Beschluss vom 06.03.2002 -
BVerwG 2 B 3.02ECLI:DE:BVerwG:2002:060302B2B3.02.0

Beschluss

BVerwG 2 B 3.02

  • Niedersächsisches OVG - 25.09.2001 - AZ: OVG 5 LB 1041/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. März 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundes-
verwaltungsgericht D a w i n und Dr. B a y e r
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des
  2. Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. September 2001 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 3 642 € (entspricht 7 123 DM) festgesetzt.

Die auf alle drei Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde bezeichnet als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig, Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der Sache nach die Frage,
ob der Leiter einer Dienststelle einen ihm unterstellten Beamten, der seit längerer Zeit wegen Dienstunfähigkeit nicht mehr in der Dienststelle erschienen ist und voraussichtlich auch während der nächsten Monate keinen Dienst leisten wird, über wichtige Rechtsänderungen, die den Angehörigen der Dienststelle durch Auslegung in der Dienststelle bei schriftlicher Bestätigung der Kenntnisnahme mitgeteilt werden, auf eine andere Weise informieren muss.
Die Frage ist nicht klärungsbedürftig. Sie lässt sich anhand der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten.
Nach dieser obliegt dem Dienstherrn keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (§ 79 BBG) abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung über alle für den Beamten einschlägigen Rechtsvorschriften (vgl. BVerwGE 104, 55 <57> m.w.N.), vor allem dann nicht, wenn es sich um Vorschriften handelt, deren Kenntnis bei dem Beamten vorausgesetzt werden oder sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann (vgl. BVerwG, a.a.O. S. 57/58 m.w.N.). Demgemäß gebietet die Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht, dass der Dienstherr seine Beamten von sich aus auf die Möglichkeit eines Antrags, der für sie in Betracht kommen könnte, aufmerksam macht (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Abweichend von diesem Grundsatz können besondere Fallgestaltungen eine Belehrungspflicht auslösen. Als solche hat das Bundesverwaltungsgericht anerkannt die ausdrückliche Bitte des Beamten um eine Auskunft, ferner den vom Dienstherrn erkannten oder erkennbaren Irrtum des Beamten in einem bedeutsamen Punkt (BVerwGE 44, 36 <44>; 52, 70 <79>) sowie eine bestehende allgemeine Praxis, die Beamten über einschlägige Rechtsvorschriften zu belehren.
Einen solchen besonderen Fall hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Nach dessen mit Revisionsrügen nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen gab es in der früheren Dienststelle des Klägers - lediglich - die Praxis, über Änderungen der für die Beamten wichtigen Rechtsvorschriften in der Weise zu informieren, dass die Vorschriften in der Dienststelle ausgelegt wurden, die Beamten die Einsichtnahme durch Abzeichnung bestätigten und die Beklagte bei fehlendem Namenszeichen einen zusätzlichen Hinweis mündlich und damit nur solchen Bediensteten gab, die während des Auslegungszeitraums überhaupt in der Dienststelle erschienen. Eine weitergehende Praxis, nach der auch Bedienstete, die an keinem Tag der Auslegungszeit in der Dienststelle anwesend waren, auf andere Weise auf die ausliegenden Rechtsvorschriften hingewiesen wurden, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Allein die Tatsache, dass die Beklagte über Rechtsänderungen durch Auslegung in der Dienststelle - überhaupt - informierte, begründete nicht die Pflicht, auch Informationsmöglichkeiten für nicht in der Dienststelle erscheinende Beamte zu schaffen, diesen etwa die Information nach Hause zu vermitteln. Denn darin läge nicht die Beibehaltung einer allgemein geübten Praxis auch gegenüber einem gleichheitswidrig nicht in sie einbezogenen Beamten, sondern die Aufnahme einer bisher nicht praktizierten Form der Belehrung ihm gegenüber.
Die Zulassungsgründe der Divergenz, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, und der Verletzung des Verfahrensrechts, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, sind bereits nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise bezeichnet. Die Beschwerde nennt nicht, wie es erforderlich gewesen wäre, einen abstrakten Rechtssatz, den das Berufungsgericht dem angeführten Rechtssatz aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entgegengestellt hat. Sie rügt lediglich, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts im konkreten Einzelfall der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht genügt.
Bei der Geltendmachung der Verletzung der Aufklärungspflicht, § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO, hat es die Beschwerde versäumt, die einzelnen in das Wissen des Zeugen G. gestellten Tatsachen zu nennen und außerdem anzugeben, inwiefern das Urteil des Berufungsgerichts auf der unterlassenen Vernehmung des Zeugen auch zu diesem Punkt beruht oder beruhen kann (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 18. Juni 1998 - BVerwG 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475). Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts auch keinen Beweisantrag gestellt hat, hätte er in der Beschwerde zusätzlich darlegen müssen, warum sich dem Tatsachengericht aus dessen für den Umfang der Sachaufklärungspflicht maßgebenden materiellrechtlichen Sicht die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung in der nunmehr aufgezeigten Richtung durch die vermisste Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 72.90 - NVwZ 1993, 62 <63>).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 13 Abs. 2, § 73 Abs. 1 Satz 1 GKG.