Gerichtsbescheid vom 06.01.2004 -
BVerwG 9 A 55.02ECLI:DE:BVerwG:2004:060104G9A55.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Gerichtsbescheid vom 06.01.2004 - 9 A 55.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:060104G9A55.02.0]

Gerichtsbescheid

BVerwG 9 A 55.02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Januar 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t , V a l l e n d a r , Prof. Dr. R u b e l und Dr. E i c h b e r g e r
entschieden:
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

I


Die Klägerin wendet sich mit ihrer auf weitergehenden passiven Schallschutz gerichteten Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss des Beklagten für den Neubau einer Ortsumgehung O. im Zuge der Bundesstraße B 92. Sie ist Eigentümerin des ... m² großen Grundstücks Fl.-Nr. ... der Gemarkung O., das mit eingeschossigen Lager- und Werkhallen, einem nordwestlich daran anschließenden viergeschossigen Verwaltungs- und Wohngebäude und einem Garagenkomplex bebaut ist und im unbeplanten Innenbereich liegt.
Im September 2000 reichte die Straßenbaubehörde des Beklagten den Plan für den Bau der Straße beim Regierungspräsidium zur Durchführung des Anhörungsverfahrens ein. Danach ist im Bereich des Grundstücks der Klägerin vorgesehen, die Weiße Elster und die Bahnstrecke Plauen/Eger im Zuge einer bestehenden Straßenbrücke zu überqueren. Nordöstlich dieser Überquerung nutzt die Trasse auf einer ca. 2 m hohen Stützwand den südöstlichen Teil des Grundstücks der Klägerin. Dazu soll eine ... m² große Teilfläche dieses Grundstücks für den Träger der Straßenbaulast erworben, der dortige Garagenkomplex abgebrochen und eine an diese Teilfläche nordwestlich anschließende weitere Teilfläche von ... m² für den Straßenbau vorübergehend in Anspruch genommen werden.
Die Anhörungsbehörde veranlasste die Auslegung des Plans vom 13. November 2000 bis zum 5. Januar 2001 in der Stadtverwaltung O. Innerhalb der bis zum 22. Januar 2001 verlängerten Einwendungsfrist erhob die Klägerin keine Einwendungen. Am 23. und 25. Januar 2001 gingen zwei wortgleiche Einwendungsschreiben der K.-GmbH O., die mit der Klägerin nicht identisch ist, bei der Anhörungsbehörde ein. Darin wandte sich die Einwenderin gegen den Straßenverlauf unmittelbar am Firmengelände, machte Entschädigungs- und Ausgleichsforderungen für dadurch eintretende Betriebserschwernisse geltend und verlangte Schallschutz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, da sich im Hauptgebäude fünf Mietwohnungen befänden.
Während der laufenden Auslegung wurde aufgrund eines entsprechenden Hinweises festgestellt, dass in den Planunterlagen einzelne Höhenlinien möglicherweise nicht korrekt eingetragen waren. Im Rahmen der daraufhin vorgenommenen Überprüfung wurde festgestellt, dass bei einer Korrektur der Planunterlagen für einzelne Anwesen, darunter auch das der Klägerin, tatsächlich eine Veränderung in der Lärmbetroffenheit auftrat. Daraufhin veranlasste die Anhörungsbehörde nach einer Überarbeitung der Unterlagen eine erneute Auslegung. Nach den dabei ausgelegten korrigierten Planunterlagen wurden auf der Grundlage einer prognostizierten Verkehrsbelastung von täglich 23 000 Kraftfahrzeugen mit einem Lastkraftwagenanteil von 12,8 % tags und 16 % nachts im Jahre 2015 für die Schallbelastung am nach dem Straßenbau bestehen bleibenden Gebäudekomplex der Klägerin unter Berücksichtigung der hier geplanten, 3,5 m hohen Lärmschutzwand und einer höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeit von 50 km/h folgende Beurteilungspegel errechnet:
Westseite (Abstand 59 m):
Erdgeschoss tags 50 dB (A), nachts 43 dB (A)
1. Obergeschoss tags 51 dB (A), nachts 44 dB (A)
2. Obergeschoss tags 52 dB (A), nachts 45 dB (A)
3. Obergeschoss tags 52 dB (A), nachts 45 dB (A)
Westseite (Abstand 35,5 m):
Erdgeschoss tags 51 dB (A), nachts 44 dB (A)
1. Obergeschoss tags 52 dB (A), nachts 45 dB (A)
2. Obergeschoss tags 53 dB (A), nachts 46 dB (A)
3. Obergeschoss tags 55 dB (A), nachts 48 dB (A)
Südseite (Abstand 15 m):
Erdgeschoss tags 51 dB (A), nachts 44 dB (A)
1. Obergeschoss tags 54 dB (A), nachts 48 dB (A)
2. Obergeschoss tags 59 dB (A), nachts 53 dB (A)
3. Obergeschoss tags 69 dB (A), nachts 62 dB (A)
Ostseite (Abstand 28 m):
Erdgeschoss tags 52 dB (A), nachts 46 dB (A)
1. Obergeschoss tags 54 dB (A), nachts 48 dB (A)
2. Obergeschoss tags 56 dB (A), nachts 50 dB (A)
3. Obergeschoss tags 59 dB (A), nachts 53 dB (A)
Südostseite (Abstand 42 m):
Erdgeschoss tags 53 dB (A), nachts 46 dB (A)
1. Obergeschoss tags 54 dB (A), nachts 48 dB (A)
2. Obergeschoss tags 56 dB (A), nachts 49 dB (A)
3. Obergeschoss tags 58 dB (A), nachts 51 dB (A)
Nordwestseite (Abstand 61 m):
Erdgeschoss tags 49 dB (A), nachts 42 dB (A)
1. Obergeschoss tags 49 dB (A), nachts 43 dB (A)
2. Obergeschoss tags 50 dB (A), nachts 43 dB (A)
3. Obergeschoss tags 50 dB (A), nachts 43 dB (A)
Aufgrund dieser Beurteilungspegel und der für Mischgebiete geltenden Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung - tags 64 dB (A), nachts 54 dB (A) - wurde für das dritte Obergeschoss der Südseite des Gebäudekomplexes der Klägerin ein Anspruch auf passiven Lärmschutz dem Grunde nach bejaht. Außerdem sei für dieses Gebäude in der weiteren Planung die dem Grunde nach gegebene Anspruchsvoraussetzung für Entschädigung der Außenwohnbereiche zu prüfen.
Die geänderten Planunterlagen lagen nach ortsüblicher Bekanntmachung der Auslegung vom 8. Februar bis zum 21. März 2001 in der Stadtverwaltung O. aus. Die Bekanntmachung enthielt den Hinweis, dass Einwendungen gegen die geänderten Planunterlagen bis zum 5. April 2001 erhoben werden könnten und nach Ablauf dieser Frist Einwendungen ausgeschlossen seien. Zusätzlich wurde die Klägerin mit Schreiben der Stadtverwaltung vom 6. Februar 2001 auf diese Auslegung, die ihr zugrunde liegende Änderung der lärmschutztechnischen Planunterlagen und die dadurch eintretende erstmalige bzw. stärkere Berührung ihrer Belange hingewiesen. Die Klägerin erhob jedoch auch diesmal keine Einwendungen.
Im anschließenden Erörterungstermin, der vom 11. bis 13. Juni 2001 stattfand, hielt die K.-GmbH ihre Einwendungen vom Januar 2001 aufrecht, wies darauf hin, dass im Haus auch Büroräume vermietet seien, und machte geltend, dass sich trotz der vorgesehenen Schallschutzmaßnahmen die Vermietbarkeit der Räume mindern würde.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2002 stellte das Regierungspräsidium den Plan für das Vorhaben fest. Dabei verpflichtete es in der Nebenbestimmung 5.1 den Vorhabenträger, die in der Planung vorgesehenen Lärmschutzmaßnahmen entsprechend den festgestellten Planunterlagen auszuführen. In der Nebenbestimmung 5.6 wurde erklärt, dass die Feststellung des Anspruchs auf passiven Lärmschutz nur dem Grunde nach erfolge. Im Rahmen der Festlegung von Art und Umfang passiver Schallschutzmaßnahmen seien alle Räume zu schützen, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt seien. Art und Umfang der notwendigen Schallschutzmaßnahmen richteten sich nach der Verkehrswege-Schallschutzmaßnahmenverordnung i.V.m. den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes und seien nach der Planfeststellung in einem gesonderten Verfahren festzulegen. Zu den den Schallschutz betreffenden Einwendungen der K.-GmbH wurde im Planfeststellungsbeschluss ausgeführt, dass bis auf eine Stelle am Gebäude sämtliche gesetzlichen Grenzwerte eingehalten würden. Für die verbleibende Stelle sehe die Planung passiven Schallschutz vor. Die gesetzlichen Anforderungen an den Lärmschutz in Kern-, Dorf- und Mischgebieten würden beachtet.
Am 23. Juli 2002 beantragte die Klägerin beim Vorhabenträger auf dessen Anregung weiterführende schalltechnische Untersuchungen hinsichtlich passiver Schallschutzmaßnahmen und einer Grenzwertüberschreitung im Außenwohnbereich. Diese Untersuchungen sind noch nicht erfolgt.
Der Planfeststellungsbeschluss wurde öffentlich bekannt gemacht und vom 5. bis zum 20. August 2002 in der Stadtverwaltung O. ausgelegt. Am 20. September 2002 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:
Bei den drei oberen Stockwerken ihres Anwesens handele es sich um Wohnraum, der hinsichtlich der Lärmbelästigung besonders schutzwürdig sei. Im Erdgeschoss befänden sich die Büroräume der Klägerin sowie der K.-GmbH O. Da die geplante Straße etwa auf Höhe der Dächer der Lager und Werkhallen verlaufen werde, bildeten diese Hallen keinen Schallschutz. Deshalb sei mit weitaus höheren Lärmpegeln zu rechnen als von der Planungsbehörde zugrunde gelegt. Somit seien alle vier Stockwerke an der Südfront mit Lärmschutzfenstern zu versehen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidiums Chemnitz vom 27. Juni 2002 aufzuheben, soweit er das Anwesen ..., Verwaltungs- und Wohngebäude und die dortigen Festlegungen zum Einbau von schallgedämmten Fenstern der Südseite des dritten Obergeschosses betrifft,
2. den Beklagten zu verurteilen, den Plan dahingehend abzuändern, dass auf der gesamten Südseite des Verwaltungs- und Wohngebäudes ... in allen Stockwerken schalldämmende Fenster einzubauen und die Kosten dafür vom Beklagten zu tragen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, die Einstufung des Gebietes, in dem sich das Grundstück der Klägerin befinde, als Mischgebiet sei mit der Stadt O. abgestimmt. Die der Planfeststellung zugrunde liegende schallschutztechnische Untersuchung sei nicht zu beanstanden.

II


Der Senat entscheidet nach vorheriger Anhörung der Beteiligten gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und der entscheidungserhebliche Sachverhalt geklärt ist.
Die Klage, die der Sache nach auf die Verpflichtung des Beklagten zur Planergänzung um die Anordnung einer zusätzlichen Entschädigung für passive Schallschutzmaßnahmen am Verwaltungs- und Wohngebäude der Klägerin gerichtet ist, ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Klägerin ist mit allen Einwendungen, die sie gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses anführt, gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen; denn diese Einwendungen wurden von ihr nicht innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist des § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG erhoben, die gemäß § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 2 Satz 1, § 188 Abs. 2 BGB am 4. April 2001 ablief. Mängel des Bekanntmachungs- und Auslegungsverfahrens, die die Klägerin dem Ausschluss ihrer Einwendungen entgegenhalten könnte, lassen sich dem Klagevorbringen nicht entnehmen und sind auch sonst nicht ersichtlich. Dass in der Bekanntmachung der Auslegung des Plans konkret der 5. April 2001 als Ende der Einwendungsfrist benannt war, ändert hieran nichts. Da die Klägerin auch bis zu diesem Termin keine Einwendungen erhoben hat, kann ausgeschlossen werden, dass dieser Fehler für das Nichtvorbringen von Einwendungen ursächlich war.
Desgleichen ist unerheblich, dass eine andere juristische Person nach Ablauf der Einwendungsfrist gegen den ursprünglichen Plan und vor Beginn der Einwendungsfrist gegen den geänderten Plan Einwendungen gegen den ursprünglichen Plan erhoben hat, die sich die Klägerin nunmehr gegen den geänderten Plan zu Eigen macht.
Abgesehen davon ergibt sich aus der zu den Planfeststellungsunterlagen gehörenden und auszugsweise auch mit der Klagebegründung vorgelegten schalltechnischen Untersuchung vom Dezember 2000, dass den darin ermittelten Beurteilungspegeln in Tabellenspalte 11 genaue Abstände zwischen den angenommenen Immissionsorten und der Achse des geplanten Verkehrsweges sowie in Tabellenspalte 12 genaue Höhen dieser Immissionsorte über bzw. unter der Achse des Verkehrsweges zugrunde gelegt wurden. Die in der Klagebegründung enthaltenen tatsächlichen Angaben sind nicht geeignet, diese Grundlagen der schalltechnischen Untersuchung zugunsten der Klägerin in Frage zu stellen. Denn die Südfront des Verwaltungs- und Wohngebäudes der Klägerin ist erheblich weiter als die für die Anspruchsberechtigung zugrunde gelegte Südseite des westlichen Hallengebäudes von der Achse des Verkehrsweges entfernt, und der Verlauf dieser Achse etwa auf Dachhöhe der Lager- und Werkhallen wurde bei der Berechnung berücksichtigt. Auch die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Annahme, auf dem Grundstück der Klägerin seien die Immissionsgrenzwerte für Mischgebiete anzuwenden, steht mit den vorgelegten Unterlagen im Einklang. Sie wird durch den Hinweis auf die Wohnnutzung in drei Stockwerken eines auf dem sonst gewerblich genutzten Grundstück aufstehenden Gebäudes ebenfalls nicht schlüssig in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung
Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides mündliche Verhandlung beantragen. Der Antrag ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig, einzureichen. Hierfür besteht Vertretungszwang. Jeder Beteiligte muss sich, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.