Beschluss vom 07.05.2003 -
BVerwG 7 B 16.03ECLI:DE:BVerwG:2003:070503B7B16.03.0

Beschluss

BVerwG 7 B 16.03

  • VG Chemnitz - 24.10.2002 - AZ: VG 9 K 192/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und K l e y
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 24. Oktober 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 112 484,21 € festgesetzt.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines Gebäudes sowie die Aufhebung des dafür verliehenen Nutzungsrechts nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat seine Klage insoweit abgewiesen, weil die Beigeladene und ihr - inzwischen verstorbener - Ehemann das Eigentum an dem Gebäude und das dingliche Nutzungsrecht redlich erworben hätten, so dass die begehrte Rückübertragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügten Verfahrensmängel sind nicht erkennbar.
1. Der Kläger sieht seinen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO dadurch als verletzt an, dass das Verwaltungsgericht ihm und seinen Prozessbevollmächtigten nur für die Dauer von 20 Minuten während einer Sitzungspause Einsicht in die beigezogenen Bauakten gewährt habe; dadurch sei eine hinreichende Kenntnisnahme des Akteninhalts nicht möglich gewesen. Der Verfahrensfehler sei auch ursächlich für die angegriffene Entscheidung; denn bei weiterer Gewährung von Akteneinsicht und bei Einräumung der in der mündlichen Verhandlung ebenfalls beantragten Schriftsatzfrist hätte sein Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass nach den in der Bauakte befindlichen Plänen eine weit stärkere Inanspruchnahme des Grundstücks geplant gewesen sei, als es das Nutzungsrecht von 500 m² zulasse. Darüber hinaus hätte er das Gericht darauf aufmerksam machen können, dass sämtliche Planungen zur Errichtung des Gebäudes und zur Ausübung des Nutzungsrechts bereits vor dem Datum des Kaufvertrages erstellt worden seien. Daraus hätten sich greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für einen unredlichen Erwerb ergeben; denn nach den Planungen seien die Erwerber ebenso wie die LPG und die genehmigende Behörde davon ausgegangen, dass eine Nutzung des Grundstücks auf einer Fläche von 1 000 bis 1 500 m² ermöglicht werden sollte; eine solche Flächengröße ergebe sich, wenn man beim Zuschnitt des Teilgrundstücks die Sickergrube berücksichtige.
Der gerügte Verfahrensmangel ist nicht feststellbar. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger nicht nur in der Nachbarschaft des umstrittenen Anwesens lebt, sondern auch den - nicht umstrittenen - Rest des betroffenen Grundstücks landwirtschaftlich nutzt und daher zwangsläufig mit den örtlichen Verhältnissen auf das Beste vertraut ist. In Rechnung zu stellen ist ferner, dass die Bauakten keineswegs umfangreich und überwiegend bautechnischen Inhalts sind und in der Tat allenfalls die darin enthaltenen Pläne - und darunter vor allem der Lageplan - für den Kläger von Bedeutung sein konnten. Angesichts dessen ist nicht nachvollziehbar, warum die gewährten 20 Minuten Einsichtnahme nicht ausreichend gewesen sein sollen, seine prozessualen Beteiligungsrechte zu wahren. Diese Dauer der Einsichtnahme musste ihn zumindest in die Lage versetzen, dem den Akteninhalt für unerheblich haltenden Gericht konkrete Ansatzpunkte zu benennen, die aus seiner - des Klägers - Sicht Grund für ein weiteres intensives Aktenstudium geboten hätten. Dies geschah jedoch nicht; vielmehr hat er sein weiteres Akteneinsichtsbegehren ausweislich der Sitzungsniederschrift ausschließlich damit begründet, nicht die Möglichkeit gehabt zu haben, "die Bauakte genügend einzusehen". Unter diesen Voraussetzungen ergibt sich aus der Verweigerung der weiteren Akteneinsicht keine Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
Abgesehen davon legt der Kläger auch mit seiner Beschwerdebegründung nicht nachvollziehbar dar, warum der Inhalt der Bauakten abweichend von der Einschätzung des Verwaltungsgerichts auf eine Unredlichkeit der Erwerber hindeutet und damit entscheidungserheblich gewesen wäre. Die Vorstellung, Anhaltspunkte für eine solche Unredlichkeit ergäben sich daraus, dass das Gebäude in Ansehung bereits genehmigter Planungen veräußert worden ist, die - ausschließlich unter Einbeziehung des Geländes zwischen den Hochbauten und der weiter westlich gelegenen, nur wenige Quadratmeter großen Sickergrube - eine Inanspruchnahme des Grundstücks über die 500 m²-Orientierungsgröße (vgl. Urteil des Senats vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 20.94 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25) hinaus erfordert hätten, ist mehr als fern liegend.
2. Ebenso zu Unrecht sieht sich der Kläger in seinem Recht aus § 108 Abs. 2 VwGO verletzt, weil ihm kein Schriftsatznachlass zur Frage des redlichen Erwerbs gewährt worden sei. Ausweislich seines eigenen Klagevortrages wusste er, dass insbesondere von seinem Rechtsstandpunkt aus die Problematik des redlichen Erwerbs entscheidungserheblich sein konnte. Warum er in dem seit vier Jahren anhängigen Prozess gehindert gewesen sein soll, zu diesem Problem vorzutragen, legt er nicht dar. Er trägt auch nicht vor, aufgrund welcher Umstände sich in der mündlichen Verhandlung ein neuer, nicht vorhersehbarer konkreter Erklärungsbedarf zu dieser Frage ergeben hat. Soweit er beabsichtigte, sich zum Inhalt der Bauakte zu erklären, wäre es ihm - wie oben dargelegt - zumindest zumutbar gewesen, dem Gericht dieses Begehren plausibel zu machen.
3. Schließlich sind auch die gerügten Verletzungen des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 VwGO und des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht erkennbar. Diese Verfahrensmängel sieht der Kläger in der angeblichen Unvollständigkeit der beigezogenen Bauakten sowie darin begründet, dass das Gericht der beruflichen Stellung des Ehemannes der Beigeladenen nicht näher nachgegangen sei, insbesondere die Beigeladene hierzu nicht gehört habe. Hinsichtlich der Bauakten ist die Rüge unschlüssig; denn der Kläger legt nicht dar, dass das Verwaltungsgericht die angebliche Unvollständigkeit dieser Akten kannte oder zumindest Anhaltspunkte dafür hatte, denen es weiter hätte nachgehen müssen. Ähnliches gilt für die berufliche Stellung des Ehemannes der Beigeladenen. Auch insoweit verdeutlicht sein Vorbringen nicht, aufgrund welcher dem Gericht bekannten Umstände sich eine Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen. Vielmehr stellt er ausschließlich auf Tatsachen ab, die er dem Gericht mitzuteilen versäumt hat. Das Gericht hatte daher auch keine Veranlassung, dem Kläger - wie er zusätzlich geltend macht - im Hinblick auf eine mögliche Machtstellung des Ehemannes der Beigeladenen gleichsam "ins Blaue hinein" eine Erklärungsfrist zu gewähren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.