Beschluss vom 07.01.2004 -
BVerwG 4 PKH 5.03ECLI:DE:BVerwG:2004:070104B4PKH5.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.01.2004 - 4 PKH 5.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:070104B4PKH5.03.0]

Beschluss

BVerwG 4 PKH 5.03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und
Prof. Dr. R o j a h n
beschlossen:

  1. Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Antrag der Kläger auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat keinen Erfolg. Die in § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO normierten Bewilligungsvoraussetzungen liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Soweit die Kläger sich dagegen zur Wehr setzen, dass ihnen das Berufungsgericht die Gewährung von Prozesskostenhilfe versagt hat, können sie weiteren Rechtsschutz schon deshalb nicht erlangen, weil der Ablehnungsbeschluss der Vorinstanz vom 24. Juni 2003 nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar ist. Ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage war das Berufungsgericht nicht verpflichtet, erneut vorab über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu entscheiden, bevor es zur Hauptsache eine Entscheidung traf.
Im Übrigen sind die Erfolgsaussichten negativ einzuschätzen, weil sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht ergibt, dass die Revision aus einem der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe zuzulassen sein könnte.
Die Kläger zeigen keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf. Die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung greift nicht durch. Ein Gericht ist nur dann nicht vorschriftsmäßig besetzt, wenn willkürliche oder manipulative Erwägungen für den als Mangel beanstandeten Vorgang bestimmend gewesen sind (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 1987 - BVerwG 9 CB 59.87 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 72 und vom 31. Oktober 1994 - BVerwG 8 B 112.94 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 51). Die Richter Dr. Z., D. und H. waren indes nicht wegen Besorgnis der Befangenheit daran gehindert, an der angefochtenen Entscheidung mitzuwirken. Sie waren befugt, bei dieser Gelegenheit selbst über das Ablehnungsgesuch der Kläger vom 10. September 2003 zu entscheiden. Werden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so entscheidet zwar nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht, dem die Abgelehnten angehören, ohne deren Mitwirkung. Dieser Grundsatz lässt indes Ausnahmen zu, wenn das Ablehnungsrecht missbräuchlich in Anspruch genommen wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. September 1982 - BVerwG 2 CB 35.80 -, vom 31. Oktober 1994 - BVerwG 8 B 112.94 - und vom 7. August 1997 - BVerwG 11 B 18.97 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nrn. 30, 51 und 57).
§ 54 VwGO und die Bestimmungen der Zivilprozessordnung, die im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden sind, dienen vor allem der Wahrung der Unparteilichkeit der Rechtsprechung und der Gewährleistung eines fairen Verfahrens. Insoweit decken sie sich mit dem in Art. 6 EMRK statuierten Recht auf ein unparteiliches Gericht. Vor dem Hintergrund dieses Schutzzwecks ist eine Richterablehnung als offensichtlich rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn für sie Gründe ins Feld geführt werden, die keinen Bezug zu der Person der abgelehnten Richter aufweisen oder unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. September 1987 - BVerwG 9 CB 59.87 - a.a.O. und vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 641.90 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 1 VwGO Nr. 28). Ein solcher Fall muss zwar nicht stets vorliegen, wenn sämtliche Mitglieder eines Spruchkörpers abgelehnt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Dezember 1975 - BVerwG 6 C 129.74 - BVerwGE 50, 36; Beschluss vom 3. April 1997 - BVerwG 6 AV 1.97 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 55). Der von den Klägern kritisierte Prozesskostenhilfebeschluss vom 24. Juni 2003 bot aber bei vernünftiger Würdigung der Umstände keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die mitwirkenden Richter bei ihrer Entscheidung von unsachlichen Erwägungen hatten leiten lassen, die auf eine Voreingenommenheit hätten schließen lassen können. Dass die Kläger die vom Gericht geäußerte Rechtsauffassung nicht teilten, vermochte für sich genommen noch keine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. September 1989 - BVerwG 2 B 109.89 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 41, vom 13. Juni 1991 - BVerwG 5 ER 614.90 - a.a.O. und vom 31. Oktober 1994 - BVerwG 8 B 112.94 - a.a.O.). Ihr gleichwohl eingereichtes Ablehnungsgesuch wurde mit der Begründung, es gebe keine Anzeichen, die auf eine objektiv willkürliche Beurteilung ihres Prozesskostenhilfeantrags hindeuteten, durch Beschluss vom 11. August 2003 abgelehnt. Diese Entscheidung wurde in Anwendung des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der abgelehnten Richter von den nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofs für den Fall der Verhinderung zuständigen Richtern des 15. Senats in Kenntnis der dienstlichen Äußerungen der Abgelehnten getroffen. Ungeachtet dieses Beschlusses nahmen die Kläger, ohne neue Gesichtspunkte anzuführen, die Ladung zum Verhandlungstermin vom 15. September 2003 zum Anlass "die Richter Dr. Z., D. und H. erneut wegen Verstoß gegen § 47 ZPO durch Anberaumung eines Termins" abzulehnen. Wird nicht ein einzelner Richter, sondern das ganze Kollegium abgelehnt, so ist das Gericht - jedenfalls bei einer auf unterschiedliche Rechtsansichten gestützten wiederholten Ablehnung - in der Besetzung mit den abgelehnten Richtern zu einer Entscheidung über das Ablehnungsgesuch befugt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 7. Oktober 1987 - BVerwG 9 CB 20.87 - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 31, vom 30. Dezember 1993 - BVerwG 1 B 154.93 - Buchholz 310 § 54 VwGO Nr. 50 und vom 7. August 1997 - BVerwG 11 B 18.97 - a.a.O.).
Die Kläger zeigen auch keine Zulassungsgründe im Sinne des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 VwGO auf.
Soweit sie dem Berufungsgericht vorhalten, sich über Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hinweggesetzt zu haben, kommt eine Revisionszulassung auf der Grundlage des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht in Betracht, da eine Divergenz im Sinne dieser Bestimmung nur gegeben ist, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht.
Auch für eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gibt ihr Vorbringen nichts her. Der Senat hätte keinen Anlass, sich in einem etwaigen Revisionsverfahren mit den angesprochenen Problemen auseinander zu setzen.
Auf die Frage, ob der Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken den Klägern bereits am 15. oder erst am 17. Oktober 1994 zugestellt worden ist, käme es nicht an. Das Berufungsgericht hat nicht in Abrede gestellt, dass der Klageschriftsatz vom 12. November 1994 "am 17. November 1994 noch rechtzeitig innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids jeweils an beide Kläger ... beim Verwaltungsgericht eingegangen" ist (UA S. 11). Wenn es gleichwohl die auf Erteilung einer Abbrucherlaubnis gerichtete Klage als unzulässig abgewiesen hat, dann beruht dies darauf, dass sich die Kläger vor Ablauf der Klagefrist nicht im Klagewege gegen die Versagung der Abbrucherlaubnis zur Wehr gesetzt, sondern lediglich begehrt haben, dass der Ablehnungsbescheid vom 6. Oktober 1994 um eine Entschädigungsregelung "ergänzt" werde. Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Berufungsgerichts haben die Kläger die Aufhebung des Widerspruchsbescheids erstmals unter dem 24. Januar 1995 und die Verpflichtung zur Erteilung einer Abbrucherlaubnis erst mit Schriftsatz vom 14. Februar 1995 beantragt. Zu diesen Zeitpunkten war die insoweit nach § 74 Abs. 2 VwGO maßgebliche Frist unzweifelhaft abgelaufen. Bei dieser Sachlage würden sich die zur Ausgestaltung von Fristenregelungen aufgeworfenen Fragen in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen.
Die von den Klägern geltend gemachten Formmängel sind ebenfalls nicht geeignet, der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu verleihen. Dass der Widerspruchsbescheid vom 6. Oktober 1994 dem Schriftformerfordernis entspricht, bedürfte nicht eigens einer Bekräftigung in einem Revisionsverfahren. Überdies liegt auf der Hand, dass den Zustellungsvorschriften genügt ist. Der Widerspruchsbescheid wurde, wie im Berufungsurteil erwähnt (UA S. 11) und durch die bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Einlieferungsscheine bestätigt wird, in zwei getrennten Ausfertigungen zur Post gegeben.
Auch im Übrigen lassen die Kläger es damit bewenden, an der angefochtenen Entscheidung Kritik zu üben. Dass sie die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsauffassung aus den von ihnen dargelegten Gründen nicht teilen, lässt sich indes nicht als Beleg dafür werten, dass Fragen zur Erörterung anstehen, deren Klärung über den anhängigen Rechtsstreit hinaus von allgemeiner Bedeutung ist.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 1 Abs. 1 GKG, § 166 VwGO und § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Dr. Paetow Halama Prof. Dr. Rojahn