Beschluss vom 08.08.2007 -
BVerwG 10 B 91.07ECLI:DE:BVerwG:2007:080807B10B91.07.0

Beschluss

BVerwG 10 B 91.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.01.2007 - AZ: OVG 21 A 3013/04.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. August 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. Januar 2007 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten in der Hauptsache bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.

Gründe

1 Die Beschwerde ist mit der Rüge eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung verweist der Senat die Sache daher gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an das Berufungsgericht zurück.

2 1. Die von der Beschwerde erhobene Grundsatzrüge greift allerdings nicht durch. Denn die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.

3 Die Beschwerde wirft die Frage auf, „ob die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EU des Europäischen Rates vom 29. April 2004 - insbesondere der Art. 15 Buchst. c dieser Richtlinie - dazu führen müssen, die bisherige ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung hinsichtlich der eingeschränkten Voraussetzungen für die Gewährung politischen Abschiebungsschutzes in Bürgerkriegsgebieten zu modifizieren“. Hiermit zeigt die Beschwerde keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfrage auf. Soweit die Beschwerde die Auswirkungen des Art. 15 Buchst. c der genannten Richtlinie - Qualifikationsrichtlinie - für grundsätzlich klärungsbedürftig hält, berücksichtigt sie nicht, dass diese Bestimmung die subsidiäre Schutzgewährung betrifft, die innerstaatlich in § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geregelt ist. Hierüber hatte das Berufungsgericht aufgrund seiner eingeschränkten Berufungszulassung nicht zu entscheiden. Einen grundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der Frage der Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG, die Gegenstand des berufungsgerichtlichen Urteils war, zeigt die Beschwerde nicht auf.

4 2. Dagegen greift die mit der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des Anspruchs des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 108 VwGO, Art.103 Abs. 1 GG) durch. Die Beschwerde bemängelt zu Recht, dass das Berufungsgericht seine Ausführungen zum Nichtvorliegen einer individuellen Gefährdung des Klägers ohne jedweden Bezug auf tatsächliche Erkenntnismittel begründet hat.

5 Das angefochtene Urteil stellt hierzu fest, besondere in der Person des Klägers liegende und in seinem Einzelfall zu würdigende Anhaltspunkte für eine bis zum Maß einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit gesteigerte Gefahr politischer Verfolgung seien nicht gegeben. Der Kläger weise zwar verschiedene Merkmale auf, die die Wahrscheinlichkeit eines ersten Zugriffs zur Identitätsabklärung durch die Sicherheitskräfte erhöhen könnten; sie trügen aber nicht den Schluss, dass ihm dabei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Inhaftierung und/oder körperliche Misshandlungen drohten. Mit Blick auf die Risikofaktoren möglicherweise unzureichender Sprachkenntnisse, Alter und Herkunft teile der Kläger das Schicksal einer Vielzahl nach Sri Lanka zurückkehrender tamilischer Asylbewerber, deren Lebensalter unter 35 bis 40 Jahren liege, deren Geburts- oder Herkunftsort auf der Jaffna-Halbinsel oder im übrigen Norden Sri Lankas liege und die die singhalesische und englische Sprache nicht beherrschten, ohne dass es bei diesem Personenkreis mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu relevanten Übergriffen komme (UA S. 26). Das Berufungsgericht legt in diesem Zusammenhang aber nicht - für die Beteiligten und das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar - dar, aufgrund welcher Erkenntnisse es zu seiner Einschätzung gelangt ist. Die erforderliche Begründung kann ohne konkrete Bezugnahme auch nicht den vorangegangenen allgemeinen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Gefährdung tamilischer Volkszugehöriger im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland und den in diesem Zusammenhang angeführten Erkenntnisquellen entnommen werden. Damit ist das Berufungsgericht seiner Pflicht nach § 108 Abs.1 Satz 2 VwGO nicht nachgekommen, in seinem Urteil die Gründe anzugeben, welche für die richterliche Überzeugung entscheidend gewesen sind. Dies verletzt zugleich das rechtliche Gehör des Klägers.