger bedurfte. Sofern nicht in der eidesstattlichen Versicherung vom 26. September 1999 eine erneute Abtretung des Anspruchs auf Erlösauskehr, der nicht der notariellen Beurkundung bedurfte (vgl. dazu Urteil vom 25. Juni 2003 - BVerwG 8 C 12.02 - Buchholz 428.1 § 15 InVorG Nr. 2 S. 1 <3 f.>), zu sehen sein sollte, hätte bereits der Beklagte die Kläger spätestens nach Vorlage der eidesstattlichen Versicherung auf diese Möglichkeit hinweisen sollen. Im Übrigen hätte die Abtretung auch noch bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz vor dem Verwaltungsgericht nachgeholt werden können (vgl. dazu Urteil vom 31. März 2004 - BVerwG 8 C 5.03 - Buchholz 428 § 4 Abs. 3 VermG Nr. 20). Da bereits diese Verfahrensrüge durchgreift, kommt es nicht mehr darauf an, ob der geltend gemachte Verstoß gegen das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs vorliegt.
Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 72 Nr. 1 GKG i.V.m. §§ 13, 14 GKG a.F.