Verfahrensinformation

Der Kläger begehrt eine höhere Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.


In dem vorangegangenen Rechtsstreit über die Rückzahlung von Ausbildungsförderung hatte der Kläger letztlich Erfolg. Der Prozess dauerte in zwei Instanzen über acht Jahre, wovon auf die erste Instanz mehr als sechs Jahre entfallen.


Im nunmehr anhängigen Entschädigungsrechtsstreit hat das Oberverwaltungsgericht die Ansicht vertreten, der Fall sei eher einfach gelagert gewesen und das Verwaltungsgericht hätte drei Jahre und vier Monate früher entscheiden können. Im Hinblick auf diese überlange Verfahrensdauer hat es dem Kläger für den immateriellen Schaden einen Ersatz von 4 000 € zugesprochen. Demgegenüber vertritt der Kläger im Revisionsverfahren die Ansicht, dass ihm weitere 2 000 € an Entschädigung zustünden. Es überzeuge nicht, wenn das Oberverwaltungsgericht eine Dauer von 39 Monaten für die erstinstanzliche Erledigung eines einfach gelagerten Falls als noch angemessen ansehe. Vielmehr hätte das Verwaltungsgericht binnen 20 Monaten entscheiden können, weil beide Seiten einer Übertragung auf den Einzelrichter zugestimmt und auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten.


Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers ist das neu geschaffene Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (vom 24. November 2011 - BGBl I 2302, geändert durch Gesetz vom 6. Dezember 2011 - BGBl I 2554), mit dem sich das Bundesverwaltungsgericht erstmals zu befassen haben wird.


Pressemitteilung Nr. 49/2013 vom 12.07.2013

Entschädigung für überlange Verfahrensdauer

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat sich erstmals mit dem Ende 2011 geschaffenen Entschädigungsanspruch wegen überlanger Dauer von Gerichtsverfahren befasst. Es hat in zwei Revisionsverfahren entschieden, dass es für die zentrale Frage, wann ein Gerichtsverfahren unangemessen lang dauert, keine festen Richtwerte gibt. Angesichts der Vielschichtigkeit und Vielgestaltigkeit der Verfahren ist es in Verwaltungsprozessen in der Regel auch nicht möglich, sich an angenommenen oder statistisch ermittelten Verfahrenslaufzeiten zu orientieren. Vielmehr hängt die Frage der Angemessenheit der Verfahrensdauer stets von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere von der Schwierigkeit des Verfahrens, von dessen Bedeutung und vom Verhalten der Beteiligten. Dabei ist vor allem auch zu prüfen, ob Verzögerungen, die durch die Verfahrensführung des Gerichts eintreten, bei Berücksichtigung des dem Gericht insoweit zukommenden Gestaltungsspielraumes sachlich gerechtfertigt sind.


Im ersten Verfahren geht es um die Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer für einen Rechtsstreit über die Rückzahlung von Ausbildungsförderung (in Höhe von 17 000 €), der in erster Instanz sechseinhalb und in zweiter Instanz knapp zwei Jahre gedauert hatte. Das Oberverwaltungsgericht hat als Entschädigungsgericht die Ansicht vertreten, die Verzögerung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren betrage nur drei Jahre und vier Monate. Den Verwaltungsgerichten sei, wenn eine Sache - wie hier nach etwas über einem Jahr - entscheidungsreif sei, noch eine Bearbeitungsfrist von zwei weiteren Jahren einzuräumen. Auf die Revision des Klägers hat das Bundesverwaltungsgericht diese Rechtsauffassung beanstandet. Es hat das Urteil abgeändert und dem Kläger antragsgemäß eine um 2 000 € höhere Entschädigung (insgesamt 6 000 €) zugebilligt und festgestellt, dass die Verfahrendauer unangemessen war. Nach den Umständen des Einzelfalles war davon auszugehen, dass - auch unter Berücksichtigung eines richterlichen Gestaltungsspielraumes - eine Verfahrensverzögerung von mindestens fünf Jahren vorlag, die sachlich nicht zu rechtfertigen war. Hierbei war auch zu berücksichtigen, dass die Sache einfach gelagert und zudem für den Kläger wegen der Höhe des Rückforderungsbetrages von erheblicher Bedeutung war. Soweit die Verzögerung auf einer erheblichen Arbeitsüberlastung des Verwaltungsgerichts beruhte, konnte dies nicht als Rechtfertigung dienen, sondern war dem beklagten Land zuzurechnen. Dieses ist gehalten, strukturellen Mängeln etwa durch eine bessere Personalausstattung des Gerichts abzuhelfen.


Gegenstand des zweiten Verfahrens ist der Entschädigungsanspruch einer Polizistin, die gegen ihre Umsetzung in ein anderes Polizeirevier geklagt hatte und beim Verwaltungsgericht zwei Jahre auf eine mündliche Verhandlung warten musste. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Sachsen-Anhalt bestätigt. Nach den besonderen Umständen des Einzelfalles hätte in diesem einfach gelagerten Rechtsstreit, der für die Klägerin von nicht unerheblicher Bedeutung war, eine mündliche Verhandlung ein Jahr früher stattfinden müssen, zumal das Verwaltungsgericht bereits in einem früheren Verfahren mit der Umsetzung befasst war. Der Klägerin steht daher eine Entschädigung für die materiellen und immateriellen Nachteile zu. Durch die Verzögerung sind ihr zusätzliche Fahrtkosten von über 1 800 € entstanden. Die Entschädigung für immaterielle Nachteile beträgt nach dem Gesetz grundsätzlich 1 200 € für jedes Jahr der Verzögerung.


BVerwG 5 C 23.12 D - Urteil vom 11. Juli 2013

Vorinstanz:

OVG Berlin-Brandenburg, 3 A 1.12 - Urteil vom 27. März 2012 -

BVerwG 5 C 27.12 D - Urteil vom 11. Juli 2013

Vorinstanz:

OVG Magdeburg, 7 KE 1/11 - Beschluss vom 25. Juli 2012 -


Beschluss vom 08.08.2012 -
BVerwG 3 A 1.12ECLI:DE:BVerwG:2012:080812B3A1.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.08.2012 - 3 A 1.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:080812B3A1.12.0]

Beschluss

BVerwG 3 A 1.12

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Der als „Untätigkeitsklage“ bezeichnete Rechtsbehelf des Klägers gegen den Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Mai 2012 wird verworfen.
  2. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird abgesehen.

Gründe

1 Der als Beschwerde zu wertende Rechtsbehelf ist unzulässig, weil Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe an das Bundesverwaltungsgericht durch Beschwerde nur in den Fällen angefochten werden können, die § 152 Abs. 1 VwGO anführt. Zu diesen Entscheidungen gehört der hier angefochtene Beschluss nicht; darauf wurde der Kläger hingewiesen.

2 Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus dem oben genannten Grund keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

3 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten wird für das Beschwerdeverfahren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen.