Verfahrensinformation

Das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" und damit auch der Wegfall der Wohnungsbindung von mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungen bei freiwilliger vorzeitiger Rückzahlung ist in § 16 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) geregelt. Danach gilt grundsätzlich eine Nachwirkungsfrist von 10 Kalenderjahren nach dem Jahr der Rückzahlung. Nach § 16 Abs. 5 WoBindG gilt demgegenüber dann, wenn die für ein Eigenheim, eine Eigensiedlung oder eine eigengenutzte Eigentumswohnung als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständig zurückgezahlt worden sind, die Wohnung als öffentlich gefördert bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung. Die Revision soll zur Klärung der Frage beitragen, ob es für § 16 Abs. 5 WoBindG genügt, dass sich die Förderung zur Zeit ihrer Bewilligung auf ein Eigenheim bezog, oder ob es nach dieser Bestimmung erforderlich ist, dass die geförderte Wohnung zur Zeit der vorzeitigen Rückzahlung ein Eigenheim ist.


Urteil vom 05.06.2003 -
BVerwG 5 C 5.02ECLI:DE:BVerwG:2003:050603U5C5.02.0

Leitsätze:

Die Eigenschaft "öffentlich gefördert" endet mit der freiwilligen vorzeitigen Rückzahlung öffentlicher Baudarlehen nach § 16 Abs. 5 WoBindG nur dann, wenn die Wohnung im Zeitpunkt der Rückzahlung noch Eigenheim (Eigensiedlung oder eigengenutzte Eigentumswohnung) ist.

Urteil des 5. Senats vom 5. Juni 2003 - BVerwG 5 C 5.02 

  • Rechtsquellen
    WoBindG § 16 Abs. 1 und 5

  • VGH Mannheim - 20.06.2001 - AZ: VGH 3 S 1622/00 -
    VGH Baden-Württemberg - 20.06.2001 - AZ: VGH 3 S 1622/00

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 05.06.2003 - 5 C 5.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:050603U5C5.02.0]

Urteil

BVerwG 5 C 5.02

  • VGH Mannheim - 20.06.2001 - AZ: VGH 3 S 1622/00 -
  • VGH Baden-Württemberg - 20.06.2001 - AZ: VGH 3 S 1622/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S c h m i d t , Dr. R o t h k e g e l , Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
für Recht erkannt:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juni 2001 wird aufgehoben.
  2. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 2. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

I


Die Beteiligten streiten darüber, wann die Eigenschaft "öffentlich gefördert" und damit die Wohnungsbindung bei freiwilliger vorzeitiger Rückzahlung öffentlicher Baudarlehen für ein Eigenheim endet, das zwar zur Zeit der Darlehensbewilligung, nicht aber zur Zeit der Darlehensrückzahlung eigengenutzt wurde.
Die Kläger sind Eigentümer eines Grundstücks im Stadtgebiet der Beklagten. Dort errichteten sie 1974 ein Familienheim mit Garage. Zur Förderung des Bauobjekts als Eigenheim wurden ihnen mit Bescheid der Landeskreditbank vom 17. Oktober 1974 öffentliche Darlehen in Höhe von insgesamt 42 000 DM bewilligt und in der Folgezeit ausbezahlt. Am 11. Juli 1986 zogen die Kläger aus dem bis dahin von ihnen selbst bewohnten Haus aus und vermieteten es ab dem 1. August 1986. Diesen Sachverhalt stellte die Beklagte im Januar 1994 fest. Daraufhin forderte sie den Kläger zu 2 auf, die von ihm erhöhte Vergleichsmiete festzusetzen, diese von der Landeskreditbank prüfen zu lassen und den entsprechenden Nachweis vorzulegen. Mit Bescheid vom 29. März 1994 genehmigte die Landeskreditbank den Klägern für das Wohngebäude den Übergang von der Vergleichs- zur Kostenmiete und setzte die zulässige Miete auf 10,77 DM/m² Wohnfläche im Monat fest. Unter demselben Datum teilte sie der Beklagten mit, dass am 28. Februar 1994 die als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständig zurückgezahlt worden seien.
Mit Bescheid vom 5. April 1994 bestätigte die Beklagte den Klägern, dass ihr Wohnhaus (erst) ab dem 1. Januar 2005 nicht mehr als öffentlich gefördert gelte. Die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage der Kläger mit dem Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 5. April 1994 und den Widerspruchsbescheid vom 9. September 1994 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen zu bescheinigen, dass ihr Haus ab dem 1. März 1994 nicht mehr als öffentlich gefördert gilt, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Berufung der Kläger hiergegen hat der Verwaltungsgerichtshof stattgegeben, im Wesentlichen mit folgender Begründung: Anders als das Verwaltungsgericht meine, erfordere § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG keinen im Zeitpunkt der Rückzahlung fortbestehenden Eigenheimcharakter der öffentlich geförderten Wohnung. Vielmehr genüge es, dass die öffentlichen Mittel zur Förderung eines Eigenheims, einer Eigensiedlung oder einer eigengenutzten Eigentumswohnung bewilligt worden seien, dass sich also die Bewilligungsentscheidung auf eine Förderung der Herstellung eigengenutzten Wohnraums bezogen habe. Dies folge bereits eindeutig aus dem Wortlaut des § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG, der die unmittelbare Beendigung der Eigenschaft "öffentlich gefördert" bei ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständiger Rückzahlung allein darauf beziehe, ob das Darlehen "für ein Eigenheim, eine Eigensiedlung oder eine eigengenutzte Eigentumswohnung" bewilligt worden sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Berufung der Kläger zurückzuweisen. Sie rügt die Verletzung des § 16 Abs. 5 WoBindG.
Die Kläger verteidigen das Berufungsurteil.

II


Die Revision der Beklagten ist begründet. Denn die Auslegung des Berufungsgerichts dahin, § 16 Abs. 5 WoBindG erfordere keinen im Zeitpunkt der Rückzahlung fortbestehenden Eigenheimcharakter der öffentlich geförderten Wohnung, vielmehr genüge es, dass die Wohnung im Zeitpunkt der Förderungsbewilligung Eigenheim gewesen sei, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Zwar kann der Wortlaut des § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG, der von der Rückzahlung der "für ein Eigenheim ... als Darlehen bewilligten öffentlichen Mittel" spricht, für die Auslegung des Berufungsgerichts angeführt werden, dass es für die Eigenschaft als Eigenheim entscheidend auf die Zeit der Förderungsbewilligung ankomme. Zwingend ist das aber nicht. Vielmehr lässt der Wortlaut des § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG auch eine Auslegung dahin zu, Voraussetzung sei eine Rückzahlung für eine Wohnung, die auch im Zeitpunkt der Rückzahlung noch Eigenheim ist.
Die Systematik des § 16 WoBindG, insbesondere das Verhältnis seiner Absätze 1 und 5 zueinander sowie das Verhältnis der Sätze 1 und 3 des Absatzes 5 zueinander, sprechen dafür, dass die Eigenschaft Eigenheim, Eigensiedlung oder eigengenutzte Eigentumswohnung grundsätzlich (zur Ausnahme s. § 16 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 WoBindG) im Zeitpunkt der Rückzahlung bestehen muss. Wie sich aus § 16 Abs. 5 Satz 3 WoBindG ergibt, erfasst § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG auch eine Wohnung, die im Zeitpunkt der Förderungsbewilligung noch keine eigengenutzte Eigentumswohnung war. Sie muss allerdings im Zeitpunkt der Rückzahlung (zum Fall der Eigennutzung nach Rückzahlung vgl. § 16 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 WoBindG) eine eigengenutzte Eigentumswohnung sein, wobei sie nach § 16 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 1 WoBindG als gekorene eigengenutzte Eigentumswohnung nur dann gilt, wenn sie nicht nur zur Selbstnutzung "bestimmt" ist (s. dazu § 12 Abs. 1 Satz 2 II. WoBauG), sondern auch rechtlich zulässig tatsächlich selbst genutzt wird.
Das Gesetz unterscheidet zwar für das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" zum Rückzahlungszeitpunkt zwischen geborenen, d.h. bereits bei Förderungsbewilligung, eigengenutzten Eigentumswohnungen und gekorenen, d.h. erst nach Umwandlung entstandenen, eigengenutzten Eigentumswohnungen, setzt aber - wie aus § 16 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 WoBindG zu schließen ist - für beide voraus, dass sie bei der Rückzahlung eigengenutzte Eigentumswohnungen sind. Entsprechend ist für das sofortige Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" bei Eigenheimen Voraussetzung, dass die Eigenschaft Eigenheim im Zeitpunkt der Rückzahlung vorliegt. Ist dagegen die Bestimmung zum eigenen Bewohnen auf Dauer aufgegeben und damit die Eigenschaft "Eigenheim" entfallen, so richtet sich das Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" nicht nach Absatz 5, sondern nach Absatz 1 des § 16 WoBindG.
Auch Sinn und Zweck der Regelung über ein mit der freiwilligen, vorzeitigen Darlehensrückzahlung eintretendes sofortiges Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert" und damit der Wohnungsbindung sprechen für eine Auslegung dahin, dass die Voraussetzung "Eigenheim" im Zeitpunkt der Rückzahlung vorliegen muss. Ersichtlich wollte der Gesetzgeber nicht generell, also insbesondere für die Vielzahl vermieteter Wohnungen die Nachwirkungsfrist aufgeben, sondern nur für die grundsätzlich selbst genutzten Eigenheime, Eigensiedlungen und eigengenutzten Eigentumswohnungen. Mit der Nachwirkungsfrist kann nämlich, worauf die Revision zu Recht hinweist, der Gefahr begegnet werden, dass Sozialwohnungen in einem größeren Umfang bindungsfrei werden und für die Unterbringung wohnberechtigter Wohnungssuchender nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Schutzzweck besteht bei zur Eigennutzung bestimmten Eigenheimen, Eigensiedlungen und eigengenutzten Eigentumswohnungen nicht, weil sie, da allenfalls vorübergehend fremdvermietetet, dem Wohnungsmietmarkt grundsätzlich nicht zur Verfügung stehen. Ist danach bei vorzeitiger Rückzahlung maßgebliches Kriterium für die Nachwirkungsfrist einerseits und den sofortigen Wegfall der Wohnungsbindung andererseits die Unterscheidung zwischen der Bestimmung zur Mietnutzung (Folge: Nachwirkungsfirst) und der Bestimmung zur Eigennutzung (Folge: sofortiges Ende der Eigenschaft "öffentlich gefördert"), so kann hierfür nur auf die aktuelle Lage, also auf den Zeitpunkt der Rückzahlung abgestellt werden.
Diese Auslegung wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt. So hat sich die Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf des Gesetzes zur Vereinfachung wohnungsrechtlicher Vorschriften (entspricht dem jetzt geltenden § 16 Abs. 5 Satz 1 und 2 WoBindG) wie folgt geäußert (BTDrucks 10/2913 S. 29): "§ 16 Abs. 5 betrifft die Fälle, in denen der Eigentümer die öffentlichen Mittel ohne rechtliche Verpflichtung vorzeitig vollständig zurückzahlt oder ganz ablöst. Die Regelung kommt jedoch nur zum Zuge, wenn die Wohnung 'eigengenutzt' im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 (II. WoBauG) ist. Dies bedeutet aber, dass die Wohnung entweder tatsächlich von dem Eigentümer oder seinen Angehörigen selbst genutzt wird oder nur vorübergehend vermietet wird mit dem Ziel, die Wohnung(en) in nicht allzu ferner Zeit ... für eigene Wohnzwecke oder für Wohnzwecke seiner Angehörigen zu nutzen .... Im Hinblick auf die dauernde Zweckbestimmung zur Eigennutzung, die die vorgeschlagene Regelung voraussetzt, sieht die Bundesregierung keinen Grund, hier Einschränkungen vorzunehmen." Dass es für § 16 Abs. 5 Satz 1 WoBindG auf die Eigenschaft als Eigenheim oder eigengenutzte Eigentumswohnung zur Zeit der vorzeitigen Rückzahlung ankommen soll, ergibt sich auch aus der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BTDrucks 10/3478 S. 21 f.): "Die beschlossene Regelung sieht jetzt vor, dass ab dem Zeitpunkt die Bindungen entfallen, in dem die folgenden Voraussetzungen erstmals alle erfüllt sind: Das öffentliche Darlehen muss vollständig zurückgezahlt oder ganz abgelöst sein und es muss sich um ein Eigenheim oder eine eigengenutzte Eigentumswohnung handeln."
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO.