Beschluss vom 08.05.2008 -
BVerwG 8 B 25.08ECLI:DE:BVerwG:2008:080508B8B25.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.05.2008 - 8 B 25.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:080508B8B25.08.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 25.08

  • VG Berlin - 04.12.2007 - AZ: VG 29 A 78.05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Mai 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. vom Heinburg und Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.

2 Die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe gestellte Beweisanträge mit dem Thema nicht berücksichtigt, dass der vom Ministerium des Innern dringend benötigte Appell- und Sportplatz für seine Einsatzkräfte bereits im April 1960 vor der Inanspruchnahme fertig gestellt gewesen sei. Die Klageabweisung könne auf diesem Verfahrensmangel beruhen, weil durch die unterbliebene Sachverhaltsaufklärung die streiterhebliche Rechtsfrage einer machtmissbräuchlichen Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG nicht mehr geklärt werden konnte.

3 Der geltend gemachte Verfahrensfehler der Nichtberücksichtigung gestellter Beweisanträge (§ 86 Abs. 2 VwGO) scheitert schon daran, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht keinen Beweisantrag zum Erwerb aufgrund unlauterer Machenschaften gestellt hat. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 4. Dezember 2007 hat weder die Klägerin selbst noch ihr in der mündlichen Verhandlung anwesender anwaltlicher Vertreter bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt, der der Form des § 86 Abs. 2 VwGO entspricht. Beweisanträge im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO sind nur unbedingt und nicht hilfsweise gestellte Anträge sowie Beweisanträge mit klarem Beweisthema. In der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2007 hat der Bevollmächtigte der Klägerin lediglich hilfsweise beantragt, die Sache unter Berücksichtigung der Anträge im Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 weiter aufzuklären, dies auch hinsichtlich der Tatsache, ob das Streitgrundstück vor und nach der Inanspruchnahme funktional einbezogen gewesen sei in den Sportplatz/Appellplatz des Ministerium des Innern und die für das dortige Gelände bestehende Passierscheinregelung.

4 Die Rüge, die Vorinstanz habe unter Verletzung von § 86 Abs. 1 VwGO den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, ist nur dann ordnungsgemäß erhoben, wenn die Beschwerde substantiiert darlegt, welche Fragen tatsächlicher Art aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise er angetreten hat oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht auch ohne förmlichen Beweisantrag hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären und welches Ergebnis von einer entsprechenden Beweisaufnahme zu erwarten gewesen wäre. Ob sich der Vorinstanz eine nähere Aufklärung des Sachverhalts aufdrängen musste, ist dabei allein auf der Grundlage ihrer Auffassung zur materiellen Rechtslage zu beurteilen.

5 Dem Verwaltungsgericht musste sich ohne ausdrücklich gestellten Beweisantrag keine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen aufdrängen, ob bereits vor Einleitung des Enteignungsverfahrens die Sportplatznutzung realisiert war, ob das streitgegenständliche Grundstück jemals in die Planung eines kombinierten Sport- und Parkplatzes einbezogen war und ob es auch nach der Enteignung ausschließlich „Grünfläche“ und nicht Teil des Appell- und Sportplatzes des Ministeriums des Innern gewesen sei. Das Verwaltungsgericht hatte angesichts der durch vorgelegte Verwaltungsakten nachgewiesenen Inanspruchnahme der streitigen Fläche und des Ergebnisses der Anfragen des Verwaltungsgerichts beim Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen Berlin, dem Landesarchiv Berlin und dem Bundesarchiv keine Zweifel, dass das Grundstück in das Inanspruchnahmeverfahren einbezogen war. Diese Würdigung der Tatsachen kann nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden. Das Verwaltungsgericht hatte auch keine Veranlassung im Hinblick auf die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 benannten Archivbestände des Landesarchivs und des Bundesarchivs erneut eine Anfrage an diese zu richten, weil insoweit nicht substantiiert dargelegt wurde, welches Ergebnis für das vorliegende Verfahren von einer erneuten Recherche zu erwarten gewesen wäre.

6 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich aus dem Schreiben des Ministeriums des Innern vom 24. Juni 1960 an den Magistrat von Groß-Berlin in Verbindung mit der anliegenden „Abzeichnung der Flurkarte“ deutlich, dass das streitbefangene Grundstück, das im „Betreff“ des Schreibens genannt sei, für den Aufbau einer Kleinsportanlage in Anspruch genommen werden sollte. In der beigefügten Skizze dieser Flurkarte sei das gesamte Grundstück auch durch rote Umrandung deutlich bezeichnet. Auf diesem Schreiben - handschriftlicher Zusatz - werde auf die innerörtliche Standortgenehmigung Nr. 31/1959 vom 28. Dezember 1959 verwiesen mit dem Zusatz „kombinierter Sport- u. Parkpl.“. Dabei handele es sich um genau die Standortgenehmigung, die klägerischerseits als Anlage K 6 zur Klagebegründung eingereicht worden sei und die das streitgegenständliche Grundstück in seiner Lagebezeichnung auch deutlich benenne, wenn dort aufgeführt sei, „Gelände M.straße 33/35 - B.straße 6/8 - und W.straße 65“. Das Verwaltungsgericht hat keine Anhaltspunkte gesehen, dass die Einbeziehung des streitgegenständlichen Grundstücks in das Projekt „kombinierter Sport- und Parkplatz“ lediglich vorgeschoben war. Es folgert dies aus dem Planungsvorhaben, wonach ersichtlich auch Grünanlagen vorgesehen gewesen seien, wie die innerörtliche Standortgenehmigung Nr. 31/1959 vom 28. Dezember 1959 auf Seite 2 zu Hinweise und Auflagen unter c belege. Dort sei ausdrücklich auf die Verantwortung des Antragstellers für die „Pflege und Unterhaltung der Grünanlagen“ hingewiesen worden. Zu einem Sportplatz gehörten nicht nur Laufbahnen, Sprunggruben oder dergleichen, sondern auch Frei- und Grünflächen. Darüber hinaus hätten Grünflächen auch Abstands- und Schutzfunktion insbesondere zu Gebäuden und Straßen. Das klägerischerseits mit der Klagebegründung vorgelegte Schreiben der Druckerei „Neues Deutschland“ vom 3. Dezember 1965 sei nicht geeignet, die fehlende Einbeziehung des streitgegenständlichen Grundstücks in den „kombinierten Sport- und Parkplatz“ zu belegen. Dort heiße es, die jetzt zwischen dem Sportplatzgelände und der B.straße bestehende Grünfläche sei zu liquidieren und dieser ca. 20 m breite Streifen als „Sportplatzerweiterung“, d.h. zur Gesamtanlage herzurichten.

7 Die Beschwerde legt nicht dar, welche Erkenntnisse das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Ausgangs des Verfahrens aus einer Skizze hätte gewinnen können, auf die sich das Stadtbauamt-Stadtbegrünung an das Ministerium des Innern mit Schreiben vom 15. Dezember 1959 bezüglich der „Kleinsportanlage B.straße-M.straße“ (vgl. Anl. K 5 zum Schriftsatz vom 31. März 2006) hätte gewinnen können. Was den Lage- und Höhenplan anbelangt, so hat das Verwaltungsgericht diesen beim Landesarchiv Berlin angefordert (vgl. Bl. 62 Rückseite der VG-Akte). Er befindet sich bei den Akten. Im Übrigen lässt die Beschwerde offen, welche weiteren Beweismittel in Betracht gekommen wären und welches Ergebnis von ihnen zu erwarten gewesen wäre.

8 Es liegt auch kein Mangel im Tatsachenbereich vor, weil das Verwaltungsgericht nach Auffassung der Beschwerde keine Feststellungen zum Vortrag der Klägerin getroffen habe, dass bereits vor Einleitung des Enteignungsverfahrens auf den umliegenden Grundstücken und auch hilfsweise dem streitigen Grundstück der Sportplatz realisiert worden sei. Das Verwaltungsgericht hat dazu festgestellt, dass mit Schreiben vom 24. Juni 1960, dem eine Grundbuchabschrift und Abzeichnung der Flurkarte nebst zwei Lichtpausen beigefügt gewesen seien, das Ministerium des Innern, Abt. Versorgungsdienst, Bauwesen, dem Magistrat von Groß-Berlin, Abt. Stadtplanung und Architektur, unter dem Betreff „Grundstück B.str. 8 - Ecke M.str. 33“ mitgeteilt habe, dass das Ministerium im Zuge eines genehmigten Aufbaus einer Kleinsportanlage auch das oben genannte Grundstück in Anspruch genommen habe.

9 Soweit sich die Beschwerde gegen die richterliche Überzeugungsbildung wendet (§ 108 Abs. 1 VwGO), hat sie schon deswegen keinen Erfolg, weil nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Würdigung des Sachverhalts dem materiellen Recht zuzurechnen ist. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist aufgrund des § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht nur auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweisgrundsätze überprüfbar, zu denen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB), die gesetzlichen Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze gehören (Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225). Von einem Verstoß gegen diese Grundsätze kann vorliegend keine Rede sein.

10 Von einer weiteren Begründung der Beschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.