Beschluss vom 10.01.2007 -
BVerwG 8 B 41.06ECLI:DE:BVerwG:2007:100107B8B41.06.0

Beschluss

BVerwG 8 B 41.06

  • VG Potsdam - 27.02.2006 - AZ: VG 9 K 2117/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Postier
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 27. Februar 2006 wird aufgehoben, soweit es die Entschädigungsberechtigung bezüglich des Flurstücks 95/1 betrifft.
  2. Die Sache wird insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Beschwerde im Übrigen wird verworfen.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  5. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 619,40 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler (1.). Da sich dieser aber nur auf einen Teil des Urteils bezieht und es für den übrigen an einer Begründung gemäß § 132 Abs. 2 VwGO fehlt, hat die Beschwerde insoweit keinen Erfolg (2.).

2 1. Die Aufklärungsrüge ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründet. Das Verwaltungsgericht hätte dem Fälschungsvorwurf nachgehen müssen und ihn nicht mit der Erwägung abtun dürfen, der Kläger hätte die Fälschung nicht bewiesen (UA S. 6).

3 Die Verwaltungsgerichte müssen den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen ermitteln; sie haben die Beteiligten dabei heranzuziehen, sind aber an deren Vorbringen und Beweisanträge nicht gebunden (§ 86 Abs. 1 VwGO). Erst wenn alle in Betracht kommenden Aufklärungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, ohne dass bestimmte entscheidungserhebliche Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts feststehen, geht die Nichterweislichkeit der Tatsachen zu Lasten dessen, der daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleitet, sofern nicht das materielle Recht eine andere Verteilung der Beweislast vorsieht. Diese Regel gilt grundsätzlich auch für vermögensrechtliche Ansprüche, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf § 1 VermG entschieden hat (vgl. jüngst Beschluss vom 16. Januar 2006 - BVerwG 8 B 81.05 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 40).

4 Vorliegend musste sich dem Verwaltungsgericht die weitere Ermittlung der behaupteten Fälschung aufdrängen. Nach dem von dem Kläger vorgelegten graphologischen Gutachten zum Handschriftenvergleich vom 21. Februar 2006 ergeben sich ernstliche Zweifel, dass Otto P. den Grundstückskaufvertrag am 22. November 1960 tatsächlich unterschrieben hat. Ob es sich um eine Nachahmungsfälschung handelt, konnte der Gutachter ohne Vorlage und Untersuchung des Schriftguts im Original nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit feststellen. Bei dieser Sachlage musste sich für das Verwaltungsgericht das Bestehen einer ernstlichen Möglichkeit eines anders gestalteten Geschehens als das von ihm angenommene ergeben. Die Authentizität der Unterschrift war des weiteren Beweises bedürftig. Da die vom Verwaltungsgericht beigezogenen Akten des Amtsgerichts Rathenow (1 UR 304/60) das Original des Kaufvertrages enthalten, hat einem gerichtlich angeordneten Handschriftenvergleich mit (möglichst zeitnahem) Schriftgut im Original nichts im Wege gestanden.

5 2. Die Aufklärungsrüge bezieht sich nur auf den Teil des Streitstoffes, der die Berechtigung bezüglich des Flurstücks 95/1 betrifft. Da hinsichtlich des übrigen und davon abtrennbaren Streitstoffes keine Revisionszulassungsgründe dargelegt sind, ist die umfänglich erhobene Beschwerde insoweit unzulässig.

6 3. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Möglichkeit der Aufhebung der Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht Gebrauch, soweit es um die Entschädigungsberechtigung bezüglich des Flurstückes 95/1 geht (§ 133 Abs. 6 VwGO). Das Urteil im Übrigen ist rechtskräftig (§ 133 Abs. 5 Satz 3 VwGO).

7 4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG.