Beschluss vom 10.12.2007 -
BVerwG 8 PKH 7.07ECLI:DE:BVerwG:2007:101207B8PKH7.07.0

Beschluss

BVerwG 8 PKH 7.07

  • VG Magdeburg - 15.05.2007 - AZ: VG 5 A 341/06 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

Der Antrag der Kläger auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. M., M., für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 15. Mai 2007 wird abgelehnt.

Gründe

1 Dem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe war nicht zu entsprechen (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO), weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Die von den Klägern erhobene Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hätte nur Aussicht auf Erfolg, wenn sich aus der Beschwerdebegründung ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO ergäbe. Das ist nicht der Fall.

2 1. Entgegen der Ansicht der Kläger weist die Sache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Grundsätzlich bedeutsam in diesem Sinne ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier. Die von der Beschwerde formulierten Fragen stehen im Zusammenhang mit den Steuerschulden des Klägers und seiner Ausreise. Sie betreffen sämtlich die Besonderheiten des Einzelfalles und lassen eine in einem Revisionsverfahren klärbare Rechtsfrage nicht erkennen.

3 So kann die Frage, ob „ein bundesdeutsches Gericht ein gegenüber der Steuerfahndung der ehemaligen DDR erklärtes Anerkenntnis von Steuerschulden bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen von § 1 Abs. 3 VermG heranziehen“ kann, bejaht werden, ohne dass es zu ihrer Klärung der Durchführung des Revisionsverfahrens bedarf. Ein Anerkenntnis gegenüber Behörden der DDR, auch der Steuerfahndung, kann grundsätzlich ein Indiz für das Bestehen von Verbindlichkeiten sein. Die weitere Frage, ob „ein solches Anerkenntnis ohne Hinterfragung der Umstände von dessen Zustandekommen ... im Hinblick auf den im Verwaltungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz zugrunde gelegt werden“ darf, entzieht sich einer grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren. Vielmehr richtet es sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles, ob eine weitere Aufklärung nach den konkreten Umständen geboten war.

4 Die von den Klägern als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnete Frage, ob „allein bestehende Steuerschulden die Ablehnung des Vorliegens unlauterer Machenschaften nach § 1 Abs. 3 VermG rechtfertigen“ können, lässt sich ohne Weiteres anhand der Rechtsprechung beantworten. Danach betrifft die Vorschrift des § 1 Abs. 3 VermG solche Vorgänge, bei denen im Einzelfall in manipulativer, sittlich verwerfbarer Weise unter Verstoß gegen die Rechtsordnung der DDR auf bestimmte Vermögenswerte zugegriffen wurde. Ein derartiges qualifiziertes Einzelfallunrecht liegt deshalb nicht vor, wenn bei dem Erwerbsvorgang - gemessen an den in der DDR gültigen Rechtsvorschriften und den sie tragenden ideologischen Grundvorstellungen - „alles mit rechten Dingen zugegangen“ ist (stRspr, vgl. Urteil vom 26. Juni 1997 - BVerwG 7 C 25.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 113). Wenn vor einer Ausreise die Begleichung bestehender Schulden, auch Steuerschulden, von den DDR-Behörden verlangt wurde, entsprach dies - anders als das Verlangen nach der Veräußerung des Grundstücks vor der Ausreise - den Vorschriften der DDR. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b der Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland vom 30. November 1988 (GBl. DDR I S. 271) konnten Genehmigungen für ständige Ausreisen vor allem versagt werden, wenn der Antragsteller Verbindlichkeiten in der DDR nicht beglichen hatte (ebenso § 8 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung zur Regelung von Fragen der Familienzusammenführung und der Eheschließung zwischen Bürgern der DDR und Ausländern vom 15. September 1983, GBl. DDR I S. 254). Ebenso wenig kann die Pflicht zum Ausgleich von Steuerschulden vor der Ausreise aus rechtsstaatlicher Sicht von vornherein als nicht hinnehmbar angesehen werden. Auch die Kläger zeigen keine Gründe auf, die die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage belegen könnten.

5 Soweit die Kläger in einem Revisionsverfahren geklärt wissen wollen, ob „bei Verneinung des Schädigungstatbestandes die Frage des redlichen Erwerbs selbst dann dahingestellt bleiben (kann), wenn sich Zweifel an der Redlichkeit des Erwerbers im Sinne von § 4 Abs. 3 VermG geradezu aufdrängen“, bedarf dies keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Wenn es bereits an einem Schädigungstatbestand im Sinne von § 1 VermG fehlt, ist die Frage eines redlichen Erwerbs als Grund für den Ausschluss der Rückübertragung nicht mehr entscheidungserheblich.

6 Die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob „der Anscheinsbeweis in Ausreisefällen bereits dann erschüttert (ist), wenn im Falle von hälftigem Miteigentum nur ein Miteigentümer schuldenbehaftet ist“, würde sich in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben „die“ Kläger, also beide Kläger, das Hausgrundstück verkauft, um die Schulden des Klägers zu 2 abzudecken. Für die Erschütterung des Anscheinsbeweises war nicht entscheidend, wer Schuldner der Verbindlichkeiten war; entscheidungserheblich war vielmehr allein, ob die Veräußerung des Grundstücks eine andere Ursache (hier: Schuldentilgung) hatte.

7 2. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nicht gegeben (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

8 Die Beschwerde versäumt es schon, einander widersprechende Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten. Sie beanstandet in Wirklichkeit die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und übersieht dabei, dass von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2001 - BVerwG 8 C 3.00 - (Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 13) das Verwaltungsgericht mangels Vergleichbarkeit beider Fälle nicht abweichen konnte. In der Entscheidung vom 28. Februar 2001 war Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung allein die Frage, ob die Kläger in redlicher Weise an dem streitgegenständlichen Grundstück Eigentum erworben haben. Die Feststellung, dass die Beigeladenen Berechtigte im Sinne des Vermögensgesetzes sind (§ 2 Abs. 1 VermG), war nicht Streitgegenstand. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht geht es hingegen um die Feststellung der Berechtigung der Kläger.

9 3. Dem Verwaltungsgericht ist auch kein Verfahrensfehler unterlaufen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 86 Abs. 1 VwGO).

10 Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt unvollständig aufgeklärt, weil es den Fragen nicht nachgegangen sei, ob die Vermögensgegenstände tatsächlich verkauft worden seien und wie das Steuerschuldanerkenntnis zustande gekommen sei. Nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts kam es auf diese Fragen nicht entscheidungserheblich an. Das Verwaltungsgericht hat keine unlauteren Machenschaften in Form einer Nötigung durch staatliche Stellen im Sinne von § 1 § Abs. 3 VermG beim Verkauf des Hauses durch die Kläger an die Beigeladenen angenommen und dazu festgestellt, dass der Kläger vor seiner Ausreise sämtliche Steuerschulden beglichen habe. Dies ergebe sich auch aus der handschriftlichen Bescheinigung des Rates des Kreises Sch. vom 11. Januar 1989. Eine Aufklärung darüber, ob der Materialbestand, die Garagen, der Pkw, das Kajütboot und der Wohnwagen ersatzlos eingezogen worden waren, war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Gegenstand des Verfahrens ist allein die von den Klägern beantragte Rückübertragung des Grundstücks. Das Verwaltungsgericht hat einen Anscheinsbeweis für eine Nötigung zum Verkauf des Grundstücks verneint, weil dieses von den Klägern zur Schuldentilgung veräußert worden sei. Auf die Einziehung oder Veräußerung der anderen Vermögensgegenstände kam es insoweit nicht an. Im Übrigen argumentiert die Beschwerde mit der Unterstellung, das Verwaltungsgericht habe das „Steuerschuldanerkenntnis“ vom 31. Juli 1987 als wesentlichen Grund für die Ablehnung des Schädigungstatbestandes nach § 1 Abs. 3 VermG erhoben. Das Verwaltungsgericht hat dazu festgestellt, dass der Kläger bezüglich der dem „Steuerschuldanerkenntnis“ zugrundeliegenden Delikte strafgerichtlich verurteilt und insoweit auch nicht 1990 rehabilitiert worden ist. Eine Aufklärung der Umstände für das Zustandekommen des „Steuerschuldanerkenntnisses“ und des „abgerungenen Rechtsmittelverzichtes durch das MfS“ musste sich dem Verwaltungsgericht nicht aufdrängen. Die im Beschwerdeverfahren als Beweismittel benannte schriftliche Erklärung des Herrn K. vom 3. Januar 1995 enthält keinen Hinweis darauf, dass die Schulden tatsächlich nicht bestanden. Auch der Umstand, dass die Ermittlungen vom MfS geführt worden seien, kann allein einen solchen Schluss nicht rechtfertigen.

11 Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass die Restitution des Hausgrundstückes schon ohne die Rücknahme der Zuerkennung einer Entschädigung dem Grunde nach ausscheide. Die Beigeladene habe von vornherein das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schädigungstatbestandes bestritten und ihr Eigentum nicht nur durch einen redlichen Erwerb oder andere Ausschlussgründe verteidigt. Das sei ihr trotz des teilweise positiven Bescheides des Beklagten vom 18. April 2006 möglich gewesen, den sie selbst mangels Beschwer nicht habe anfechten können. Gegen diesen Teil der Entscheidungsgründe haben die Kläger keine durchgreifenden Zulassungsgründe vorgebracht. Ist die Entscheidung der Vorinstanz auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund geltend gemacht wird und vorliegt (vgl. Beschlüsse vom
9. Dezember 1994 - BVerwG 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Nr. 4, vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 und vom 22. August 2005 - BVerwG 8 B 34.05 -).

Beschluss vom 10.01.2008 -
BVerwG 8 B 85.07ECLI:DE:BVerwG:2008:100108B8B85.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2008 - 8 B 85.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:100108B8B85.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 85.07

  • VG Magdeburg - 15.05.2007 - AZ: VG 5 A 341/06 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 150 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Kläger haben ihre Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 15. Mai 2007 mit Schriftsatz vom 4. Januar 2008 zurückgenommen. Das Beschwerdeverfahren ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

2 Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2 sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.