Beschluss vom 09.02.2011 -
BVerwG 1 B 21.10ECLI:DE:BVerwG:2011:090211B1B21.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.02.2011 - 1 B 21.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:090211B1B21.10.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 21.10

  • Niedersächsisches OVG - 18.05.2010 - AZ: OVG 11 LB 186/08

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Februar 2011
durch die Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die Beschwerde, mit der der Kläger einen Verfahrensmangel geltend macht (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), hat keinen Erfolg. Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Der Kläger, der an paranoid-halluzinatorischer Schizophrenie leidet und sich im Wesentlichen gegen seine Abschiebung in die Türkei wehrt, habe in der Berufungsverhandlung hilfsweise den Beweisantrag gestellt, ein (weiteres) Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass er in der Türkei nicht dauerhaft stationär untergebracht werden könne und in der Türkei auf Dauer eine überwachte Einnahme der Medikamente ebenfalls nicht möglich sei. Diesem Beweisantrag sei das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft nicht nachgegangen.

3 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Ablehnung eines Beweisantrags den Anspruch eines Verfahrensbeteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 8. November 1978 - 1 BvR 158/78 - BVerfGE 50, 32 <36>). Dass die Ablehnung des fraglichen Hilfsbeweisantrags prozessrechtlich fehlerhaft ist, macht die Beschwerde nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hatte zur Frage der medizinischen Versorgung des Klägers in der Türkei bereits die Stellungnahme eines Facharztes für Psychiatrie in Istanbul - des Vertrauensarztes des dortigen deutschen Generalkonsulats - eingeholt. Damit stand die Einholung eines weiteren Gutachtens bzw. einer weiteren Auskunft grundsätzlich im Ermessen des Berufungsgerichts (§ 412 ZPO in entsprechender Anwendung; vgl. etwa Urteil vom 6. Oktober 1987 - BVerwG 9 C 12.87 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 31). Sie ist prozessrechtlich nur dann geboten, wenn sich dies dem Berufungsgericht zur weiteren Aufklärung eines bisher in wesentlichen Fragen nur unvollständig oder fehlerhaft ermittelten Gesamtbildes der medizinischen Versorgungslage hätte aufdrängen müssen. Dass dies hier der Fall gewesen sei, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen.

4 Sie führt aus, der Beweisantrag sei „gestützt“ gewesen „auf die unzureichende Beantwortung“ der dem Vertrauensarzt vorgelegten Fragen. Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Einschätzung der medizinischen Versorgungsmöglichkeiten für den Kläger in der Türkei jedoch nicht auf die jeweils isolierte Beantwortung der einzelnen Fragen beschränkt. Es hat ausdrücklich eingeräumt, die Ausführungen des Vertrauensarztes hätten „stellenweise präziser ... formuliert werden können“ (UA S. 13). Diese Schwäche falle aber - so das Berufungsgericht weiter - nicht ins Gewicht. Denn die fachärztliche Stellungnahme sei insgesamt hinreichend aussagefähig und plausibel, zumal sie sich im Kern mit den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes zur medizinischen Versorgung psychisch kranker Menschen in der Türkei decke. Im Gesamtzusammenhang betrachtet gebe sie ausreichend Auskunft auf die entscheidungserhebliche Frage nach den Möglichkeiten einer medikamentösen und ärztlichen Dauerbehandlung des Klägers in der Türkei (UA S. 12 f.). Aus der in diesem Zusammenhang allein maßgeblichen Sicht des Berufungsgerichts drängte sich daher eine weitere Aufklärung dieses Fragenkomplexes nicht auf.

5 Soweit die Beschwerde sinngemäß geltend macht, das Berufungsgericht hätte dem Beweisantrag auch im Hinblick auf ein Schreiben des deutschen Generalkonsulats in Istanbul vom „10. Juli 2010“ - gemeint ist offenbar der 10. Juli 2006 - folgen müssen, führt auch dies nicht auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Zum einen erschließt sich nicht, welchen Zusammenhang die Beschwerde zwischen dem Beweisantrag und dem Schreiben herstellen will. Sie nimmt darauf Bezug, dass das Schreiben erwähnt, bei einer Einreise auf dem Luftweg sei die Einleitung einer medizinischen Betreuung in das Ermessen der türkischen Flughafenpolizei gestellt. Der Beweisantrag betrifft dagegen die Frage einer dauerhaften medizinischen Versorgung des Klägers in der Türkei. Zum anderen hat das Berufungsgericht dieses Schreiben im Tatbestand seines Urteils wiedergegeben (UA S. 7) und in den Entscheidungsgründen gewürdigt, dass danach bei einer Einreise auf dem Luftweg die psychiatrische Erstversorgung auch über den Vertrauensarzt der Deutschen Botschaft in Ankara sichergestellt werden könnte (UA S. 13). Die Beschwerde macht in diesem Zusammenhang nicht im Ansatz ersichtlich, dass das Berufungsgericht ein diesbezügliches Vorbringen des Klägers nicht hinreichend zur Kenntnis genommen habe.

6 Sollte die Beschwerde mit ihrer Verfahrensrüge der Sache nach auch auf einen Aufklärungsmangel zielen (§ 86 Abs. 1 VwGO), so fehlt es aus den gleichen Gründen wie bei der geltend gemachten Gehörsverletzung an einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht.

7 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3 sowie aus § 52 Abs. 2 GKG.