Beschluss vom 08.04.2002 -
BVerwG 1 B 84.02ECLI:DE:BVerwG:2002:080402B1B84.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.04.2002 - 1 B 84.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:080402B1B84.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 84.02

  • Hessischer VGH - 17.12.2001 - AZ: VGH 9 UE 1330/98.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. April 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundes-verwaltungsgericht H u n d und R i c h t e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2001 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und einen Verfahrensmangel durch Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Zulassungsgründe aus § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
Der Senat weist darauf hin, dass die Beschwerdebegründung eingangs den Eindruck erweckt, dass lediglich zwei Grundsatzrügen erhoben werden. Die Beschwerde verkennt damit Sinn und Zweck des Darlegungserfordernisses, das gerade auch der Entlastung des Revisionsgerichts dienen soll, wenn sie später - unstrukturiert und ohne jede Hervorhebung im Text - weitere Rügen einfügt. Es ist nicht Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichts, einen mehrseitigen und ungegliederten Beschwerdeschriftsatz daraufhin zu überprüfen, ob in ihm noch weitere Zulassungsrügen enthalten sind (vgl. allgemein Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 (n.F.) VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Die Beschwerde hält für grundsätzlich bedeutsam zunächst "die Klärung der Sachfrage, ob eritreische Volkszugehörige aus Äthiopien im Falle einer Abschiebung nach Äthiopien mit einer Aberkennung der äthiopischen Staatsangehörigkeit und einer Deportation nach Eritrea rechnen müssen und ob eritreischen Volkszugehörigen äthiopischer Staatsangehörigkeit die Einreise nach Äthiopien von den äthiopischen Sicherheitsbehörden verweigert" werde (Beschwerdebegründung S. 1). Damit wird, wie die Beschwerde mit der Formulierung "Sachfrage" bereits selbst zu erkennen gibt, keine bestimmte klärungsfähige Frage des revisiblen Rechts im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angesprochen, sondern eine Tatsachenfrage, die in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht näher geklärt werden könnte.
Auch die weitere - von der Beschwerde als Rechtsfrage bezeichnete - Frage (Beschwerdebegründung S. 1/2), "ob die Deportation eritreischer Volkszugehöriger aus Äthiopien nach Eritrea und die Einreiseverweigerung eritreischer Volkszugehöriger äthiopischer Staatsangehörigkeit nach Äthiopien als politische Verfolgung i.S. des Art. 16 a GG und § 51 Abs. 1 AuslG zu bewerten" seien, betrifft in erster Linie die dem Tatrichter vorbehaltene Feststellung und Würdigung des Sachverhalts und die Subsumtion im vorliegenden Einzelfall anhand der getroffenen Tatsachenfeststellungen. Auch insoweit ist eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung schon im Ansatz nicht dargetan, abgesehen davon, dass das Berufungsgericht zu der in der Fragestellung unterstellten Gefahr der Deportation bzw. der Einreiseverweigerung in Bezug auf eritreische Volkszugehörige Tatsachenfeststellungen gerade nicht getroffen hat (vgl. UA S. 29 Abs. 3). Die Frage könnte sich deshalb in dem angestrebten Revisionsverfahren auch nicht stellen. Soweit die Beschwerde hierzu in der Art einer Berufungsbegründung tatsächliche Ausführungen enthält, aus denen sich die unterstellten Gefahren ergeben sollen, können diese weder im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision noch in einem Revisionsverfahren verwertet werden (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO). Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang schließlich noch darauf hinweist, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei anerkannt, dass Aussperrungen und Ausgrenzungen in Gestalt von Rückkehrverweigerungen politische Verfolgung darstellen könnten, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale erfolgten (Beschwerdebegründung S. 6), zeigt die Beschwerde außerdem nicht auf, inwiefern hierzu erneuter oder weitergehender Klärungsbedarf bestehen könnte.
Auch die dritte Grundsatzfrage (Beschwerdebegründung S. 8), "ob alleinstehenden äthiopischen Frauen ohne verwandtschaftliche Unterstützung Abschiebungshindernisse gemäß § 53 Abs. 6 Abs. 1 AuslG zu gewähren sind, weil auf Dauer das notwendige Existenzminimum in Äthiopien für diesen Personenkreis nicht gesichert" sei, betrifft in erster Linie Tatsachenfragen und keine Rechtsfrage. Der Beschwerde geht es auch insoweit, wie die weiteren Ausführungen zeigen, lediglich um die nach ihrer Ansicht vom Berufungsgericht fehlerhaft gewürdigte Gefährdungslage. Damit lässt sich eine Grundsatzrüge nicht begründen.
Der von der Beschwerde schließlich noch geltend gemachte Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf die Gewährung rechtlichen Gehörs (Beschwerdebegründung S. 6 am Ende bis S. 8) ist nicht schlüssig dargelegt. Die Rüge richtet sich dagegen, dass das Berufungsgericht "den Sachvortrag der Klägerin, sie sei eritreische Volkszugehörige und deshalb im Falle der Rückkehr nach Äthiopien von Verhaftung, Tötung oder Deportation nach Eritrea bedroht, gemäß § 87 b Abs. 3, § 125 Abs. 1 VwGO als verspätet" zurückgewiesen hat (UA S. 29 ff.). Die Beschwerde wendet ein, die Wertung des Vorbringens der Klägerin, sie sei eritreische Volkszugehörige, als verspätet verletze das rechtliche Gehör, weil sie "von Anfang an in ihrem Asylverfahren angegeben" habe, "dass sie in Asmara geboren" sei. Diese Tatsache hätte das Berufungsgericht nach dem im Asylverfahren herrschenden Amtsermittlungsgrundsatz zum Anlass nehmen müssen, Nachforschungen über die Rückkehrgefährdung der Klägerin wegen ihrer eritreischen Volkszugehörigkeit anzustellen.
Mit diesem Vortrag ist nicht dargetan, dass die Präklusionsentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs fehlerhaft gewesen ist und die Klägerin in ihrem Recht auf Gehör verletzt. Die Beschwerde setzt sich nicht - wie erforderlich - mit der vom Berufungsgericht für seine Präklusionsentscheidung gegebenen ausführlichen Begründung im Berufungsurteil auseinander. Sie behauptet nicht einmal, dass dem Berufungsgericht die (von ihm als entscheidungserheblich angesehene) eritreische Volkszugehörigkeit der Klägerin bekannt gewesen ist oder hätte bekannt sein müssen. Sie begnügt sich vielmehr mit dem Hinweis auf den Geburtsort der Klägerin Asmara, der Hauptstadt des heute (seit 1993) selbständigen Staates Eritrea. Aus dem Geburtsort Asmara, der im Geburtsjahr 1955 der Klägerin zur Föderation zwischen Äthiopien und Eritrea und seit der Annexion Eritreas im Jahr 1962 zum Kaiserreich Äthiopien zählte (vgl. UA S. 15), musste das Berufungsgericht nicht auf die "eritreische" Abstammung und Volkszugehörigkeit der Klägerin schließen. Hierauf - auf die tigrinische Volkszugehörigkeit ihrer Eltern - hat sie sich vielmehr erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht auf Frage ihres Prozessbevollmächtigten berufen (vgl. Niederschrift über die Berufungsverhandlung, GA S. 164 ff., 167). Vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hatte sie sich hingegen nicht nur als äthiopische Staatsangehörige, sondern auch als äthiopische Volkszugehörige bezeichnet (vgl. Bl. 1 der im Berufungsverfahren beigezogenen Asylverfahrensakten des Bundesamts). Unter diesen Umständen ist weder ausreichend vorgetragen noch im Übrigen sonst ersichtlich, dass das Berufungsgericht das Vorbringen zur eritreischen Volkszugehörigkeit der Klägerin nicht als verspätet werten durfte. Gegen die weiteren Feststellungen und Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Voraussetzungen für eine Präklusion im Übrigen vorgelegen haben (vgl. dazu insbesondere die Beschlüsse vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 = InfAuslR 2000, 412 und vom 6. April 2000 - BVerwG 9 B 50.00 - Buchholz 310 § 87 b VwGO Nr. 5 = InfAuslR 2000, 418), erhebt die Beschwerde keine Einwendungen. Insbesondere dafür, dass die Versäumung entschuldbar gewesen sein könnte, ist weder etwas vorgetragen noch erkennbar.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben; der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG n.F.