Beschluss vom 10.02.2006 -
BVerwG 1 B 133.05ECLI:DE:BVerwG:2006:100206B1B133.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.02.2006 - 1 B 133.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:100206B1B133.05.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 133.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Februar 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Oktober 2005 wird verworfen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 VwGO.

2 Die grundsätzliche Bedeutung sieht die Beschwerde darin, dass nach ihrer Auffassung die Entscheidung des Berufungsgerichts "in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft" ist (Beschwerdebegründung II.5, S. 8), ohne allerdings eine konkrete, verallgemeinerungsfähige Frage des revisiblen Rechts zu benennen und aufzuzeigen, auf der das angefochtene Urteil beruht und die im Interesse der Rechtseinheit der rechtsgrundsätzlichen Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht bedarf. Der Beschwerde lässt sich ein Revisionszulassungsgrund im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO daher nicht entnehmen.

3 Soweit die Beschwerde das Berufungsurteil angreift, weil es davon ausgehe, "dass die Voraussetzungen des jetzigen § 60 Abs. 1 AufenthG nachträglich weggefallen seien und der Widerruf der Feststellungen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG damit rechtmäßig sei" (a.a.O. S. 3), macht sie lediglich geltend, bereits diese Auffassung sei "nicht frei von Rechtsfehlern", weil die Richtlinie 2004/83/EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) Vorwirkungen "insbesondere bei der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG" entfalte und diese "bereits jetzt zu beachten" seien (a.a.O. S. 4); obwohl der Prozessbevollmächtigte der Kläger hierauf in der Berufungsverhandlung hingewiesen habe, finde sich in dem angegriffenen Urteil "nicht die geringste Anmerkung" dazu. Damit wird eine klärungsbedürftige Rechtsfrage unter Auseinandersetzung mit dem Inhalt des angefochtenen Urteils nicht aufgezeigt. Vor allem fehlt es an der Darlegung, welche "Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG" (a.a.O. S. 3) im Wege der Vorwirkung sich im Einzelnen ergeben sollen und inwiefern sich deren Nichtbeachtung auf das angegriffene Urteil ausgewirkt habe. Der pauschale Hinweis darauf, die "vom Vorsitzenden Richter in der Urteilsbegründung" mitgeteilte Rechtsauffassung sei "grob fehlerhaft", kann die Darlegung einer bestimmten Rechtsfrage, auf der das angefochtene Urteil beruhen kann, nicht ersetzen.

4 Entsprechendes gilt für die Ausführungen der Beschwerde (unter II.2 und 3, S. 4 ff.) dazu, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung unter Berücksichtigung von Art. 11 Abs. 2 der Qualifikationsrichtlinie und Art. 1 C Nr. 5 GFK bestimmte Anforderungen oder Grundsätze für einen zulässigen Widerruf hätte zugrunde legen und dann "feststellen müssen, dass es eine in diesem Sinne gefestigte Situation, welche eine Rückkehr der Kläger in den Irak zumutbar erscheinen lässt, dort derzeit nicht gibt" (a.a.O. S. 5). Hierzu - und soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG benennt - wird nicht dargelegt, ob und ggf. in welcher Beziehung im Einzelnen das angefochtene Urteil einen abweichenden Maßstab gebildet oder angewandt hat und gerade deshalb zu einem anderen, für die Kläger ungünstigen Ergebnis gelangt ist. Insbesondere setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass die Kläger nach der Einschätzung des Berufungsgerichts "zum gegenwärtigen Zeitpunkt und in absehbarer Zukunft bei Rückkehr in den Irak infolge der inzwischen eingetretenen grundlegenden Änderung der Verhältnisse" keinen Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG (mehr) haben (UA S. 6.). Inwiefern dieser rechtliche Prüfungsansatz hinter dem zurückbleiben soll, was die Beschwerde fordert, macht sie nicht deutlich. Außerdem ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts inzwischen rechtsgrundsätzlich geklärt, wie § 73 Abs. 1 AsylVfG auszulegen und anzuwenden ist (vgl. Urteil vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE bestimmt), d.h. unter welchen Voraussetzungen allgemein ein Widerruf zulässig ist. Dass das Berufungsgericht hiervon abweichende Maßstäbe gebildet und angewandt hat, die hier eine Zulassung der Revision unter dem Gesichtspunkt einer nachträglichen Divergenz gebieten könnten, lässt sich den Ausführungen der Beschwerde schon mangels ausreichender Darlegung einer Grundsatzfrage ebenfalls nicht entnehmen. Eine solche Divergenz liegt hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Voraussetzungen auch in der Sache nicht vor. Die Beschwerde wendet sich in Wahrheit in diesem Zusammenhang, wie ihre Ausführungen unter Bezugnahme auf frühere Schriftsätze im Ausgangsverfahren erkennen lassen (a.a.O. S. 5 f.), vielmehr in erster Linie gegen die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts zur Lage der Christen im Irak. Mit der Behauptung, "nach diesem <von der Beschwerde referierten> Stand der Erkenntnisse" könne "nicht ausgeschlossen werden, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr in den Irak wegen ihrer Religionszugehörigkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt" seien (Beschwerdebegründung S. 6), lässt sich die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht begründen.

5 Die Beschwerde macht schließlich für eine Grundsatzbedeutung noch geltend (Beschwerdebegründung unter II. 4, S. 6 f.), die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum religiösen Existenzminimum, von der auch das Berufungsgericht offensichtlich ausgehe, sei unter Beachtung von Art. 10 Abs. 1 lit. b der Qualifikationsrichtlinie "nicht mehr aufrecht zu erhalten". Abgesehen davon, dass die dem Berufungsurteil unterstellte Sicht nicht belegt wird, zeigt die Beschwerde nicht auf, inwiefern sich die von ihr damit angesprochene Frage, ob "auch die Behinderung öffentlicher Glaubensbetätigung flüchtlingsrechtlich relevant ist" (a.a.O. S. 6), in dem angestrebten Revisionsverfahren auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich gebunden ist (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), überhaupt stellen würde und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht zugänglich wäre. Insoweit hätte sich die Beschwerde nicht mit einem pauschalen Verweis auf die Feststellungen in dem angegriffenen Urteil beschränken dürfen, sondern darlegen müssen, aus welchen Feststellungen des Berufungsgerichts sich die behaupteten Verfolgungsgefahren bei einer Rückkehr (im vorliegenden Zusammenhang: durch eine öffentliche Glaubensbetätigung) ergeben sollen. Das angefochtene Urteil enthält hierzu im Übrigen auch keine hinreichenden Feststellungen (vgl. UA S. 9 ff.); die in der Beschwerde hierzu angeführten Tatsachen (Beschwerdebegründung S. 6 f.) sind im Berufungsurteil nicht festgestellt.

6 Die Rüge eines Verfahrensmangels mit der Begründung, das Berufungsgericht "wäre gehalten gewesen, die zitierte Richtlinie 2004/83/EG vom 29. April 2004 zu berücksichtigen" (Beschwerdebegründung S. 8), entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers. Die Beschwerde gibt hierzu nicht einmal an, gegen welche Grundsätze oder Vorschriften des Prozessrechts das Berufungsgericht insoweit verstoßen haben soll.

7 Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.