Beschluss vom 08.06.2007 -
BVerwG 10 B 45.07ECLI:DE:BVerwG:2007:080607B10B45.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.06.2007 - 10 B 45.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:080607B10B45.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 45.07

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 17.08.2006 - AZ: OVG 16 A 4596/05.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2007
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann und Richter
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 17. August 2006 wird zurückgewiesen
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

2 Die Beschwerde wirft zunächst folgende Rechtsfrage als grundsätzlich bedeutsam auf:
„Ist bei der Beurteilung, ob im Irak eine grundlegende und dauerhafte Situationsänderung vorliegt, die Richtlinie 2004/83 EG (sog. Qualifikationsrichtlinie) anzuwenden?“

3 Die Beschwerde macht geltend, wann eine entscheidungserhebliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat angenommen werden könne, sei in Übereinstimmung mit der so genannten Wegfall-der-Umstände-Klausel in Art. 1C Nr. 5 GFK zu beurteilen, die nunmehr wörtlich von Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Qualifikationsrichtlinie übernommen worden sei. Es fehle an höchstrichterlicher Rechtsprechung zu der aufgeworfenen Frage.

4 Die aufgeworfene Frage rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie in erster Linie auf die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung der Verhältnisse im Irak abzielt und nicht - wie erforderlich - eine Rechtsfrage betrifft. Aber auch wenn man auf die rechtlichen Komponenten der aufgeworfenen Frage abstellt, ist der Beschwerde deren Klärungsbedürftigkeit nicht zu entnehmen. Die Beschwerde berücksichtigt nicht, dass die den Widerruf betreffenden Bestimmungen der Qualifikationsrichtlinie über die Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung der Flüchtlingseigenschaft (Art. 14 i.V.m. Art. 11) im vorliegenden Fall noch nicht anwendbar sind. Denn sie gelten gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie nur bei Anträgen auf internationalen Schutz, die - anders als hier - nach Inkrafttreten der Richtlinie am 20. Oktober 2004 gestellt wurden. Abgesehen davon ist auch nicht erkennbar, dass sich für den Widerruf der Flüchtlingseigenschaft aus Art. 14 i.V.m. Art. 11 der Richtlinie, der wörtlich an die entsprechenden Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention anknüpft, inhaltlich etwas anderes ergibt als aus § 73 Abs. 1 AsylVfG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls im Sinne von Art. 1C Nr. 5 und 6 GFK auszulegen und anzuwenden ist (vgl. Urteil vom 20. März 2007 - BVerwG 1 C 21.06 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen m.w.N.). Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

5 Die Beschwerde macht darüber hinaus die grundsätzliche Bedeutung der folgenden Frage geltend:
„Ist § 73 Abs. 2a AsylVfG, der am 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist, auf Entscheidungen über Irakwiderrufe anwendbar, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind?“

6 Diese Frage ist durch das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. März 2007 geklärt. Danach findet § 73 Abs. 2a AsylVfG auf den nach dem 1. Januar 2005 ausgesprochenen Widerruf einer vor diesem Zeitpunkt unanfechtbar gewordenen Anerkennung mit der Maßgabe Anwendung, dass die darin vorgesehene neue Drei-Jahres-Frist, nach deren Ablauf das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge spätestens erstmals die Widerrufsvoraussetzungen prüfen muss, erst vom 1. Januar 2005 an zu laufen beginnt. Eine Ermessensentscheidung über den Widerruf nach § 73 Abs. 2a Satz 3 AsylVfG kommt auch bei derartigen Alt-Anerkennungen erst in Betracht, wenn das Bundesamt in einem vorangegangenen Verfahren Widerrufsvoraussetzungen sachlich geprüft und verneint hat (Negativentscheidung). Einen weitergehenden Klärungsbedarf macht die Beschwerde auch insoweit nicht ersichtlich.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.