Beschluss vom 04.12.2006 -
BVerwG 2 B 57.06ECLI:DE:BVerwG:2006:041206B2B57.06.0

Beschluss

BVerwG 2 B 57.06

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 23.06.2006 - AZ: OVG 6 A 77/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. Dezember 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Albers
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dawin und Dr. Kugele
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Juni 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 23 350 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.

2 Die Beschwerde erhebt die Grundsatzrüge mit dem Argument, das Berufungsurteil weiche von dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2003 - 7 AZR 67/02 - BAGE 105, 161 ab. Es habe die früher geübte Praxis des beklagten Landes - anders als das Bundesarbeitsgericht - rechtlich nicht beanstandet, diejenigen Lehrkräfte bevorzugt in Dauerbeschäftigungsverhältnisse zu übernehmen und später zu verbeamten, die sich für den Vertretungspool zur Verfügung gestellt hätten und dort für eine gewisse Zeit in befristeten Angestelltenverhältnissen tätig gewesen seien.

3 Grundsätzlich kann eine Grundsatzrüge auch darin gesehen werden, dass die Abweichung von der Entscheidung eines in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht aufgeführten obersten Bundesgerichtes geltend gemacht wird. Denn ein Unterschied der Rechtsauslegung einerseits durch ein oberstes Bundesgericht und andererseits durch ein Oberverwaltungsgericht kann den Schluss nahelegen, dass es sich um eine Frage handelt, die auch der Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht bedarf (Beschlüsse vom 11. Mai 1966 - BVerwG 8 B 109.64 - BVerwGE 24, 91 f. und vom 22. Juni 1984 - BVerwG 8 B 121.83 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 225). In einem solchen Falle muss aber die auf diese Weise als vermeintlich rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage in einem Revisionsverfahren geklärt werden können. Dies ist, wie vorliegend, dann nicht der Fall, wenn die in Bezug genommene höchstrichterliche Entscheidung, hier das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, Fragen in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt beantwortet, die mit dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt mangels Vergleichbarkeit nicht aufgeworfen werden. Denn in einem solchen Fall handelt es sich nicht um eine abweichende Beurteilung derselben Rechtsfrage, sondern um völlig unterschiedliche rechtliche Bewertungen, die nicht miteinander verglichen werden und somit auch keine vom Bundesverwaltungsgericht zu klärende Grundsatzfrage enthalten können.

4 Nach dem von der Beschwerde konkludent in Bezug genommenen Rechtssatz in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts können befristet beschäftigte Arbeitnehmer nicht deshalb beanspruchen, unter Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG unbefristet eingestellt zu werden, weil der öffentliche Arbeitgeber zuvor eine Gruppe befristet beschäftigter Arbeitnehmer in unbefristete Arbeitsverhältnisse übernommen hat, ohne dabei seine eigenen, an Art. 33 Abs. 2 GG ausgerichteten Vorgaben für die Einstellung in den öffentlichen Dienst zu beachten.

5 Diesem Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts liegt die tatrichterliche Feststellung des Landesarbeitsgerichts zugrunde, dass 80 % der Bewerber die ihnen unterbreiteten Angebote auf Beschäftigung im Vertretungspool abgelehnt hätten und diese Bewerber ungeachtet ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bei der Auswahlentscheidung unberücksichtigt geblieben seien. Diese Bewerber seien zudem nach den Kriterien des landesweiten Auswahlverfahrens zumindest zum Teil besser qualifiziert gewesen als die im Zeitpunkt der Erteilung der Zusagen im Vertretungspool tätigen Lehrkräfte. Auch die außerhalb des Vertretungspools befristet beschäftigten Lehrkräfte seien unabhängig von ihrer Qualifikation übergangen worden.

6 Nach diesen Feststellungen hat die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine nicht mit Art. 33 Abs. 2 GG vereinbare Auswahlentscheidungspraxis des beklagten Landes zum Gegenstand. Damit zusammenhängende Fragen werden im vorliegenden Fall nicht aufgeworfen. Denn das Berufungsgericht hat einerseits die seinerzeitige Praxis des beklagten Landes auf der Tatsachengrundlage rechtlich gewürdigt, dass sich das beklagte Land bei der Einstellung der Lehrkräfte in den Vertretungspool „allem Anschein nach an deren Erfolg im landesweiten Lehrereinstellungsverfahren orientiert und die Einstellung in den Vertretungspool jeweils den auf der Einstellungsliste bestplatzierten Lehrkräften“ angeboten habe, „die nach Abschluss des landesweiten Einstellungsverfahrens noch zur Verfügung“ gestanden hätten (S. 11 UA). Andererseits hat es festgestellt, die Klägerin habe „selbst zum Kreis derjenigen Lehrkräfte“ gezählt, „die für eine Einstellung in den Vertretungspool in Frage kamen“. Dies sei ihr zweimal nacheinander angeboten worden. Es könne ihr daher nicht entgegengehalten werden, dass sie (zu einem früheren Zeitpunkt) nicht - wie die in den Stellenpool einbezogenen Bewerber - nach den Prinzipien der Bestenauslese ausgewählt worden wäre (S. 12 UA). Das Berufungsgericht ist somit in tatsächlicher Hinsicht von einer dem Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Auswahlentscheidungspraxis des beklagten Landes ausgegangen, in die sich die Bewerbung der Klägerin nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG nahtlos einfügte.

7 Diese tatsächliche Feststellung hat die Beschwerde nicht mit Verfahrensrügen angefochten, so dass das Revisionsgericht von dieser Tatsachensituation ausgehen und annehmen müsste, dass es sich um eine u.a. auf den Leistungsgrundsatz gestützte Bewerbung im Rahmen eines mit dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Bestenauslese übereinstimmenden Bewerbungsverfahrens handelte, also nur noch Fragen der sachgerechten Ermessensausübung inmitten standen (§ 137 Abs. 3 VwGO).

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG (6,5-faches des Endgrundgehalts nach der BesGr A 12).