Beschluss vom 04.08.2006 -
BVerwG 5 B 52.06ECLI:DE:BVerwG:2006:040806B5B52.06.0

Beschluss

BVerwG 5 B 52.06

  • Niedersächsisches OVG - 13.02.2006 - AZ: OVG 12 LC 538/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 4. August 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Säcker
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Schmidt und Prof. Dr. Berlit
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (1.) oder eines Verfahrensmangels (2.) zuzulassen.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) der Fragen zuzulassen, ob
„(1) ein gesetzlicher Versagungsgrund für die Erteilung der Betriebserlaubnis vorliegt, wenn die Erlaubnisbehörde - und nachfolgend die Gerichte - Bedenken an der Schlüssigkeit des personellen Konzepts der zugrunde liegenden Leistungsbeschreibung haben, und
(2) die Betriebserlaubnis versagt werden darf, wenn der Erlaubnisbehörde - und nachfolgend den Gerichten - die Betreuung der Kinder nicht hinreichend gesichert erscheint, weil die mit den Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebende Fachkraft einer externen Halbtags-Berufstätigkeit im Jugendamt nachgeht“.

3 Diese auf die Voraussetzungen der Erteilung einer Betriebserlaubnis für eine Erziehungsstelle gemäß § 45 SGB VIII bezogenen Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, weil sie sich, soweit sie überhaupt über die fallbezogene Anwendung des § 45 SGB VIII hinausgehen und somit einer rechtsgrundsätzlichen, fallübergreifenden Klärung zugänglich wären sowie nach den bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts entscheidungserheblich sein könnten, ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens unmittelbar aus dem Gesetz und der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten lassen.

4 Das Beschwerdevorbringen tritt nicht der Auslegung des Begehrens der Klägerin durch das Verwaltungs- und das Berufungsgericht dahin entgegen, dass es ihr nicht um die Erteilung einer Pflegeerlaubnis gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII, sondern um eine Erlaubnis als Einrichtungsträger im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII und damit um eine Erweiterung ihrer Betreuungsmöglichkeiten geht, und stellt nicht zur Prüfung, ob diese familienanaloge Betreuungsform als „Kleinstheim“ und mithin selbständig geführte Einrichtung der Erlaubnispflicht nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII unterfällt. Die Entscheidung hängt, soweit sie von der Klägerin materiellrechtlich angegriffen wird, von der Auslegung und Anwendung des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII ab, nach dem die Erlaubnis zu versagen ist, wenn „1. die Betreuung der Kinder oder der Jugendlichen durch geeignete Kräfte nicht gesichert ist oder 2. in sonstiger Weise das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung nicht gewährleistet ist ...“. Zu diesen auslegungsbedürftigen, aber auch auslegungsfähigen und hinreichend bestimmten Versagungsvoraussetzungen ist in übertragbarer Weise zu der insoweit vergleichbaren Aufsichtsnorm des § 78 des durch das SGB VIII abgelösten Gesetzes für Jugendwohlfahrt (JWG) in Bezug auf den Begriff der „Sicherung“ der Betreuung geklärt (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1989 - BVerwG 5 B 7.89 - Buchholz 436.51 § 78 JWG Nr. 5), dass bei Einrichtungen, in denen die Betreuung der Minderjährigen durch geeignete Kräfte gesichert sein muss, die Eignung neben den qualitativen Anforderungen an das Betreuungspersonal auch dessen Mindeststärke - orientiert an dem allgemeinen Postulat, dass das leibliche, geistige und seelische Wohl der in die jeweilige Einrichtung aufzunehmenden (aufgenommenen) Minderjährigen gewährleistet sein muss - umfasst und die Frage, unter welchen Voraussetzungen dieses Postulat als erfüllt anzusehen ist, sich nur im Einzelfall - bezogen auf die einzelne Einrichtung - bestimmen lässt. Dabei bedarf es nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass diese einzelfallbezogene Beurteilung u.a. von der Art der jeweiligen Einrichtung, für welche nach Maßgabe einer bestimmten Konzeption eine Betriebserlaubnis erstrebt wird, und den hieraus abzuleitenden Mindeststandards abhängt.

5 Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen betreffen, soweit sie sich nach dem Berufungsurteil stellen, die einzelfallbezogene Anwendung dieser rechtsgrundsätzlich nicht weiter klärungsfähigen Anforderungen an die hinreichende personelle Ausstattung. Das Berufungsgericht hat dabei nicht abstrakt auf die Schlüssigkeit des personellen Konzepts abgestellt, sondern im Anschluss an die einzelfallbezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, welches sich eingehend mit Betreuungskonzeption und Zielsetzungen der Einrichtung auseinander gesetzt hat, den Sachverhalt dahin gewürdigt, dass die konzeptionell vorgesehene personelle Ausstattung die Betreuung der Kinder oder Jugendlichen nicht als hinreichend gesichert erscheinen lasse, weil die Klägerin der Erziehungsstelle wegen ihrer Halbtagstätigkeit bei einem Jugendamt nicht in dem angegebenen Umfang als pädagogische Fachkraft zur Verfügung stehe, so dass die Umsetzung der entsprechenden Angaben aus der Leistungsbeschreibung nicht gewährleistet sei (Berufungsurteil S. 11 f.). Das Berufungsgericht hat für seine Bewertung auch nicht abstrakt als erlaubnishindernd darauf abgestellt, dass die mit den Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebende Fachkraft einer externen Halbtags-Berufstätigkeit in einem Jugendamt nachgehe, sondern konkret die nach der Konzeption erwartbare Belastung der Klägerin gewürdigt und - bereits ohne Berücksichtigung der Belastung durch Leitungs- und Verwaltungsaufgaben - die Bewertung des Beklagten bestätigt, dass „es bei diesem Konzept zu einer Überlastung der Klägerin kommen und dadurch eine hinreichende Betreuung bzw. das Wohl der Kinder oder Jugendlichen in Frage gestellt sein würde“ (Berufungsurteil S. 12); dabei hat das Berufungsgericht die bisherige Betreuung zweier Kinder durch die Klägerin berücksichtigt. Soweit die Klägerin der berufungsgerichtlichen Bewertung u.a. unter Hinweis auf ihre zeitliche Flexibilität, die Nichtanwendbarkeit gesetzlicher Arbeitszeitregelungen und das in der Erziehungsstelle angebotene Betreuungssetting entgegentritt, berührt dies ohne Aufweis weiter klärungsfähiger Rechtsfragen die einzelfallbezogene Rechtswendung.

6 Von einer weitergehenden Begründung zu der erhobenen Grundsatzrüge sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab. Das Vorbringen im Schriftsatz vom 3. August 2006 rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung.

7 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

8 2.1 Der innerhalb der Beschwerdefrist geltend gemachte Verfahrensmangel, dass der erkennende Senat des Berufungsgerichts im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei, weil die in Fällen einer Vakanz hinzunehmende Dauer der Wiederbesetzung des Vorsitzes des Spruchkörpers überschritten worden sei, liegt nicht vor. Ausweislich der Verfahrensakte ist der neue Vorsitzende des 12. Senats des Berufungsgerichts, VRiOVG Dr. P., noch Ende Januar 2006 ernannt und mit Beschluss des Präsidiums von 27. Januar 2006 zum Zeitpunkt der Ernennung mit der Maßgabe zum Vorsitzenden dieses Senats bestimmt worden, dass seine Zuweisung zum 7. Senat davon unberührt bleibe. Soweit die Beschwerde mit dem Vorbringen „Der Geschäftsverteilungsplan wurde erst am 07.03.2006 aktualisiert. Ausweislich dieser Aktualisierung war von da an die Vorsitzenden-Stelle mit dem VRiOVG Dr. P[...] besetzt“, eine Wiederbesetzung des Vorsitzes erst zum 7. März 2006 geltend machen wollte, träfe dies nicht zu. Die Mitteilung der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Juli 2006, diese Information sei der Homepage des Berufungsgerichts entnommen worden, nach gerichtsinterner Recherche habe ihre Prozessbevollmächtigte die telefonische Auskunft erhalten, dass es sich inhaltlich wohl um die Veröffentlichung des Beschlusses vom 27. Januar 2006 gehandelt haben dürfte und dass RiOVG Dr. P. am 27. Januar 2006 zum Vorsitzenden ernannt worden sei, weist darauf, dass die Klägerin insoweit an ihrem ursprünglichen Tatsachenvorbringen nicht festhält.

9 Der festzustellende Vakanzzeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Januar 2006 überschreitet nicht die nach der Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - BVerwG 3 C 4.85 - Buchholz 300 § 21f GVG Nr. 5; s.a. BGH, Urteil vom 13. September 2005 - VI ZR 137/04 - BGHZ 164, 87) hinzunehmende, angemessene Dauer, so dass den Ursachen dieser Vakanz nicht näher nachzugehen war und wegen der absehbaren Wiederbesetzung durch das Präsidium auch keine anderweitige Vorsorge, etwa durch Übertragung des Vorsitzes auf den Vorsitzenden Richter eines anderen Spruchkörpers, zu treffen war.

10 2.2 Das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Juli 2006, sie halte an dem geltend gemachten Verfahrensmangel fest, weil es unzulässig gewesen sei, dass der Vorsitzende mit Vermerk vom 2. Februar 2006 seine Verhinderung für den 13. Februar 2006 festgestellt habe, weil gemäß §§ 21e, 21f GVG nicht dieser, sondern der Präsident die Verhinderung des Vorsitzenden festzustellen habe, rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deswegen nicht, weil dieses Tatsachenvorbringen zur Stützung der Besetzungsrüge nicht Vorbringen, das innerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfolgt ist, ergänzt oder vertieft, sondern nach Ablauf der Frist einen neuen, von dem bisherigen Vorbringen qualitativ verschiedenen Tatsachenstoff einführt. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die von der Klägerin nicht beantragt worden ist, sind insoweit nicht erkennbar, weil die Klägerin den ihr mit Verfügung vom 16. Juni 2006 mitgeteilten Sachverhalt, wäre sie den Gründen für die Nichtteilnahme des VRiOVG Dr. P. an der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2006 nachgegangen, vor Ablauf der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO in Erfahrung hätte bringen können; dass sie sich insoweit - in der mündlichen Verhandlung selbst oder in der Folgezeit bis zum Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist - vergeblich um Aufklärung bemüht hätte, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich.

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.