Beschluss vom 07.11.2007 -
BVerwG 8 B 54.07ECLI:DE:BVerwG:2007:071107B8B54.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.11.2007 - 8 B 54.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:071107B8B54.07.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 54.07

  • VG Greifswald - 22.02.2007 - AZ: VG 6 A 236/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 105 309,37 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 VwGO liegen nicht vor.

2 1. Die Rechtssache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Beschwerde hat keine klärungsbedürftige Rechtsfrage von fallübergreifendem Gewicht aufgeworfen. Sie stellt die Frage, „welcher Sorgfaltsmaßstab bei der Beurteilung der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis bei der Rücknahme eines begünstigenden rechtswidrigen Verwaltungsaktes und den in diesem Zusammenhang zu berücksichtigenden Vertrauensschutz des Begünstigten zugrunde gelegt werden muss“. Dieser Frage fehlt schon die notwendige Abstraktheit. Sie kann vielmehr nur auf Grund der Umstände des Einzelfalles beantwortet werden. Dabei ist in der Rechtsprechung geklärt, dass grobe Fahrlässigkeit nur gegeben ist, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (vgl. Urteil vom 17. Februar 1993 - BVerwG 11 C 47.92 - BVerwGE 92, 81 <84>). Es kommt hinzu, dass die Kläger nicht dargelegt haben, weshalb der von ihnen gestellten Rechtsfrage Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommen soll.

3 Im Übrigen greift die Beschwerde nach Art einer Berufungsbegründung die rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit an.

4 Das Verwaltungsgericht hat nach seiner dem materiellen Recht zugehörigen Tatsachenwürdigung zu Recht den Schluss gezogen, dass sich den Klägern bei Erlass des Bescheides vom 3. Juni 1994 hätte aufdrängen müssen, dass die Feststellung unter Ziffer 6 des Tenors, wonach Investitionen auf dem Grundstück vom Verfügungsberechtigten nicht getätigt worden seien und demzufolge keine Wertausgleichzahlungen zu leisten seien, nicht zutreffend sein konnten (vgl. UA S. 13 f.). Einfachste Überlegungen haben die Kläger offenbar nicht angestellt, obschon zu ihren Gunsten ein Erlösauskehranspruch in dem Bescheid vom 3. Juni 1994 in Höhe von 650 000 DM für das nur 424 m2 große Grundstück festgestellt war, auf dem sich zum Zeitpunkt der Übernahme des Grundstücks in Volkseigentum nur ein abrissreifes Wohngebäude befunden hatte. Im Hinblick auf ihr ursprüngliches Rückgabeverlangen bezüglich des streitbefangenen Grundstücks und ihres ständigen Wohnsitzes am Ort der Belegenheit konnte ihnen der Zustand des Grundstücks auf die darauf erfolgte Errichtung eines mehrstöckigen Büro- und Verwaltungsgebäudes ab 1989 nicht entgangen sein.

5 Selbst wenn die Kläger nunmehr vortragen, ihnen sei der Inhalt des Kaufvertrages vom 3. Juli 1992 nicht bekannt, wobei sie eine entsprechende Verfahrensrüge bezüglich der gegenteiligen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht erhoben haben, räumen sie jedoch ein, dass ihnen zur Berechnung der Entschädigung die Gesamtfläche des veräußerten Grundstücks sowie der Kaufpreis mitgeteilt worden sind. Auf Grund dessen hatten sie jede Veranlassung auch nach einfachster und ganz naheliegender Überlegung, sich über diesen Kaufvertrag näher zu informieren.

6 2. Auch die Divergenzrüge gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO greift nicht durch. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenzrüge gehört u.a. die Darlegung, mit welchem das angefochtene Urteil unmittelbar tragenden, abstrakten Rechtssatz zu einem ebensolchen Rechtssatz in der zu benennenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts das Verwaltungsgericht abgewichen ist. Diesen Anforderungen wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Die Beschwerde führt zwar das Urteil vom 19. Mai 2005 - BVerwG 7 C 22.04 - (Buchholz 428 § 7 VermG Nr. 10) an. Sie übersieht dabei aber schon, dass nach dieser Entscheidung das Verwaltungsgericht nur im Regelfall nicht zu einer eigenständigen Schätzung der Kosten für eine Bebauung, Modernisierung oder Instandsetzung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 VermG befugt ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich offen gelassen, ob Fälle denkbar sind, in denen trotz Fehlens einer ordnungsgemäßen behördlichen Schätzung das Verwaltungsgericht zu einer eigenständigen Schätzung befugt ist, weil deren Grundlagen bereits im behördlichen Verfahren sachverständig ermittelt und beurteilt worden sind, so dass eine Zurückverweisung an die Behörde nicht prozessökonomisch wäre.

7 Entscheidend ist aber, dass das Verwaltungsgericht überhaupt keinen von der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat. Das Verwaltungsgericht ist nicht von einer eigenen Schätzung ausgegangen, vielmehr hat es den Kostenaufwand bezüglich des sich ergebenen Gesamtkostenaufwands als nachgewiesen angesehen, so dass es sich von vornherein nicht mit den Ausführungen im genannten Urteil des 7. Senats in Widerspruch setzen konnte.

8 3. Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auch auf etwaige Verfahrensmängel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Soweit die Beschwerde meint, dass Verwaltungsgericht habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt, so kann sie damit nicht durchdrängen. Der Vorwurf unzureichender Sachaufklärung ist nur dann begründet, wenn dieser Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet wird. Das hat zur Voraussetzung, dass dargelegt wird, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliches Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Die Beschwerde verkennt im Übrigen, dass das Verwaltungsgericht nicht ermitteln musste, ob das Vertrauen der Kläger deshalb schutzwürdig war, weil diese nach ihrem Vortrag die gewährten Leistungen verbraucht haben (vgl. § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG). Denn das Verwaltungsgericht hat gerade den Ausschlusstatbestand für Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VwVfG bejaht.

9 Auch für das Vorliegen einer Überraschungsentscheidung gibt es keine Anhaltspunkte auf den Vortrag der Kläger zur Verwendung der erhaltenen Geldleistung musste das Verwaltungsgericht aus den vorgenannten Gründen nicht eingehen. Im Übrigen ist ein unzulässiges Überraschungsurteil nicht schon dann gegeben, wenn eine Partei auf Grund ihrer Einschätzung des Verfahrensablaufs mit einem anderen, für sie günstigeren Ausgang des Verfahrens gerechnet hatte. Entscheidend ist vielmehr, ob das Gericht durch die Art seiner Sachbehandlung die Partei davon abgehalten hat, für die Entscheidung wesentliche Gesichtspunkte vorzutragen und dadurch den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör verletzt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - NJW 1991, 2823 f.) Dafür gibt aber das Beschwerdevorbringen nichts her.

10 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter dem eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbs. VwGO).

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52, 72 GKG.