Beschluss vom 05.06.2012 -
BVerwG 10 B 14.12ECLI:DE:BVerwG:2012:050612B10B14.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.06.2012 - 10 B 14.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:050612B10B14.12.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 14.12

  • VG Berlin - 27.11.2009 - AZ: VG 29 K 33.09 V
  • OVG Berlin-Brandenburg - 19.12.2011 - AZ: OVG 3 B 17.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Juni 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Dezember 2011 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unzulässig. Nach § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen; in der Begründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Diesen Anforderungen genügt das fristgerechte Beschwerdevorbringen nicht. Mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 wurden zwar eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) geltend gemacht, die Begründung genügt bezüglich beider Zulassungsgründe aber nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen.

2 1. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache setzt voraus, dass eine über den zu entscheidenden Einzelfall hinausgreifende und für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt die Bezeichnung einer fallübergreifenden Rechtsfrage, die für die erstrebte Revisionsentscheidung erheblich sein wird, und einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich nicht beantworteten Rechtsfrage führen kann, die sich nicht nur in dem Entscheidungsfall stellt.

3 Dem Vorbringen im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 lässt sich schon keine fallübergreifend bedeutsame Rechtsfrage entnehmen. Die Beschwerde macht lediglich geltend, die Klägerin habe einen Anspruch auf Familiennachzug zu ihrer hier lebenden erwachsenen und inzwischen eingebürgerten Tochter, weil offenkundig von einer außergewöhnlichen Härte auszugehen sei. Zur Begründung legt sie in der Art einer Berufungsbegründung dar, warum die Klägerin entgegen der Behauptung des Berufungsgerichts kein zumutbares eigenes und eigenständiges Leben in Teheran führen könne. In diesem Zusammenhang formuliert sie keine klärungsbedürftige fallübergreifende Rechtsfrage des revisiblen Rechts auf der Ebene maßstabsbildender Obersätze und genügt damit nicht den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.

4 2. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem Rechtssatz widersprochen hat, den eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat.

5 Die Beschwerde macht hierzu im Schriftsatz vom 29. Februar 2012 geltend, das Berufungsgericht verletze die Grundsätze der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 1. August 1996 - 2 BvR 1119/96 - (InfAuslR 1996, 341), wonach es für eine Visumerteilung aus Härtegründen ausreiche, wenn die Lebenshilfe durch ein Familienmitglied in Deutschland erbracht werde/erbracht werden solle. In diesem Zusammenhang zeigt die Beschwerde aber keine divergierenden Rechtssätze auf, sondern wendet sich vor allem gegen die tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, das davon ausgegangen ist, dass die Klägerin schon nicht belegt habe, dass sie auf die Lebenshilfe im Bundesgebiet durch ihre hier lebende Tochter angewiesen sei. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich falschen Sachverhalts- und Beweiswürdigung genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenzrüge.

6 3. Die Angriffe der Beschwerde gegen die tatrichterlichen Würdigungen und Bewertungen erfüllen auch nicht die Anforderungen, die an die Darlegung eines Verfahrensfehlers zu stellen sind.

7 4. Das weitere Vorbringen der Beschwerde mit Schriftsatz vom 18. Mai 2012, der erst nach Ablauf der hier wirksam in Lauf gesetzten zweimonatigen Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.

8 Das ergänzende Vorbringen zu den mit Schriftsatz vom 29. Februar 2012 vorgetragenen Beschwerdegründen vertieft nicht den Vortrag zu bereits hinreichend dargelegten Zulassungsgründen und ist auch sonst nicht geeignet, deren nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechende Darlegung zu heilen.

9 Die zusätzlich geltend gemachten Zulassungsgründe, insbesondere die mit der Grundsatzrüge aufgeworfene Frage,
„ob sonstige Familienangehörige, die den Familiennachzug begehren, um von ihrer Familie versorgt zu werden, im Rahmen des § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG auf die Pflege durch familienfremde Dritte im Heimatstaat verwiesen werden können“,
sowie die ergänzend erhobene Verfahrensrüge müssen außer Betracht bleiben, weil nach Ablauf der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO neue Zulassungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden können.

10 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Beschluss vom 02.08.2012 -
BVerwG 10 B 24.12ECLI:DE:BVerwG:2012:020812B10B24.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 02.08.2012 - 10 B 24.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:020812B10B24.12.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 24.12

  • VG Berlin - 27.11.2009 - AZ: VG 29 K 33.09 V
  • OVG Berlin-Brandenburg - 19.12.2011 - AZ: OVG 3 B 17.10

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 2. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Maidowski
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 2012 wird verworfen.
  3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Anhörungsrüge und Gegenvorstellung der Klägerin gegen den Beschluss vom 5. Juni 2012 haben keinen Erfolg.

2 1. Gemäß § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO setzt eine erfolgreiche Anhörungsrüge voraus, dass das Gericht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Das ist nicht der Fall.

3 Die Anhörungsrüge stellt keinen Rechtsbehelf zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit einer gerichtlichen Entscheidung dar. Sie greift nur dann, wenn das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen der Beteiligten nicht in ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen und sich mit ihm nicht in der gebotenen Weise auseinander gesetzt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Verfahrensbeteiligten inhaltlich zu folgen (vgl. Beschlüsse vom 11. Februar 2008 - BVerwG 5 B 17.08 <5 B 110.06 > -, vom 2. November 2006 - BVerwG 7 C 10.06 <7 C 18.05 > - und vom 24. November 2011 - BVerwG 8 C 13.11 <8 C 5.10 > - jeweils juris). Das Gericht ist auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile des Beschwerdevorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich nicht mit den darin enthaltenen Argumenten befasst (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. April 1980 - 1 BvR 1365/78 - BVerfGE 54, 43 <46> m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 17. August 2007 - BVerwG 8 C 5.07 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 4 und vom 21. Juli 2005 - BVerwG 9 B 9.05 - juris). Art. 103 Abs. 1 GG vermittelt insbesondere keinen Schutz davor, dass ein Gericht aus Gründen des materiellen Rechts Parteivorbringen nicht weiter aufnimmt (BVerfG, Beschluss vom 21. April 1982 - 2 BvR 810/81 - BVerfGE 60, 305 <310> m.w.N.). Erst recht gebietet Art. 103 Abs. 1 GG nicht, von den gegenüber anderen Verfahrensstadien weitergehenden Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bei der Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde abzusehen (Beschluss vom 9. März 2011 - BVerwG 5 B 7.11 <5 B 39.10 > - juris).

4 Der Senat hat in seinem Beschluss vom 5. Juni 2012 das Vorbringen der Klägerin im Beschwerdeverfahren zur Kenntnis genommen und sich damit im gebotenen Maße auseinandergesetzt. Soweit die Klägerin behauptet, der Senat habe entscheidungserhebliches Vorbringen im Beschwerdeverfahren übergangen, wendet sie sich der Sache nach gegen die rechtliche Würdigung des Senats, das fristgerecht eingegangene Vorbringen der Klägerin genüge schon nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, um auf diese Weise eine erneute Überprüfung ihres Begehrens in einem fortgeführten Beschwerdeverfahren zu erreichen. Das ist nicht Aufgabe und Gegenstand einer Anhörungsrüge (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 1. April 2008 - BVerwG 9 A 12.08 <9 A 27.06 > - und vom 24. November 2011 a.a.O. jeweils juris).

5 Hiervon abgesehen ist erneut darauf hinzuweisen, dass innerhalb der Begründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO die geltend gemachten Zulassungsgründe in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise vorzutragen sind. Nach Ablauf dieser Frist ist zwar noch eine Ergänzung oder Vertiefung der fristgerecht und den Darlegungsanforderungen entsprechend geltend gemachten Gründe zulässig, nicht aber die nachträgliche und erstmalige Erfüllung der zuvor verfehlten Darlegungsanforderungen. Das Revisionsgericht hat derartiges nachgeschobenes Vorbringen selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen, ist aber aus Gründen des Prozessrechts gehindert, es bei der Entscheidung über die Zulassung der Revision zu berücksichtigen.

6 2. Die zusätzlich erhobene Gegenvorstellung ist nicht statthaft. Der gesetzlichen Regelung der Anhörungsrüge in § 152a VwGO ist die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen, dass daneben eine in ihren Voraussetzungen nicht geregelte Gegenvorstellung nicht möglich sein soll (vgl. Beschluss vom 3. Mai 2011 - BVerwG 6 KSt 1.11 - juris Rn. 3).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.