Beschluss vom 06.03.2009 -
BVerwG 3 B 118.08ECLI:DE:BVerwG:2009:060309B3B118.08.0

Beschluss

BVerwG 3 B 118.08

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 16.09.2008 - AZ: OVG 13 A 1557/06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Buchheister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 45 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger nimmt gemäß § 13 des Rettungsgesetzes NRW - RettG - als Verwaltungshelfer Aufgaben des Krankentransports im öffentlichen Rettungsdienst im Zuständigkeitsbereich des Beklagten wahr. Daneben betreibt er als Unternehmer Notfallrettung und Krankentransport gemäß § 18 RettG mit vier Krankentransportwagen (KTW) und drei Rettungswagen (RTW). Mit seiner Klage begehrt er die Genehmigung für drei weitere KTW zum Krankentransport. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

2 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich als Zulassungsgrund weder die geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO noch ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

3 1. Der Kläger benennt keinen vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz, der von einem Rechtssatz in der von ihm angeführten Entscheidung des Senats vom 17. Juni 1999 - BVerwG 3 C 20.98 - (Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 9) abweicht. Der Senat hat dort entschieden, dass die Deklarierung der Bedarfsgrenze als Versagungsgrund mit der Gewährleistung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahmen nicht erkannt, dass der Beklagte unnötige Überkapazitäten im Bereich der RTW geschaffen habe, die er für den Krankentransport einsetze. Deshalb bestehe im Bereich des Krankentransportes in Wirklichkeit noch ein ungedeckter Bedarf und gerate die Klageabweisung in Widerspruch zu der erwähnten Senatsentscheidung. Diese Erwägung greift nicht durch. Eine Divergenz kann sich nur aus einem vom Berufungsgericht auf der Grundlage der angenommenen Tatsachen aufgestellten Rechtssatz ergeben und nicht daraus, dass es bei (vermeintlich) richtiger Tatsachenfeststellung anders entschieden hätte. Im Übrigen bedeutet die Anerkennung der Bedarfsgrenze als Versagungsgrund nicht, dass bei einer etwa noch bestehenden Bedarfslücke im öffentlichen Rettungsdienst im Umkehrschluss ohne weiteres ein Anspruch auf Zulassung des privaten Anbieters anzunehmen ist.

4 Der Kläger zeigt ferner keine Divergenz zu dem von ihm angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 2003 - 1 BvR 1972/00 u.a. - (BVerfGE 107, 186) auf. Diese Entscheidung betraf ein Versandhandelsverbot zwischen Arzt und Apotheke für bestimmte Impfstoffe. Das Bundesverfassungsgericht hat dort den allgemeinen Rechtssatz wiederholt, dass die Rechtfertigung einer Beschränkung der Berufsfreiheit davon abhängt, wie eng der Bezug der beschränkenden Vorschriften zu dem jeweiligen Schutzgut ist (a.a.O. S. 197). In jenem Fall hat es einen näheren Bezug des Versandhandelsverbotes zu dem Gemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes verneint. Der Kläger meint, das Berufungsgericht sei von dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen, weil es angenommen habe, dass nicht nur bei der Notfallrettung, sondern auch beim Krankentransport eine Beschränkung der Berufszulassung zulässig sei, obwohl der Krankentransport - so der Kläger - nur in einem entfernteren Zusammenhang zum Gesundheitsschutz stehe. Damit kann eine Divergenz schon deshalb nicht begründet werden, weil das Berufungsgericht gerade nicht davon ausgegangen ist, dass der Krankentransport nur in einem entfernteren Zusammenhang zum Gesundheitsschutz steht (s. S. 11 f. des Urteils). Die These des Klägers, der Krankentransport weise keinen unmittelbaren Bezug zu verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern auf und dürfe deshalb keiner Berufszulassung unterliegen, geht im Übrigen fehl. Die ordnungsgemäße Abwicklung des qualifizierten Krankentransportes dient unmittelbar dem Schutz von Leben und Gesundheit der Patienten und ist ein außerordentlich wichtiges Gemeinschaftsgut (Urteil des Senats vom 17. Juni 1999 a.a.O. S. 5).

5 Die weiteren in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen des Klägers betreffen die von ihm für richtig gehaltene Auslegung der Funktionsschutzklausel des Rettungsgesetzes des Landes. Die Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger zeigt nicht auf, dass bei der Auslegung des Landesrechts der von ihm angeführte Art. 12 Abs. 1 GG seinerseits ungeklärte Fragen aufwirft (s. zu dieser Voraussetzung Beschluss vom 9. Juni 2008 - BVerwG 3 B 56.08 - juris m.w.N.).

6 2. Der Kläger macht ferner geltend, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt in verschiedener Hinsicht fehlerhaft ermittelt. Soweit damit als Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) gerügt werden soll, bleibt dies schon deshalb erfolglos, weil von einer anwaltlich vertretenen Partei erwartet werden kann, dass sie eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beantragt. Das ist hier nicht geschehen. Dem Zulassungsantrag ist auch nicht zu entnehmen, dass und welche weitere Aufklärung sich dem Berufungsgericht von sich aus hätte aufdrängen müssen.

7 Soweit der Kläger mit der Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend macht, bleibt auch dies erfolglos. Seine Einwände sind ohne Substanz oder zielen nicht auf eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Berufungsgerichts, sondern auf die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnende richterliche Würdigung. So hält er der Annahme des Berufungsgerichts, im Bereich der Notfallrettung seien keine unnötigen Überkapazitäten geschaffen worden, vielmehr seien die Ergänzungs-RTW in Spitzenbedarfszeiten erforderlich, entgegen, es gebe ausweislich des Bedarfsplanes für 2006 keine Spitzenbedarfszeiten in der Notfallrettung. Tatsächlich weist der Bedarfsplan allerdings durchaus einen je nach Wochentag und Tageszeit schwankenden Bedarf in den Versorgungsbereichen aus (Bedarfsplan Anlage 9) und führt deshalb neben dem Grundbedarf einen Ergänzungsbedarf an RTW auf (ebd. Seite 29 Ziffer 10.1 .4). Das Berufungsgericht hat sich die Notwendigkeit dieses ergänzenden Bedarfs in der mündlichen Verhandlung von der Beklagtenseite erläutern lassen und für plausibel gehalten (S. 21 des Urteils). Dem hält der Kläger lediglich seine eigene Würdigung entgegen. Damit wird ein dem Verfahrensrecht zuzuordnender Fehler bei der Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts nicht aufgezeigt.

8 Ähnlich verhält es sich mit den weiteren vom Kläger angesprochenen Aspekten. Der auf Angaben des Beklagten gestützten Annahme des Berufungsgerichts, der Krankentransportdienst sei nicht vollständig ausgelastet, hält er eine eigene Berechnung entgegen, deren Grundannahmen (Einsatzzahlen) und Ergebnis („optimale Auslastung“) sich nicht erschließen und die nichts über einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts besagt. Der Annahme des Berufungsgerichts, die Kosten- und Ertragslage des öffentlichen Rettungsdienstes werde sich bei weiteren Genehmigungen zugunsten privater Unternehmer erheblich verschlechtern, hält er entgegen, dass die Kosten der Krankenkassen sinken würden, weil er als privater Unternehmer Krankentransporte kostengünstiger anbiete. Auch dieser Einwand betrifft allein die richterliche Würdigung. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass private Unternehmer (unter anderem wegen der ihnen möglichen Beschränkung auf lukrative Einsatzorte und -zeiten) ihre Krankentransportleistungen regelmäßig günstiger erbringen können. Es hat vielmehr auf den öffentlichen Rettungsdienst abgestellt, dessen Funktionsfähigkeit durch § 19 Abs. 4 RettG geschützt werden soll, und hierauf bezogen angenommen, dass weitere Genehmigungen für private Unternehmer zu einer unverträglichen Steigerung ungedeckter Vorhaltekosten im öffentlichen Rettungsdienst führten, der wegen seiner Sicherstellungspflicht gemäß § 6 RettG nicht beliebig Kapazitäten abbauen könne.

9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.