Beschluss vom 07.10.2009 -
BVerwG 7 B 28.09ECLI:DE:BVerwG:2009:071009B7B28.09.0

Beschluss

BVerwG 7 B 28.09

  • Bayerischer VGH München - 03.04.2009 - AZ: VGH 22 BV 07.1709

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Oktober 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. April 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. Die Beigeladene zu 1 trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger ist ein in Bayern anerkannter Naturschutzverband. Er wendet sich gegen eine (bis zum 31. Dezember 2009 befristete) immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Off-Road-Anlage auf einem ehemaligen Standortübungsplatz. Der Vorhabenstandort befindet sich innerhalb eines Gebiets, das als FFH-Gebiet gemeldet und gelistet ist.

2 Die streitgegenständliche Genehmigung wurde im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG erteilt. Sie umfasst u.a. eine artenschutzrechtliche Befreiung nach § 62 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 BNatSchG und eine Befreiung nach Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG.

3 Das Verwaltungsgericht bejahte mit Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage und leitete die Klagebefugnis des Klägers aus dem Vereinsklagerecht gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 1, § 33 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. Art. 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Art. 13c Abs. 2, Art. 49a Abs. 2 BayNatSchG her. Aufgrund zwischenzeitlicher Änderungen der maßgeblichen supranationalen bzw. europarechtlichen Bestimmungen, insbesondere der Transformation des Aarhus-Übereinkommens in nationales Recht und des Erlasses der Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003 - entfalle die Klagebefugnis entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch nicht aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG. Auf die Berufung des Beklagten und der Beigeladenen zu 1 hat der Verwaltungsgerichtshof das Zwischenurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Vereinsklagerecht des Klägers lasse sich weder aus dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz noch aus den vom Verwaltungsgericht herangezogenen Vorschriften des Bundesnaturschutz- und Landesnaturschutzgesetzes herleiten. Im immissionsschutzrechtlichen Verfahren bestehe aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG kein naturschutzrechtliches Beteiligungsrecht und damit auch kein Vereinsklagerecht anerkannter Verbände. Ein solches Vereinsklagerecht könne auch nicht aus einer richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts hergeleitet werden.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

5 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

6 Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.

7 Der Kläger wirft als grundsätzlich klärungsbedürftig auf,
ob die naturschutzrechtliche Verbandsklage gemäß § 61 BNatSchG für alle förmlichen immissionsschutzrechtlichen Verfahren, die der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG unterliegen, ausgeschlossen ist.

8 Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen würde. Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und daher bindenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die streitgegenständliche Genehmigung zu Recht nicht im förmlichen, sondern im vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG erteilt worden. Dies übersieht die Beschwerde, die sich unter Vernachlässigung des Unterschieds zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde und der Begründung einer Berufung oder Revision im Wesentlichen darin erschöpft, die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung und der streitgegenständlichen Genehmigung anzugreifen.

9 Sofern der Kläger der Sache nach offenbar grundsätzlich geklärt wissen will,
ob die naturschutzrechtliche Vereinsklage gemäß § 61 BNatSchG aufgrund der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG auch für das vereinfachte immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren ausgeschlossen ist,
rechtfertigt auch diese Frage die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

10 Es kann dahinstehen, ob die grundsätzliche Bedeutung dieser Rechtsfrage schon deshalb zu verneinen ist, weil § 61 BNatSchG angesichts der Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Gesetz vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2542) auslaufendes Recht darstellt. Gemäß Art. 27 des Neuregelungsgesetzes tritt das Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 am 1. März 2010 außer Kraft. In den §§ 63, 64 BNatSchG n.F. ist nunmehr ausdrücklich geregelt, dass und in welchen Fällen Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfe auch dann bestehen, wenn Befreiungen von Geboten und Verboten durch eine andere Entscheidung eingeschlossen oder ersetzt werden (vgl. § 63 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG n.F.).

11 Rechtsfragen, die auslaufendes Recht betreffen, kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung zu, denn das die Zulassung der Revision rechtfertigende Ziel, mit der Revision der Erhaltung der Rechtseinheit oder der Weiterentwicklung des Rechts zu dienen, kann in aller Regel nicht mehr erreicht werden, wenn sich die zu klärende Frage im Zusammenhang mit früherem oder auslaufendem Recht oder Übergangsregelungen stellt und ihre Beantwortung deshalb für die Zukunft nicht richtungweisend sein kann (Beschluss vom 9. Juni 2000 - BVerwG 4 B 19.00 - juris). Ob vorliegend ausnahmsweise anderes zu gelten hat, etwa weil die Klärung der Rechtsfrage noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft Bedeutung haben kann, bedarf keiner abschließenden Klärung. Die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens ohne Weiteres im Sinne des vom Verwaltungsgerichtshof eingenommenen Rechtsstandpunktes beantworten.

12 Der Senat hat für das förmliche Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG bereits entschieden, dass naturschutzrechtliche Verfahrensvorschriften im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren aufgrund der von § 13 BImSchG bezweckten Verfahrensvereinheitlichung unanwendbar sind, und zwar unabhängig davon, ob die immissionsschutzrechtlichen Verfahrensvorschriften den verdrängten Regelungen funktionell entsprechen (Beschluss vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 7 B 119.02 - Buchholz 406.25 § 13 BImSchG Nr. 2). Dies gilt auch und gerade für das vereinfachte Genehmigungsverfahren. Daraus, dass es im vereinfachten Genehmigungsverfahren an einem funktionalen Pendant für die Öffentlichkeitsbeteiligung im förmlichen Verfahren fehlt, folgt entgegen der Auffassung des Klägers nichts anderes. Die Vorschrift des § 19 BImSchG zielt auf eine Vereinfachung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens für solche Anlagen, deren Genehmigung nach ihrer Art oder ihrem Umfang kein förmliches Verfahren erfordert. Dieser Zweck würde verfehlt, wollte man den anerkannten Naturschutzverbänden gerade im vereinfachten Genehmigungsverfahren ein Mitwirkungs- und Klagerecht einräumen.

13 Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage gewinnt auch weder im Hinblick auf das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz vom 7. Dezember 2006, BGBl I S. 2816) noch in Bezug auf das Aarhus-Übereinkommen (BGBl II 2006, 1251) oder die Richtlinien 85/337/EWG (UVP-Richtlinie), 96/61/EG (IVU-Richtlinie) und 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungs-Richtlinie) grundsätzliche Bedeutung. Das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz findet nach § 1 Abs. 1 nur Anwendung auf Vorhaben, die UVP-pflichtig sind oder einer Genehmigung nach Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV bedürfen. Dies trifft auf die streitgegenständliche Anlage ausgehend von den bindenden Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu. Das Aarhus-Übereinkommen eröffnet den Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren in Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 nur für Entscheidungen über die in Anhang I aufgeführten Tätigkeiten, zu denen das genehmigte Vorhaben nicht gehört. Die streitgegenständliche Anlage unterfällt auch den durch die Richtlinie 2003/35/EG geänderten Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG nicht, so dass auch der Grundsatz des „effet utile“ nicht zum Tragen kommt. Die gegenteilige Auffassung des Klägers geht von Tatsachen aus, die der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat.

14 Schließlich ist auch der - nicht näher begründete - Hinweis des Klägers auf den Vorlagebeschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 5. März 2009 (- 8 D 58/08.AK - DVBl 2009, 654) nicht geeignet, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Der Vorlagebeschluss behandelt Fragen zur Reichweite und Auslegung des Zugangsrechts von Nichtregierungsorganisationen zu Gerichten nach Art. 10a der Richtlinie 85/337/EWG (UVP-Richtlinie), die vorliegend nicht entscheidungserheblich sind.

15 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).

16 Die Kostenentscheidung folgt aus den § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3 und 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.