Beschluss vom 09.03.2007 -
BVerwG 1 B 171.06ECLI:DE:BVerwG:2007:090307B1B171.06.0

Beschluss

BVerwG 1 B 171.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 24.07.2006 - AZ: OVG 1 LB 65/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, wendet sich mit seiner Klage gegen den Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung (§ 51 Abs. 1 AuslG a.F., jetzt § 60 Abs. 1 AufenthG). Seine auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 Die Beschwerde rügt der Sache nach, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) dadurch verletzt, dass es zu Unrecht über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe. In der ersten Instanz sei zwar eine mündliche Verhandlung anberaumt, aber nicht unter Teilnahme des Klägers durchgeführt worden, weil im Vorwege bereits geklärt gewesen sei, dass der Widerruf ohne Rücksicht auf den Individualvortrag des Klägers aufzuheben sei, und entsprechend mit den Verfahrensbeteiligten seitens des Gerichts abgesprochen worden sei, dass ein Erscheinen des Klägers untunlich sei.

3 Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde nicht auf, dass das Berufungsgericht § 130a VwGO fehlerhaft ausgelegt und angewendet und damit den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Insoweit wird auf den Beschluss des Senats vom heutigen Tage in der Sache 1 B 170.06 Bezug genommen (vgl. auch den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2007 - BVerwG 1 B 286.06 ).

4 Die Beschwerde macht weiter geltend, das Berufungsgericht sei seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht nachgekommen, indem es nicht weiter zum Vortrag des Klägers bezüglich seiner Sippenangehörigkeit nachgeforscht und auch keinen entsprechenden Hinweis gegeben habe. Der Kläger habe vorgetragen, bei Rückkehr in den Irak aus politischen Gründen überdurchschnittlich gefährdet zu sein, weil er zu einer als solcher bekannten „Saddam-treuen Sippe“ gehört habe. Das Berufungsgericht habe eine dadurch begründete Gefährdung verneint, da der Kläger weder „zur Sippe noch zu deren Profil konkrete oder individuelle Anhaltspunkte“ genannt habe. Indes ergebe sich aus dem Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 27. Januar 2006, dass eine Gefährdung für ehemalige Mitglieder der Baath-Partei gegeben sei. Gleiches müsse a majore ad minus gelten, soweit einer Sippe pauschal freiwillige Unterstützung des Baath-Regimes unterstellt werde. Wenn dem Berufungsgericht die Angaben des Klägers nicht präzise genug gewesen seien, hätte es nahe gelegen, den Sachverhalt durch dessen persönliche Anhörung in einer mündlichen Verhandlung weiter aufzuklären.

5 Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen legt die Beschwerde eine Verletzung der Aufklärungspflicht nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar. Die Beschwerde macht weder geltend, dass entweder bereits im Verfahren vor dem Berufungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden sei, noch zeigt sie schlüssig auf, dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen. Auch fehlt es an der gebotenen Darlegung, welche tatsächlichen Feststellungen, die zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätten, im Falle seiner Anhörung voraussichtlich getroffen worden wären. Mit ihrem Vorbringen, dass bei der dem zitierten Gutachten zufolge angeblich gegebenen Gefährdung für ehemalige Mitglieder der Baath-Partei Gleiches a majore ad minus gelten müsse, soweit einer Sippe freiwillige Unterstützung des Baath-Regimes unterstellt werde, berücksichtigt die Beschwerde im Übrigen nicht, dass nach den - nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen - Feststellungen des Berufungsgerichts Verfolgungen nur denjenigen ehemaligen Baathisten gelten, die unter der Saddam-Diktatur Verbrechen begangen hätten. Es sei nicht ersichtlich, dass für einzelne Mitglieder von sog. Sippen, die dem Saddam-Regime früher Hilfeleistungen gewährt hätten, etwas anderes gelten könne (UA S. 11). Hiermit setzt sich die Beschwerde nicht - wie erforderlich - auseinander.

6 Ohne Erfolg bleibt die Beschwerde auch, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe keinen Hinweis hinsichtlich des Erfordernisses weiteren Vortrags des Klägers zu seiner Sippenzugehörigkeit gegeben. Die Beschwerde rügt damit der Sache nach eine Verletzung des Rechts des Klägers auf rechtliches Gehör. Hieraus folgt indessen keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188, 190). Auch in der Ausprägung, die dieses Recht in § 86 Abs. 3 VwGO gefunden hat, wird dem Gericht keine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Dies gilt auch für den Tatsachenvortrag des Asylbewerbers, der selbst für die Darlegung seiner Asylgründe verantwortlich ist (vgl. Beschluss vom 28. Dezember 1999 - BVerwG 9 B 467.99 - Buchholz 310 § 86 VwGO Nr. 51). Die Beschwerde macht nicht ersichtlich, inwiefern hier eine Ausnahme von diesen Grundsätzen bestehen sollte. Im Übrigen gibt sie auch nicht - wie erforderlich - an, was der Kläger auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts noch vorgetragen hätte und inwiefern dieser Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre.

7 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.