Beschluss vom 08.08.2007 -
BVerwG 1 WB 8.07ECLI:DE:BVerwG:2007:080807B1WB8.07.0

Leitsätze:

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Die – unterlassene – Weiterleitung der Bewerbung eines Soldaten um einen zivilen Dienstposten bei einer Dienststelle der NATO durch das Bundesministerium der Verteidigung stellt gegenüber dem betroffenen Soldaten eine Maßnahme im Sinne des § 17 Abs. 3 WBO dar.

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    BVerwG, Beschluss vom 08.08.2007 - 1 WB 8.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:080807B1WB8.07.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 8.07

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
sowie
Oberst Gräf und
Oberstleutnant Gerard
als ehrenamtliche Richter
am 8. August 2007 beschlossen:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen den Bescheid des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ II 7 - vom 12. Dezember 2006, mit dem ihm mitgeteilt wurde, dass seine Bewerbung um den zivilen Dienstposten eines „Resource Centre Managers“ (General Services Resource Centre) bei der NATO Consultation, Command and Control Agency (NC3A) in D./Niederlande mit dem NATO-Grade A 5 nicht unterstützt werde.

2 Der 1957 geborene Antragsteller ist Berufssoldat, dessen Dienstzeit voraussichtlich mit Ablauf des 30. November 2016 enden wird. Er wurde am 27. Januar 1998 zum Oberstleutnant ernannt und mit Wirkung vom 1. Mai 2003 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen. Seit dem 23. Juli 2001 wird er als Referent im Bundesministerium der Verteidigung - ... - verwendet.

3 Mit einer an das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ II 7 - gerichteten E-Mail vom 21. November 2006 übersandte der Antragsteller seine Bewerbung für die Stelle des „Resource Centre Manager“ bei der NC3A in D. Ausweislich der NATO-Ausschreibung dieser Stelle war Bewerbungsschluss der 24. November 2006; als Vertragsdauer waren drei Jahre vorgesehen.

4 Mit Schreiben vom 12. Dezember 2006, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, teilte das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ II 7 - dem Antragsteller mit, seine Bewerbung habe unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unterstützt werden können. Auf Rückfrage des Antragstellers erläuterte ihm das Ministerium mit E-Mail vom 9. Januar 2007, dass seine Bewerbung in Abstimmung mit dem fachlich zuständigen Referat BMVg - M II IT 1 - nicht habe unterstützt werden können und demzufolge auch nicht an die NC3A übermittelt worden sei.

5 Mit seinem am 19. Januar 2007 im Bundesministerium der Verteidigung eingegangenen Schreiben vom gleichen Tag beschwerte sich der Antragsteller darüber, dass seine Bewerbung bei der NC3A nicht weitergeleitet worden sei und dass M II IT 1 keine fachliche Bewertung seiner Qualifikationen für den ausgeschriebenen Dienstposten vorgenommen habe. Die Nichtweiterleitung seiner Bewerbung stelle einen elementaren Eingriff in sein Recht zur freien Berufswahl dar. Die Erfolgswahrscheinlichkeit seiner Bewerbung sei durch diesen Eingriff auf 0 % reduziert worden. Eine Entscheidung der NC3A habe bei Weiterleitung auch ohne Unterstützung durch PSZ II 7 zu seinen Gunsten ausfallen können. Die fehlende fachliche Unterstützung der Bewerbung durch M II IT 1 habe nicht auf einer Bewertung seiner persönlichen Qualifikationen für die ausgeschriebene Stelle beruht, sondern sei einer nicht nachvollziehbaren Priorisierung der ausgeschriebenen Stellen bei NC3A gefolgt.

6 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - hat diese Beschwerde als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewertet und sie mit seiner Stellungnahme vom 12. März 2007 dem Senat vorgelegt.

7 Zur Begründung trägt der Antragsteller insbesondere vor:
Dienstposten in internationalen Organisationen würden nach quota- und nonquota-Dienstposten unterschieden. Die Besetzung der quota-Dienstposten liege in der Zuständigkeit des Mitgliedslandes. Auf nonquota-Dienstposten könne sich jedermann bewerben; die Entscheidung darüber, welcher Bewerber ausgewählt werde, obliege der internationalen Organisation. Der streitgegenständliche Dienstposten stelle einen nonquota-Dienstposten dar, sodass die Besetzungsentscheidung nicht dem Bundesminister der Verteidigung, sondern der NATO oblegen habe. Durch die Nichtweiterleitung seiner Bewerbung sei ihm die Chance genommen worden, für den Dienstposten ausgewählt zu werden. Unerheblich sei insoweit, ob er zur Wahrnehmung dieses Dienstpostens freigestellt oder beurlaubt worden wäre. Diese Frage hätte sich erst gestellt, wenn seine Bewerbung erfolgreich gewesen wäre. Überdies hätte er die Möglichkeit gehabt, gegen eine Ablehnung seines Antrags auf Freistellung oder Beurlaubung Rechtsmittel einzulegen, gegebenenfalls die gerichtliche Entscheidung herbeizuführen und im Übrigen einen Antrag auf Entlassung nach § 46 Abs. 3 SG zu stellen. Zu Unrecht weise der Bundesminister der Verteidigung darauf hin, dass es kein Interesse an der Besetzung des streitbefangenen Dienstpostens gegeben habe. Vielmehr sei dieser Dienstposten nicht nur von der NATO ausgeschrieben worden, sondern auch unter der Ausschreibungs-Nr. 206/2006 vom Bundesministerium der Verteidigung. Dieser Umstand belege ein dienstliches Interesse an der Nachbesetzung durch einen Soldaten der Bundeswehr. Sein Fortsetzungsfeststellungsinteresse stütze er auf eine Wiederholungsgefahr sowie darauf, dass die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Beeinträchtigung seines Grundrechts auf freie Berufswahl beinhalte.

8 Der Antragsteller beantragt
festzustellen, dass die Nichtweiterleitung der von ihm mit E-Mail vom 21. November 2006 übersandten Bewerbung um den zivilen Dienstposten eines „Resource Centre Managers“ bei der NATO Consultation, Command and Control Agency mit dem NATO-Grade A 5 in D./Niederlande rechtswidrig war.

9 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

10 Der Antrag sei unzulässig, weil dem Antragsteller das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht zur Seite stehe. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt habe, dass er eine erneute Bewerbung für einen bei der NATO zu besetzenden Dienstposten beabsichtige oder sich für einen solchen Dienstposten schon beworben habe. Eine erneute Bewerbung des Antragstellers werde selbstverständlich individuell geprüft werden, sodass schon deshalb keine konkretisierte Gefahr vorliege, dass eine zukünftige Bewerbung (erneut) nicht weitergeleitet werde. Die unterlassene Weiterleitung tangiere im Übrigen nicht das Grundrecht des Antragstellers auf freie Berufswahl. Der Antrag sei auch unbegründet, weil für eine Tätigkeit des Antragstellers bei der NATO das dienstliche Interesse fehle. Der Umstand, dass der streitbefangene Dienstposten nicht nur von der NATO, sondern auch durch das Bundesministerium der Verteidigung ausgeschrieben worden sei, belege lediglich ein abstraktes dienstliches Interesse an der Nachbesetzung durch irgendeinen Soldaten der Bundeswehr, jedoch nicht das individuelle dienstliche Interesse, gerade den Antragsteller zur NATO zu entsenden. Im vorliegenden Falle habe ein überragendes deutsches Interesse vorgelegen, einen anderen hochwertigen Dienstposten bei der NC3A mit einem deutschen Vertreter zu besetzen. Eine Besetzung von zwei Spitzendienstposten mit nahezu identischer Dotierung und vergleichbarer Aufgabenstellung durch eine Nation sei in der Praxis auszuschließen. Die parallel laufende Bewerbung eines anderen Soldaten für einen herausgehobenen und mit dem höheren NATO-Grade OF A 6 dotierten Posten bei der NC3A habe nicht gefährdet werden dürfen. Gerade bei herausgehobenen Posten müssten die Chancen und Risiken von parallelen oder zeitnahen Bewerbungen auf verschiedene Posten innerhalb einer Organisation sorgfältig dahingehend bewertet und abgewogen werden, wie sie sich im Vergleich zu anderen Nationen argumentativ zu Gunsten oder zu Ungunsten der deutschen Interessen auswirken könnten. Die Bewerbung eines Soldaten auf einen bestimmten Dienstposten könne daher nicht losgelöst von anderen deutschen Kandidaturen betrachtet werden.

11 Wegen des Vorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - 124/07 - sowie die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

12 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt ohne Erfolg.

13 Der Feststellungsantrag ist allerdings zulässig.

14 Für diesen Antrag ist der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten und hier zum Bundesverwaltungsgericht - Wehrdienstsenate - nach § 21 Abs. 1 WBO gegeben. Auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 17 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO liegen vor, denn bei der streitbefangenen Weiterleitung der Bewerbung handelt es sich um eine „Maßnahme“ des Bundesministers der Verteidigung gegenüber dem Antragsteller.

15 Das Bundesministerium der Verteidigung hat das ihm hinsichtlich der Entsendung von Soldaten und Soldatinnen in öffentliche zwischen- und überstaatliche Organisationen in § 3 SG sowie - aufgrund § 28 Abs. 4 SG - in § 9 der Verordnung über den Urlaub der Soldaten (Soldatenurlaubsverordnung - SUV) i.V.m. § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamtinnen, Bundesbeamte, Richterinnen und Richter des Bundes (Sonderurlaubsverordnung - SUrlV) eingeräumte Ermessen konkretisiert und gebunden in dem Erlass über die „Beurlaubung von Soldaten und Soldatinnen unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge zur Wahrnehmung hauptberuflicher Tätigkeiten in öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisationen“, abgedruckt in ZDv 14/5 F 513. Nach Nr. 1.1 Abs. 2 sowie Abs. 5 bis 7 ZDv 14/5 F 513 kommt die Weiterleitung einer Bewerbung um eine hauptberufliche Beschäftigung in öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisationen ohne Entscheidung über die Benennung oder Nichtbenennung des Kandidaten nicht in Betracht. Die Frage der Weiterleitung ist damit untrennbar mit der Entscheidung über die Benennung oder Nichtbenennung des sich für einen solchen Dienstposten bewerbenden Soldaten verbunden (Beschluss vom 19. November 1998 - BVerwG 1 WB 21.98 - Buchholz 236.12 § 9 Nr. 3). Für die Entscheidung über die Benennung ist nach Nr. 1.1 ZDv 14/5 F 513 das Bundesministerium der Verteidigung zuständig. Mit der Benennung oder Nichtbenennung eines Bewerbers wird das Bundesministerium der Verteidigung als militärisch vorgesetzte Dienststelle tätig. Es trifft hiermit eine (Vor-)Entscheidung über die Möglichkeit einer anderweitigen, mit einer Beurlaubung unter Wegfall der Geld- und Sachbezüge verbundenen Tätigkeit außerhalb der Bundeswehr und damit eine Entscheidung über die Verwendung des betroffenen Soldaten (Beschlüsse vom 19. November 1998 a.a.O. und vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 19.04 -). Diese Verwendungsentscheidung ist truppendienstlicher Natur und kann von den Wehrdienstgerichten auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden (Beschlüsse vom 3. Juli 1990 - BVerwG 1 WB 7.90 - und vom 19. November 1998 a.a.O.). Die Tatsache, dass die Weiterleitung der Bewerbung - isoliert betrachtet - lediglich eine tatsächliche Handlung des zuständigen Vorgesetzten bzw. der zuständigen vorgesetzten Dienststelle ist, steht ihrer Qualifikation als „Maßnahme“ im Sinne des § 17 Abs. 1 und 3 WBO nicht entgegen, weil ihre Wirkung oder ihre Unterlassung den Antragsteller unmittelbar betrifft (vgl. zu dieser Voraussetzung: Beschluss vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 WB 14.03 - BVerwGE 119, 341 <342> = Buchholz 311 § 17 WBO Nr. 52 = NZWehrr 2004, 163 m.w.N.).

16 Das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren des Antragstellers, den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, die Bewerbung vom 21. November 2006 an die NC3A weiterzuleiten, hat sich nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten spätestens mit der so genannten „shortlist“ wenige Tage nach Ablauf der auf den 24. November 2006 festgesetzten Bewerbungsfrist durch Zeitablauf erledigt. Diese Erledigung ist vor Einlegung der Beschwerde vom 19. Januar 2007 eingetreten.

17 Der daraufhin vom Antragsteller gestellte Feststellungsantrag kann auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO gestützt werden, der im Wehrbeschwerdeverfahren entsprechend anwendbar ist (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 24. Februar 2005 - BVerwG 1 WB 19.04 - m.w.N.). Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO auf vor Klageerhebung erledigte Verwaltungsakte analog angewendet werden kann (vgl. u.a. Urteil vom 6. April 1989 - BVerwG 2 C 9.87 - BVerwGE 81, 365 <367>). Dies muss generell auch dann gelten, wenn sich eine truppendienstliche Maßnahme vor Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung erledigt. Dann gebietet es der Schutzzweck der Norm, dem betroffenen Soldaten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine nachträgliche Klärung ihrer Rechtmäßigkeit durch das zuständige Wehrdienstgericht zu eröffnen, wenn er ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter Berufung auf ein Rehabilitierungsinteresse oder eine Wiederholungsgefahr geltend macht; zusätzlich kommt auch ein berechtigtes Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die erledigte Maßnahme eine fortdauernde faktische Grundrechtsbeeinträchtigung nach sich zieht (Beschlüsse vom 11. Dezember 2003 a.a.O. und vom 24. Februar 2005 a.a.O. m.w.N.). Lediglich in Fällen, in denen die Erledigung der truppendienstlichen Maßnahme und damit die Erledigung der Hauptsache bereits vor Stellung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung eingetreten ist und sich der Antragsteller auf die Absicht bezieht, einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen, hat nach der Rechtsprechung des Senats das für die Schadensersatzklage zuständige allgemeine Verwaltungsgericht oder Zivilgericht über sämtliche den geltend gemachten Anspruch betreffenden Rechtsfragen in eigener Zuständigkeit zu befinden; eine Fortsetzung des Wehrbeschwerdeverfahrens mit einem Feststellungsantrag vor dem Wehrdienstgericht kommt dann nicht in Betracht (vgl. Beschlüsse vom 8. Mai 2001 - BVerwG 1 WB 15.01 - Buchholz 442.40 § 30 LuftVG Nr. 6 = NZWehrr 2001, 165 und vom 22. Juni 2005 - BVerwG 1 WB 1.05 -).

18 Der Antragsteller stützt sein Feststellungsinteresse auf eine Wiederholungsgefahr. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr setzt u.a. voraus, dass die konkret absehbare Möglichkeit besteht, dass in naher Zukunft eine gleiche oder gleichartige Entscheidung wie die erledigte Maßnahme zu erwarten ist (Beschlüsse vom 23. Juni 2004 - BVerwG 1 WB 20.04 - und vom 24. Februar 2005 a.a.O.).

19 Der Antragsteller weist auf (möglicherweise von ihm beabsichtigte) „zukünftige Bewerbungen“ hin und wendet sich ausdrücklich dagegen, dass sich der Bundesminister der Verteidigung vorbehält, Bewerbungen für Stellen bei einer Organisation im Sinne der Nr. 1 ZDv 14/5 F 513 nicht weiterzuleiten, wenn nach Prüfung durch das Referat PSZ II 7 kein dienstliches Interesse an der Entsendung bzw. an der Beurlaubung des Bewerbers besteht. Insofern kann die vom Bundesminister der Verteidigung im vorliegenden Verfahren erklärte Zusicherung der Prüfung im Einzelfall die Gefahr nicht ausschließen, dass künftige Bewerbungen des Antragstellers unter den vorbezeichneten Bedingungen auch weiterhin nicht an die jeweilige Organisation weitergeleitet werden. Dies genügt für die hinreichende Darlegung einer Wiederholungsgefahr, zumal bei der vorbezeichneten Sachlage effektiver Rechtsschutz für den betroffenen Soldaten in der Regel zu spät käme und deswegen Art. 19 Abs 4 GG die Möglichkeit einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle trotz Erledigung gebietet.

20 Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.

21 Der Antragsteller hatte keinen Anspruch auf Weiterleitung seiner Bewerbung und auf Benennung für den zivilen Dienstposten eines „Resource Centre Managers“ bei der NC3A in D.

22 Wie oben bereits dargelegt, ist die Weiterleitung einer Bewerbung zur Wahrnehmung hauptberuflicher Tätigkeiten in öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisationen ohne die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung über die Benennung oder Nichtbenennung des Bewerbers für diese Tätigkeit nicht möglich. Insoweit setzt die Benennung ein dienstliches Interesse des Bundesministeriums der Verteidigung an der Entsendung des Bewerbers voraus, wobei die Entsendung der Beurlaubung gleichsteht. Dies folgt aus der generellen Definition des dienstlichen Interesses in Nr. 1 ZDv 14/5 F 513 sowie aus Nr. 1.1 Abs. 6 ZDv 14/5 F 513, wonach mit der Benennung durch das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ II 7 - das dienstliche Interesse dieses Ministeriums an der Beurlaubung des Soldaten oder der Soldatin anerkannt wird. Ergänzend gelten gemäß Nr. 2 ZDv 14/5 F 513 die „Richtlinien für die Entsendung von Bundesbediensteten in öffentliche zwischen- oder überstaatliche Organisationen“ (Entsendungsrichtlinien) in der Fassung vom 26. September 2005 (GMBl 2005, 1073), die in ihrer Nr. I.1 die Beurlaubung und die Entsendung gleichstellen. Über das Vorliegen des dienstlichen Interesses an der Entsendung bzw. Beurlaubung entscheidet das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ II 7 - (Nr. 1.1 ZDv 14/5 F 513).

23 Kumulativ setzt die Benennung außerdem voraus, dass für den Fall der Berücksichtigung der Bewerbung durch die zwischen- oder überstaatliche Organisation der nach Nr. 1 Abs. 1 ZDv 14/5 F 513 erforderlichen Gewährung des Sonderurlaubs keine dienstlichen Gründe entgegenstehen. Hierüber entscheidet nach Nr. 1.1 Abs. 2 ZDv 14/5 F 513 die zuständige personalbearbeitende Stelle. Dies ist im Falle des Antragstellers nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 ZDv 14/5 B 125 i.V.m. Nr. 97 Abs. 5 ZDv 14/5 F 511 das Personalamt der Bundeswehr.

24 Für jegliche Bewerbung dieser Art - sei es auf einen quota-Dienstposten oder auf einen nonquota-Dienstposten der jeweiligen internationalen Organisation - folgt aus Nr. 1 und Nr. 2.1 ZDv 14/5 F 513, dass die Besetzung des angestrebten Dienstpostens mit einem Bewerber ohne Entscheidung über die Sonderurlaubsgewährung nicht möglich ist. Insoweit betont Nr. 1.2 ZDv 14/5 F 513, dass auch bei Direktbewerbungen bei der internationalen Einrichtung vor der Entscheidung über den Sonderurlaub eine Entscheidung nach Nr. 1.1 ZDv 14/5 F 513 - also (auch) über das dienstliche Interesse des Bundesministeriums der Verteidigung an der Entsendung bzw. Beurlaubung - herbeizuführen ist.

25 Das dienstliche Interesse an der Entsendung wird in Nr. 1 ZDv 14/5 F 513 generell dahin definiert, dass die Bundesrepublik Deutschland daran interessiert ist, Dienstposten der öffentlichen zwischen- und überstaatlichen Organisationen in einem angemessenen Verhältnis zu ihrer finanziellen Beteiligung an diesen Organisationen mit qualifiziertem deutschem Personal (Soldaten und Soldatinnen aller Dienstgrade eingeschlossen) zu besetzen. Diese abstrakte, nicht auf den einzelnen Soldaten bezogene Definition wird durch das nach Nr. 1.1 Abs. 6 ZDv 14/5 F 513 erforderliche spezifische dienstliche Interesse an der Entsendung bzw. Beurlaubung eines einzelnen konkreten Soldaten ergänzt.

26 Das abstrakte dienstliche Interesse für die Entsendung (irgend-)eines Soldaten der Bundeswehr auf den streitbefangenen Dienstposten liegt hier vor. Dies ergibt sich aus der Ausschreibung des Dienstpostens nicht nur durch die NATO, sondern auch durch das Bundesministerium der Verteidigung.

27 Das konkrete dienstliche Interesse, einen bestimmten Soldaten zu entsenden, richtet sich gemäß Nr. 1.1 Abs. 1 und 4 ZDv 14/5 F 513 nach den Kriterien der persönlichen und fachlichen Qualifikation des jeweiligen Bewerbers sowie der „übergeordneten Gesichtspunkte“. Die systematisch getrennte Regelung der persönlichen und fachlichen Qualifikation des Bewerbers einerseits und der „übergeordneten Gesichtspunkte“ für die Entsendung andererseits dokumentiert, dass das letztgenannte Kriterium im Rahmen der erforderlichen Ermessensbetätigung einen eigenständigen Aspekt für die Beurteilung des konkreten dienstlichen Interesses an der Entsendung eines bestimmten Bewerbers für einen bestimmten Dienstposten oder eine bestimmte Stelle darstellen soll.

28 Nr. 1.1 Abs. 4 ZDv 14/5 F 513 enthält keine nähere Erläuterung, welche „übergeordneten Gesichtspunkte“ in die Beurteilung des dienstlichen Interesses einfließen sollen. Der Bundesminister der Verteidigung beruft sich auf ein „überragendes deutsches Interesse“ daran, einen anderen höherwertigen Dienstposten bei der NC3A als den vom Antragsteller angestrebten Posten mit einem deutschen Vertreter zu besetzen, und nimmt insoweit eine Abwägungsentscheidung für sich in Anspruch, die Chancen und Risiken von parallelen oder zeitnahen Bewerbungen auf verschiedene Posten innerhalb einer Organisation sorgfältig dahingehend zu bewerten, wie sie sich im Vergleich zu anderen Nationen argumentativ zu Gunsten oder zu Ungunsten der deutschen Interessen auswirken könnten. Diese Erwägung ist als „übergeordneter Gesichtspunkt“ rechtlich nicht zu beanstanden.

29 Zu den „übergeordneten Gesichtspunkten“ können „strategische“ Zweckmäßigkeitserwägungen gehören, wenn zeitgleich mehrere Dienstposten oder Stellen insbesondere bei derselben öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisation von der Bundesrepublik Deutschland besetzt werden können. Diese Aspekte müssen nicht personenbezogen sein (also die besondere individuelle Eignung und Qualifikation eines Bewerbers betreffen); sie können ausdrücklich auch dienstpostenbezogen bewertet werden. Es obliegt insoweit der fachlich-militärischen und diplomatischen Einschätzungsprärogative des Bundesministeriums der Verteidigung - PSZ II 7 - als der für die Benennung zuständigen Stelle abzuwägen, welchem der von der Bundesrepublik Deutschland in der jeweiligen Organisation zu besetzenden Posten ein höheres Gewicht beizumessen ist. „Strategische“ Zweckmäßigkeitserwägungen als Grundlage der Ablehnung eines konkreten dienstlichen Interesses an der Entsendung bleiben auch dann zulässig, wenn das Bundesministerium der Verteidigung den betroffenen Dienstposten selbst ausgeschrieben hat. Mit der Ausschreibung signalisiert das Bundesministerium der Verteidigung lediglich das abstrakte dienstliche Interesse an der Entsendung eines Soldaten der Bundeswehr auf den betroffenen Dienstposten; ihm bleibt aber unbenommen, erst nach dem Eingang der Bewerbungen auf diesen Dienstposten definitiv zu entscheiden, ob diese Bewerbungen parallele Bewerbungen auf einen anderen Dienstposten innerhalb der Organisation gefährden und welcher Stellenbesetzung innerhalb der Organisation das Bundesministerium der Verteidigung den Vorrang einräumen will. Im Zeitpunkt der Ausschreibung lassen sich häufig noch nicht alle Einzelheiten einer denkbaren Kollisionslage vorweg bedenken. Insbesondere lässt sich im Zeitpunkt der Ausschreibung noch nicht einschätzen, ob und gegebenenfalls welche Bewerbungen auf den jeweiligen Dienstposten eingehen werden. Erst nach Eingang der Bewerbungen lässt sich eine sachgerechte und abgerundete Bewertung der Frage vornehmen, ob „strategische“ Erwägungen die Unterstützung einer Bewerbung auf einen anderen Dienstposten innerhalb derselben öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisation gebieten.

30 Der Antragsteller ist dem Vorbringen des Bundesministers der Verteidigung nicht entgegengetreten, die parallel laufende Bewerbung eines anderen Soldaten für einen höher dotierten Posten (NATO-Grade OF A 6) bei der NC3A habe nicht gefährdet werden dürfen. Insbesondere hat der Antragsteller nicht substantiiert in Frage gestellt, dass - wie vom Bundesminister der Verteidigung vorgetragen - eine Besetzung von zwei Spitzendienstposten mit nahezu identischer Dotierung und vergleichbarer Aufgabenstellung durch eine Nation in der Praxis auszuschließen sei.

31 Hiernach fehlte für die Entsendung bzw. Beurlaubung des Antragstellers das konkrete dienstliche Interesse des Bundesministeriums der Verteidigung.

32 Bei dieser Sachlage war das Bundesministerium der Verteidigung - PSZ II 7 - nicht gehalten, nachträglich die Frage der Gewährung eines Sonderurlaubs durch das Personalamt der Bundeswehr klären zu lassen. Denn der Antragsteller hatte - entgegen der Anordnung in Nr. 1.1 Abs. 2 ZDv 14/5 F 513 - seine Bewerbung nicht zuvor dem Personalamt der Bundeswehr vorgelegt, um diesem die Möglichkeit der Prüfung seines Sonderurlaubsanspruchs zu geben. Fehlt beim Bundesministerium der Verteidigung - wie hier - das konkrete dienstliche Interesse an einer Beurlaubung des jeweiligen Bewerbers, macht dieser Umstand die gesonderte Prüfung einer Sonderurlaubsgewährung durch die personalbearbeitende Stelle entbehrlich.

33 Bei fehlendem konkreten dienstlichen Interesse an seiner Entsendung bzw. Beurlaubung hatte der Antragsteller keinen Anspruch auf Weiterleitung seiner Bewerbung an die NC3A. Einen derartigen Anspruch auf Weiterleitung sieht der Erlass in ZDv 14/5 F 513 nicht vor. Vielmehr bestimmt Nr. 1.1 Abs. 7 ZDv 14/5 F 513, dass Bewerber und Bewerberinnen, die für eine Beurlaubung nicht in Frage kommen, darüber (lediglich) einen Bescheid erhalten. Als Regelbeispiele für den Ausschluss einer Beurlaubung in diesem Sinne bezeichnet die Vorschrift die Nichtbenennung als Kandidat oder Kandidatin, die Nichtberücksichtigung durch die entsprechende Organisation sowie sonstige dienstliche Gründe. Zu den sonstigen dienstlichen Gründen gehört das fehlende konkrete dienstliche Interesse des Bundesministeriums der Verteidigung an der Entsendung bzw. Beurlaubung eines Bewerbers.

34 Der Verzicht auf die Weiterleitung der Bewerbung des Antragstellers erweist sich auch im Übrigen nicht als ermessensfehlerhaft. Insbesondere ist ein Ermessensfehler im Hinblick auf Art. 12 GG nicht erkennbar. Die Vorschriften über die Entsendung von Soldaten in öffentliche zwischen- oder überstaatliche Organisationen stellen Sonderregelungen dar, die ihre Grundlage in Art. 33 Abs. 5 GG finden und die Freiheit der Berufswahl in verfassungsmäßiger Weise beschränken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1986 - 1 BvL 26/83 - BVerfGE 73, 301 <315>). Im Übrigen bleibt es ausweislich Nr. 1.2 Abs. 2 ZDv 14/5 F 513 den Bewerbern unbenommen, parallel zur Bewerbung „auf dem Dienstweg“ eine Bewerbung unmittelbar bei der jeweiligen öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Organisation einzureichen und diese Organisation auf diesem Wege von der Bewerbung in Kenntnis zu setzen.