Beschluss vom 08.03.2004 -
BVerwG 9 BN 1.04ECLI:DE:BVerwG:2004:080304B9BN1.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.03.2004 - 9 BN 1.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:080304B9BN1.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 BN 1.04

  • OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 09.10.2003 - AZ: OVG 1 K 459/01

In der Normenkontrollsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und Dr. N o l t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 9. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 402 € festgesetzt.

Die Beschwerde bleibt erfolglos.
1. Die Beschwerdebegründung lässt nicht den Schluss zu, dass der Rechtssache die von dem Antragsgegner geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zukommt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Entsprechend dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist insoweit eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu formulieren und anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Dem trägt die Beschwerde nicht ausreichend Rechnung.
a) Die mit ihr aufgeworfene Frage, ob die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts, bei der Kalkulation von Abwassergebühren dürfe die mit Investitionskosten verrechnete Abwasserabgabe nicht berücksichtigt werden, mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, betrifft zunächst die landesrechtliche Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 KAG-LSA i.V.m. § 7 AG AbwAG LSA. An die Auslegung, die das Oberverwaltungsgericht diesen landesrechtlichen Vorschriften gegeben hat, wäre das Revisionsgericht gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).
Revisibilität erlangt die Rechtsfrage nicht schon dadurch, dass die Beschwerde geltend macht, das einschlägige Landesrecht sei von der Vorinstanz unter Verstoß gegen Bundesrecht angewandt worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306; Beschluss vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95). Hinzutreten muss in einem solchen Fall vielmehr, dass die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Aus diesem Grund ist zusätzlich darzulegen, warum der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der bundesrechtlichen Vorschrift, deren Verletzung gerügt wird, bisher keine Aussagen zu entnehmen sind, die eine bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Landesrechts gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001, a.a.O.). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie beschränkt sich darauf, die Auslegung der vorgenannten landesrechtlichen Bestimmungen als gleichheitswidrig zu beanstanden. Hingegen enthält sie keine Ausführungen dazu, in welcher Hinsicht bislang höchstrichterlich nicht geklärte Fragen grundsätzlicher Art zum Inhalt und zur Tragweite des bundesverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bestehen, deren Beantwortung sich auf die Auslegung der landesrechtlichen Bestimmungen auswirken würde.
b) Die weitere Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe unter "Verletzung der Ergebnisrechtsprechung" (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. April 2002 - BVerwG 9 CN 1.01 - BVerwGE 116, 188 <192 ff.>) aus der vermeintlich fehlerhaften Berücksichtigung der Abwasserabgabe bei der Gebührenkalkulation die Rechtswidrigkeit sowohl der Grund- als auch der Mengengebühr abgeleitet, füllt den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ebenfalls nicht aus. Um dem Darlegungserfordernis zu genügen, hätte der Antragsgegner nachvollziehbar erläutern müssen, in welcher Hinsicht trotz der angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung Fragen revisiblen Rechts offen geblieben sind. Hierzu ist der Beschwerdebegründung nichts zu entnehmen. Der erhobene Vorwurf einer Missachtung dieser Rechtsprechung weist nicht auf einen Klärungsbedarf hin, sondern bringt im Gegenteil zum Ausdruck, eine Klärung habe bereits stattgefunden.
2. Der Beschwerde verhilft es nicht zum Erfolg, wenn das Vorbringen, die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zu dem vorgenannten Senatsurteil, als Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) verstanden wird. Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz des revisiblen Rechts benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Dagegen reicht es nicht aus, wenn lediglich die fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung eines von einem der bezeichneten Gerichte aufgestellten Rechtssatzes aufgezeigt wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Mit der Angabe, das Oberverwaltungsgericht habe "wohl gemeint, dass im Falle bloß kumulativ hergestellter kalkulatorischer Überdeckung von der Rechtswidrigkeit beider Gebührensätze auszugehen sei", ist schon kein revisibler Rechtssatz bezeichnet. Die Frage, wie sich eine - nicht nur geringfügige - Überdeckung eines Kostenaufwandes durch zwei nebeneinander erhobene Gebühren auf die Wirksamkeit der zugrunde liegenden satzungsrechtlichen Regelungen auswirkt, ist in erster Linie in Anwendung des jeweiligen Kommunalabgabengesetzes zu beantworten. Der dem Oberverwaltungsgericht zugeschriebene Rechtssatz betrifft mithin Landesrecht. Daran ändert nichts, dass die Beschwerde geltend macht, das Oberverwaltungsgericht habe mit diesem Rechtssatz gegen eine vom beschließenden Senat aus Art. 28 Abs. 2 GG abgeleitete Rechtsauffassung verstoßen. Dass die Vorinstanz in Auslegung dieser bundesverfassungsrechtlichen Norm einen bestimmten abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, ist nicht dargetan.
Unabhängig davon trifft es in der Sache nicht zu, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Prüfung der Auswirkungen des von ihm angenommenen Kalkulationsfehlers über eine Ergebniskontrolle hinausgegangen ist. Führen die Satzungsregelungen über die Grund- und die Mengengebühr in rechtlich unzulässigem Maße zu einer Kostenüberdeckung, so fordert das mit der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie nach Art. 28 Abs. 2 GG verbundene Satzungsermessen nicht, den darin liegenden Rechtsfehler bei der gerichtlichen Kontrolle bloß einer der beiden zugrunde liegenden Regelungen zuzuordnen. Denn der Ansatz des (insgesamt) gebührenfähigen Aufwandes bildet die kalkulatorische Basis für beide Gebührensätze.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.