Beschluss vom 09.01.2008 -
BVerwG 6 B 51.07ECLI:DE:BVerwG:2008:090108B6B51.07.0

Leitsatz:

Ein Rechtsanwalt muss für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telekopie übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (wie Beschluss vom 18. März 2004 - BVerwG 6 PB 16.03 -).

  • Rechtsquellen
    VwGO § 60

  • VGH München - 16.05.2007 - AZ: VGH 7 B 06.1252 -
    Bayerischer VGH München - 16.05.2007 - AZ: VGH 7 B 06.1252

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.01.2008 - 6 B 51.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:090108B6B51.07.0]

Beschluss

BVerwG 6 B 51.07

  • VGH München - 16.05.2007 - AZ: VGH 7 B 06.1252 -
  • Bayerischer VGH München - 16.05.2007 - AZ: VGH 7 B 06.1252

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hahn
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2007 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 76,20 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Sie ist nicht innerhalb der in § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten nach Zustellung des angefochtenen Urteils begründet worden. Das angefochtene Urteil wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13. Juni 2007 zugestellt. Die Frist für die Einreichung der Beschwerdebegründung endete damit am 13. August 2007. Der Begründungsschriftsatz vom 13. August 2007 ist aber erst am 14. August 2007 beim Berufungsgericht eingegangen.

2 Der Antrag des Klägers, ihm wegen der Versäumung der Begründungsfrist gemäß § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, bleibt ohne Erfolg. Denn der Kläger, dem das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, war nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert. Zwar handelt es sich bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax an das Gericht ebenso wie bei der Auswahl der richtigen Telefaxnummer um einfache technische Verrichtungen, die ein Rechtsanwalt einer hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft überlassen kann. Doch ist der Anwalt gehalten, Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen soweit wie möglich auszuschließen. Daran fehlte es hier.

3 Zur Vermeidung der Fristversäumung aufgrund von Fehlern, die bei der Ermittlung und der Eingabe der zutreffenden Telefaxnummer leicht unterlaufen können, hat der Anwalt die möglichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen zu treffen. Hierzu muss er für eine Büroorganisation sorgen, die eine Überprüfung der per Telefax übermittelten Schriftsätze auch auf Verwendung einer zutreffenden Empfängernummer gewährleistet (vgl. Beschlüsse vom 13. Februar 1998 - BVerwG 7 B 439.97 - juris und vom 18. März 2004 - BVerwG 6 PB 16.03 - Buchholz 250 § 83 BPersVG Nr. 76 S. 3; ebenso: BAG, Urteil vom 30. März 1995 - 2 AZR 1020/94 - BAGE 79, 379; BGH, Beschlüsse vom 3. Dezember 1996 - XI ZB 20/96 - NJW 1997, 948, vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - NJW 2006, 2412 und vom 17. April 2007 - XI ZB 39/06 - FamRZ 2007, 1095; BFH, Beschluss vom 18. September 2007 - I R 39/04 - juris). Bei der erforderlichen Ausgangskontrolle ist in der Regel ein Sendebericht auszudrucken und auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer zu überprüfen. Hierbei darf die Überprüfung regelmäßig nicht darauf beschränkt werden, die Faxnummer im Sendebericht mit der Faxnummer zu vergleichen, die auf dem versandten Schriftsatz angegeben ist. Dieser Vergleich ist nämlich nur geeignet, einen Fehler bei der Eingabe der Nummer in das Faxgerät aufzudecken, nicht aber sicherzustellen, dass die im Schriftsatz angegebene Faxnummer zutreffend ermittelt wurde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2006 und vom 17. April 2007, BFH, Beschluss vom 18. September 2007, jeweils a.a.O.). Die Überprüfung der Richtigkeit der im Sendebericht ausgewiesenen Empfängernummer ist vielmehr anhand eines aktuellen Verzeichnisses oder der Handakte des Rechtsanwalts oder einer anderen geeigneten Quelle vorzunehmen. Soweit der Prozessbevollmächtigte - wie hier - die Übermittlung des fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax nicht delegiert, sondern selbst vornimmt, hat er auch die im Rahmen der Büroorganisation zu gewährleistende Ausgangskontrolle selbst durchzuführen.

4 Nach diesen Grundsätzen war die Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hier nicht unverschuldet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat es unterlassen, die auf dem Schriftsatz vom 13. August 2007 eingetragene Telefaxnummer anhand einer zuverlässigen Quelle auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, nachdem er selbst den Schriftsatz per Telefax versandt hatte. Ein Abgleich der auf dem Sendeprotokoll angegebenen Faxnummer mit einem amtlichen Verzeichnis mag zwar entbehrlich sein, wenn die Verwechslungsgefahr gering ist, weil die Telefaxnummer aus dem konkreten Aktenvorgang übernommen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2004 - VI ZB 14/04 - NJW 2004, 3491). Gleichwohl hatte der Prozessbevollmächtigte des Klägers jedenfalls deshalb Anlass zur eigenen Überprüfung der Richtigkeit der auf dem Schriftsatz eingetragenen Telefaxnummer, weil er diese Nummer nicht selbst ermittelt hatte, sondern von seiner Sekretärin hatte ermitteln lassen. Da der Prozessbevollmächtigte nicht ohne Weiteres auf die Ordnungsmäßigkeit dieser Ermittlung vertrauen durfte - ausreichende Vorkehrungen hierfür sind dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zu entnehmen -, hätte er persönlich eine vollständige Ausgangskontrolle vornehmen und sich anhand eines amtlichen Verzeichnisses oder durch eigene Einsichtnahme in den Aktenvorgang oder auf eine andere geeignete Weise von der Richtigkeit der Nummer überzeugen müssen. Auch bei einer Überprüfung anhand der Akte hätte er schnell bemerkt, dass die auf dem versandten Schriftsatz eingetragene, von seiner Sekretärin aus dem Schriftsatz vom 12. Juni 2006 übernommene Telefaxnummer „089 544282-21“ falsch war, denn die von ihm an den Verwaltungsgerichtshof übersandten Schriftsätze vom 21. August 2006, 6. Oktober 2006 und 10. August 2007 enthielten die richtige Telefaxnummer „089 2130-320“, die auch in sämtlichen Schreiben des Verwaltungsgerichtshofs angegeben war. Er hätte mithin den Fehler noch rechtzeitig aufdecken und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde noch vor Ablauf der Frist an den Verwaltungsgerichtshof übersenden können.

5 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist dem Kläger auch nicht deshalb zu gewähren, weil das erstinstanzliche Gericht im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht gehalten ist, fristgebundene Schriftsätze des Rechtsmittelverfahrens, die bei ihm eingereicht werden, im Zuge des ordentlichen Geschäftsganges an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (vgl. Beschluss vom 15. Juli 2003 - BVerwG 4 B 83.02 - Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 248). Gegen diese Fürsorgepflicht hat das Verwaltungsgericht offensichtlich nicht verstoßen, denn der ausweislich des Sendeprotokolls am 13. August 2007 um 23.43 Uhr dort eingegangene Schriftsatz wurde so weitergeleitet, dass er bereits am 14. August 2007 beim Verwaltungsgerichtshof einging.

6 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.