Beschluss vom 05.02.2002 -
BVerwG 1 B 23.02ECLI:DE:BVerwG:2002:050202B1B23.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 05.02.2002 - 1 B 23.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:050202B1B23.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 23.02

  • Bayerischer VGH München - 10.10.2001 - AZ: VGH 19 B 96.32758

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2002
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k und den Richter am Bundes-
verwaltungsgericht Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die auf einen Verfahrensmangel und auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel, dass das Berufungsgericht einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag zu Unrecht nicht nachgegangen sei, und sieht darin eine Verletzung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO), einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, eine Auskunft des Auswärtigen Amtes sowie von amnesty international und UNHCR zum Beweis dafür einzuholen, dass insbesondere angesichts der neuesten und verschärften Entwicklung im Iran exilpolitische Aktivitäten dann zu unverhältnismäßigen strafrechtlichen und außerstrafrechtlichen Maßnahmen des iranischen Staates im Falle einer Rückkehr in den Iran führen, wenn sie den Betreffenden über einen längeren Zeitraum, hier über Jahre hinweg, als individuellen Aktivisten persönlich identifizierbar erscheinen lassen. Das Berufungsgericht hat hierzu nach eingehender Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen in den Urteilsgründen ausgeführt, es habe unter den gegebenen Umständen keine Veranlassung zu der beantragten weiteren Beweiserhebung bestanden. Der Bevollmächtigte des Klägers habe bereits nicht dargelegt, worin die "neueste und verschärfte Entwicklung im Iran" bestehen solle, die die Einholung weiterer Auskünfte erforderlich machen solle. Angesichts der ausweislich von Presseberichten in jüngster Zeit teilweise erfolgten Freilassungen von Regimekritikern sei vielmehr von einer gewissen Entspannung auszugehen, sodass der Beweisantrag auf einer unzutreffenden Grundlage beruhe und sich insgesamt als Ausforschungsbeweis darstelle.
Inwiefern die Ablehnung der beantragten Beweiserhebung prozessrechtlich fehlerhaft sein soll, legt die Beschwerde nicht dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann das Tatsachengericht, wenn zur politischen Situation in einem Herkunftsland bereits zahlreiche Auskünfte, Gutachten oder Stellungnahmen vorliegen, die Einholung weiterer Auskünfte oder Sachverständigengutachten nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung von § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde ablehnen. Es muss dann allerdings seine Entscheidung nachvollziehbar begründen und insbesondere angeben, woher es seine Sachkunde hat (vgl. etwa Beschluss vom 27. März 2000 - BVerwG 9 B 518.99 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 m.w.N.). Dies hat das Berufungsgericht hier in ausreichender Weise getan (vgl. UA S. 11 bis 18). Der Rückgriff auf die so belegte eigene Sachkunde wäre allenfalls dann unzureichend, wenn es zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung substanzielle Anhaltspunkte dafür gegeben hätte, dass sich die maßgeblichen Umstände für die Beurteilung der Verfolgung wegen exilpolitischer Aktivitäten im Iran in jüngster Zeit erheblich verändert hätten, wie dies die Beschwerde behauptet. Solche Anhaltspunkte hat der Kläger jedoch weder im Berufungsverfahren vorgetragen, weshalb das Berufungsgericht den Beweisantrag auch als sog. Ausforschungsbeweisantrag bezeichnet hat, noch hat er im Beschwerdeverfahren konkrete Indizien für eine erhebliche Sachlagenänderung benannt. Der Hinweis auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. April 2001 - 7 a 11797/00.OVG - (Asylmagazin 10/2001 S. 24) reicht hierfür nicht aus. Es ist nämlich nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dieser Entscheidung Anhaltspunkte für eine erhebliche Veränderung der Sachlage im Vergleich zu der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten ergeben sollen. Abgesehen davon, dass diese Entscheidung mehr als sechs Monate vor der Entscheidung des Berufungsgerichts ergangen ist und dieses sich auch auf vergleichsweise aktuellere Quellen (zuletzt Presseberichte vom September 2001) gestützt hat, unterscheidet sich die Lageeinschätzung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, wenn überhaupt, dann nur unwesentlich von der des Berufungsgerichts. Denn auch das Berufungsgericht ist von einem nach wie vor nicht entschiedenen Machtkampf zwischen den reformfreundlichen und den klerikal-konservativen Kräften ausgegangen (UA S. 9). Soweit die Beschwerde auf einen Artikel in der Zeitung "Die Welt" vom 12. November 2001 über die Eröffnung eines großen Prozesses gegen Reformer im Iran Bezug nimmt (Anlage zur Beschwerdebegründung), ist dies vorliegend schon deshalb nicht von Bedeutung, weil dieser Artikel zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichts im Oktober 2001 noch nicht vorlag. Die Verfahrensrüge kann danach schon deshalb keinen Erfolg haben, weil die Beschwerde nicht aufzeigt, dass das Berufungsgericht sein Ermessen zur Einholung weiterer Sachverständigengutachten verfahrensfehlerhaft ausgeübt hat.
Soweit die Beschwerde sich darüber hinaus auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache beruft, wirft sie keine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung auf. Die Frage, ob im Hinblick auf die derzeitige politische Situation im Iran "ein iranischer Staatsangehöriger, der illegal aus dem Iran ausgereist ist und in der Bundesrepublik Deutschland einen Asylantrag gestellt hat sowie sich aus iranischer Sicht illegal im Ausland aufhält, zudem auch hier in der Bundesrepublik Deutschland über Jahre hinweg individuell identifizierbar exilpolitisch tätig geworden ist, in besonderer Weise im Blickfeld der Behörden steht und demgemäß im Falle einer Rückkehr in den Iran mit politischer Verfolgung, zumindest aber mit menschenrechtswidrigen Maßnahmen im Sinne des § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK, aber auch nach § 53 Abs. 6 AuslG zwingend rechnen muss", ist keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage, die einer Klärung im Revisionsverfahren nicht zugänglich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG a.F.