Beschluss vom 08.11.2004 -
BVerwG 7 B 40.04ECLI:DE:BVerwG:2004:081104B7B40.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.11.2004 - 7 B 40.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:081104B7B40.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 40.04

  • VG Leipzig - 06.11.2003 - AZ: VG 3 K 1410/99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 6. November 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 244 815 € festgesetzt.

Die Kläger wenden sich als ehemalige Gesellschafter der M. S. OHG gegen einen Bescheid des Beklagten, durch den dieser nach vermögensrechtlicher Rückübertragung eines Unternehmens an die M. S. OHG i.A. diese zum Ausgleich einer wesentlichen Verbesserung der Vermögenslage des zurückübertragenen Unternehmens verpflichtet und festgestellt hatte, dass der M. S. OHG i.A. keine Ansprüche wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Ertragslage des zurückübertragenen Unternehmens zustünden (§ 6 Abs. 1 Satz 2 sowie Abs. 2 und 3 VermG). Das Verwaltungsgericht hat die Klage insoweit abgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
a) Die Kläger möchten zum einen die Frage geklärt wissen,
ob eine wesentlich nach dem Zeitpunkt der Reprivatisierung erstellte D-Markeröffnungsbilanz als Grundlage für die Errechnung der Ausgleichsansprüche gemäß § 6 Abs. 2 und 4 VermG dienen kann, wenn die in der D-Markeröffnungsbilanz zugrunde gelegten Tatsachen offensichtlich von dem Übergabeprotokoll und der Vereinbarung zwischen dem reprivatisierten Unternehmen und dem Verfügungsberechtigten wesentlich abweichen.
Die Frage ist nicht entscheidungserheblich und wäre deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu klären. Die Frage zielt auf erstinstanzlichen Vortrag der Kläger, dass die M. S. OHG i.A. bei der Rückübertragung des Unternehmens entgegen der D-Markeröffnungsbilanz nicht alle Aktiva und Passiva des ehemaligen VEB Gerüstbau ... übernommen habe; nach ihrem Vortrag sind von der M. S. OHG i.A. weder der Kassenbestand noch die offenen Forderungen und Verbindlichkeiten des VEB Gerüstbau ... übernommen worden. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, welche die Kläger nicht angegriffen haben, ändert die errechnete Ausgleichsverbindlichkeit sich jedoch nicht zu Gunsten der Kläger, wenn die nach ihrem Vortrag tatsächlich nicht übernommenen Aktiva und Passiva aus der D-Markeröffnungsbilanz herausgenommen werden. Denn danach sind die dort berücksichtigten, aber angeblich nicht übernommenen Verbindlichkeiten höher als die berücksichtigten und ebenfalls angeblich nicht übernommenen Kassenbestände und Forderungen. Die Ausgleichsverbindlichkeit wäre allenfalls höher als in dem angefochtenen Bescheid festgesetzt.
b) Aus demselben Grund führt auch die weitere Frage nicht zur Zulassung der Revision,
ob nicht übergebene Vermögenswerte an den Restitutionsberechtigten in die Berechnung der Verbesserung der Vermögenslage einbezogen werden können.
Auch diese Frage wird von den Klägern nur mit Blick auf die angeblich nicht übernommenen Guthaben bei Kreditinstituten und die sonstigen Forderungen aufgeworfen, denen aber die wesentlich höheren und nach dem erstinstanzlichen Vortrag der Kläger ebenfalls nicht übernommenen Verbindlichkeiten gegenüberstehen, die dann folgerichtig ebenfalls nicht mehr berücksichtigt werden dürften.
c) Nicht klärungsfähig ist schließlich die Frage,
ob eine nicht festgestellte D-Markeröffnungsbilanz als Grundlage für die Berechnung der Ausgleichsansprüche gemäß § 6 Abs. 2 und Abs. 4 VermG dienen kann.
Sie setzt einen Sachverhalt voraus, den das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat und der deshalb auch in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zugrunde gelegt werden könnte.
Der Sache nach bezieht sich die Frage der Kläger auf § 6 Abs. 3 VermG, nicht hingegen auf die von ihnen erwähnten Absätze 2 und 4 der Vorschrift. Denn § 6 Abs. 2 VermG regelt die Voraussetzungen einer Verschlechterung der Vermögenslage, um die es im Urteil des Verwaltungsgerichts nicht ging. § 6 Abs. 4 VermG regelt die Voraussetzungen einer wesentlichen Veränderung der Ertragslage, um die es hier zwar ging. Jedoch knüpft die Vorschrift nicht an die D-Markeröffnungsbilanz des zurückübertragenen Unternehmens an. Ob die hier vorliegende D-Markeröffnungsbilanz festgestellt war, hatte nur Bedeutung für die ebenfalls streitige Frage einer wesentlichen Verbesserung der Vermögenslage im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 1 VermG.
Insoweit spricht einiges dafür, dass Ansprüche auf Ausgleich einer wesentlichen Verbesserung der Vermögenslage nach § 6 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 VermG nur bestehen, wenn die D-Markeröffnungsbilanz des zurückübertragenen Unternehmens festgestellt ist, sofern es für die Voraussetzungen einer wesentlichen Verbesserung der Vermögenslage nach der genannten Bestimmung auf diese Bilanz ankommt. Denn die Vorschrift macht eine wesentliche Verbesserung der Vermögenslage neben weiteren Voraussetzungen davon abhängig, dass sich bei der Aufstellung der D-Markeröffnungsbilanz nach dem D-Markbilanzgesetz eine Ausgleichsverbindlichkeit nach § 25 DMBilG ergibt. Es liegt nahe, dass eine solche Ausgleichsverbindlichkeit nur auf der Grundlage einer wirksamen D-Markeröffnungsbilanz berechnet werden kann. Dies setzt aber deren Feststellung voraus, bei Gesellschaften durch die Anteilseigner oder das sonst zuständige Organ (§ 35 Abs. 1 Sätze 1 und 2 DMBilG). Ohne diese Feststellung ist die D-Markeröffnungsbilanz nach § 35 Abs. 2 Satz 2 DMBilG nichtig (vgl. auch Bundesgerichtshof Urteil vom 27. März 2000 - II ZR 109.99 - VIZ 2001, 119).
Das Verwaltungsgericht ist jedoch von einer wirksam festgestellten Bilanz ausgegangen. Maßgeblich ist die D-Markeröffnungsbilanz des zurückzugebenden Unternehmens in seiner bei der Rückgabe vorhandenen Gestalt (vgl. Urteil vom 3. Juni 1999 - BVerwG 7 C 14.98 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 34). Aufzustellen war die D-Markeröffnungsbilanz deshalb durch die Gerüstbau GmbH i.A., in welche der ehemalige VEB Gerüstbau ... umgewandelt war und deren D-Markeröffnungsbilanz in dem angefochtenen Bescheid auch zugrunde gelegt ist. Zur Feststellung dieser Bilanz war ein Beschluss der Gesellschafter der GmbH erforderlich, also der Treuhandanstalt, welche die Geschäftsanteile der GmbH hielt. Dass es an einem Gesellschafterbeschluss mangelt, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Die Kläger hatten lediglich geltend gemacht, der seinerzeitige Geschäftsführer der GmbH habe das (bei den Akten befindliche) Exemplar der D-Markeröffnungsbilanz nicht unterzeichnet. Ob dieser Vortrag Anlass geboten hätte, sich mit der Frage zu befassen, ob auch der für die wirksame Feststellung der Bilanz erforderliche Beschluss der Gesellschafter fehlt, kann auf sich beruhen. Denn die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Frage scheidet schon deshalb aus, weil die Tatsachen nicht festgestellt sind, auf deren Grundlage sie sich erst stellen würde.
2. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den geltend gemachten Verfahrensfehlern.
a) Der Senat kann offenlassen, ob das Verwaltungsgericht gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen hat, soweit es einen Anspruch der Kläger auf Ausgleich einer Verschlechterung der Ertragslage des zurückübertragenen Unternehmens nach § 6 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 Satz 1 VermG abgelehnt hat. Die Kläger beziehen ihre Rüge auf die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein solcher Anspruch stehe nur werbend tätigen Unternehmen zu und das zurückübertragene Unternehmen sei nie werbend tätig gewesen, weil nicht die aus beiden Klägern bestehende OHG i.A. als berechtigter Unternehmensträger, sondern der Kläger zu 1 als Einzelkaufmann das zurückübertragene Unternehmen betrieben habe. Das angefochtene Urteil beruht nicht entscheidungstragend auf dieser Annahme. Das Verwaltungsgericht hat sich vielmehr unabhängig davon in erster Linie auf die Erwägung gestützt, die Voraussetzungen einer Verschlechterung der Ertragslage nach § 6 Abs. 4 Satz 1 VermG lägen nicht vor.
b) Soweit die Kläger die Annahme des Verwaltungsgerichts angreifen, sie hätten die Unvollständigkeit der Inventur nicht substantiiert dargelegt, ist bereits unklar, welchen Verfahrensfehler sie geltend machen wollen. Aus ihrer Beschwerde ergibt sich im Übrigen nicht, wo in ihrem erstinstanzlichen Vortrag und bezogen auf welchen entscheidungserheblichen Punkt sie entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts eine Unvollständigkeit der Inventur substantiiert dargelegt haben.
c) Im Übrigen führen die Kläger im Folgenden selbst aus, sie hätten sich nicht gegen die Richtigkeit der Inventur, sondern gegen die Bewertung der Ergebnisse der Inventur gewandt. Insoweit machen die Kläger aber der Sache nach keinen Verfahrensfehler geltend, sondern greifen die materielle Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts an, ohne dass dabei ein Grund für die Zulassung der Revision erkennbar wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a.F.