Beschluss vom 09.01.2007 -
BVerwG 1 B 279.06ECLI:DE:BVerwG:2007:090107B1B279.06.0

Beschluss

BVerwG 1 B 279.06

  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 27.04.2006 - AZ: OVG 1 LB 65/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2007
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die ausschließlich auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Beigeladenen ist unbegründet.

2 Die Beklagte hatte durch Bescheid vom November 1999 zugunsten des in Baku geborenen Beigeladenen festgestellt, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 51 Abs. 1 AuslG (heute § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich Aserbaidschans vorliegen (Nr. 2 des Bescheides). Hiergegen hat der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragte) Klage erhoben, der das Berufungsgericht entsprochen hat, indem es Nr. 2 des angefochtenen Bescheides aufhob. In den Urteilsgründen hat das Gericht die Aufhebung entscheidungstragend u.a. damit begründet, dass „die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht nur hinsichtlich Aserbaidschans nicht vorliegen, sondern auch nicht bezüglich der beiden anderen (allenfalls) noch in Betracht zu ziehenden Verfolgerstaaten Armenien und die Russische Föderation“ (UA S. 14). Zur Begründung seiner Feststellungen zu weiteren Staaten als Aserbaidschan hat sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezogen, wonach der Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG bei ungeklärter Staatsangehörigkeit nur versagt werden kann, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit - bei Staatenlosigkeit als Staat des gewöhnlichen Aufenthalts - in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung verneint werden kann (Urteile vom 8. Februar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <383>; vom 12. April 2005 - BVerwG 1 C 3.04 - Buchholz 402.242 § 60 Abs 1 AufenthG Nr. 2 und vom 12. Juli 2005 - BVerwG 1 C 22.04 - Buchholz 402.242 § 60 Abs 1 AufenthG Nr. 6). Die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht hätte die Klage des Bundesbeauftragten als unzulässig verwerfen müssen, da sie auf die Anfechtung der für den Beigeladenen positiven Entscheidung im angegriffenen Bescheid beschränkt gewesen sei. Sie wäre nur zulässig gewesen, wenn zugleich die Verpflichtung zur Antragsablehnung oder zu der Feststellung erstrebt worden wäre, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG nicht vorliegen. Klärungsbedürftig sei daher die Frage, „ob auch für Klagen (und Rechtsmittel) des Bundesbeauftragten gilt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis nur für solche Anträge besteht, die eine bestimmte Entscheidungsverpflichtung anstreben“ (Beschwerdebegründung S. 2).

3 Die aufgeworfene Frage bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie lässt sich vielmehr bereits auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung verneinen. Schon aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG in der hier maßgeblichen Fassung vom 27. Juli 1993 (BGBl I S. 1361), der gemäß § 87b AsylVfG für - wie hier - vor dem 1. September 2004 anhängig gewordene Verfahren weiter gilt, ergibt sich, dass der Bundesbeauftragte „gegen Entscheidungen des Bundesamtes“ klagen kann. Es besteht kein Zweifel, dass die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten gegen positive Entscheidungen des Bundesamtes nur als Anfechtungsklage möglich ist. Eine Einschränkung enthält § 6 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG nicht - auch nicht für Klagen gegen positive Feststellungen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG (so bereits Urteil vom 6. August 1996 - BVerwG 9 C 169.95 - BVerwGE 101, 323, 325 f.). Die Rechtsprechung des Senats, dass der Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG nur versagt werden kann, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung verneint werden kann, zielt auf die Entscheidung des Gerichts, führt aber nicht zu veränderten Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten nach § 6 Abs. 2 Satz 3 AsylVfG. Das Berufungsgericht sah sich in der angefochtenen Entscheidung durch die Beanstandungsklage des Bundesbeauftragten im Übrigen mit Recht nicht daran gehindert, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 1 AufenthG nicht nur hinsichtlich Aserbaidschans, sondern auch hinsichtlich Armeniens und der Russischen Föderation zu prüfen und zu verneinen, weil es diese - der oben zitierten Rechtsprechung des Senats folgend - als weitere Verfolgerstaaten in Betracht gezogen hat (UA S. 14 f.).

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.