Beschluss vom 08.03.2010 -
BVerwG 2 B 110.09ECLI:DE:BVerwG:2010:080310B2B110.09.0

Beschluss

BVerwG 2 B 110.09

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 29.05.2009 - AZ: OVG 19 A 1367/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister und Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

2 1. Der Kläger ist promovierter Diplom-Chemiker, dessen Ausbildung als Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien anerkannt ist. Er ist seit März 2002 an einem als Ersatzschule anerkannten Gymnasium tätig. Auf Antrag der Ersatzschule ließ die Bezirksregierung Arnsberg den Kläger zum Feststellungsverfahren nach § 5 der Verordnung über die Ersatzschulen (ESchVO) für die Fächer Chemie und Physik zu. Mit Bescheid vom 17. Juni 2005 bescheinigte sie der Ersatzschule, dass der Kläger in diesen Fächern dem Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen entsprechende Anforderungen durch gleichwertige Leistungen erfüllt und damit den Nachweis der wissenschaftlichen und pädagogischen Eignung im Sinne des § 37 Abs. 3 Buchst. b Satz 2 SchOG - jetzt § 102 Abs. 2 Satz 2 SchulG NRW - erbracht habe.

3 Den im März 2005 gestellten Antrag des Klägers, seine im Rahmen des Feststellungsverfahrens erbrachten Leistungen als Befähigung für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen nach § 44 der Ordnung des Vorbereitungsdienstes und der Zweiten Staatsprüfung für Lehrämter an Schulen (OVP NRW) anzuerkennen, lehnte die Beklagte ab. Das Feststellungsverfahren sei keine andere geeignete Prüfung im Sinne der § 20 Abs. 4 Satz 2 des Lehrerausbildungsgesetzes (LABG NRW 2002) und § 44 OVP NRW.

4 Das Verwaltungsgericht hat der Klage im März 2007 stattgegeben. Durch Gesetz zur Reform der Lehrerausbildung vom 12. Mai 2009 (GV. NRW S. 307) wurde § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002 zum 26. Mai 2009 aufgehoben.

5 Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten am 29. Mai 2009 stattgegeben und die Revision nicht zugelassen: Es könne offenbleiben, ob für die rechtliche Beurteilung auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der Antragstellung im Verwaltungsverfahren abzustellen sei. Offenbleiben könne ebenso, ob es sich bei der Aufhebung des § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002 auch für noch laufende Anerkennungsverfahren um eine unzulässige Rückwirkung handele. Weder nach geltendem noch nach früherem Recht stehe dem Kläger die begehrte Anerkennung zu.

6 Nach der aktuellen Gesetzeslage sei die vom Kläger begehrte Anerkennung nicht mehr vorgesehen. Dabei bedürfe es keiner näheren Erörterung, ob sich der Kläger auf § 44 Abs. 1 OVP NRW berufen könne, obgleich diese Regelung nichtig sein dürfe, weil sie gegen das LABG in der aktuellen Fassung verstoße. Die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 1 OVP NRW seien jedenfalls deckungsgleich mit denen des zwischenzeitlich aufgehobenen § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002. Sie seien nicht erfüllt, weil die im Rahmen des Feststellungsverfahrens abgelegte Prüfung keine für ein Lehramt geeignete Prüfung im Sinne dieser Vorschriften sei. Zweck des Feststellungsverfahrens sei allein sicherzustellen, dass die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte an Ersatzschulen nicht hinter derjenigen von Lehrkräften an öffentlichen Schulen zurückstehe. Dagegen bezwecke es nicht, der Lehrkraft an einer Ersatzschule dadurch die Chance zu eröffnen, eine Lehramtsbefähigung zu erwerben. Es könne deshalb auch dahingestellt bleiben, ob dem Anerkennungsbegehren des Klägers bereits der im Zeitpunkt seiner Antragstellung noch nicht geltende § 5 Abs. 8 Satz 4 ESchVO entgegenstehe. Weder unter dem Blickwinkel des Art. 12 GG noch aus sonstigen verfassungsrechtlichen Gründen sei zu beanstanden, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber dem Feststellungsverfahren allein ersatzschulrechtlich Bedeutung beigemessen habe. Keine Zweifel bestünden allerdings daran, dass der Kläger im Feststellungsverfahren Leistungen erbracht habe, die nach § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002 anzuerkennen gewesen wären, wenn es sich dabei um eine Prüfung im Sinne dieser Vorschrift gehandelt hätte.

7 2. Mit der hiergegen gerichteten, auf alle Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gerichteten Beschwerde erstrebt der Kläger die Durchführung eines Revisionsverfahrens.

8 a) Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO damit begründet, dass das Berufungsgericht in einer für ihn überraschenden Weise unter Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG angenommen habe, der Feststellungsprüfung fehle es an einem subjektiven Charakter, rechtfertigt dies nicht die Zulassung der Revision. Der Kläger selbst hat vorgetragen, dieser Aspekt sei - zu Beginn der Berufungsverhandlung - vom Gericht angesprochen worden. Wenn der anwaltlich vertretene Kläger sich seinerzeit tatsächlich außerstande gesehen haben sollte, sich zu diesem neuen Aspekt zu äußern, hätte es ihm oblegen, einen Vertagungsantrag zu stellen. Dass dies geschehen ist, lässt sich weder dem Verhandlungsprotokoll noch dem Beschwerdevorbringen entnehmen.

9 b) Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten Divergenz zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); selbst wenn eine Abweichung gegeben wäre, könnte das angegriffene Urteil nicht auf ihr beruhen. Das Oberverwaltungsgericht hat ausdrücklich offengelassen, welches der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist. Aufgrund der früheren, bei Antragstellung im Verwaltungsverfahren geltenden sowie aufgrund der bei seiner Verhandlung maßgeblichen Rechtslage ist das Oberverwaltungsgericht zu dem übereinstimmenden Ergebnis gelangt, dass der Kläger die beanspruchte Anerkennung nicht verlangen kann. Hiernach kommt es auf die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts nicht an.

10 c) Die Rechtssache hat auch nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

11 Soweit die Beschwerde sinngemäß für rechtsgrundsätzlich hält, ob der erfolgreiche Abschluss der Feststellungsprüfung (§ 7 ESchVO a.F.) eine hinreichende Grundlage für die Anerkennung als Lehramtsbefähigung im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002 ist, bezeichnet sie keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung. Vielmehr wendet sie sich gegen die rechtliche Würdigung des Oberverwaltungsgerichts, die eine fallübergreifende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung schon deswegen nicht erkennen lässt, weil es um die Anwendung ausgelaufenen Rechts geht und eine Revisionsentscheidung darum nicht geboten wäre, um die Einheit des Rechts zu erhalten oder seine Weiterentwicklung zu fördern.

12 Die Behauptung der Beschwerde, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Feststellungsprüfung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG falle, und deshalb rechtswidrig angenommen, sie sei nicht als Prüfung im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002 anzusehen, ist bereits unzutreffend. Das Berufungsgericht hat durch das Feststellungsverfahren durchaus Art. 12 Abs. 1 GG als berührt angesehen, jedoch angenommen, den Interessen der Bewerber sei hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass sie nach erfolgreicher Teilnahme am Feststellungsverfahren an der Schule unterrichten dürften und im Falle ihrer Auflösung einen Anspruch auf Übernahme in den staatlichen Schuldienst hätten. Allein mit Angriffen auf die dem Urteil zugrunde liegende rechtliche Würdigung wird keine Rechtsgrundsätzlichkeit dargelegt.

13 Der Vortrag, das Berufungsgericht habe aus der gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßenden Ausgestaltung des Feststellungsverfahrens rechtswidrig auf den fehlenden subjektiven Charakter dieses Verfahrens geschlossen, lässt nicht in einer den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise erkennen, warum der Gesetzgeber verfassungsrechtlich gehalten gewesen sein soll, das Feststellungsverfahren über die Regelungen der Verordnung über die Ersatzschulen hinaus als Prüfungsverfahren so auszugestalten, dass die Feststellungsprüfung als Prüfung im Sinne der § 20 Abs. 4 Satz 2 LABG NRW 2002, § 44 Abs. 1 OVP NRW anerkannt werden kann. Soweit der Kläger meint, dies folge aus Art. 12 Abs. 1 GG, der gebiete, dass eine einmal erfolgreich abgelegte Prüfung dauerhaft subjektive Berufswahlschranken überwinden müsse, fehlt es an der gebotenen Durchdringung des Rechtsstoffs und der einschlägigen (Verfassungs-)Rechtsprechung. Da die Berufsfreiheit gesetzlichen Beschränkungen unterliegen kann, genügt zur Darlegung der Rechtsgrundsätzlichkeit nicht die schlichte Behauptung, Art. 12 Abs. 1 GG gebiete eine bestimmte, von den einfachrechtlichen Regelungen abweichende Ausgestaltung des Berufszugangs.

14 Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 47 Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG. Der Wert des Streitgegenstandes war abweichend vom Berufungsgericht in entsprechender Anwendung der Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit festzusetzen.